VwGH vom 05.09.2013, 2011/09/0156
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der CP in L, vertreten durch NM Norbert Moser Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 5/III, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer beim Amt der Kärntner Landesregierung vom , Zl. -2V-LDOK-1/64-2011, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 (weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin steht als Landeslehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Kärnten. Sie war im Zeitraum der ihr vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen als Leiterin der allgemeinen Sonderschule in W. (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) tätig.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid erkannte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin für schuldig, sie habe als Leiterin der allgemeinen Sonderschule W.
"b) … den Schüler M.T. im Schuljahr 2009/2010 zumindest bis zum unrechtmäßig in die Vorschulstufe, welche es nur im Volksschullehrplan gibt, eingestuft …, obwohl bis zu diesem Zeitpunkt für den Schüler kein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt worden war und er ausschließlich nach dem Lehrplan der allgemeinen Sonderschule, welche keine Vorschulstufe vorsieht, unterrichtet hätte werden dürfen,
c) dass sie in den Schuljahren 2009/2010 und 2010/2011
zwischen und ihre gesetzliche Verpflichtung um 7.45 Uhr ab Beginn der Unterrichtszeit in der ASO W. in der Regel anwesend zu sein, umkehrte und beinahe regelmäßig erst zwischen der 2. bzw. 3. Schulstunde den Dienst ohne bzw. ohne zeitgerechte Bekanntgabe eines gerechtfertigten Verhinderungsgrundes angetreten hat"
Dadurch habe die Beschwerdeführerin ihre Dienstpflichten gemäß § 29 Abs. 1 und 2, § 30 Abs. 1, § 31, § 32 Abs. 2 und 4 und § 56 Abs. 4 LDG 1984 bzw. nach § 8 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 verletzt. Die belangte Behörde verhängte über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von EUR 12.000,--.
Sowohl die Behörde erster Instanz als auch die belangte Behörde hatten jeweils Verhandlungen durchgeführt und dabei auch Aussagen zu den der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen aufgenommen.
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit, dass sie in Abänderung des Disziplinarerkenntnisses der Behörde erster Instanz die gegen die Beschwerdeführerin ergangenen Schuldsprüche gegenüber dem Bescheid der Behörde erster Instanz eingeschränkt habe im Wesentlichen im Hinblick auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung gemäß § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 hinsichtlich eines Fehlverhaltens, das länger als sechs Monate vor jenem Zeitpunkt gelegen sei, an welchem die Dienstbehörde von der Dienstpflichtverletzung Kenntnis erlangt habe. Es könne daher nur ein Fehlverhalten ab dem vorgeworfen werden. Die belangte Behörde führte sodann wie folgt aus:
"(Es) bezieht sich aber der Verhandlungsbeschluss vom auch auf Sachverhalte, die aus einem Zeitraum datieren, der nicht von der Verfolgungsverjährung erfasst ist. Es sind dies folgende dort aufgelistete Tatbestände:
Die Beschwerdeführerin sei am erst um
8.15 Uhr in der Schule eingetroffen, am sei sie um
8.25 Uhr in der Schule nicht erreichbar gewesen und am sei sie bis 8.20 Uhr nicht in der Schule angekommen, sowie am um 8.30 noch nicht in der Schule erreichbar gewesen. Weiters fällt in den der Verfolgungsverjährung unterliegenden Zeitraum die unrechtmäßige Zuteilung des Schülers MT in die Vorschulstufe, die bis Ende des Schuljahres 2009/2010, also bis andauerte.
Zur Kritik an der Auslegung von § 32 Abs. 4 LDG im Berufungsvorbringen sei angemerkt, dass die Einschränkung der Anwesenheitsverpflichtung des Leiters mit dem Terminus 'in der Regel' wohl nur so zu interpretieren ist, dass vereinzelte Ausnahmen von der Anwesenheitspflicht damit gedeckt wären, keinesfalls rechtfertigt diese Bestimmung aber eine fast regelmäßige Nichtanwesenheit zu Unterrichtsbeginn.
Zu der Rüge im Berufungsvorbringen, die Disziplinarkommission hätte die Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes (§ 8) fehlinterpretiert, ist festzuhalten, dass an der Antragspflicht des Schulleiters zu Schulbeginn kein Zweifel bestehen kann und dass auch Wünsche von Elternteilen nicht eine Missachtung dieser Verpflichtung des Schulleiters rechtfertigen, wie auch eine schulorganisatorisch nicht gedeckte Unterrichtung nach dem Vorschullehrplan nicht mit Elternwünschen begründet werden kann. Genauso wenig können mit Krankenständen die Antragsverzögerungen begründet werden, weil es dafür Vertretungsregelungen gibt.
