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VwGH vom 13.03.2007, 2006/18/0433

VwGH vom 13.03.2007, 2006/18/0433

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der MS in W, geboren 1962, vertreten durch Unterweger, Bitsche, Einwallner, Rechtsanwälte und Rechtsanwältin in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1004/06, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen einen Ausweisungsbescheid, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , mit welchem sie gemäß § 54 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 10 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.

Der Ausweisungsbescheid sei der Beschwerdeführerin rechtswirksam zugestellt worden. Die dagegen erhobene Berufung sei nicht von ihr, sondern von (ihrem Sohn) Mersudin S., geboren am , eingebracht worden. Der Berufung sei keine schriftliche Vollmacht beigelegen. Mersudin S. sei Gelegenheit gegeben worden, dieses Formgebrechen im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG zu beheben. Mit Schreiben vom sei er aufgefordert worden, binnen Wochenfrist eine entsprechende Vollmacht vorzulegen, weil die Berufung sonst als unzulässig zurückgewiesen werden müsste.

Am sei bei der belangten Behörde ein als Vollmacht bezeichnetes, mit datiertes Schreiben eingelangt:

"Ich (Beschwerdeführerin) bevollmächtige meinen Sohn, S. Mersudin, geboren am ... für mich eine Aufenthaltstitel zu beantragen."

Auf Grund des eindeutigen Wortlautes in der Vollmacht "... bevollmächtige meinen Sohn ..." sei das Vollmachtsverhältnis erst zum Zeitpunkt der Datierung des als Vollmacht bezeichneten Schriftstückes als begründet anzusehen. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung habe kein Vollmachtsverhältnis vorgelegen. Erfolge die Begründung des Vollmachtsverhältnisses zur Vertretung bei einer fristgebundenen Verfahrenshandlung erst nach Fristablauf, so bewirke dies nicht die Rechtswirksamkeit der von dem noch nicht Bevollmächtigten seinerzeit gesetzten Verfahrenshandlung. Da in den Verwaltungsverfahrensgesetzen eine dem § 38 ZPO vergleichbare Regelung nicht enthalten sei, komme die nachträgliche Genehmigung einer (bis dahin) von einem Scheinvertreter gesetzten fristgebundenen Verfahrenshandlung nicht in Frage. Die Berufung sei zurückzuweisen, weil der Sohn der Beschwerdeführerin weder Partei des Verfahrens noch bevollmächtigter Vertreter sei. Überdies sei der Sohn der Beschwerdeführerin dem Wortlaut der Vollmacht zufolge (nur) bevollmächtigt worden, für die Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel zu beantragen. Das Einbringen einer Berufung in der gegenständlichen (Ausweisungs-)angelegenheit sei von der Vertretungsbefugnis nicht umfasst.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels beantragt. Dieser Antrag sei abgelehnt und gegen die Beschwerdeführerin eine Ausweisung verfügt worden. Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung sei von ihrem Sohn, Mersudin S., schriftlich eingebracht worden. Eine schriftliche Vollmacht sei der Berufung nicht beigelegt worden. Selbstverständlich sei die Beschwerdeführerin jedoch in Kenntnis davon gewesen, dass ihr Sohn eine Berufung gegen den Ausweisungsbescheid einbringen würde. Dies sei auch ihr ausdrücklicher Wunsch gewesen. Eine mündliche Bevollmächtigung des Sohnes zur Erhebung des gegenständlichen Berufung sei zum Zeitpunkt der Berufungserhebung gegeben gewesen. Wenn die Berufung das Datum trage, so nur aus dem Grund, weil die Bevollmächtigung nachträglich dokumentiert worden sei. Die Ansicht der Behörde, dass auf Grund des Wortlautes der Vollmacht das Vollmachtsverhältnis erst zum Zeitpunkt der Datierung des als Vollmacht bezeichneten Schriftstückes als begründet anzusehen wäre, sei verfehlt. Bei der Auslegung der Vollmacht sei aber auch zu beachten, dass diese von einer rechtsunkundigen, nicht anwaltlich vertretenen Person mit nicht deutscher Muttersprache stamme. Der Standpunkt der belangten Behörde, der Sohn der Beschwerdeführerin sei nur bevollmächtigt worden, für sie einen Aufenthaltstitel zu beantragen, sodass die Einbringung einer Berufung in der gegenständlichen Angelegenheit von der Vertretungsbefugnis nicht umfasst wäre, sei zu streng. Es sei auf den Willen der Beschwerdeführerin abzustellen, den sie mit ihrer "Vollmacht" habe zum Ausdruck bringen wollen. Daraus ergebe sich zweifelsfrei, dass sie gewünscht habe, dass ihr Sohn für sie im fremdenrechtlichen Verfahren tätig werden soll, mit dem Ziel, einen Aufenthaltstitel für sie zu bekommen. Daraus folge, dass diese Vollmacht die Berechtigung zur Setzung sämtlicher erforderlicher Schritte zur Erreichung dieses Zieles beinhalte. Schließlich habe die belangte Behörde ihre Manuduktionspflicht verletzt. Sie hätte die Beschwerdeführerin darüber belehren müssen, welche Erfordernisse an eine gültige Vollmacht gestellt würden.

