VwGH vom 15.05.2012, 2009/05/0025

VwGH vom 15.05.2012, 2009/05/0025

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2009/05/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerden von 1. Mag. H B (protokolliert zur hg. Zl. 2009/05/0025) und 2. M W (protokolliert zur hg. Zl. 2009/05/0026), beide in Wien und vertreten durch Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Karlsgasse 15/3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-545/08, betreffend eine Baubewilligung (weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: S Liegenschaftsverwertungs KG in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Kogler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 3/10), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen von insgesamt EUR 1.106, 40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom beantragte die Mitbeteiligte die Erteilung der Baugenehmigung für den Abbruch eines Werkstättengebäudes und einer Einzelgarage sowie für die Errichtung eines Wohnhauses mit Tiefgarage und der Adaptierung bestehender Gebäude in Wien, Pgasse 10. Nach Abtragen eines Teiles des rechten Flügeltraktes des Altbestandes sollten ein an der Baulinie liegendes unterkellertes zweistöckiges Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoss und ein daran anschließender, an der rechten Grundgrenze liegender einstöckiger Flügeltrakt, gleichfalls mit ausgebautem Dachgeschoss, errichtet werden.

Beim linken Seitentrakt des Altbestandes sollten bauliche Änderungen (Änderung des Flachdaches zu einem Pultdach durch Reduktion der Gebäudehöhe, Zusammenlegung zweier Wohnungen durch Einbau einer internen Stiege und Änderung der Raumeinteilung) vorgenommen sowie das Stiegenhaus im ersten Stock abgetragen werden.

Gegen den erstinstanzlichen Bescheid der MA 37 vom , mit dem dieses Bauvorhaben baubehördlich zur Gänze bewilligt worden war, erhoben die Beschwerdeführer (sie sind unbestritten Nachbarn iSd § 134 Abs. 3 BO) Berufung, über welche die belangte Behörde mit Bescheid vom dahingehend entschied, dass die baubehördliche Bewilligung für die beabsichtigte Bauführung hinsichtlich des linken Seitentraktes versagt, hinsichtlich des rechten Seitentraktes jedoch erteilt würde.

Aufgrund der nur gegen die Abweisung des Bauansuchens hinsichtlich des linken Seitentraktes erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Bauwerberin hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0018 (im Folgenden: Vorerkenntnis), den diesbezüglichen Spruchpunkt des Berufungsbescheides vom wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

Mit näherer Begründung wurde erkannt, dass das Bauvorhaben in Bezug auf den linken Seitentrakt entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht als Umbau, sondern als bauliche Änderung im Sinne des § 60 Abs. 1 lit c Wiener Bauordnung (BO) zu bewerten sei, weil die baulichen Maßnahmen, die im gegenständlichen Fall getroffen würden, nicht als so weitgehend einzustufen seien, dass nach der Änderung das Gebäude als ein anderes anzusehen sei. Ausgehend davon stehe die Ausweisung der gärtnerischen Ausgestaltung im Bebauungsplan, die seitens der belangten Behörde als Hindernis für die begehrte Bewilligung angesehen worden war, dem Bauvorhaben nicht entgegen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid vom wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer ab und erteilte damit - im Instanzenzug - für das gesamte eingereichte Bauvorhaben die baubehördliche Bewilligung.

Begründend führte sie unter anderem aus, das gegenständliche Projekt stelle sich "im verfahrensrelevanten Ausmaß" so dar, dass an einem an der Grundgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführer befindlichen Gebäude - dieses befinde sich zur Gänze auf einer Grundfläche, für welche die gärtnerische Ausgestaltung vorgeschrieben sei - bauliche Änderungen dahingehend vorgenommen würden, dass zwei Wohnungen zusammengelegt werden sollen, das bestehende Flachdach durch hofseitige Reduktion der Gebäudehöhe in ein Pultdach abgeändert und im ersten Obergeschoß durch teilweise Abtragung des Gebäudes eine Terrasse errichtet werden solle.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach die projektierten Bauführungen eine wesentliche Abänderung des bestehenden Gebäudes iSd § 60 Abs. 1 lit. a BO darstellten, sei das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach die projektierten Bauführungen lediglich bauliche Änderungen nach § 60 Abs. 1 lit. c BO seien und diesen daher gemäß § 60 Abs. 3 BO Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nicht entgegenstünden.