Zum Hauptpflichtverletzungsvorwurf an die Beschuldigte, dass sie, wie es im Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission vom formuliert war 'in den Schuljahren 2009/2010 und 2010/2011 zwischen und , ihre gesetzliche Verpflichtung, um 7.45 Uhr ab Beginn der Unterrichtszeit in der ASO W in der Regel anwesend zu sein, umkehrte und beinahe regelmäßig erst zwischen der zweiten bzw. dritten Schulstufe den Dienst ohne bzw. ohne zeitgerechte Bekanntgabe eines gerechtfertigten Verhinderungsgrundes angetreten hat', ist aus der Sicht der Disziplinarkommission folgendes festzuhalten:
Wie aus den Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung der Disziplinarkommission (insbesondere BSI H, LSI Dr. Z, VD S, F, St, Za) zu entnehmen ist, ist als erwiesen anzunehmen, dass die Beschuldigte nicht in der Regel zu Beginn des Unterrichtes also um
7.45 Uhr, in der ASO W anwesend war. Abgesehen davon, dass aus Gründen der Verfolgungsverjährung gemäß § 72 Abs. 1 Z 1 LDG der zeitliche Rahmen der disziplinären Bewertung auf den Zeitraum bis einzuschränken war, ist der Vorwurf der Nichtbeachtung der Verpflichtung, in der Regel ab Beginn der Unterrichtszeit anwesend sein zu müssen, auch von der Disziplinar-Oberkommission aufrecht zu erhalten. Die Rechtfertigung dieses Vorwurfes konnten auch die von der Beschuldigten - wohl zu ihrer Entlastung - namhaft gemachten Zeugen nicht entscheidend erschüttern. Durchwegs wurde von den als Zeugen befragten Lehrerinnen und Lehrer angegeben, dass sie bereits ab 7.30 Uhr ihrer Aufsichtspflicht in den zugeteilten Klassen nachkommen und daher nicht in der Lage wären, festzustellen, ob die Beschwerdeführerin spätestens zum Unterrichtsbeginn bereits in der Schule anwesend sei bzw. wann sie in der Schule eintrifft. Diese Unkenntnis wird im Regelfall mit der Größe des Schulhauses und der Dislozierung einzelnen Klassen begründet. Der Hinweis darauf, dass es vereinzelt vorgekommen sein soll, dass die Beschwerdeführerin auch bereits vor 7.00 Uhr in der Schule angetroffen wurde, bzw. das sie fallweise auch in der ersten Stunde zur Kontrolle/Nachfrage in einer Klasse erschien, reicht keinesfalls aus, dass daraus eine Bestätigung der Einhaltung der mit 'in der Regel' umschriebenen Anwesenheitsverpflichtung des Schulleiters während der Unterrichtszeit abgeleitet werden könnte.
Die Rechtfertigung der Beschwerdeführerin , dass sie immer telefonisch erreichbar sei (nach ihren Angaben ab 5.45 Uhr), was auch von den befragten Zeugen durchwegs bestätigt wurde, tut dem dienstrechtlichen Anwesenheitsverpflichtungsauftrag nicht Genüge. Die Erreichbarkeit am Handy kann den gesetzlich vorgegebenen Anwesenheitsauftrag nicht ersetzen, zumal diese Anwesenheitspflicht nicht nur den Zweck verfolgt, für allfällige Anfragen zur Verfügung zu stehen, sondern insbesondere auch dazu dient, den einem Schuldirektor obliegenden Kontroll- und Aufsichtspflichten nachzukommen. Die Funktion eines Schulleiters lässt sich nicht im Sinne des vielleicht für andere Tätigkeitsbereiche durchaus machbaren 'Teleworkings' von außerhalb der Schule wahrnehmen. Ein lockerer Umgang mit den Dienstpflichten, insbesondere mit den Anwesenheitsverpflichtungen durch den Vorgesetzten untergräbt außerdem auch die Vorbildwirkung eines Vorgesetzten auf den übrigen Lehrkörper.
