VwGH vom 19.01.2010, 2009/05/0068
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Marktgemeinde St. Margarethen im Burgenland, vertreten durch Schreiner Lackner Partner Rechtsanwälte in 7000 Eisenstadt, Esterhazyplatz 6a, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom , Zl. EU-02-04-86-2, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. K K, 2. J K, beide in St. Margarethen im Burgenland, beide vertreten durch Beck Dörnhöfer Rechtsanwälte OEG in 7000 Eisenstadt, Franz Liszt-Gasse 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Über Antrag des Bauwerbers G. S. vom erteilte der (Vize ) Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde mit Bescheid vom die baubehördliche Bewilligung für den Zubau zum bestehenden Gebäude und den Ausbau des Dachgeschosses auf dem Grundstück Nr. 344/2, KG St. Margarethen, unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen. Plangemäß sind zum benachbarten Grundstück Nr. 345, KG St. Margarethen, der mitbeteiligten Parteien drei Dachflächenfenster in einem Abstand von jeweils mindestens 1,5 m zur Grundgrenze vorgesehen.
Die mitbeteiligten Nachbarn erhoben Berufung, in welcher sie ausführten, dass sie die zu öffnenden und durchsichtigen Dachflächenfenster in der Nutzung ihres kleinen Hofes einschränkten. Bei Öffnung der Fenster entstünde eine Lärmbelästigung. Durch das Licht aus den Fenstern werde ihr Hof ausgeleuchtet. Es bestünde direkter Sichtkontakt in ihre Räume, wodurch deren Nutzung eingeschränkt und ihre Lebensqualität beeinträchtigt werde.
Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom wurde die Berufung des Erstmitbeteiligten als unbegründet abgewiesen.
Dagegen erhoben die mitbeteiligten Parteien Vorstellung, in welcher das Berufungsvorbringen wiederholt wurde. Ergänzend wurde vorgebracht, dass die Vorstellungswerber bisher in keinen Plan Einsicht bekommen hätten und für sie daher nicht erkennbar sei, wo die Dachflächenfenster tatsächlich eingebaut werden sollten. Die Außenmauer des bestehenden Gebäudes des Bauwerbers befände sich teilweise auf ihrem Grundstück; ein Ausbau des baufälligen Gebäudes sei daher nicht zulässig.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung des Erstmitbeteiligten Folge gegeben, der bekämpfte Berufungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit an die beschwerdeführende Marktgemeinde zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen (Spruchpunkt I.). Die Vorstellung der Zweitmitbeteiligten wurde als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). In der Begründung wurde ausgeführt, dass sich aus den vorgelegten Plänen und der von der P-Z-F ZT GmbH erstellten Vermessungsurkunde vom ergebe, dass das auf dem Grundstück Nr. 344/2, KG St. Margarethen, bestehende Gebäude um bis zu 24 cm in das Grundstück Nr. 345, KG St. Margarethen, hineinrage. Das Gebäude befände sich "auf diesem Grundstück". Ein Bauansuchen sei vom Grundstückseigentümer zu unterfertigen; die erforderliche Zustimmung des Grundeigentümers fehle jedoch. Die 50 cm starke Außenmauer an der Grenze der beiden Grundstücke bestehe auf Grund einer im Jahr 1949 erteilten baubehördlichen Genehmigung und werde mit dem gegenständlichen Bauvorhaben nicht verändert. Die Außenwand sei jedoch Teil des zu genehmigenden Projektes, da sie eine Wand des auszubauenden Dachgeschosses darstelle, ohne die das Projekt nicht umsetzbar wäre. Eine Reihe neu zu errichtender Mauern solle unmittelbar an die Außenmauer angebaut werden. Gegenstand des Projektes sei auch der Ausbau des Obergeschosses, das in Wohnraum umgewandelt werden solle. Neben der Neuerrichtung einer Geschossdecke seien auch Außenmauern vorgesehen, welche das Obergeschoss umschließen sollten. Ohne diese tragende Außenmauer sei das Projekt technisch nicht denkbar und das Gebäude auch praktisch nicht bewohnbar. Gemäß § 18 Abs. 4 Bgld BauG sei das unzulässige Bauvorhaben abzuweisen. Über die von der Zweitmitbeteiligten eingebrachte Berufung habe die Berufungsbehörde bisher nicht entschieden.
