VwGH vom 15.12.2016, 2013/17/0903
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätin Mag.a Dr. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Beschwerde des R F in S, Vorarlberg, vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Dr.-Koss-Straße 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , BMLFUW-LE./1411- I/7/2013, betreffend Einheitliche Betriebsprämie, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria vom wurde der Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria vom über die Festsetzung der Einheitlichen Betriebsprämie des Beschwerdeführers für das Jahr 2010 dahingehend abgeändert, dass dem Beschwerdeführer eine Einheitliche Betriebsprämie in der Höhe von EUR 37.847,16 zuerkannt wurde.
Unter Berücksichtigung des bereits überwiesenen Betrages von EUR 62.556,44 wurde mit dem genannten Bescheid eine Rückforderung von EUR 24.709,28 geltend gemacht. Begründet wurde die Abänderung und die darauf basierende Rückforderung unter Hinweis auf eine auf der X-Alm durchgeführte Vor-Ort-Kontrolle, bei der eine Flächenabweichung hinsichtlich der anzuerkennenden Futterfläche gegenüber der vom Almobmann angegebenen (und somit beantragten) Futterfläche festgestellt worden sei. Da der Beschwerdeführer seine Rinder auf diese Alm aufgetrieben habe, sei auch die von ihm beantragte Futterfläche zu korrigieren gewesen. Die Abweichung wurde mit 2,19 ha angenommen (vorgefundene anteilige Futterfläche nur 14,33 ha, beantragte anteilige Futterfläche 16,52 ha).
2 Aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs 4 AVG abgewiesen wurde und aus Anlass der Berufung die Zahlungsansprüche des Beschwerdeführers für das Jahr 2010 mit EUR 37.836,83 festgesetzt wurden.
Begründend stellte die belangte Behörde zunächst den Verfahrensgang dar, wobei insbesondere die Stellungnahmen des Beschwerdeführers im Rahmen des Parteiengehörs und die von ihm in dessen Zuge aufgeworfenen Fragen sowie die entsprechenden Antworten der belangten Behörde wiedergegeben wurden. Die belangte Behörde erläuterte sodann ausgehend von den Feststellungen des Prüforgans anlässlich der Vor-Ort-Kontrolle die vorgenommene Berechnung des Auszahlungsbetrages. Aufgrund einer anrechenbaren Futterfläche des Beschwerdeführers auf der X-Alm von 14,33 ha und einem Wert seiner Zahlungsansprüche von EUR 4.089,67 kam die belangte Behörde zu einer Gesamtsumme der Ansprüche von EUR 58.604,97, von welcher gemäß Art 58 der Verordnung (EG) Nr 1122/2009 als Flächensanktion ein Betrag von EUR 17.912,76 in Abzug gebracht wurde. Unter Berücksichtigung einer Modulation in Höhe von EUR 2.855,38 errechnete die belangte Behörde die Höhe des Zahlungsanspruches für das Jahr 2010 mit EUR 37.836,83.
3 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde habe die Flächenermittlung unrichtig vorgenommen. Bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel hätte die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid kommen können. Die ermittelte Fläche entspräche der beantragten Fläche, sodass es nicht zur Verhängung der Sanktion hätte kommen dürfen.
4 Das gemäß Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG in das Verfahren eingetretene Bundesverwaltungsgericht übermittelte die Verwaltungsakten und die Stellungnahme des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und stellte den Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
5 Gemäß § 79 Abs 11 VwGG in der Fassung BGBl I Nr 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
6 Art 58 der Verordnung (EG) Nr 1122/2009 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr 73/2009 des Rates hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, der Modulation und des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems im Rahmen der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gemäß der genannten Verordnung und mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr 1234/2007 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen im Rahmen der Stützungsregelung für den Weinsektor lautet:
" Artikel 58
Kürzungen und Ausschlüsse in Fällen von zuviel
angemeldeten Flächen
Liegt bei einer Kulturgruppe die angemeldete Fläche für die Zwecke der flächenbezogenen Beihilferegelungen, ausgenommen die Regelungen für Stärkekartoffeln und Saatgut gemäß Titel IV Kapitel 1 Abschnitte 2 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009, über der gemäß Artikel 57 der vorliegenden Verordnung ermittelten Fläche, so wird die Beihilfe auf der Grundlage der ermittelten Fläche, gekürzt um das Doppelte der festgestellten Differenz, berechnet, wenn die Differenz über 3 % oder 2 ha liegt, aber nicht mehr als 20 % der ermittelten Fläche ausmacht.