Letztlich hat die Beschuldigte in der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinar-Oberkommission mit ihren eigenen Angaben über ihren üblichen morgendlichen Tagesablauf selbst zum Ausdruck gebracht, dass sie offensichtlich gar nicht mit Nachdruck darauf Bedacht ist, ihrer Anwesenheitsverpflichtung in der Schule zu Unterrichtsbeginn regelmäßig nachkommen zu können. Sie gab zwar an, dass sie in der Regel zwischen 6.35 Uhr und 6.45 Uhr von ihrem Wohnsitz zur Schule abfahre, dass es aber durchaus immer wieder vorkomme, dass sie unterwegs stehen bleiben müsse, da sie keine Freisprechanlage besitze, um Anrufe entgegennehmen zu können. Bei extremer Witterung kann es nach ihren eigenen Angaben auch vorkommen, dass sich ihre Anfahrt zur Schule verzögert, weil sie auf einem Berg wohnt, wo teilweise wegen mangelhaftem Winterdienst Ketten angelegt werden müssen.
Wenn man berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin zwischen ihrem Wohnsitz in L und der Allgemeinen Sonderschule W (Adresse: ...) für ihren Dienstweg laut ÖAMTC-Routenempfehlung immerhin eine Entfernung von 75,2 km bewältigen muss und dafür laut der selben Empfehlung eine Dauer von 1,01 Stunden einzukalkulieren ist, so wird deutlich, dass die Beschwerdeführerin auch nach eigenen Angaben nur bei optimalen Verhältnissen in der Lage wäre, rechtzeitig vor Unterrichtsbeginn ihre Dienststelle zu erreichen. Die Verantwortung für eine nicht zeitgerechte Anwesenheit in der Schule liegt ausschließlich bei der Beschuldigten. Verspätungen können nicht mit der Entfernung zwischen Wohnsitz und Schulstandort begründet werden, weil die Wohnsitzwahl eine höchstpersönliche Entscheidung der Beschwerdeführerin ist und sie daher eine allfällige größere Distanz zwischen Wohnsitz und Schulstandort oder sonstige potentielle Verzögerungen bei der Anreise zum Dienstort schon bei der Wahl der Abfahrtszeit vom Wohnsitz entsprechend zu berücksichtigen hat. Verspätete Ankunftszeiten am Schulstandort können auch nicht mit der zwischenzeitlichen telefonischen Erreichbarkeit gerechtfertigt werden. Die immer wieder hervorgehobene ständige telefonische Erreichbarkeit - insbesondere auch außerhalb der Unterrichtszeit - ist zwar positiv zu bewerten, sie kann aber die einem Schulleiter aufgetragene Anwesenheitsverpflichtung nicht ersetzen oder ausgleichen.
Dass die disziplinarrechtlichen Vorwürfe gegen die Beschwerdeführerin letztlich wohl berechtigt sind, zeigen auch die Reaktionen des in den Zeugenstand getretenen Lehrpersonals, das sich durchwegs einer Bewertung der medialen Kritik entzog, vereinzelt wurde allerdings auch von einem 'wahren Kern' gesprochen. Wären die medial gegenüber Frau Direktor erhobenen Vorwürfe aus der Sicht des Lehrerkollegiums tatsächlich unberechtigt gewesen, so wäre anzunehmen gewesen, dass die Lehrerkolleginnen und -kollegen ihre Empörung über diese Berichterstattung zum Ausdruck gebracht hätten und diese Berichterstattung wäre von ihnen wohl als ungerechtfertigte Diffamierung hingestellt worden. Wurde darin doch der dezidierte Vorwurf erhoben, dass 'die Direktorin wiederholt erst um 8.45 Uhr statt um 7.30 Uhr in ihrem Büro anzutreffen gewesen sei.'
Nach der mit 'Dienstpflichten des Leiters' überschriebenen Bestimmung des § 32 LDG hat der Leiter die ihm aufgrund seiner Funktion obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Er hat dabei 'darauf zu achten, dass alle an der Schule tätigen Lehrer ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger; wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat sie dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretenen Fehler und Missstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeiten zu sorgen'. Nach Abs. 4 der zitierten Bestimmung hat der Leiter 'in der Regel während der Unterrichtszeit in der Schule anwesend zu sein. Im Falle einer vorübergehenden Abwesenheit während der Unterrichtszeit hat er für seine Vertretung möglichst unter Bedachtnahme auf § 27 Abs. 1 und 4 vorzusorgen. An den Schulen, an denen der Unterricht vor- und nachmittags stattfindet, kann die Dienstbehörde die Anwesenheitspflicht des Leiters unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse der Schule einschränken, wobei für die Vertretung ebenfalls im Sinne des § 21 Abs. 1 und 4 vorzusorgen ist.'
