VwGH vom 11.05.2010, 2009/05/0053
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Q, vertreten durch Dr. Peter Balogh Rechtsanwalts KEG in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 58/12A, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 5-BB-107- 1140/2-18, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. A H, 2. B H, 3. B H jun., alle in Q, alle vertreten durch Hasberger/Seitz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Mit Bauansuchen vom beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Heurigenlokales mit Büro und zwei Wohnungen auf ihrem Grundstück Nr. 618 der Liegenschaft EZ Y, KG Q. Das Baugrundstück liegt laut rechtsgültigem Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Q im gemischten Baugebiet.
In der dem Baubewilligungsantrag in der Folge zu Grunde gelegten Baubeschreibung vom werden die Betriebszeiten des Heurigenlokals mit "ganzjährig, täglich von 16.00 - 02.00 Uhr" angegeben. In der Betriebsbeschreibung wird ausgeführt, dass das Heurigenrestaurant ganzjährig betrieben werden soll und zwar im Rahmen der Betriebszeiten bis 1:00 Uhr, der Gartenbetrieb im Rahmen der Betriebszeiten bis 22:00 Uhr. Der Hof soll laut Planunterlagen Sitzmöglichkeiten für ca. 90 Personen bieten.
Die mitbeteiligten Parteien sind Eigentümer des im Südosten an das Baugrundstück anrainenden Grundstückes Nr. 610, KG Q, sie erhoben gegen das Bauvorhaben Einwendungen, insbesondere wegen unzumutbarer Lärmbelästigung.
Mit Bescheid des Bezirkshauptmannschaft N vom wurde der Beschwerdeführerin die beantragte Bewilligung unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen erteilt.
Die zum Bestandteil dieses Bescheides erklärte Baubeschreibung lautet (auszugsweise):
"Auf dem Grundstück Nr. 618 der KG Q ist die Errichtung eines Heurigenlokales geplant. Die Betriebsanlage soll im Erdgeschoss aus einem Gastraum mit Schankbereich (für insgesamt 90 Personen), weiters über einen Arkadengang erschlossen, einem Lager, einer Küche, einem Atrium zur Belichtung der Küche, einem Spielraum, einem Abstellraum und den Sanitäranlagen (drei Sitzzellen und einem Waschraum für Damen, zwei Sitzzellen sowie 4 Pissoir und einem Waschraum für Herren, einem Behinderten WC), bestehen. Am Ende des Arkadenganges wird ein Mehrzweckraum für 63 Personen errichtet.
Im Innenhof soll ein Gastgartenbereich für 88 Personen geschaffen werden. Lt. planlicher Darstellung sowie im lärmtechnischen Gutachten wird der Gastgartenbereich in namentlich verschiedene Bereiche (Innenhof, Atrium, Terrasse und überdachte Terrasse) unterteilt. An der südöstlichen Grundgrenze zum Anrainer
H. ( Grundstück Nr. 610 KG Q) im Bereich des Gastgartens (zwischen Terrasse und Mehrzweckraum) im Anschluss an die überdachte Terrasse soll eine Überdachung ausgeführt werden. Im Anschluss an die Außenmauer des Gastraumes, bei der überdach(t)en Terrasse, der Überdachung und ein Stück darüber hinaus, wird eine Einfriedungsmauer in einer Länge von 23,60 m errichtet. Der Innenhof ist über eine Schiebetüre aus dem Gastraum sowie über zwei Flügeltüren im Arkadengang erreichbar. Zwischen Mehrzweckraum und Einfriedungsmauer ist ein zweiflügeliges Einfahrtstor vorgesehen. Der Zugang zu der gegenständlichen Betriebsanlage erfolgt über einen Windfang von der unteren Hauptstraße. Die Betriebsanlage befindet sich direkt auf der Durchzugsstraße durch
