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VwGH vom 25.04.2013, 2013/18/0044

VwGH vom 25.04.2013, 2013/18/0044

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Haunold und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der B, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/117.364/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbischen Staatsangehörige, ein auf § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei im April 2002 mit ihren drei Kindern nach Österreich gelangt und nach Ablauf ihres Visums unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben. Nachdem ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen worden sei, habe sie am den österreichischen Staatsbürger Johann V. geheiratet und - darauf gestützt - die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beantragt.

Am seien bei polizeilichen Erhebungen an der ehelichen Wohnanschrift die Beschwerdeführerin und ihr früherer Ehemann, der Vater der drei Kinder, angetroffen worden. Letztgenannter, nicht jedoch der österreichische Ehegatte der Beschwerdeführerin, sei befragten Wohnungsnachbarn bekannt gewesen.

Bei seiner bereits davor, nämlich am erfolgten Vernehmung habe Johann V. eingestanden, die Ehe mit der Beschwerdeführerin lediglich geschlossen zu haben, um dieser einen Aufenthaltstitel, einen Befreiungsschein und die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Er habe die Beschwerdeführerin über ihren früheren Ehemann kennengelernt und sei ersucht worden, sie zu heiraten. Dafür sei ihm ein Betrag von EUR 1.500,-- angeboten worden, bisher habe er jedoch kein Geld angenommen. Er habe zu keiner Zeit mit der Beschwerdeführerin, die mit ihrem geschiedenen Ehemann zusammenlebe, gemeinsam gewohnt oder gelebt.

Diese Angaben habe Johann V. am als wahrheitswidrig bezeichnet und mit seiner Eifersucht erklärt. Er wohne seit bei der Beschwerdeführerin, deren Wohnung ihr früherer Ehemann verlassen habe. Da er nicht Serbokroatisch und die Beschwerdeführerin kaum Deutsch spreche, übersetze deren elfjährige Tochter.

Nachdem die Beschwerdeführerin in eine andere Wohnung und Johann V. nach Wien 2 verzogen sei, habe dieser am angegeben, er habe in die neue Wohnung der Beschwerdeführerin nicht einziehen wollen, weil diese zu klein gewesen sei. Noch am Tag der Vernehmung werde er jedoch bei seiner Ehefrau einziehen, weil diese ihm mitgeteilt habe, dass sie von ihm schwanger sei. Johann V. - so die belangte Behörde weiter - habe sich jedoch erst am bei der Beschwerdeführerin - für die Dauer von vier Monaten - angemeldet.

Der Beschwerdeführerin sei am eine bis gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden.

Am 15. April "2006" (gemeint wohl "2005") habe Johann V. erneut zugegeben, mit der Beschwerdeführerin eine Scheinehe eingegangen zu sein, und im Wesentlichen seine Angaben vom wiederholt. Dabei habe er auch ausgesagt, sich "als falscher Vater" (für den am geborenen Sohn der Beschwerdeführerin) zur Verfügung gestellt zu haben, weil ihm dafür weitere EUR 1.000,-- angeboten worden seien. Diesen Betrag für seine unrichtigen Angaben habe er jedoch nie bekommen. Er wisse auch, dass die Beschwerdeführerin und ihr früherer Ehemann immer wieder im Sommerurlaub gemeinsam verreisten und offenbar tatsächlich auch zusammenlebten.

Ferner führte die belangte Behörde aus, neuerliche Erhebungen am hätten ergeben, dass Johann V. noch nie im Haus der Beschwerdeführerin gesehen worden sei. Am habe Johann V. erneut angegeben, die Ehe mit der Beschwerdeführerin zum Schein für einen Geldbetrag von EUR 1.500,-- geschlossen und für einen Betrag von EUR 1.000,-- zugestimmt zu haben, dass er als Vater in der Geburtsurkunde des am geborenen Kindes der Beschwerdeführerin eingetragen sei. Er habe bisher jedoch kein Geld erhalten und mit der Beschwerdeführerin nie zusammengelebt. Seit Dezember 2004 sei er in einem Männerwohnheim wohnhaft, davor habe er in Wien 11 bei einem Bekannten gewohnt. Er habe bereits die Scheidung und eine Vaterschaftsklage eingereicht.