Eine Gegenüberstellung der im Disziplinarverfahren offenkundig gewordenen Dienstzeiterfüllungspraxis der Beschwerdeführerin mit den gesetzlich im § 32 LDG normierten Dienstpflichten eines Leiters zeigt, dass aus der regelmäßigen Nichtanwesenheit der Beschwerdeführerin ab Unterrichtsbeginn gravierende Dienstpflichtverstöße resultieren. Zur Erfüllung dieser den Schulleiter treffenden Dienstpflichten ist nicht nur eine in der Regel zu gewährleistende Anwesenheit während der Unterrichtszeit erforderlich. Um den aus den Bestimmungen des § 32 LDG ableitbaren Anleitungs-, Kontroll- und Obsorgepflichten nachkommen zu können, ist die Anwesenheit des Schulleiters auch bereits ab dem Zeitpunkt erforderlich, ab dem die einzelnen Lehrer ihre Aufsichtspflicht in der jeweiligen Klasse wahrnehmen, also ab 7.30 Uhr. Aus den Zeugenaussagen, insbesondere der Stellvertreterin der Leiterin, Frau F, war nicht abzuleiten, dass die Beschwerdeführerin für die Fälle ihrer Abwesenheit vor und während der Unterrichtszeit im Sinne von § 32 Abs. 4 LDG für ihre Vertretung gesorgt hätte. Offensichtlich hat Frau F in den Fällen der Nichtanwesenheit der Beschwerdeführerin ohne ausdrücklich damit betraut worden zu sein, ihre Vertretungskompetenz aus eigenem Antrieb wahrgenommen und Anordnungen getroffen, wie beispielsweise die Vorsorge für einen kurzfristigen Supplierbedarf."
Weiters begründete die belangte Behörde den zu Spruchpunkt b) erhobenen Vorwurf damit, dass die Einstufung des Schülers M.T. im Schuljahr 2009/2010 sowohl im Widerspruch zu § 8 des Schulpflichtgesetzes 1985 wie auch zu den Bestimmungen der §§ 12 und 26 des Kärntner Schulgesetzes stehe. Die Unterrichtserteilung für den betreffenden Schüler nach dem Vorschulstufenlehrplan sei bis zum Ende des Schuljahres 2009/2010, also bis zum , aufrecht geblieben, daher reiche die aus dieser Gesetzwidrigkeit erfließende Dienstpflichtverletzung auch in den nicht von der Verjährung umfassten Zeitraum hinein.
Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die von der Beschwerdeführerin verletzte Pflicht der korrekten Dienstzeiteinhaltung zu den schwerwiegendsten Interessen des Schulwesens zähle, jedoch könne unter Bedachtnahme auf die Schwere der Dienstpflichtverletzung und der für die Strafbemessung nach dem StGB maßgebenden Gründe sowie unter Bedachtnahme auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 12.000,-- angemessen erscheinen. Als mildernd werde die bisherige Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin berücksichtigt, die versäumte Beantragung der Feststellung des sonderpädagogischen Förderungsbedarfes für den Schüler M.T. jedoch als Erschwerungsgrund. Bei der Strafbemessung sei auch der Umstand mitberücksichtigt worden, dass die Beschwerdeführerin offensichtlich auch nach Erstattung der Disziplinaranzeige durch den Bezirksschulinspektor ihre lockere Dienstzeiteinhaltung unverändert beibehalten habe und auch im Zuge ihrer Anhörung vor der Disziplinar-Oberkommission keine Schuldeinsicht erkennen habe lassen und weiterhin die Auffassung vertreten habe, dass alleine ihre telefonische Erreichbarkeit ausreiche, um ihre Dienstpflichten als Leiterin der allgemeinen Sonderschule W. entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 302, idF BGBl. I Nr. 96/2007, lauten:
"Allgemeine Dienstpflichten
§ 29. (1) Der Landeslehrer ist verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Landeslehrer hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
…
§ 30. (1) Der Landeslehrer hat die Weisungen seiner Vorgesetzten, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen.