Q. ...
Entgegen der Betriebsbeschreibung sollen die Betriebszeiten von 10:00 Uhr bis 02:00 Uhr lauten. Der Gastgartenbetrieb soll entsprechend den Bestimmungen des § 112 GewO 1994 idgF bis 22:00 Uhr erfolgen. Diese Betriebszeiten wurden bereits im schalltechnischen Gutachten inkl. Anhänge von DI R, welches von der Konsenswerberin in Auftrag gegeben wurde und den Einreichunterlagen beigelegt wurde, berücksichtigt. Ebenso wurden darin die Betriebsabläufe (Veranstaltungen, Öffnung der Fenster, etc.). mitbehandelt. Die im schalltechnischen Gutachten angeführten 10 Musikveranstaltungen sowie Livemusik im Inneren sind so zu verstehen, dass nur bei den 10 Veranstaltungen Live-Musik stattfinden soll."
Für das Baugrundstück wurde im Bereich der Unteren Hauptstraße die geschlossene oder halboffene Bebauungsweise festgelegt. Für die halboffene Bebauungsweise wurde gleichzeitig festgelegt, dass an die rechte Grundgrenze (d.i. nördlich) anzubauen ist.
Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung der mitbeteiligten Parteien, in der sie sich nicht gegen die Widmungskonformität der bewilligten baulichen Anlage aussprachen, jedoch unzumutbare Belästigungen durch Lärm- und Geruchsimmissionen sowie Gesundheitsgefährdung durch die zu erwartenden Lärmimmissionen behaupteten, ergänzte die belangte Behörde das Verfahren. Der umwelttechnische Amtssachverständige der belangten Behörde führte in seinem Gutachten vom bezüglich der Beurteilungszeiträume Nachtkernzeit und Abend unter anderem aus:
"... Der Basispegel für die Zeit zwischen 20:00 Uhr und 22:00 Uhr kann mit etwa 35 dB angegeben werden. Nach den Berechnungen des DI R sind bei einem Gastgartenbetrieb mit offenen Türen und Fenstern beim Heurigenlokal bis 22:00 Uhr bei der Fam. H. (mitbeteiligte Nachbarn) Beurteilungspegel von 50 dB zu erwarten. Damit würde sich jedenfalls für die Zeit von 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr eine Änderung der örtlichen akustischen Verhältnisse derart ergeben, dass es zu einer Anhebung des vorherrschenden Dauerschallpegels um mehr als ein unwesentliches Ausmaß kommen würde.
Aus schalltechnischer Sicht kann nunmehr vorgeschlagen werden, dass bei Einhaltung bzw. Durchführung der in den schalltechnischen Untersuchungen des DI R vorgesehenen Maßnahmen der Gastgarten nur bis 20:00 Uhr betrieben werden darf, damit es zu keiner wesentlichen Änderung der örtlichen Verhältnisse für die Nachbarn H. kommt
...
Bezüglich der Lärmsituation nach der Errichtung des Heurigenbetriebes mit Gastgarten ist auch von maßgeblicher Bedeutung, dass durch das in geschlossener Verbauung errichtete Gebäude des Heurigenlokales der Verkehrslärm abgeschirmt wird, und damit in der Folge der auf das Grundstück der Nachbarn H. einwirkende Immissionsschallpegel maßgeblich vom Lärm der Betriebsanlage, sprich von den Emissionen aus dem Gastgarten, bestimmt sein wird. Es ist somit zu erwarten, dass es zu einer Änderung der örtlichen Verhältnisse in akustischer Hinsicht derart kommt, dass für die Nachbarn H. eine andere, neue Geräuschkulisse entsteht, die nicht vorwiegend durch höhere Pegelwerte, die sich auch in höheren Dauerschallpegeln niederschlagen würden, geprägt sein wird, sondern vor allem durch die Besonderheit der Klangcharakteristik der Geräusche aus dem Gastgarten, die sich insbesondere in den Abendstunden auch deutlich (im Ausmaß von bis zu 15 dB) über den dann gegebenen Basispegel erheben und somit jedenfalls hörbar sein werden.
