VwGH vom 08.06.2011, 2009/05/0030

VwGH vom 08.06.2011, 2009/05/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zöchling, über die Beschwerde des RB in W, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 125/08, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: L GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Renner und Dr. Gerd Höllerl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Gonzagagasse 11/26; weitere Partei:

Wiener Landesregierung), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.489,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bauansuchen vom beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses auf der Liegenschaft S.-Straße 87. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Nachbarliegenschaft S.-Straße 85.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer Einwendungen dahingehend, dass es durch die Bauführung zu einer massiven Gefährdung der bestehenden Gebäude und zu einer Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz kommen werde. Eine Bauführung laut Einreichplan sei nur bei einer Absicherung der Fundamente der Gebäude des Beschwerdeführers durchführbar, was nur durch Baumaßnahmen unter diesen Gebäuden möglich sei, mit denen der Beschwerdeführer aber keinesfalls einverstanden sei. Die vorgesehene Dachansteilung widerspreche dem Bebauungsplan. Die Außenwände des Dachgeschoßes müssten allseitig einheitlich geneigt sein. Die Terrasse wäre mit einem Geländer zu versehen, damit keine Gegenstände auf das Grundstück des Beschwerdeführers herabfielen.

Bei der mündlichen Bauverhandlung am brachte der Beschwerdeführer ferner vor, die Art der Baugrubensicherung sei vorab festzulegen und im Einvernehmen mit ihm durchzuführen. Weiters werde eine Abschrägung des Seitentraktes befürwortet, ebenso die Beibehaltung der Flucht der S.-Straße. Es werde angeregt, vor Baubeginn die Grundwassersituation zu klären.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde die beantragte Baubewilligung für ein fünfgeschossiges Wohnhaus mit acht Wohnungen und einer Tiefgarage sowie einer Einfriedung zum öffentlichen Gut unter mehreren Auflagen erteilt. Unter anderem wurde vorgeschrieben, dass vor bzw. im Zuge des Baugrubenaushubes statisch wirksame Sicherungsmaßnahmen (Unterfangungen, Bohrpfahlverbau oder ähnliches) zur Erhaltung der Standsicherheit der Nachbargebäude und anschließenden Gebäude und Verkehrsflächen vorzunehmen seien. Begründend wurde hinsichtlich der Nachbareinwendungen im Wesentlichen ausgeführt, die zum Zeitpunkt der Bauverhandlung erforderliche Ausnahme gemäß § 69 der Bauordnung für Wien (BO) für die Überschreitung des zulässigen Gebäudeumrisses im Hinblick auf die Firsthöhenbeschränkung sei nun auf Grund der Novellierung des § 81 Abs. 4 BO nicht mehr erforderlich. Die sonst vorgebrachten Einwendungen berührten nicht die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, welche mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, das Berufungsvorbringen beziehe sich ausschließlich auf Fragen der Statik, der Tragfähigkeit des Untergrundes, der Baugrubensicherung sowie auf beeinträchtigende Veränderungen der Grundwasserverhältnisse. Damit mache der Beschwerdeführer keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte geltend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, das gegenständliche Gebäude könne nur errichtet werden, wenn die Garage im Keller so, wie aus den Plänen ersichtlich, gebaut werden könnte. Dies treffe nur dann zu, wenn die Dimensionierungen so gering gehalten werden könnten, wie in den Plänen vorgesehen. Jede auf Grund der Bodenbeschaffenheit notwendige Sicherungsmaßnahme, vor allem aber ein Unterfangen oder ein Bohrpfahlverbau, bedingte eine wesentlich größere Wandstärke und damit eine Unbrauchbarkeit des Kellergeschoßes. Damit wäre das Bauvorhaben nicht realisierbar. Entgegen § 63 Abs. 4 BO seien kein Gutachten über das Ergebnis der Bodenuntersuchung und keine statische Vorbemessung den Einreichunterlagen angeschlossen gewesen. Die Baubehörde erster Instanz habe der mitbeteiligten Partei aufgetragen, eine entsprechende Bodenuntersuchung durchführen zu lassen und das diesbezügliche Gutachten vorzulegen. Dies sei nicht geschehen. Die zwischendurch vorgelegte Handskizze über theoretische Möglichkeiten einer Verwendung des Grundstückes für die geplanten Baumaßnahmen betreffe nur die Frage der Statik. Die vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten seien aber mit dem eingereichten Projekt nicht vereinbar. Dem Auftrag hinsichtlich einer Bodenuntersuchung sei nicht entsprochen worden. Das Grundstück sei für die vorgesehene Bebauung nicht geeignet. Im Übrigen sei damit zu rechnen, dass die mitbeteiligte Partei im Falle eines Schadeneintrittes sofort Insolvenz anmeldete und der Hinweis auf den Zivilrechtsweg daher völlig ins Leere gehe. Die mitbeteiligte Partei habe die Aufträge, ein Gutachten über die Eignung des Bodens, die Standsicherheit des geplanten und des Nachbargebäudes sowie über die Wasserverhältnisse vorzulegen, nicht befolgt. Nachdem der Baubehörde eine völlig andere, undatierte Urkunde zugestellt worden sei, habe sie es unterlassen, dem Beschwerdeführer diese Urkunde zur Stellungnahme zu übermitteln. Damit sei das rechtliche Gehör verletzt. Dies habe auch nicht im Berufungsverfahren saniert werden können, da die Stellungnahme völlig unbrauchbar gewesen sei. Sie gehe von Voraussetzungen aus, die durch das von der Erstbehörde angeforderte Gutachten erst unter Beweis zu stellen gewesen wären. Die belangte Behörde habe eine erst im Zuge des Berufungsverfahrens eingeholte gutachterliche Stellungnahme des Amtssachverständigen vom erwähnt. Zugleich habe sie eine Änderung dieser Urkunde durch Auswechslung einer Seite eingeräumt. Die Stellungnahme des Amtssachverständigen bestehe im Wesentlichen nur aus einem Satz und beziehe sich offenbar auf eine andere Urkunde. Verfehlt sei es, dass eine Prüfung auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers hinsichtlich der Statik und der Tragfähigkeit des Untergrundes keine Bedenken ergeben hätte. Von einer Überprüfung der Tragfähigkeit des Untergrundes könne keine Rede sein. In Wahrheit seien Änderungen des eingereichten Projektes auf Grund zusätzlicher Urkunden vorgenommen worden, ohne dass der Beschwerdeführer davon verständigt oder dazu gehört worden wäre.