…
Dienstpflichten des Leiters
§ 32. (1) Der Leiter hat die ihm auf Grund seiner Funktion obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.
(2) Der Leiter hat darauf zu achten, daß alle an der Schule tätigen Lehrer ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat sie dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Mißstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen. Er hat ihr dienstliches Fortkommen nach Maßgabe ihrer Leistungen zu fördern.
…
(4) Der Leiter hat in der Regel während der Unterrichtszeit in der Schule anwesend zu sein. Im Falle einer vorübergehenden Abwesenheit während der Unterrichtszeit hat er für seine Vertretung möglichst unter Bedachtnahme auf § 27 Abs. 1 und 4 vorzusorgen. An Schulen, an denen der Unterricht vor- und nachmittags stattfindet, kann die Dienstbehörde die Anwesenheitspflicht des Leiters unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse der Schule einschränken, wobei für die Vertretung ebenfalls im Sinne des § 27 Abs. 1 und 4 vorzusorgen ist.
…
Ferien und Urlaub
§ 56. (1) Der Landeslehrer ist während der Schulferien vom Dienst beurlaubt, soweit nicht besondere Verpflichtungen (Vertretung des Schulleiters, Abhaltung von Prüfungen u. dgl.) entgegenstehen.
(2) An den sonstigen schulfreien Tagen besteht keine Verpflichtung zur Dienstleistung, wenn nicht besondere dienstliche Verhältnisse entgegenstehen.
(3) Der Leiter ist verpflichtet, die ersten und letzten drei Werktage der Hauptferien am Dienstort anwesend zu sein.
(4) Im übrigen hat der Leiter für die Wahrnehmung von unaufschiebbaren Leitungsgeschäften während der Schulferien zu sorgen, wobei er auch die seiner Schule zugewiesenen Lehrer unter tunlicher Berücksichtigung berechtigter Wünsche in möglichst gleichem Maße heranziehen kann.
…"
Die maßgeblichen Bestimmungen des Kärntner Schulgesetzes, LGBl. Nr. 58/2000, lauten:
"§ 12
Aufbau
(1) Die Volksschule umfaßt
a) jedenfalls die Grundschule, bestehend aus 1. der Grundstufe I und 2. der Grundstufe II sowie
b) bei Bedarf die Oberstufe.
(2) Die Grundstufe I umfaßt bei Bedarf die Vorschulstufe und jedenfalls die 1. und 2. Schulstufe.
(3) Die Grundstufe II umfaßt die 3. und 4. Schulstufe.
(3a) Die Oberstufe umfaßt die 5. bis 8. Schulstufe.
(3b) Soweit es die Schülerzahl zuläßt, hat den Schulstufen - ausgenommen bei gemeinsamer Führung in der Grundstufe I - jeweils eine Klasse zu entsprechen. Bei zu geringer Schülerzahl können mehrere Schulstufen in einer Klasse zusammengefaßt werden. Solche Klassen sind in Abteilungen zu gliedern, wobei eine Abteilung eine oder mehrere - in der Regel aufeinanderfolgende - Schulstufen zu umfassen hat.
(4) Volksschulen dürfen als ganztägige Volksschulen geführt werden.
(5) Zur Ermöglichung des zeitweisen gemeinsamen Unterrichts von nicht behinderten Kindern mit Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf dürfen zeitweise Volksschulklassen und Sonderschulklassen gemeinsam geführt werden.
…
§ 26
Aufbau
(1) Die Sonderschule umfasst neun Schulstufen, wobei die letzte Schulstufe das Berufsvorbereitungsjahr ist. Die Einteilung in Klassen richtet sich nach dem Alter und der Bildungsfähigkeit der Schüler; hierbei sind die Vorschriften über den Aufbau der Volksschule (§ 12), der Hauptschule und der Neuen Mittelschule (§ 19) sowie der Polytechnischen Schulen (§ 33) insoweit sinngemäß anzuwenden, als dies die Aufgabe der Sonderschule zulässt. In den Unterrichtsgegenständen Deutsch und Mathematik ist die Teilnahme am Unterricht der nächstniedrigeren oder nächsthöheren Schulstufe zu ermöglichen, wenn dadurch der individuellen Lernsituation der Schüler besser entsprochen werden kann.
…
(3) Sonderschulen dürfen als ganztägige Sonderschulen geführt werden.