Aufbauend auf diesem Gutachten kommt der medizinische Amtssachverständige in seinem Gutachten vom zu dem Ergebnis, dass der vorgesehene Gastgartenbetrieb eine erhebliche Beeinträchtigung der mitbeteiligten Nachbarn durch Lärm bewirke, wenn er länger als bis 20:00 Uhr andauere. Auf Grund der vorliegenden Messungen sei der Unterschied zu den Umgebungsgeräuschen vor allem am Abend und in der Nacht hervorstechend, einerseits auf Grund der baulich besseren Abschirmung der Verkehrsgeräusche, andererseits aber auf Grund der besonderen Art der Geräusche, "denn die Unterhaltung von zahlreichen Gästen im Freien hat auf Grund des Informationsgehaltes stets einen hohen Belästigungsgrad (siehe Beurteilungsgrundlagen, Störwirkung von Lärm)". Langfristig könne ein Betrieb des Gastgartens im Freien, der länger als bis 20:00 Uhr genehmigt werde, aus medizinischer Sicht wegen der fehlenden Erholungswirkung unter Umständen sogar gesundheitsgefährdend werden. Daher sei aus medizinischer Sicht die Auflage notwendig, dass ein Betrieb im Freien nach 20:00 Uhr zu unterbleiben habe. Dies gelte ebenfalls für die fünf geplanten Veranstaltungen im Freien, die ebenfalls bis maximal 20:00 Uhr zu begrenzen seien. Bei Einhaltung dieser zusätzlichen Auflage sei aus medizinischer Sicht durch den Betrieb des Heurigenlokales keine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Gefährdung oder Belästigung der Nachbarn durch Lärm zu erwarten.
Der umwelttechnische Amtssachverständige wurde daraufhin von der belangten Behörde erneut mit der Erstellung eines schalltechnischen Gutachtens beauftragt. Die belangte Behörde beauftragte den Sachverständigen mit der Vornahme von Schallpegelmessungen zu einer Jahreszeit, innerhalb derer der Gastgarten auch betrieben werde. In diesem Gutachten vom führte der Sachverständige aus, dass aus den vorliegenden Erhebungsdaten vom keine signifikante jahreszeitlich bedingte Änderung des Verkehrsaufkommens erkennbar sei. Es könne aus schalltechnischer Sicht die in der Stellungnahme vom getroffene Aussage vollinhaltlich aufrechterhalten werden. Zur Frage der Schließung des Gastgartens um 20:00 Uhr könne auf die medizinische Beurteilung verwiesen werden, wobei eben eine Änderung der vorherrschenden örtlichen akustischen Verhältnisse um mehr als 1 dB (selbst bei gleicher Klangcharakteristik) nicht mehr als irrelevant angesehen werden könne.
Die Beschwerdeführerin legte daraufhin ihrerseits ein medizinisches Gutachten der Sachverständigen Dr. Margit W. vor, in dem diese zu dem Ergebnis kam, es komme zu keiner Belastung oder Belästigung der Nachbarn.
Mit diesem Gutachten setzte sich der medizinische Amtssachverständige in seinem von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen ergänzenden medizinischen Amtssachverständigengutachten vom auseinander. Der medizinische Amtssachverständige hielt seine Beurteilung der Auswirkungen der festgestellten bzw. zu erwartenden Lärmimmissionen, wie in seinem Gutachten vom beschrieben, aufrecht und begründete dies zusammenfassend mit der besonders unangenehmen Wirkung von Gesprächen und der damit verbundenen verminderten Erholungsmöglichkeit der Anrainer am Abend durch den geplanten Gastgewerbebetrieb im Freien.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der mitbeteiligten Nachbarn teilweise Folge gegeben und der bekämpfte Baubewilligungsbescheid durch die Einfügung des folgenden Auflagepunktes abgeändert:
"Der Betrieb des Gastgartens im Rahmen des Heurigenlokales auf dem Grundstück Nr. 618, KG Q, Untere Hauptstraße 20 - 24, Q, ist im Freien nur bis längstens 20.00 Uhr gestattet".