2.1. Das Fehlen einer schriftlichen Vollmacht stellt einen Mangel im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG dar (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/19/0063, vom , Zl. 2004/07/0170, und vom , Zl. 95/17/0384). Die beschwerdeführende Partei ist dem deswegen ergangenen Auftrag der belangten Behörde zur Mängelbehebung dadurch nachgekommen, dass sie eine Vollmacht mit dem oben dargestellten Inhalt vorgelegt hat.

2.2. Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der durch eine Vollmacht dokumentierten Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen.

Die belangte Behörde hegte einerseits Zweifel daran, dass die Bevollmächtigung des Sohnes der Beschwerdeführerin schon zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung vom bestanden hat, andererseits daran, dass der Umfang der Vollmacht auch die besagte Einbringung der Berufung umfasst hat.

Da das - nach dem Gesagten maßgebende - bürgerliche Recht die Erteilung einer Vollmacht grundsätzlich an keine Form bindet, hat die Behörde in der Regel von der Rechtsgültigkeit einer mündlich erteilten Vollmacht auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0460). Eine Bevollmächtigung kommt bereits durch einseitige empfangsbedürftige (mündliche) Willenserklärung des Machtgebers (und nicht erst mit der schriftlichen Dokumentation einer solchen Bevollmächtigung) zu Stande. Es genügt der "Empfang" durch den Vertreter (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/0063). Durch die Berufung auf die Vollmacht gegenüber der Behörde oder durch die Vorlage der Vollmachtsurkunde an die Behörde wird die Vollmacht nach außen wirksam (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/07/0164). Für die Wirksamkeit einer durch eine Vertreter vorgenommenen Verfahrenshandlung ist das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Vornahme der Verfahrenshandlung erforderlich. Es genügt, wenn ein zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung bestehendes (mündliches) Vollmachtsverhältnis erst nachträglich beurkundet wird (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0170). Aus der Datierung eine vorgelegten Vollmachtsurkunde kann nicht darauf geschlossen werden, dass erst mit der Datierung der Urkunde das Vollmachtsverhältnis entstanden wäre (vgl. das ebenfalls bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0384).

Sollte die belangte Behörde auch unter Bedachtnahme auf die dargestellte Rechtslage konkrete Zweifel daran gehegt haben, dass der Sohn der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung tatsächlich bevollmächtigt war bzw. daran, dass die (durch die schriftliche Vollmacht dokumentierte mündliche) Erklärung der Beschwerdeführerin dahin auszulegen ist (§§ 914 ff ABGB), dass sie auch für das gegenständliche Ausweisungsverfahren Geltung habe, so hätte sie von Amts wegen entsprechende Ermittlungen vorzunehmen gehabt. In Betracht kommt dabei vor allem die diesbezügliche Einvernahme des Vertretenen. Solche Ermittlungen werden nämlich nicht nur bei Zweifeln über den Bestand der Bevollmächtigung an sich, sondern auch bei Zweifeln über den Umfang der Bevollmächtigung oder daran, dass die Bevollmächtigung von einer hiezu befugten Person bzw. einer diesbezüglich handlungsfähigen Person erfolgte, vorzunehmen sein (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 95/17/0384).

Die belangte Behörde hätte daher ihre Zweifel an den genannten Qualitäten der Vollmacht nicht zum Anlass nehmen dürfen, ohne entsprechende Ermittlungen vom Nichtvorliegen einer Vollmacht auszugehen und die Berufung zurückzuweisen.

3. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am