…
§ 79
Unterrichtsstunden und Pausen für allgemeinbildende Pflichtschulen
(1) Eine Unterrichtsstunde hat 50 Minuten zu dauern. Wenn es jedoch aus zwingenden Gründen erforderlich ist, kann die Dauer aller oder einzelner Unterrichtsstunden für einzelne Schulen von der Bezirksverwaltungsbehörde vorübergehend mit 45 Minuten festgesetzt werden.
(2) Ausreichende Pausen sind in erforderlicher Anzahl vorzusehen. Nach je zwei Unterrichtsstunden hat die Pause mindestens zehn Minuten zu betragen.
(3) An ganztägigen Schulformen darf eine Stunde des Betreuungsteiles 50 Minuten nicht unterschreiten, wobei eine Teilung der Stunde zulässig ist."
Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des zu Spruchpunkt c) erhobenen Vorwurfes, sie habe beinahe regelmäßig erst zwischen der zweiten bzw. dritten Schulstunde den Dienst ohne bzw. ohne zeitgerechte Bekanntgabe eines gerechtfertigten Verhinderungsgrundes angetreten, deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde insoferne ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen sei. Es könne nicht nachvollzogen werden, warum die belangte Behörde den festgestellten Sachverhalt als erwiesen angenommen habe. Aus den Zeugenaussagen könne dies nicht abgeleitet werden. Auch habe die belangte Behörde einzelne von der Beschwerdeführerin namhaft gemachte Zeugen nicht einvernommen und sie wäre bei Vermeidung dieses Versäumnisses zu einem anderen Ergebnis gekommen.
Nach § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wurde, zu begründen. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Aus der Begründung muss erkennbar sein, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde den festgestellten Sachverhalt nach einem bestimmten Tatbestand beurteilt. Es war daher Sache der belangten Behörde, eine Gesamtbeurteilung der Leistungen der Beschwerdeführerin unter Heranziehung aller ihr zur Verfügung stehenden Beurteilungsgrundlagen und unter Würdigung der vorliegenden Einzelbewertungen wie auch dessen Vorbringens und der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0243).
Der Verwaltungsgerichtshof kann im Hinblick auf seine bloß nachprüfende Kontrolle nicht die Richtigkeit der Beweiswürdigung nachprüfen, wohl aber ihre Schlüssigkeit. Wie aus dem angefochtenen Bescheid insgesamt ersichtlich, hat sich die belangte Behörde mit den Aussagen der Beschwerdeführerin und der Zeugen beschäftigt. Dabei hat sie (erkennbar) das Vorbringen der Beschwerdeführerin den Zeugenaussagen gegenüber gestellt. Die belangte Behörde hat aus einzelnen Zeugenaussagen und auch aus dem Verhalten von Zeugen, die eine präzise Beantwortung von Fragen hinsichtlich der Einhaltung der Dienstzeit durch die Beschwerdeführerin, ihre Vorgesetzte, offensichtlich vermeiden wollten, den Schluss auf das regelmäßig verspätete Antreten des Dienstes durch die Beschwerdeführerin gezogen. Dabei haben einzelne Zeugen berichtet, die Beschwerdeführerin zu Unterrichtsbeginn vielfach nicht angetroffen zu haben oder ihren Pkw auf dem Parkplatz vor der Schule zu Unterrichtsbeginn nicht gesehen zu haben. Andere Zeugen wollten sich hinsichtlich der Anwesenheit der Beschwerdeführerin zu Unterrichtsbeginn offensichtlich nicht äußern.
Im Einleitungsbeschluss und im Verhandlungsbeschluss sowie auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides sind allerdings vier Tage angeführt, bezüglich welcher nähere Feststellungen betreffend die Anwesenheit der Beschwerdeführerin auf ihrem Arbeitsplatz getroffen wurden. Am sei die Beschwerdeführerin erst um 8.15 Uhr in der Schule eingetroffen, am sei sie um 8.25 Uhr in der Schule nicht erreichbar gewesen, am sei sie bis 8.20 Uhr nicht in der Schule angekommen sowie am sei sie um 8.30 Uhr noch nicht in der Schule erreichbar gewesen.