Entscheidungswesentlich führte die belangte Behörde in der Begründung aus, die Errichtung des gegenständlichen Heurigenlokales mit Gastgarten widerspreche grundsätzlich nicht der Flächenwidmung "gemischtes Baugebiet". Ein Heurigenlokal diene überwiegend den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung und sei für die ländliche Umgebung, insbesondere in einem Weinanbau- und Tourismusgebiet wie es das Burgenland und speziell auch die Weinbaugemeinde Q darstelle, geradezu typisch. Es sei daher von einer positiven Betriebstypenprüfung auszugehen. Als weiteren Schritt habe die Behörde zu prüfen, ob die Immissionsbelastung der betroffenen Nachbarn unter Berücksichtigung des ortsüblichen Ausmaßes (örtlich zumutbares Maß) überschritten werde; allenfalls seien Auflagen anzuordnen. Die Beantwortung dieser Frage sei vor allem von der Widmungskategorie des Flächenwidmungsplanes abhängig. Darüber hinaus sei auch auf das konkrete Ausmaß von Immissionen, welche von dem zu bewilligenden Bauvorhaben zu erwarten seien, abzustellen. Anders als von der erstinstanzlichen Behörde angenommen, sei durch den Betrieb des bewilligten Heurigenlokales wie beantragt eine Belästigung bzw. Gesundheitsgefährdung der Nachbarn durch Lärm zu befürchten. Auf Grund der ergänzenden Erhebungen habe sich ergeben, dass gerade in den Abendstunden (also zwischen 19:00 Uhr und 22:00 Uhr) ein starker Rückgang des Verkehrs von etwa 500 Fahrzeugen pro Stunde (18:30 Uhr bis 19:30 Uhr) auf etwa 150 Fahrzeuge pro Stunde (21:00 Uhr bis 22:00 Uhr) stattfinde. Dadurch bedingt komme es zu einem Rückgang des Umgebungslärmpegels gemessen als Leq von etwa 53 - 54 dB auf
48 - 49 dB. Weiters sei davon auszugehen, dass sich die
Lärmsituation auf Grund der Errichtung des Heurigenbetriebes dahingehend verändern werde, dass durch die geschlossene Verbauung der Verkehrslärm abgeschirmt werde, wodurch in der Folge der auf das Grundstück der Nachbarn einwirkende Immissionsschallpegel maßgeblich vom Lärm der Betriebsanlage bestimmt werde. Dabei gehe der schalltechnische Amtssachverständige von einem Basispegel von 35 dB für die Zeit zwischen 20:00 Uhr und 22:00 Uhr aus. Auch wenn es sich dabei nur um eine Prognose handle, komme es doch zu einer wesentlichen Anhebung des vorherrschenden Dauerschallpegels. In diesem Zusammenhang werde auf die geltende ÖAL-Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 idF 20086-10-01, bzw. Ausgabe 2008-03-01 verwiesen, die als grundlegende Zielsetzung eine höhere Planungssicherheit anführe. Damit werde die Einhaltung des planungstechnischen Grundsatzes angesprochen, der besage, wenn die Änderung der örtlichen Verhältnisse für den jeweils zu betrachtenden Zeitraum nur ein derart geringes Ausmaß erwarten lasse, dass von einer Irrelevanz dieser Änderung gesprochen werden könne, könne eine Genehmigungsfähigkeit des zu beurteilenden Projektes angenommen werden. Dabei gelte eine Änderung von 1 dB im Allgemeinen nur bei gleicher Klangcharakteristik und vergleichbarem Frequenzspektrum als irrelevant. Die Festlegung der Öffnungszeiten des Gastgartens mit 20:00 Uhr werde nachvollziehbar in der Stellungnahme des schalltechnischen Amtssachverständigen damit begründet, dass für die Zeit von 19:30 Uhr bis 20:00 Uhr der energieäquivalente Dauerschallpegel von größer als 50 dB ermittelt worden sei und es erst danach zu einer Minderung des Dauerschallpegels unter 48 dB gekommen