VwGH vom 22.05.2013, 2013/18/0009

VwGH vom 22.05.2013, 2013/18/0009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FRG/61/14332/2011, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 52 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG eine Rückkehrentscheidung und ein mit zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe im Jahr 2007 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und zunächst eine bis gültige Niederlassungsbewilligung erhalten. Das Verfahren über den am eingebrachten Verlängerungsantrag sei gemäß § 25 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG am eingestellt worden.

Mit Bescheid der ersten Instanz vom sei gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot wegen Aufenthaltsehe erlassen worden, welches von der im Devolutionsweg zuständig gewordenen Bundesministerin für Inneres mit Bescheid vom bestätigt worden sei. Dieser Bescheid sei allerdings am von Amts wegen behoben worden und der Verwaltungsgerichtshof habe die gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde mit Beschluss vom , Zl. 2011/21/0083, als gegenstandslos geworden erklärt. Nunmehr sei die belangte Behörde zur Entscheidung über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zuständig geworden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0097).

Weiters hielt die belangte Behörde fest, dass die Ehe des Beschwerdeführers am geschieden worden sei. Er sei hinsichtlich gerichtlich strafbarer Handlungen unbescholten, doch sei er mit Straferkenntnissen des PK Döbling wegen Verstoßes gegen

§ 5 Abs. 1 StVO zu einer Geldstrafe von EUR 1.200,-- verurteilt worden, weil er ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe und wegen Verstoßes gegen

§ 20 Abs. 2 StVO zu einer Geldstrafe von EUR 70,--, weil er die höchstzulässige Geschwindigkeit überschritten habe.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, gegen den Beschwerdeführer sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, weil er nicht über einen Aufenthaltstitel verfüge. Das Eingehen einer Aufenthaltsehe sei durch die von der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweise zwar widerlegt worden. Der Beschwerdeführer habe jedoch mehrere, nicht als geringfügig zu wertende Verstöße gegen verwaltungsstrafrechtlich zu ahndende Verkehrsvorschriften begangen und es sei daher von einer Gefährdung der öffentlichen Interessen auszugehen, die die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes in der Dauer von zwei Jahren erforderlich mache.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb sich ihrer Ansicht nach die Maßnahme auch aus dem Blickwinkel des § 61 FPG als zulässig erweise und warum die von ihr bemessene Dauer des verhängten Einreiseverbotes erforderlich sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall war im Hinblick auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides (am ) das FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 anzuwenden.

Vor der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides war zwar nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid die Gültigkeit des dem Beschwerdeführer erteilten Aufenthaltstitels bereits abgelaufen, doch wurde noch vor Ablauf ein Verlängerungsantrag gestellt. Für diesen Fall normiert § 24 Abs. 1 NAG, dass der Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist. Diese Anordnung, die sich damals noch im Abs. 2 des § 24 NAG befand, wurde in den Gesetzesmaterialien (RV 952 BlgNR 22. GP 130) wie folgt erläutert:

"In einer Zusammenschau von Abs. 1 und 2 soll Vorsorge für Fälle getroffen werden, wenn das Ende des Aufenthaltsrechts nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels und die Erledigung des Verlängerungsantrages auch bei rechtzeitiger Antragstellung zeitmäßig auseinander fallen können, sodass eine zeitliche Lücke im Aufenthaltsrecht bestehen würde. Es wird vorgeschlagen, zu normieren, dass der Fremde weiterhin rechtmäßig niedergelassen bleibt, bis über den Antrag entschieden oder - im Einzelfall - fremdenpolizeiliche Maßnahmen gesetzt wurden."

Vor diesem Hintergrund ist unter einer "rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag" iSd § 24 Abs. 1 NAG einerseits die rechtskräftige Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels und andererseits die in einem nach § 25 Abs. 1 NAG eingeleiteten Verfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung über die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verstehen (vgl. idS noch ausdrücklich die Vorgängerreglung des § 31 Abs. 4 Fremdengesetz 1997).

Nun wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzlich erlassene Aufenthaltsverbot von der im Devolutionsweg zuständig gewordenen Bundesministerin für Inneres nicht Folge gegeben und damit die Aufenthaltsbeendigung rechtskräftig, was am zur formlosen Einstellung des Verlängerungsverfahrens gemäß § 25 Abs. 2 NAG führte. Allerdings wurde in weiterer Folge der das Aufenthaltsverbot betreffende Berufungsbescheid von der Bundesministerin für Inneres mit Bescheid vom von Amts wegen wieder behoben. Damit existierte im vorliegenden Fall - unabhängig von der Frage, ob der Beschwerdeführer schon zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Fortsetzung des zunächst formlos eingestellten Verfahrens auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels iSd § 25 Abs. 2 zweiter Satz NAG hätte stellen können - keine "rechtskräftige Entscheidung über den Antrag" iSd § 24 Abs. 1 NAG.

Demnach hätte die belangte Behörde den Aufenthalt des Beschwerdeführers gemäß § 31 Abs. 1 Z 7 FPG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 NAG im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht als rechtswidrig sondern als rechtmäßig qualifizieren müssen. Es kam daher die Erlassung einer (mit einem Einreiseverbot iSd § 53 Abs. 1 und 2 Z 2 FPG verbundenen) Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht in Betracht, weil eine solche Entscheidung nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung nur gegen nicht rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige erlassen werden kann. Vielmehr wäre im vorliegenden Fall die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 63 FPG zu prüfen gewesen, zumal Anhaltspunkte für die Anwendung der Sonderbestimmungen nach § 66 FPG oder § 67 FPG nicht vorlagen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/18/0088). Im Ergebnis ist der Beschwerdeführer daher in dem in der Beschwerde - wenn auch unter anderen Gesichtspunkten - auch geltend gemachten Recht, dass gegen ihn keine Rückkehrentscheidung erlassen werde, verletzt. Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung. Das auf die Erstattung von Umsatzsteuer abzielende Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese im in der genannten Verordnung festgelegten Pauschalsatz bereits enthalten ist.

Wien, am