VwGH vom 22.05.2013, 2013/18/0035
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Haunold und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des SD, vertreten durch Mag. Andreas Duensing, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. E1/13119/2010, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, der sich auch schon davor illegal in Österreich aufgehalten hatte, war nach Ablauf eines ihm bis erteilten Visums im Bundesgebiet verblieben. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde er wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1, 130 StGB, des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB sowie des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt.
Dem Urteil lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zusammen mit Mittätern in gewerbsmäßiger Absicht im Zeitraum vom bis in vier Fällen Diebstähle durch Einbruch begangen hatte und dabei fremde bewegliche Sachen (vor allem Schmuck und Uhren) in einem EUR 40.000,-- übersteigenden Wert (insgesamt mehr als EUR 830.000,--) mit Bereicherungsvorsatz weggenommen hatte. Ferner hatte er sich in der Zeit von Februar 2003 bis Mitte März 2004 als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung beteiligt. Darüber hinaus hatte er im Juli 2003 verfälschte ausländische öffentliche Urkunden (drei slowakische Reisepässe und einen slowakischen Führerschein), im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes und einer Tatsache gebraucht. Schließlich hatte er am einen Pkw sowie - zusammen mit vier Mittätern - am
27. oder drei Pkw ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen.
Gestützt auf diese strafgerichtliche Verurteilung und das ihr zugrunde liegende Fehlverhalten erließ die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn (im Folgenden: BH) mit Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Am wurde der Beschwerdeführer auf Grund einer Entschließung des Bundespräsidenten aus der Haft entlassen. Dem Strafregisterauszug zufolge wurde der Rest der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehen. Am selben Tag reiste der Beschwerdeführer freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.
Im Dezember 2006 heiratete der Beschwerdeführer in Serbien eine österreichische Staatsbürgerin. Sein in weiterer Folge gestellter Antrag vom auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes wurde mit Bescheid der BH vom abgewiesen.
Ein weiterer, mit Schriftsatz vom eingebrachter Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes wurde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) abgewiesen.
Begründend hielt die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag auf ein nunmehr sechsjähriges Wohlverhalten und auf eine Fehlgeburt, die seine Ehefrau auf Grund der wegen der Trennung schwierigen Situation erlitten habe, hingewiesen. Eine Ausreise der Ehefrau, die in Österreich ein regelmäßiges Einkommen habe, in den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sei ihr auf Grund ihrer zwei Kinder nicht möglich. Der Beschwerdeführer hätte bei seiner Ehefrau eine Wohnmöglichkeit und gegenüber dieser einen Anspruch auf Unterhalt.
In ihren Erwägungen führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr habe sich seit dem Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht wesentlich reduziert. Selbst unter Zugrundelegung des Gefährdungsmaßstabes nach § 86 FPG könne die Gefährdungsprognose aufrechterhalten werden. Die der strafgerichtlichen Verurteilung vom zugrunde liegenden, vom Beschwerdeführer und den Mittätern über fast ein Jahr hinweg in gewerbsmäßiger Absicht begangenen Einbruchsdiebstähle seien "generalstabsmäßig vorbereitet" gewesen und hätten auf Grund der professionellen Durchführung und der sehr hohen Schadenssummen eine erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit verursacht. Auf Grund dieses Fehlverhaltens gehe vom Beschwerdeführer nach wie vor eine massive Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aus.
Dem Wohlverhalten des Beschwerdeführers während der Haftzeit komme für die Erstellung der Gefährdungsprognose kein entscheidendes Gewicht zu. Hinsichtlich des Zeitraumes nach seiner Haftentlassung im Oktober 2006 sei zwar von einem Wohlverhalten auszugehen; ein bloß vierjähriges Wohlverhalten könne aber nach derart schweren, gehäuft und professionell begangenen Straftaten im Rahmen einer kriminellen Vereinigung noch nicht zu einer für den Beschwerdeführer positiven Zukunftsprognose führen. Auf Grund der bedingten Haftentlassung bereits rund eineinhalb Jahre nach der Verurteilung hege die belangte Behörde außerdem die Befürchtung, dass die spezialpräventive Wirkung der verbüßten Freiheitsstrafe auf Grund der kriminellen Energie des Beschwerdeführers nicht nachhaltig sein könnte.
Ferner sei in Betracht zu ziehen, dass der Beschwerdeführer "bei eventuellen Problemen in Freiheit", wie sie sich etwa bei einem fehlenden Arbeitsplatz trotz der Unterhaltsleistung der Ehefrau ergeben könnten, bei einem Aufenthalt im Bundesgebiet leicht wieder rückfällig werden könnte. Die der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten habe der Beschwerdeführer nämlich auch während einer Zeit begangen, in der er über kein legales Einkommen verfügt habe. Außerdem sei davon auszugehen, dass er seine Kontakte in das kriminelle Milieu jederzeit wieder aktivieren könnte, um neuerlich fortgesetzt Delikte gegen fremdes Vermögen zu begehen.