sei. Auf Grund dieser Ausführungen sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gekommen, dass es durch die Errichtung des Heurigenlokals mit Gastgarten zu einer Änderung der örtlichen Verhältnisse in akustischer Hinsicht derart komme, dass für die mitbeteiligten Nachbarn eine andere, neue Geräuschkulisse entstehe, die nicht vorwiegend durch höhere Pegelwerte, die sich auch in höheren Dauerschallpegeln niederschlagen würden, geprägt sein werde, sondern vor allem durch die Besonderheit der Klangcharakteristik der Geräusche aus dem Gastgarten, die sich insbesondere in den Abendstunden auch deutlich (im Ausmaß von bis zu 15 dB) über den dann gegebenen Basispegel erheben und somit jedenfalls hörbar sein würde. Von einer Einhaltung des planungstechnischen Grundsatzes im Sinn der ÖAL Richtlinie Nr. 3 könne daher nicht ausgegangen werden. Diese Annahme werde durch das medizinische Amtssachverständigengutachten bestätigt; darin werde festgehalten, dass der vorgesehene Gastgartenbetrieb zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Nachbarn durch Lärm führen würde, wenn er länger als bis 20:00 Uhr andauere. Zudem schließe der medizinische Amtssachverständige bei längerfristigem Betrieb des Gastgartens länger als bis 20:00 Uhr eine Gesundheitsgefährdung mangels Erholungsmöglichkeit nicht aus. Da die erkennende Behörde bei der Beurteilung der Immissionsbelastung der betroffenen Nachbarn davon auszugehen habe, dass das ortsübliche Ausmaß der Beeinträchtigung der Nachbarn nicht erst dann überschritten sei, wenn diese Immissionen gerade noch nicht gesundheitsgefährdend seien, sondern bereits dann, wenn die Lärmbelästigung bzw. Geruchsbelästigung das Wohlbefinden von Menschen in einem örtlich nicht mehr zumutbarem Maß störe, darüber hinaus der medizinische Amtssachverständige eine Gesundheitsgefährdung bei längerfristigem Betrieb nicht ausschließe, werde die gegenständliche Einschränkung des Gastgartenbetriebes bis längstens 20:00 Uhr als notwendig erachtet, um die baupolizeilichen Interessen des § 3 Z 5 Bgld. Baugesetzes 1997 zu wahren.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "Recht auf Unterbleiben unnötiger und gesetzeswidriger und wirtschaftlich nicht tragbarer Auflagen" verletzt.
Die erteilte Auflage sei zum einen gesetzeswidrig, andererseits auch nicht nachvollziehbar und nicht notwendig. Gemäß § 112 Abs. 3 der GewO 1994 dürften Gastgärten jedenfalls bis 22:00 Uhr betrieben werden und verstoße die gegenständliche Auflage gegen diese Bestimmung, sodass sie unzulässig sei. Auch sei eine Öffnungszeit nur bis 20:00 Uhr nicht wirtschaftlich, da besonders in den Sommermonaten die Gäste im Freien sitzen wollten. Allein die Begründung, die Unterhaltungen der Gäste hätten einen höheren Belästigungsgrad, weshalb die Auflage erteilt habe werden müssen, sei unzureichend, da es sonst in ganz Österreich keinen Gastgarten geben dürfe, der länger als 20:00 Uhr geöffnet sei. Auch beruhe die Auflage auf einer unschlüssigen und unbegründeten medizinischen Stellungnahme. Aus schalltechnischer Sicht habe sich kein Grund für eine Begrenzung des Betriebes im Freien ergeben, verweise der Sachverständige doch auf die medizinische Beurteilung. Der medizinische Sachverständige habe, anders als die Sachverständige Dr. Margit W., keine einzige wissenschaftliche Studie und Untersuchung zitiert, die seine Schlussfolgerungen decken könnten. Es sei