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VwGH vom 18.06.2013, 2013/18/0036

VwGH vom 18.06.2013, 2013/18/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Haunold und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des RN, vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/425.422/2010, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 63 Abs. 5 iVm § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der erstinstanzliche Bescheid sei dem Beschwerdeführer am eigenhändig zugestellt worden. Sohin habe die zweiwöchige Berufungsfrist am geendet. Die undatierte Berufung des Beschwerdeführers sei nach dem auf ihr angebrachten Aktenvermerk am um 7.25 Uhr im Polizeianhaltezentrum samt Vollmacht (des den Beschwerdeführer vertretenden Vereins) abgegeben worden.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom sei dem Beschwerdeführer dieser Umstand und die daraus ableitbare Verspätung der Berufung vorgehalten worden.

In seiner dazu ergangenen Stellungnahme habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, die belangte Behörde gehe irrtümlicherweise von der Verspätung der Berufung aus, weil diese am fristgerecht eingebracht worden sei. Als Beweis sei auf eine Faxbestätigung der erfolgten Übertragung vom , die diesem Schreiben beiliegen solle, verwiesen worden. Die beiden beigelegenen Sendebestätigungen - so die belangte Behörde - hätten jedoch vom gestammt und die Stellungnahme selbst, nicht jedoch die verfahrensgegenständliche Berufung betroffen. Es sei auch keine Berufungsschrift aktenkundig, die bei der erstinstanzlichen Behörde per Fax fristgerecht eingebracht worden wäre.

Da der Beschwerdeführer sohin weder bestritten habe, dass die Berufung erst am im Polizeianhaltezentrum abgegeben worden sei, noch glaubhaft habe machen können, dass er bereits zuvor und fristgerecht ein Rechtsmittel per Fax eingebracht hätte, sei die Berufung zurückzuweisen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde habe es unterlassen, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Da der Beschwerdeführer von der belangten Behörde nicht vernommen worden sei, habe er den Sachverhalt nicht in ausreichender Weise ausführlich darstellen können und er sei in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Ferner sei die Vertretung des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, der MigrantInnenverein S, nicht zur Vorlage der entsprechenden Faxbestätigung aufgefordert worden. Fakt sei, dass der Beschwerdeführer die Berufung durch seine Vertretung per Telefax am um 21.46 Uhr, sohin rechtzeitig eingebracht habe. Zum Beweis dafür wird auf eine der Beschwerde beiliegende Sendebestätigung verwiesen.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer am zugestellt wurde und die Berufungsfrist gemäß § 63 Abs. 5 AVG somit mit Ablauf des endete.

Zu Recht wirft die Beschwerde der belangten Behörde eine Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht (vgl. § 39 Abs. 2 AVG) vor.

Zwar findet die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhalts dort ihre Grenze, wo es der Mitwirkung der Partei bedarf (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0035, mwN). Im vorliegenden Fall kann jedoch weder dem Beschwerdeführer eine Verletzung der Mitwirkungspflicht vorgeworfen werden, noch durfte die belangte Behörde auf Grund der aufgenommenen Beweise von einem bereits vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen.

In der mit datierten Verständigung der belangten Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde die Annahme der verspäteten Einbringung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom damit begründet, dass die Berufung erst am und somit um einen Tag verspätet eingebracht worden sei. Der Beschwerdeführer verwies dazu mit (undatierter) Eingabe seines Vertreters auf eine fristgerechte, nämlich am erfolgte Einbringung der Berufung und - zum Beweis dafür - auf eine entsprechende Faxbestätigung, die seiner Eingabe beiliegen sollte. Tatsächlich stammten - wie auch im angefochtenen Bescheid festgestellt wurde - die beiden der Eingabe beiliegenden Sendebestätigungen (von denen eine offenkundig eine zunächst fehlgeschlagene Übermittlung betraf) vom , also dem Tag der Übermittlung dieser Eingabe, und betrafen eben dieses Schreiben und nicht - wie angekündigt - die Berufung.

Den auf Grund des insoweit bestehenden Widerspruchs zwischen dem Inhalt der erwähnten Eingabe des Beschwerdeführers und den mit ihr tatsächlich übermittelten Sendebestätigungen offenkundig zu Tage getretenen Irrtum des Beschwerdeführers (bzw. seines Vertreters) hätte die belangte Behörde zum Anlass nehmen müssen, den Beschwerdeführer ergänzend zur Vorlage der von ihm erwähnten, die rechtzeitige Einbringung der Berufung am beweisenden Sendebestätigung aufzufordern.

Dies hat die belangte Behörde unterlassen. Sie durfte ihrer Entscheidung damit aber nicht ohne weiteres zugrunde legen, dass der Beschwerdeführer die fristgerechte Einbringung der Berufung nicht glaubhaft habe machen können. Diesem war es - entgegen der in der Gegenschrift der belangten Behörde vertretenen Ansicht - auch nicht verwehrt, die nach seinem Vorbringen die rechtzeitige Einbringung der Berufung nachweisende Sendebestätigung mit der gegenständlichen Beschwerde vorzulegen. Unter Berücksichtigung dieses Beweismittels hätte die belangte Behörde jedoch zu einem anderen Bescheid kommen können.

Aus den genannten Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-87444