Wenn nun wohl aus den von der belangten Behörde herangezogenen Beweismitteln, insbesondere den Aussagen einzelner Zeugen der Schluss gezogen werden konnte, dass die Beschwerdeführerin vielfach ihren Dienst nicht zu Unterrichtsbeginn um 7.45 Uhr angetreten habe und die belangte Behörde aus den Angaben der Beschwerdeführerin selbst über den Antritt ihrer täglichen Fahrt zu ihrer Dienststelle zwischen 6.35 Uhr und 6.45 Uhr von ihrem Wohnsitz zur Schule abgeleitet hat, dass sie auch nach ihren eigenen Angaben nur bei optimalen Verhältnissen in der Lage gewesen sei, rechtzeitig vor Unterrichtsbeginn ihre Dienststelle zu erreichen, erscheint die Schlussfolgerung der belangten Behörde auf ein verspätetes Antreten des Dienstes durch die Beschwerdeführerin nicht als unschlüssig.
Die belangte Behörde wirft der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid aber vor, ihren Dienst "beinahe regelmäßig erst zwischen der 2. bzw. 3. Schulstunde" angetreten zu haben. Legt man dem angefochtenen Bescheid bei einem festgestellten Beginn des Unterrichts um 7.45 Uhr im Grunde des § 79 Abs. 1 des Kärntner Schulgesetzes die Dauer einer Unterrichtsstunde mit 50 Minuten und die Dauer einer Pause mit fünf Minuten zu Grunde, so hat an der Schule der Beschwerdeführerin die zweite Unterrichtsstunde um 8.40 Uhr begonnen. Hinsichtlich des mit dem angefochtenen Bescheid vorgeworfenen Ausmaßes der Verspätung jedenfalls regelmäßig nach 8.40 Uhr ist jedoch keiner der konkret auf einzelne Tage bezogenen Feststellungen der belangten Behörde noch auch einzelnen Zeugenaussagen eine ausreichende Grundlage zu entnehmen. In dieser Hinsicht ist daher der zu Spruchpunkt c) ergangene Schuldspruch nicht auf schlüssige Weise begründet und war der angefochtene Bescheid insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Ob die Beschwerdeführerin mit ihrer Verfahrensrüge der Unterlassung der Einvernahme einzelner von ihr namhaft gemachter Zeugen, hinsichtlich der Beweisthemen derer Aussagen sie allerdings keine Hinweise gemacht hatte, einen relevanten Verfahrensmangel aufzeigt, kann bei diesem Ergebnis auf sich beruhen.
Zum Vorwurf b), einen Schüler unrechtmäßig in die Vorschulstufe eingestuft zu haben, "obwohl bis zu diesem Zeitpunkt für den Schüler kein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt worden war", hat die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage in der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz ausgeführt, am einen diesbezüglichen Antrag gestellt zu haben, ein diesbezüglicher Bescheid sei bereits ergangen, der nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz von der Beschwerdeführerin auch vorgelegt wurde. Die belangte Behörde hat sich mit dem Antrag der Beschwerdeführerin und mit dem Inhalt dieses Bescheides nicht befasst. Dem angefochtenen Bescheid kann auch eine nachvollziehbare Begründung dahingehend, weshalb in der Sonderschule, für welche gemäß § 26 Abs. 1 zweiter Satz des Kärntner Schulgesetzes die Vorschriften über den Aufbau der Volksschule insoweit sinngemäß anzuwenden sind, als dies die Aufgabe der Sonderschule zulässt, ein Unterricht nach der in § 12 Abs. 2 leg. cit. für den Aufbau der Volksschule vorgesehenen Vorschulstufe für den Schüler M.T. unzulässig gewesen sei, nicht entnommen werden.
Zwar ist der Beamte jedenfalls verpflichtet, sich mit den einschlägigen Vorschriften seines Betätigungsfeldes bekannt zu machen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden, wenn es um die unrichtige Beurteilung einer Rechtsfrage oder Unkenntnis von Bestimmungen geht, aber nur dann grundsätzlich zu bejahen, wenn der Entscheidung eine nach den Umständen unvertretbare Rechtsauffassung zugrunde liegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0126).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nicht begründet, weshalb die Aufrechterhaltung der schulischen Einordnung des M.T. in den letzten drei Wochen des Schuljahres 2009/2010 durch die Beschwerdeführerin ungeachtet ihres bereits gestellten Antrages und eines bereits offensichtlich für das nächste Schuljahr ergangenen Bescheides der Beschwerdeführerin in diesem Sinne vorwerfbar war.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid, dessen Mängel hinsichtlich der Schuldsprüche sich auch auf die Festlegung der Strafe auswirken, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-87366