§ 134a der Bauordnung für Wien (BO) in der hier noch maßgebenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 24/2008 lautet:

"§ 134a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

a) Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;


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b)
Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
c)
Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;
d)
Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;
e)
Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden;
f)
Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen."
Diese Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte ist taxativ, in Bezug auf Fragen der Statik und der Tragfähigkeit des Untergrundes, die der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung angesprochen hat, hat der Nachbar damit kein Mitspracherecht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/1016). Die Vorschriften über die Ausführung von Bauten begründen ebenfalls keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren. Die Art der Sicherung der Baugrube und damit auch die Verhinderung von Schäden an Nachbargebäuden ist eine Frage der Bauausführung, nicht aber eine solche der Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0121). Auch in Bezug auf den Grundwasserhaushalt besteht kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/0785).
Der Nachbar hat auch nicht das Recht, geltend zu machen, dass ein Bauvorhaben technisch nicht realisierbar wäre. Das Baubewilligungsverfahren ist ein Projektgenehmigungsverfahren, in dem ausschließlich die bewilligten Unterlagen von Relevanz sind (vgl. das hg. Erkenntnis , Zl. 2009/05/0232). Sollte es sich herausstellen, dass es unmöglich ist, entsprechend den Bauplänen zu bauen, darf der Bauwerber die Bauführung insoweit nicht vornehmen, als eine von den Plänen abweichende Bauführung von der Baubewilligung nicht umfasst ist.
Auch die vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmängel betreffen Unterlagen lediglich über die Statik, die Wasserverhältnisse und die Tragfähigkeit des Untergrundes. Da die Verfahrensrechte des Nachbarn aber nicht weitergehen als seine materiellen Rechte, geht auch das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers ins Leere.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am