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VwGH vom 23.03.2010, 2006/18/0447

VwGH vom 23.03.2010, 2006/18/0447

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des G S in W, geboren 1977, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1074/06, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei laut seinen Angaben am illegal nach Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag eingebracht. Das Asylverfahren sei am für den Beschwerdeführer negativ abgeschlossen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt worden. Die Behandlung der daraufhin an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei von diesem im Oktober 2004 (nach Ausweis des in den Verwaltungsakten enthaltenen Auszuges aus der Asylwerberinformationsdatei richtig: Juni 2006) abgelehnt worden.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer sinngemäß vorgebracht, dass er am die indische Staatsangehörige K. ("indisch") geheiratet und mit ihr das am in Wien geborene Kind hätte. Die Vaterschaft wäre von ihm anerkannt worden.

In rechtlicher Hinsicht erachtete die belangte Behörde den Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG als erfüllt. In Bezug auf § 66 Abs. 1 leg. cit. führte sie aus, dass der Beschwerdeführer nach österreichischem Recht als unverheiratet gelte und für ein in Österreich lebendes Kind sorgepflichtig sei. Laut seinen Angaben sei er bei einem näher genannten Unternehmen beschäftigt sowie kranken- und sozialversichert. Aus den fremdenpolizeilichen Evidenzen sei ersichtlich, dass auch die Mutter des Kindes, hinsichtlich dessen der Beschwerdeführer die Vaterschaft anerkannt habe, seit August 2005 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei. Das Kind besitze allerdings eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.

Auf Grund der vorstehenden Tatsachen sei ein mit der Ausweisung des Beschwerdeführers verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben anzunehmen. Dessen ungeachtet sei die Ausweisung des Beschwerdeführers jedoch zulässig, weil den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten, beruflichen und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus Österreich.

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer eine indische Staatsangehörige - offensichtlich "nur" nach indischem Ritus - in Österreich geheiratet habe, könne zu keiner Stärkung seiner rechtlichen Position führen, zumal seine "Ehefrau" ebenfalls illegal in Österreich lebe. Es wäre dem Beschwerdeführer durchaus zumutbar, das weitere fremdenrechtliche Schicksal der Mutter seines Kindes, gegen die ein mittlerweile rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe, und des Kindes selbst im Ausland abzuwarten.

Besonders berücksichtigungswerte Gründe, die für eine positive Ermessensübung der Behörde ausschlaggebend sein könnten, seien weder vorgebracht noch erkannt worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, dies mit dem Bemerken, dass eine Gegenschrift nicht erstattet und beantragt werde, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen, dass das Verfahren über den vom Beschwerdeführer gestellten Asylantrag negativ abgeschlossen und die Behandlung einer dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde abgelehnt worden sei, begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 FPG und bringt vor, dass sich der Beschwerdeführer nicht in der Grundversorgung des Staates befinde und keinesfalls davon gesprochen werden könne, dass er eine Last für Österreich darstelle. Die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, dass im Kulturkreis des Beschwerdeführers und auch in Indien eine nach indischem Ritus geehelichte Frau als "richtige Ehefrau" gelte, und es seien ihm daher enge familiäre Bindungen im Inland sehr wohl zuzubilligen. Völlig unrichtig sei, dass sich die Ehefrau des Beschwerdeführers unrechtmäßig im Inland aufhalte. So habe der Verwaltungsgerichtshof "der Beschwerde gemäß § 7, 8 AsylG" aufschiebende Wirkung zuerkannt und gemäß § 30 Abs. 2 VwGG dem Antrag der Ehefrau des Beschwerdeführers mit der Wirkung stattgegeben, dass "der Antragstellerin wieder die Rechtsstellung als Asylwerberin zukomme wobei damit im besonderen jede Zurück- oder Abschiebung der Antragstellerin aus Österreich für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig ist". Da "die BF" sohin den Status einer rechtmäßigen Asylwerberin habe, könne weder ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot gegen sie bestehen noch ihr Aufenthalt unrechtmäßig sein. Vielmehr müsse der Beschwerdeführer sein Kind und seine Ehefrau erhalten, und es würde gerade seine Ausweisung bewirken, dass seine Familie Österreich zur Last fallen würde, weil weder für das Kind noch für seine Ehefrau gesorgt wäre. Der Beschwerdeführer habe Unterhaltspflichten gegenüber beiden Personen und jene durch sein Arbeitseinkommen wahrzunehmen. Es könne keinesfalls davon gesprochen werden, dass er "nur" nach indischem Ritus geheiratet habe, weil in Indien dieser Ritus die gleiche Rechtswirksamkeit wie jede andere standesamtlich geschlossene Ehe habe.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 FPG (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) hat die belangte Behörde die Bindungen des Beschwerdeführers zu der hier aufhältigen indischen Staatsangehörigen K. und zum gemeinsamen, am geborenen Kind, das eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz hat und für das er sorgepflichtig ist, sowie den Umstand, dass er bei einem näher genannten Unternehmen beschäftigt sowie kranken- und sozialversichert ist, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in Sinn der genannten Bestimmung angenommen. Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes im Bundesgebiet ableitbare Integration wird in ihrem Gewicht dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt nach seiner illegalen Einreise im Jahr 2001 nur auf Grund eines von ihm gestellten Asylantrages vorläufig berechtigt war, der sich als unberechtigt herausgestellt hat.