In der dagegen erhobenen Beschwerde der Marktgemeinde St. Margarethen wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die beschwerdeführende Marktgemeinde führt aus, ein Abweisungsgrund im Sinne des § 28 Abs. 4 Bgld BauG läge nicht vor. Die gegenständliche Außenmauer des Gebäudes, auf welches sich das Bauansuchen der Bauwerber beziehe, bestehe seit über 60 Jahren und sei im Jahre 1949 baubehördlich genehmigt worden. Im gegenständlichen Fall werde lediglich die Dachkonstruktion des bestehenden Gebäudes geändert, sonstige Änderungen seien nicht vorgesehen, weshalb auf Grund der konsensgemäßen Verwendung des Altbestandes auch der Zu- bzw. Ausbau zu genehmigen sei. Die Vermessungsurkunde, auf die sich die belangte Behörde beziehe, sei eine "Vorauspause" und keine relevante Urkunde. Sie diene lediglich einer grundbücherlichen Teilung und keiner Grenzfeststellung. Die Einwendungen der Nachbarn seien präkludiert. Die Grenzverletzung werde erstmalig in der Vorstellung geltend gemacht. Auf dieses Vorbringen sei nicht mehr einzugehen. Es liege eine falsche Beurteilung der Gesetzeslage vor. Die belangte Behörde hätte die Burgenländische Bauverordnung anwenden müssen. Die Zweitmitbeteiligte habe keine Rechtsmittellegitimation, weil nur der Erstmitbeteiligte Berufung erhoben habe.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift mit dem Antrag die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 84 Abs. 6 Burgenländische Gemeindeordnung ist die Gemeinde nach Aufhebung eines gemeindebehördlichen Bescheides infolge Vorstellung durch die Aufsichtsbehörde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht dieser Behörde gebunden.
Gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG hat die Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen.
Mit Bescheidbeschwerde kann eine Rechtsverletzung von der Gemeinde releviert werden, wenn die Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides überhaupt nicht hätte erfolgen dürfen, aber auch dann, wenn der Gemeindebehörde mit dem Vorstellungsbescheid eine Rechtsansicht überbunden wird, die eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechtes bewirkt. Der Bescheid der Vorstellungsbehörde ist daher wegen der Bindungswirkung schon dann aufzuheben, wenn sich auch nur ein den Spruch tragender Aufhebungsgrund als rechtswidrig erweist. Die Bindung des aufsichtsbehördlichen Bescheides erstreckt sich nicht auf weitere - die Aufhebung nicht tragende - Ausführungen der Vorstellungsbehörde, so etwa auf Hinweise auf die weitere Verfahrensführung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0220).
Tragender Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides ist die zur Aufhebung des gemeindebehördlichen Berufungsbescheides führende Rechtsansicht der belangten Behörde, es liege die Zustimmung des Grundstückseigentümers nicht vor; diese wäre erforderlich gewesen, weil das im Jahre 1949 baubehördlich bewilligte und errichtete Gebäude des Bauwerbers mit seiner Außenmauer bis zu 24 cm auf dem Grundstück der mitbeteiligten Parteien errichtet worden sei; das Bauansuchen wäre daher gemäß § 18 Abs. 4 Bgld BauG abzuweisen gewesen.
Gemäß § 18 Abs. 2 erster Satz Bgld BauG hat der Bauwerber (Grundeigentümer oder andere Person mit Zustimmung des Grundeigentümers) dem von ihm unterfertigten schriftlichen Ansuchen die für die baupolizeiliche Beurteilung des Bauvorhabens erforderlichen Unterlagen anzuschließen.
Gemäß § 18 Abs. 4 leg. cit. ist das Ansuchen um Baubewilligung ohne Durchführung einer Bauverhandlung abzuweisen, wenn sich schon aus dem Ansuchen ergibt, dass das Vorhaben unzulässig ist und sich die Gründe der Unzulässigkeit nicht beheben lassen.
§ 21 Bgld BauG bestimmt auszugsweise:
"(1) Parteien im Bauverfahren sind
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1. | der Bauwerber, |
2. | der Grundeigentümer bzw. die Miteigentümer, wenn der Bauwerber nicht Alleineigentümer ist, sowie |
3. | die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind (Nachbarn). |
(2) Ein Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt wird.