nicht nachvollziehbar und unschlüssig, warum es gerade ab 20:00 Uhr beeinträchtigend für die Nachbarn sei und warum Lärm durch Sprechgeräusche gesundheitsschädlicher sein solle als der vorhandene Verkehrslärm. Es seien viele Fragen der Beschwerdeführerin unbeantwortet geblieben, auch sei vom medizinischen Sachverständigen selbst kein Ortsaugenschein vorgenommen worden. Mit den festgestellten 50 dB liege man für die Abendzeit sogar unter dem Wert der Nachtzeit, der in der ÖAL genannt würde (Gesundheitsgefährdung bei langjähriger Einwirkung bei 65 dB während der Tageszeit, 55 dB während der Nachtzeit und 60 dB während den Abendstunden), sodass absolut nicht nachvollziehbar sei, auf Grund welcher medizinischer Erkenntnisse der medizinische Sachverständige, entgegen der Richtlinie, zum Ergebnis gelange, dass eine Gesundheitsgefährdung zu erwarten sei. Es sei insgesamt zu den von der Beschwerdeführerin gestellten Fragen vom medizinischen Sachverständigen nicht ausreichend Stellung genommen worden. Unberücksichtigt sei weiters die Aussage von Dr. K geblieben, der festgestellt habe, für das gesamte Projekt sei eine lärmmedizinische Beurteilung gar nicht erforderlich. Im beim UVS Burgenland zur Zl. E B 02/ 11/ 2007. 005/ 032 anhängigen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren habe Dr. K eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien, eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die relevanten Bestimmungen des Bgld. Baugesetzes 1997 (in der Folge Bgld. BauG) in der hier anzuwendenden Fassung vor der Burgenländischen Baugsetz-Novelle LGBl. Nr. 53/2008 lauten (auszugsweise):
"Zulässigkeit von Bauvorhaben (Baupolizeiliche Interessen)
§ 3. Bauvorhaben sind nur auf für die Bebauung geeigneten Grundstücken zulässig, wenn sie
1. dem Flächenwidmungsplan, dem Bebauungsplan/Teilbebauungsplan oder den Bebauungsrichtlinien nicht widersprechen,
2. den Bestimmungen dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen entsprechen,
3. nach Maßgabe des Verwendungszwecks dem Stand der Technik, insbesondere bezüglich
...
d) Schall- und Brandschutz
...
entsprechen.
...
5. durch ihre bestimmungsgemäße Benützung eine Gefährdung oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigungen der Nachbarn nicht erwarten lassen sowie
...
Baubewilligung und Bewilligungsverfahren
§ 18
(...)
(10) Ergibt die Prüfung des Bauvorhabens, dass die gemäß § 3 maßgeblichen baupolizeilichen Interessen nicht verletzt werden, hat die Baubehörde die Baubewilligung - erforderlichenfalls unter Auflagen, Bedingungen oder Befristungen - mit Bescheid zu erteilen.
(...)
Parteien
§ 21
(1) Parteien im Bauverfahren sind
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1. | der Bauwerber, |
2. | der Grundeigentümer bzw. die Miteigentümer, wenn der Bauwerber nicht Alleineigentümer ist, sowie |
3. | die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind (Nachbarn). |
(2) Ein Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt wird.
...
(4) Wird die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (zB Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien) behauptet, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Nachbarn dienen (öffentlichrechtliche Einwendung), hat die Baubehörde hierüber im Bescheid zu erkennen und gegebenenfalls die Baubewilligung zu versagen oder die Einwendung als unbegründet abzuweisen und die Baubewilligung zu erteilen.
...