Was nun das Beschwerdevorbringen anlangt, dass die Eheschließung nach indischem Ritus in Indien die gleiche Rechtswirksamkeit wie jede andere standesamtlich geschlossene Ehe habe und ihm daher enge familiäre Bindungen im Inland sehr wohl zuzubilligen seien, so ist dazu Folgendes auszuführen: Die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer nach österreichischem Recht als unverheiratet gelte, ist nicht zu beanstanden. So wird in der Beschwerde nicht bestritten, dass die genannte Zeremonie nach indischem Ritus in Österreich stattgefunden hat. Gemäß § 16 Abs. 1 IPR-G, BGBl. Nr. 304/1978, ist die Form einer Eheschließung im Inland nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen. Gemäß § 15 Abs. 1 Ehegesetz kommt eine Ehe nur zustande, wenn die Eheschließung vor einem Standesbeamten stattgefunden hat. Gemäß § 17 Abs. 1 Ehegesetz wird die Ehe dadurch geschlossen, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Eine Trauungszeremonie nach indischem Ritus in Österreich führt daher nicht dazu, dass damit eine nach österreichischem Recht gültige Ehe zustande kommt. Aber auch wenn man dem Beschwerdeführer zubilligte, dass in seinem Kulturkreis K. als seine "richtige Ehefrau" gelte, so fällt dies bei der vorliegenden Interessenabwägung nicht entscheidend ins Gewicht, wurde doch diese Bindung nach indischem Ritus nach der negativen Beendigung des Asylverfahrens am und somit zu einem Zeitpunkt begründet, in dem sich die beteiligten Personen der Unsicherheit des Aufenthaltstatus des Beschwerdeführers bewusst sein mussten.

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass K. gegen den (sie betreffenden) negativen Asylbescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe und dieser mit hg. Beschluss vom aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, so wäre - unabhängig davon, ob diesem behaupteten Umstand überhaupt eine Relevanz für die Beurteilung der Zulässigkeit seiner Ausweisung beizumessen wäre - es dem Beschwerdeführer oblegen, ein diesbezügliches ergänzendes Vorbringen im Berufungsverfahren zu erstatten. Dies wurde jedoch unterlassen, sodass das genannte Beschwerdevorbringen gegen das verwaltungsgerichtliche Neuerungsverbot verstößt.

Den - relativierten - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich nach Beendigung seiner asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0258, mwN), darstellt. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. dazu nochmals dieses Erkenntnis) wäre der Beschwerdeführer nur dann vor einer Ausweisung geschützt und damit unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus berechtigt, wenn eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffes in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- oder Familienleben erforderlich wäre. Die genannten persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich stellen jedoch keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK dar, die eine sofortige Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung geboten hätten. Im Übrigen kann einer finanziellen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind auch vom Ausland her nachgekommen werden.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass § 66 Abs. 1 FPG der Erlassung der vorliegenden Ausweisung des Beschwerdeführers nicht entgegenstehe, begegnet somit keinem Einwand.

3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am