Das Berufungsvorbringen, eine allfällige Abänderung des bestehenden Konsenses am linksseitigen Hofgebäude bedürfe der Zustimmung der Nachbarn, sei unbegründet, weil die Nachbarn gemäß § 134a Abs. 1 erster Satz BO nur bestimmte subjektiv-öffentliche Rechte in Bezug auf das Bauvorhaben geltend machen könnten.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden, wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen hat:

1. Die - im Wesentlichen gleichlautenden - Beschwerden machen zunächst geltend, die belangte Behörde habe nicht wahrgenommen, dass es sich im gegenständlichen Fall um ein einheitliches Bauvorhaben handle, das zu Unrecht in verschiedene, näher bezeichnete Verfahren aufgespaltet worden sei. Dieses Bauvorhaben hätte als Ganzes nicht genehmigt werden dürfen, wenn alle Baumaßnahmen als Einheit seitens der Bauwerberin (Mitbeteiligten) eingereicht worden wären bzw. wenn die Baubehörde alle eingereichten Einzelprojekte als einheitliches Ganzes beurteilt hätte.

Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, sie habe nur über die im gegenständlichen Verfahren beantragten Baumaßnahmen absprechen können. Wenn die Beschwerdeführer vorbrächten, die Einbeziehung eines weiteren Bauverfahrens in das vorliegende Verfahren hätte zu einem anderen Ergebnis geführt, sei anzumerken, dass diesem Verfahren ein eigenes Bauansuchen zu Grunde gelegen sei und in ihm nur einzelne, Nachbarrechte nicht beschneidende Bauführungen, nämlich bauliche Änderungen im Inneren des Gebäudes sowie die Erneuerung der Dachkonstruktion, bewilligt worden seien. Inwieweit dies im Falle der Zusammenlegung der Verfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, sei nicht ersichtlich und werde auch durch die Beschwerdeführer nicht überzeugend argumentiert. Insbesondere werde dadurch die "'Erheblichkeitsschwelle" zur Annahme eines Umbaues gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO nicht überschritten. Es treffe auch nicht zu, dass die belangte Behörde durch den Berufungsbescheid vom rechtswidrig eine Teilung des Verfahrens herbeigeführt habe. Vielmehr handle es sich im vorliegenden Verfahren um zwei voneinander unabhängige, technisch trennbare Bauführungen, nämlich einerseits die Herstellung des Straßentraktes samt rechtem Seitentrakt und andererseits bauliche Änderungen am linken Hofgebäude. Die Versagung des gesamten Bauansuchens nur aufgrund der seinerzeit angenommenen Unzulässigkeit der projektierten Bauführungen am linken Hofgebäude hätte die Bauwerberin aufgrund der dargestellten Trennbarkeit der Projekte in ihrem subjektiven Recht auf Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für eigenständig zu beurteilende Bauführungen verletzt.

Zu diesem Parteienvorbringen ist zunächst festzuhalten, dass die weitwendigen Beschwerdeausführungen nur ansatzweise erkennen lassen, weshalb die von den Beschwerdeführern geforderte, jedoch angeblich unterbliebene Gesamtbeurteilung des Bauvorhabens in Bezug auf den hier maßgeblichen Verfahrensgegenstand, nämlich die baubehördliche Bewilligung für Bauführungen im linken Seitentrakt, zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte führen sollen. Die Beschwerdeführer erwähnen zwar mehrmals, dass das Bauvorhaben insgesamt gegen "zwingende Vorschriften" der BO verstoße, lassen aber eine nachvollziehbare Präzisierung dieses Vorwurfes, insbesondere dahingehend, welche der durch § 134a BO gewährleisteten Rechte verletzt würden, vermissen. Am ehesten lässt sich das Beschwerdevorbringen noch dahingehend verstehen, dass damit - wie auch von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift angenommen worden ist - geltend gemacht wird, das Bauvorhaben betreffend den linken Seitentrakt sei bei einheitlicher Würdigung des Bauprojektes entgegen den Annahmen des Verwaltungsgerichtshofes im Vorerkenntnis nicht bloß als bauliche Änderung iSd § 60 Abs. 1 lit. c BO, sondern als Umbau anzusehen, der aufgrund der ausgewiesenen gärtnerischen Ausgestaltung im Bebauungsplan nicht bewilligt werden hätte dürfen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die von den Beschwerdeführern angesprochene Rechtsfrage Gegenstand des Vorerkenntnisses gewesen und für das weitere Verfahren gemäß § 63 Abs. 1 VwGG mit bindender Wirkung entschieden worden ist. In dem diesem Erkenntnis vorangegangenen Verfahren hatte der nunmehrige Erstbeschwerdeführer (als damaliger Mitbeteiligter) mit den nun wiederholten Argumenten ebenfalls die Einheitlichkeit des Bauvorhabens (hinsichtlich des rechten und linken Seitentraktes des Altbestandes) behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch, wie eingangs bereits dargestellt worden ist, ungeachtet dessen erkannt, dass die für den linken Seitentrakt beabsichtigten Bauführungen als bloße bauliche Änderung iSd § 60 Abs. 1 lit. c BO zu bewerten sind. Dass er dabei von einem unrichtig angenommenen Sachverhalt ausgegangen wäre, legen die Beschwerdeführer nicht dar.