In einem am vom Bezirksgericht D aufgenommenen Protokoll - so die belangte Behörde weiter - habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine Aussage über die Scheinehe wiederholt.

Die Ehe der Beschwerdeführerin mit Johann V. sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes D vom , rechtskräftig am , geschieden worden. Mit weiterem Beschluss des Bezirksgerichtes D vom sei rechtskräftig festgestellt worden, dass Johann V. nicht der Vater des am geborenen Kindes der Beschwerdeführerin sei.

Weiters führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe die Vernehmung mehrerer Zeugen beantragt. Ein Zeuge sei im Bundesgebiet nicht gemeldet gewesen. Auch die Vernehmung der anderen Zeugen sei unterblieben, weil nicht erkennbar gewesen sei, zu welchem konkreten Beweisthema diese auf Grund eigener Wahrnehmungen zeugenschaftliche Angaben hätten machen können. Ob die Ehe eine Scheinehe darstelle, sei eine Wertung, die einem Zeugen nicht zustehe.

Schließlich habe die Beschwerdeführerin im Zuge einer polizeilichen Amtshandlung am eingestanden, dass ihr früherer Ehemann, ein serbischer Staatsangehöriger, der unter mehreren Alias-Identitäten in Erscheinung getreten sei und gegen den ein Aufenthaltsverbot bestehe, wieder bei ihr wohnhaft sei.

Beweiswürdigend kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin mit Johann V. eine Scheinehe geschlossen habe, um einen Aufenthaltstitel und Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen. Sie stützte sich dabei auf die Ergebnisse der an der ehelichen Wohnanschrift durchgeführten Erhebungen und das für glaubwürdig erachtete, wiederholte Eingeständnis des Johann V, eine Scheinehe eingegangen zu sein. Dieser habe die zwischenzeitigen Widerrufe seines Eingeständnisses mit den dafür versprochenen Geldbeträgen nachvollziehbar erklären können. Überdies sei es nicht erklärbar, wie trotz der von ihm genannten sprachlichen Barrieren zwischen ihm und der Beschwerdeführerin eine auf Liebe und Zuneigung gestützte Beziehung entstehen hätte sollen. Im Übrigen seien seine Eingeständnisse viel zu detailliert gewesen, um frei erfunden zu sein. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht darlegen können, aus welchen Motiven Johann V. sie wahrheitswidrig belasten sollte. Ferner habe die Beschwerdeführerin während der aufrechten Ehe mit Johann V. ein Kind eines anderen Mannes zur Welt gebracht. Außer unsubstantiierten, auf die Einholung eines unzulässigen Erkundungsbeweises abzielenden Beweisanträgen habe sie keine Beweismittel geltend gemacht, die ein jemals bestandenes Ehebzw. Familienleben glaubhaft erscheinen hätten lassen.

Die Beschwerdeführerin habe daher den in § 60 Abs. 2 Z 9 FPG normierten Tatbestand verwirklicht. Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben.