...
(4) Wird die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (zB Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien) behauptet, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Nachbarn dienen (öffentlichrechtliche Einwendung), hat die Baubehörde hierüber im Bescheid zu erkennen und gegebenenfalls die Baubewilligung zu versagen oder die Einwendung als unbegründet abzuweisen und die Baubewilligung zu erteilen.
..."
Entgegen dem Beschwerdevorbringen war die belangte Behörde verpflichtet, den diesbezüglichen, erstmals in der Vorstellung erhobenen Einwand der mitbeteiligten Parteien zu berücksichtigen, weil im Vorstellungsverfahren nach der Burgenländischen Gemeindeordnung mangels einer dem § 41 Abs. 1 VwGG entsprechenden Regelung kein Neuerungsverbot (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0195) besteht und der Einwand der fehlenden Zustimmung des Grundeigentümers keine bloße Einwendung gegen das geplante Bauvorhaben im Sinne einer Nachbareinwendung ist. Die gesetzlich geforderte Zustimmung des Grundeigentümers ist eine Bewilligungsvoraussetzung, deren Fehlen einen Versagungsgrund darstellt. Diese Zustimmung muss nicht nur im Zeitpunkt der Einbringung des Baubewilligungsantrages, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung darüber vorhanden sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 0900/75, VwSlg Nr. 8.995/A). Den (Mit )Eigentümern eines Grundstückes kommt im Baubewilligungsverfahren gemäß § 21 Abs. 1 Z. 2 Bgld BauG Parteistellung zu. Diese Parteistellung ist nicht wie die der Nachbarn (§ 21 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 2 Bgld BauG) an die Erhebung von begründeten Einwendungen (siehe § 21 Abs. 3 Bgld BauG) im Sinne des § 42 AVG gebunden (vgl. die zur insoweit vergleichbaren Rechtslage der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 ergangenen hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/05/0332, und vom , Zl. 2008/05/0273).
Ob eine Zustimmung des Grundeigentümers gemäß § 18 Abs. 2 Bgld BauG im Baubewilligungsverfahren erforderlich ist, kann abschließend nur geklärt werden wenn feststeht, wer Eigentümer des Baugrundstückes ist.
Auf Grund der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen soll mit dem im Jahre 1949 baubehördlich bewilligten Gebäude des Bauwerbers die Grundgrenze überbaut worden sein und die Außenmauer dieses Gebäudes teilweise (bis zu 24 cm) auf dem Grundstück der mitbeteiligten Parteien stehen.
Bei Beurteilung der Eigentumsverhältnisse am überbauten Grund ist aber zu berücksichtigen, dass für einen Grenzüberbau, soweit er nur einen Teil des Bauwerkes auf fremdem Grund betrifft, die allgemeinen Regeln der §§ 415, 416 ABGB anzuwenden sind. Treffen die Feststellungen der belangten Behörde über das Ausmaß der Grenzüberbauung zu, so ist davon auszugehen, dass die in Anspruch genommene Grundfläche der mitbeteiligten Parteien im Vergleich zum nicht überbauten Teil geringwertig ist. Diesfalls erwirbt aber selbst ein unredlicher Bauführer Eigentum an der überbauten Nachbargrundfläche. Auch die Mappengrenze eines in den Grenzkataster eingetragenen Grundstücks ist in diesem Fall richtig zu stellen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0206, m.w.N.).
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser im ausgesprochenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Insoweit in der Beschwerde ausgeführt wird, dass die zweitmitbeteiligte Partei keine Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid erhoben habe, vermag sie jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass zwar im Kopf des Berufungsschriftsatzes nur der Erstmitbeteiligte angeführt ist, die Berufungsausführungen sind jedoch in "Wir"-Form abgefasst. Unterfertigt wurde die Berufung von beiden mitbeteiligten Parteien. Es bestehen sohin keine Zweifel, dass die Berufung auch von der Zweitmitbeteiligten erhoben worden ist.
Eine Verletzung der beschwerdeführenden Marktgemeinde in ihrem Recht auf Selbstverwaltung liegt somit insoweit nicht vor, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere § 50 VwGG.
Wien, am