Liegt die Differenz über 20 % der ermittelten Fläche, so wird für die betreffende Kulturgruppe keine flächenbezogene Beihilfe gewährt.
Beläuft sich die Differenz auf mehr als 50 %, so ist der Betriebsinhaber ein weiteres Mal bis zur Höhe des Betrags, der der Differenz zwischen der angemeldeten Fläche und der gemäß
Artikel 57 der vorliegenden Verordnung ermittelten Fläche entspricht, von der Beihilfegewährung auszuschließen. Dieser Betrag wird gemäß Artikel 5b der Verordnung (EG) Nr 885/2006 der Kommission verrechnet. Kann der Betrag im Verlauf der drei Kalenderjahre, die auf das Kalenderjahr der Feststellung folgen, nicht vollständig gemäß dem genannten Artikel verrechnet werden, so wird der Restbetrag annulliert."
Die Verordnung (EG) Nr 1122/2009 war gemäß ihrem Art 87 auf ab dem beginnende Wirtschaftsjahre anwendbar. Für die Verhängung einer allfälligen Sanktion wegen einer Differenz zwischen der beantragten und der vorgefundenen Fläche ist daher im Beschwerdefall Art 58 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 maßgeblich.
7 Das Beschwerdevorbringen wendet sich unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen die Feststellungen der belangten Behörde, welche Teile der in Rede stehenden Alm als unproduktive Fläche bei der Berechnung der Futterfläche zur Gänze auszuscheiden waren bzw welcher Prozentsatz an anrechenbarer Futterfläche auf die nicht von vornherein ausgeschiedenen Flächen anzuwenden war.
8 Der Beschwerdeführer moniert insbesondere, dass die Annahmen der belangten Behörde hinsichtlich des Ausmaßes der unproduktiven Fläche der Alm und die für die verbleibenden Teilflächen angewendeten Prozentsätze, welche Teile als Futterfläche angerechnet werden könnten, nicht näher begründet wurden und insofern nicht nachvollziehbar seien.
9 Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer in den Schreiben vom und vom (unter Hinweis auf das frühere Schreiben vom , in dem auf die Feststellungen des Kontrollorgans und auf die Zugangsmöglichkeit zu den Bildunterlagen verwiesen worden war) zwar die Grundlagen der Berechnung bekannt gegeben. Dabei wurden jedoch lediglich die entsprechenden Zahlen genannt und hinsichtlich der Begründung auf die Feststellungen im Zuge der Vor-Ort-Kontrolle verwiesen. Die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom dazu aufgeworfene Frage, wie die bekanntgegebenen Prozentsätze ermittelt worden seien, hat die belangte Behörde jedoch nicht beantwortet. Der Hinweis im Schreiben der belangten Behörde vom , allfällige Einwände gegen die Annahmen des Sachverständigen zum Überschirmungsgrad zu konkretisieren, klärt nicht, aufgrund welcher Überlegungen der Sachverständige die nicht "von vornherein ausgeschiedenen Flächen" (von 78 ha) als nur zu 40 % landwirtschaftlich nutzbar eingestuft hat. Die Berechnung der Futterfläche erfolgte nicht von der gesamten Teilfläche, für die eine bestimmte Überschirmung angenommen wurde, sondern lediglich von 40 % der Teilfläche. Es wäre daher tatsächlich zu begründen gewesen, worauf sich die Annahme stützt, dass nur 40 % der Teilfläche als Futterfläche anerkannt werden könnten.
Die belangte Behörde ist auch nicht auf die vom Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren aufgeworfene Frage eingegangen, um welche Teile der Alm es sich bei den der von der Gesamtfläche von 760 ha von vornherein abgezogenen Flächen handeln sollte. Der Beschwerdeführer hat in seinen Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass die Annahme, welcher Prozentsatz der Gesamtfläche als Futterfläche anrechenbar sei, nicht unwesentlich davon abhänge, ob bestimmte (nicht landwirtschaftlich nutzbare) Flächen von vornherein ausgeschieden würden. Die Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde im Schreiben vom wurden vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom ausdrücklich bestritten. Der Hinweis der belangten Behörde in ihrer Antwort an den Beschwerdeführer, die Herausnahme der "Inseln" betreffe 78,61 ha nicht-landwirtschaftliche Fläche (ohne örtliche Eingrenzung) und auch der Almobmann sei von einem Prozentsatz von 40 % ausgegangen, vermag die Annahme der belangten Behörde, es seien zunächst 78,61 ha von vornherein auszuscheiden und dennoch auf die verbleibende Fläche ein Prozentsatz von 40 % anzuwenden, nicht zu begründen.