An geänderten familiären Verhältnissen berücksichtigte die belangte Behörde die im Dezember 2006 erfolgte Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die mit ihren zwei Kindern aus erster Ehe in Wien wohnhaft sei und einer Erwerbstätigkeit als Angestellte nachgehe. Zu beachten sei jedoch, dass diese Heirat während der Geltung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes erfolgt sei und die Eheleute somit nicht mit einem dauernden legalen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich hätten rechnen dürfen. Den Kontakt zu seiner Ehefrau könne der Beschwerdeführer auch durch deren Besuche im Ausland bzw. durch "sonstige Möglichkeiten der Kommunikation" aufrechterhalten. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung der fortgesetzten Begehung von gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstählen überwiege das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , B 1773/10-3, die Behandlung der vom Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat diese mit Beschluss vom , B 1773/10-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vom Beschwerdeführer ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () nach dem FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.
Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben. Bei Fremden, die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - wie der Beschwerdeführer - die Stellung eines Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grunde des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG zulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0032, mwN).
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, dass sich die von ihm ausgehende Gefahr seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht wesentlich reduziert habe und die Voraussetzungen für dessen Aufhebung nicht vorlägen. Angesichts der bedingten Entlassung aus der Strafhaft sei von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen. Die belangte Behörde habe unzulässig zu Lasten des Beschwerdeführers eine bei diesem bestehende äußerst hohe kriminelle Energie vermutet. Vielmehr sei der Beschwerdeführer resozialisiert, er habe auch keine kriminellen Kontakte. Überdies habe er über fünf Jahre hindurch mit einem nicht sehr hohen Einkommen das Auslangen gefunden und kein rechtswidriges Verhalten gesetzt. Der Wunsch, mit seiner Familie ein "normales Familienleben" zu führen und mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Kind zu haben, werde ihn mit Sicherheit davon abhalten, nochmals straffällig zu werden.
Dem ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend auf die Schwere der der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten vierjährigen Freiheitsstrafe zugrunde liegenden Straftaten verwiesen hat. Dieses Fehlverhalten hatte der Beschwerdeführer über einen mehrmonatigen Zeitraum als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und in gewerbsmäßiger Absicht gesetzt, wobei der Gesamtschaden mehr als EUR 830.000,-- betragen hatte. Es ist nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde deshalb und vor dem Hintergrund des bedeutenden öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität eine massive Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer angenommen hat. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass die belangte Behörde angesichts eines erst ca. vierjährigen Wohlverhaltens nach der - unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren erfolgten - vorzeitigen Entlassung aus der Strafhaft am auf Grund der angeführten Entschließung des Bundespräsidenten aus dem persönlichen Verhalten des Beschwerdeführers eine (aktuell noch bestehende) tatsächliche und erhebliche Gefahr im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG ableitete. Dass die belangte Behörde bei ihrer Gefährdungsprognose u.a. auf die finanzielle bzw. berufliche Situation des Beschwerdeführers im Zeitraum der Begehung der Straftaten abstellte und - trotz seiner in der Zwischenzeit erfolgten Eheschließung - teilweise Parallelen zu den aktuellen persönlichen Verhältnissen zog, erweist sich entgegen dem Standpunkt in der Beschwerde als unbedenklich. Zutreffend hat die belangte Behörde auch dargelegt, dass die Fremdenpolizeibehörde das Verhalten des Fremden allein aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen hat, ohne dass hiefür die Gründe für die vorzeitige bedingte Entlassung im Gnadenweg maßgeblich wären.
Ferner hat die belangte Behörde die in der Beschwerde - im Ergebnis auch unter dem Aspekt der gemäß § 66 FPG gebotenen Interessenabwägung - vorgebrachten familiären Verhältnisse ausreichend berücksichtigt. Sie durfte dabei auch einbeziehen, dass der Beschwerdeführer die nunmehrige familiäre Bindung zu seiner Ehefrau zu einem Zeitpunkt eingegangen ist, zu dem er auf Grund des gegen ihn verhängten unbefristeten Aufenthaltsverbotes nicht mit einem rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Eine allfällige, aus der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes resultierende Trennung von seiner Ehefrau ist somit im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Der Beschwerdehinweis auf die Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung seiner Ehefrau auf Grund deren Alters ändert daran nichts.
Die belangte Behörde hat daher insgesamt - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht vorgelegen sind.
Soweit die Beschwerde bemängelt, dass durch die Nichtaufhebung des Aufenthaltsverbotes letztlich "eine weitere Sanktion" für das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers gesetzt werde, ist ihr zu entgegnen, dass ein Aufenthaltsverbot keine Strafe, sondern eine administrativ-rechtliche Maßnahme darstellt; die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung desselben hat die belangte Behörde - wie dargelegt - ausreichend geprüft.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am