Nachträgliche Vorschreibung von Auflagen
§ 29. Ergibt sich nach bewilligungsgemäßer Fertigstellung eines Bauvorhabens, dass durch dessen bestimmungsgemäße Benützung eine Gefährdung von Personen oder eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigung für die Nachbarn eintritt, hat die Baubehörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle unter Beiziehung der erforderlichen Sachverständigen dem Eigentümer entsprechende Auflagen mit Bescheid vorzuschreiben, die geeignet sind, die Gefährdung oder Beeinträchtigung zu beseitigen. Soweit solche Auflagen nicht dem Schutz des Lebens, der Gesundheit oder Sicherheit von Personen dienen, müssen sie wirtschaftlich zumutbar sein."
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des Gesetzes über die Raumplanung im Burgenland (Burgenländisches Raumplanungsgesetz; in der Folge Bgld. RPlG), in der Fassung LGBl. Nr. 47/2006, lautet:
"Bauland
§ 14
§ 14. (1) Als Bauland sind nur solche Flächen vorzusehen, die sich auf Grund natürlicher Voraussetzungen für die Bebauung eignen und den voraussichtlichen Baulandbedarf der Gemeinde zu decken imstande sind. Gebiete, deren Erschließung unwirtschaftliche Aufwendungen für die Wasserversorgung, die Abwässerbeseitigung, die Stromversorgung oder für den Verkehr erforderlich machen würde oder die sich wegen der Grundwasserverhältnisse, der Bodenverhältnisse oder der Hochwassergefahr für die Bebauung nicht eignen, dürfen nicht als Bauland gewidmet werden.
...
(3) Im Bauland sind nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit gesondert auszuweisen: Wohngebiete, Dorfgebiete, Geschäftsgebiete, Industriegebiete, Betriebsgebiete, gemischte Baugebiete, Baugebiete für Erholungs- oder Fremdenverkehrseinrichtungen und Sondergebiete.
...
f) Als gemischte Baugebiete sind solche Flächen vorzusehen, auf denen
Z. 1 Wohngebäude samt den dazugehörigen Nebenanlagen und Z. 2 sonstige Gebäude und Betriebsanlagen, die überwiegend
den wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung dienen und keine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Gefährdung oder Belästigung der Nachbarn oder eine übermäßige Belastung des Straßenverkehrs verursachen, errichtet werden dürfen."
§ 15 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Burgenländischen Bauverordnung, LGBl. Nr. 1998/11, in der Fassung LGBl. Nr. 68/2003 lautet:
"Schutz vor Beeinträchtigungen durch Emissionen
§ 15. (1) Bauten sind so zu planen, zu errichten und zu benützen, dass keine Gefährdungen oder das örtlich zumutbare Maß übersteigende Beeinträchtigungen der Nachbarn durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub oder sonstige Einwirkungen verursacht werden.
..."
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes trägt die Beschwerdeführerin vor, die von der belangten Behörde erteilte Auflage, der Betrieb des Gastgartens im Rahmen des bewilligten Heurigenlokales im Freien sei nur bis längstens 20.00 Uhr gestattet, sei gesetzwidrig. Dieses Vorbringen trifft aus folgenden Gründen nicht zu:
Gemäß § 18 Abs. 10 Bgld. BauG hat die Baubehörde die Baubewilligung erforderlichenfalls unter Auflagen zu erteilen, sofern die Prüfung des Bauvorhabens ergeben hat, dass die gemäß § 3 leg. cit. maßgeblichen baupolizeilichen Interessen nicht verletzt werden. Es kann zwar ein den maßgeblichen baupolizeilichen Interessen gemäß § 3 Bgld. BauG entgegenstehendes Bauvorhaben nicht durch Auflagen zulässig gemacht werden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/05/0162, und vom 31. März 3005, Zl. 2002/05/0751), die Baubehörde hat aber danach zu trachten, dass durch (zulässige) Projektsänderung (Projektsmodifikation) oder durch Vorschreibung von Nebenbestimmungen, insbesondere Auflagen, das Vorhaben an die gesetzlichen Erfordernisse angepasst wird (vgl. hiezu die bei Pallitsch/Pallitsch , Burgenländisches Baurecht, 2. Auflage, Seiten 231 f, referierte hg. Rechtsprechung). § 29 Bgld. BauG sieht selbst für den Fall, dass sich nach bewilligungsgemäßer Fertigstellung eines Bauvorhabens ergibt, dass durch dessen bestimmungsgemäße Benützung eine Gefährdung von Personen oder eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigung für die Nachbarn eintritt, die nachträgliche Vorschreibung von Auflagen, die geeignet sind, die Gefährdung oder Beeinträchtigung zu beseitigen, vor.