Der Berechnung des Almobmanns unter der Annahme von 40 % anrechenbarer Futterfläche lag nämlich die Gesamtfläche der Alm zugrunde, wohingegen das Organ, das die Vor-Ort-Kontrolle durchführte, bestimmte Teile der Alm von Haus aus ausnahm. Die belangte Behörde hat dessen Angaben übernommen, ohne zu begründen, inwiefern "nach Abzug des Ödlands" weiterhin nur 40 % der verbleibenden Flächen grundsätzlich als Futterfläche in Betracht kamen (soweit keine Überschirmung vorhanden war, welche zusätzlich zum Anlass einer nur teilweisen Berücksichtigung des durch Anwendung des Prozentsatzes von 40 % ermittelten Teiles der Fläche genommen wurde). Insofern trifft der Vorwurf des Beschwerdeführers zu, dass nicht ersichtlich ist, wieso ungeachtet der in einem ersten Schritt erfolgten Ausnahme bestimmter Bereiche zur Gänze bei den verbleibenden Teilen von einem Anteil von (nur) 40 % landwirtschaftlicher Fläche auszugehen sei.
Die belangte Behörde hat insofern dem Beschwerdeführer nicht im Sinne des § 45 Abs 3 AVG Gelegenheit gegeben, "vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen". Im Schreiben vom wurde zwar allgemein erläutert, dass unproduktive Flächen (Geröll-, Fels-, Schuttflächen etc), offene Erosionsstellen, Almflächen, die mit Latschen, Erlen, Wacholder und sonstigen Gewächsen bedeckt seien, die nicht als Futter herangezogen werden könnten, nicht als Futterflächen anerkannt werden könnten. Weiters könnten Flächen, zu denen Tiere keinen Zugang hätten (Gräben, Steilflächen, ausgezäunte Flächen), Wald, verbaute Flächen, Straßen, Wege, Teiche, Gewässer, sumpfige Flächen oder Naturschutzflächen, die nutzungsfrei gestellt worden seien (zB Moorflächen), nicht als Futterflächen anerkannt werden. Für diese unproduktiven Flächenteile werde ein pauschaler Ödland-Faktor, der in 10 % Stufen angewendet werde, zugrunde gelegt. Um welche Flächen es sich bei der X-Alm dabei handle, wurde jedoch nicht ausgeführt.
Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht der Parteien im Verfahren nach dem AVG bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes ausgesprochen hat, dass die belangte Behörde ohne konkrete nähere Angaben des Berufungswerbers nicht gehalten sei, das Ergebnis der fachlich kompetenten Überprüfung vor Ort in Zweifel zu ziehen, enthebt dies die belangte Behörde nicht der Verpflichtung, auf begründete Fragen und Einwände im Verfahren einzugehen. Die Behörde muss nach der hg Rechtsprechung zwar nicht auf Grund bloßer Vermutungen ohne weitere konkrete Anhaltspunkte, in welcher Hinsicht die Beurteilung im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle unzutreffend wäre, eine neuerliche Überprüfung durchführen (vgl , auf welches bereits die belangte Behörde verwiesen hat, oder ). Werden jedoch im Verfahren Fragen nach der Schlüssigkeit der Ableitungen der Behörde aufgeworfen, hat die belangte Behörde darauf im Rahmen der Begründung des Bescheides so weit einzugehen, dass eine Überprüfung der Schlussfolgerungen auf ihre Rechtmäßigkeit möglich ist. Ein Gegenvorbringen einer Partei ist auch im Lichte der genannten Rechtsprechung nicht zu erstatten, soweit der maßgebende Sachverhalt der Partei nur unvollständig zur Kenntnis gebracht bzw ohne nähere Begründung nur nicht nachvollziehbare Annahmen mitgeteilt werden.
10 Der aufgezeigte Verfahrensmangel ist auch wesentlich, da die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
11 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
12 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 in der Fassung BGBl II Nr 8/2014, noch anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am