Im Rahmen der gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung berücksichtigte die belangte Behörde, dass die Beschwerdeführerin geschieden und für vier Kinder sorgepflichtig sei, die mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebten. Da sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Familie zunächst illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe und ihr nur auf Grund der Scheinehe ein Aufenthaltstitel erteilt habe werden können, sei die ihr insgesamt zuzuschreibende Integration keinesfalls schwerwiegend. Auch ihre Beschäftigungsverhältnisse habe sie nur auf Grund der Scheinehe eingehen können. Ihre Kinder, die ihre Aufenthaltstitel ebenso auf die Scheinehe der Beschwerdeführerin gestützt hätten, hätten ebenfalls mit aufenthaltsbeendigenden Maßnahmen zu rechnen. Der Umstand, dass die drei älteren Kinder der Beschwerdeführerin gegebenenfalls zumindest zeitweise in Österreich die Schule besucht haben sollten, sei lediglich "Ausfluss der in Österreich geltenden Unterrichts- bzw. Schulpflicht". Es sei nicht vorgebracht worden, dass der Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihren Kindern ein Verlassen des Bundesgebietes und eine Rückkehr in ihre Heimat nicht möglich sei. Vielmehr sei der Beschwerdeführerin zuzumuten, sich in ihrem Heimatstaat, in dem sie jahrzehntelang gelebt habe, wieder zu integrieren. Sonstige familiäre Bindungen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet seien nicht aktenkundig. Dem stehe die schwerwiegende, von der Beschwerdeführerin wegen des Eingehens einer Scheinehe ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung gegenüber. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei somit im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () nach dem FPG idF des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme iSd Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt hat.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, bei der von ihr mit Johann V. geschlossenen Ehe handle es sich um eine Aufenthaltsehe. Dessen Angaben seien in keiner Weise geeignet, der Entscheidung zugrunde gelegt zu werden. Darüber hinaus habe sie die Vernehmung von vier namentlich genannten Zeugen zum Beweis dafür beantragt, dass keine Scheinehe vorliege. Die Nichtvernehmung dieser Zeugen stelle einen Verfahrensmangel dar.

Damit gelingt es der Beschwerdeführerin jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit oder Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufzuzeigen. Diese hat dabei die Ergebnisse der an der ehelichen Wohnanschrift durchgeführten Erhebungen berücksichtigt und in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise insbesondere dargelegt, weshalb sie die Angaben des Johann V. hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe - trotz des zwischenzeitigen Widerrufes des Eingeständnisses - als glaubwürdig erachtete. Auf die weiteren Argumente der belangten Behörde - etwa im Zusammenhang mit den zwischen den Eheleuten bestandenen sprachlichen Barrieren oder der während der aufrechten Ehe erfolgten Geburt eines Kindes der Beschwerdeführerin, dessen Vater nicht Johann V. ist - geht die Beschwerde im Übrigen gar nicht ein.

Das Beschwerdevorbringen betreffend die nicht erfolgte Vernehmung der allgemein "zum Beweis dafür, dass keine Scheinehe vorliegt" beantragten Zeugen zeigt keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf. Die Beschwerdeführerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde substantiiert dargelegt, welche konkreten Angaben die genannten Zeugen zur Frage des Vorliegens eines gemeinsamen Familienlebens zwischen der Beschwerdeführerin und Johann V. (aus eigenen Wahrnehmungen) hätten machen können. Somit wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

Aus den dargestellten Erwägungen begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Die Beschwerdeführerin erachtet ferner die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführte Interessenabwägung als rechtswidrig. Sie wirft der belangten Behörde vor, ihre "Aufenthaltsverfestigung", ihre durchgehende Beschäftigung in Österreich sowie den Umstand, dass auch ihre Kinder in Österreich lebten, nicht entsprechend berücksichtigt zu haben.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass die belangte Behörde wegen der genannten Umstände ohnehin einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen hat. Es kann ihr aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Gewicht der erzielten Integration der weniger als acht Jahre im Bundesgebiet aufhältigen Beschwerdeführerin angesichts ihres anfänglichen unrechtmäßigen Aufenthaltes nach Ablauf ihres Visums sowie deshalb als wesentlich gemindert ansah, weil die Erteilung eines Aufenthaltstitels am und ihre Beschäftigungsverhältnisse nur auf Grund des Eingehens einer Aufenthaltsehe möglich waren. Soweit die Beschwerdeführerin auf ihre "Aufenthaltsverfestigung" verweist, zeigt sie keine konkreten Umstände auf, die von der belangten Behörde bei ihrer Interessenabwägung noch zu berücksichtigen gewesen wären. Dem Beschwerdehinweis auf die in Österreich lebenden Kinder der Beschwerdeführerin ist zu entgegnen, dass sie damit nicht vorbringt, dass eine gemeinsame Rückkehr mit ihren Kindern, die ihre Aufenthaltstitel von ihrer Mutter ableiteten, in den gemeinsamen Heimatstaat unzumutbar wäre (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0528). Im Ergebnis trifft somit auch die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung auf keine Bedenken.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-87465