Die Vorschreibung einer Auflage im Baubewilligungsbescheid, mit welcher die Betriebszeiten für den Betrieb eines Gastgartens eines Heurigenlokales geändert (eingeschränkt) werden, um die festgestellte Lärmbeeinträchtigung der Nachbarn hintan zu halten, ist daher zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0293).
Auch bei einem unter § 112 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 fallenden Gastgarten, der gewerberechtlich grundsätzlich bis 22 Uhr betrieben werden darf, ist baurechtlich an Hand der hier relevanten, oben angeführten Bestimmungen zu prüfen, ob dessen Betrieb zu unzumutbaren Belästigungen bzw. Gesundheitsgefährdungen von Nachbarn führt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0241, m.w.N.).
Die Vorschreibung einer um 2 Stunden verkürzten Betriebszeit nur für den Gastgarten des Heurigenbetriebes, um eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Lärmbeeinträchtigung der Nachbarn zu verhindern, ist daher zulässig:
Der umwelttechnische Amtssachverständige der belangten Behörde hat in seinen Gutachten vom und vom in nicht als unschlüssig zu erkennenden Weise nachgewiesen, dass beim Betrieb des Gastgartens im Freien im hier relevanten Zeitraum von 20.00 bis 22.00 Uhr der Basislärmpegel um nahezu 15 dB überschritten wird. Ausgehend davon hat der medizinische Amtssachverständige in seinem Gutachten vom plausibel dargelegt, dass diese das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Lärmimmissionen aus dem Gastgarten der Beschwerdeführerin beim Grundstück der mitbeteiligten Nachbarn, insbesondere auch infolge ihrer besonderen Charakteristik und Impulshaltigkeit einen derart hohen Belästigungsgrad erreichen, dass längerfristig wegen der fehlenden Erholungswirkung auch eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn nicht ausgeschlossen werden kann.
Entgegen den Beschwerdeausführungen hat sich der medizinische Amtssachverständige insbesondere in seinem ergänzenden medizinischen Amtssachverständigengutachten vom nachvollziehbar begründet mit den Auswirkungen der unterschiedlichen Lärmquellen (z. B. Verkehrslärm, Sprechgeräusche) und auch mit dem humanmedizinischen Gutachten der Privatsachverständigen Mag. Dr. M W. auseinandergesetzt. Das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen ist auch nicht deshalb mangelhaft, weil dieser Amtssachverständige vor Erstellung seines Gutachtens keinen Ortsaugenschein vorgenommen hat. Die Aussagen dieses Sachverständigen stützten sich auf die Messergebnisse des umwelttechnischen Amtssachverständigen, auf Grund deren unter Hinweis auf die der Beurteilung zu Grunde gelegten Regelwerke die Auswirkungen auf den menschlichen Organismus dargestellt wurden. Es trifft daher die Behauptung der Beschwerdeführerin, der medizinische Amtssachverständige hätte seine Schlussfolgerungen nicht ausreichend begründet, nicht zu.
Das im Verfahren vor der Baubehörde erster Instanz eingeholte medizinische Amtssachverständigengutachten des Amtsarztes Dr. K. setzt sich mit der Ortsüblichkeit der zu erwartenden Beeinträchtigung nicht auseinander und war auch auf Grund der im Verfahren vor der belangten Behörde durchgeführten Ergänzungen des umwelttechnischen Amtssachverständigen nicht mehr geeignet, als Grundlage für die Beurteilung der Rechtssache herangezogen zu werden .
Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am