Inwieweit durch weitere Ansuchen der Mitbeteiligten um Bewilligung baulicher Veränderungen am linken Seitentrakt, über die nach der Aktenlage zeitlich nach dem gegenständlichen Berufungsbescheid entschieden worden ist und hinsichtlich derer ebenfalls hg. Beschwerdeverfahren anhängig sind, die Grenze der (zulässigen) baulichen Änderungen nach § 60 Abs. 1 lit. c BO überschritten worden sein könnte, ist nicht im vorliegenden Verfahren, sondern in den Bezug habenden Beschwerdeverfahren zu beurteilen und daher hier nicht von Belang.

2. Als weiteren Beschwerdegrund machen die Beschwerdeführer geltend, der angefochtene Bescheid sei wegen Eingriffes in eine rechtskräftig entschiedene Sache rechtswidrig. Sie verweisen darauf, dass die Baubehörde betreffend ein mit dem gegenständlichen Projekt vergleichbares früheres Bauansuchen zu dem Ergebnis gelangt sei, das eingereichte Projekt sei nicht genehmigungsfähig. Das damalige Ansuchen sei deshalb mit Bescheid der MA 37 vom (rechtskräftig) abgewiesen worden. An der Sach- und Rechtslage habe sich seither nichts Wesentliches geändert.

Dieses Vorbringen wird von der belangten Behörde in der Gegenschrift bestritten. Das seinerzeitige Bauvorhaben habe sehr viele weitergehende Abweichungen von den Bebauungsvorschriften beinhaltet als dies im vorliegenden Fall beantragt worden sei. Identität der Sachen liege nicht vor.

Ungeachtet der (strittigen) Frage, ob überhaupt Identität der Verfahrensgegenstände in den zu beurteilenden Verfahren vorlag, kommt dem Einwand der Beschwerdeführer schon deshalb keine Berechtigung zu, weil die Beschwerdeführer nicht darlegen, in welchem durch die materielle Rechtslage eingeräumten subjektivöffentlichen Nachbarrecht sie durch den behaupteten Verstoß gegen die Rechtskraft berührt werden. Das wäre nach der ständigen Rechtsprechung aber Voraussetzung dafür, dass die Beschwerdeführer als Nachbarn den vorgebrachten unzulässigen Eingriff in die Rechtskraft der seinerzeitigen Entscheidung erfolgreich geltend machen könnten (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/05/0143, sowie vom , Zl. 2009/05/0003, je mwN).

Abschließend ist anzumerken, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid zwar nicht nur über die noch verfahrensgegenständliche Frage der baubehördlichen Bewilligung für den linken Seitentrakt entschieden hat, sondern - spruchgemäß -

auch neuerlich die baubehördliche Bewilligung für den rechten Seitentrakt erteilt hat, obwohl dieser Spruchpunkt bereits mit Berufungsbescheid vom rechtskräftig entschieden worden ist. Durch die Missachtung der Teilrechtskraft des angesprochenen Berufungsbescheides wurden die Beschwerdeführer in ihren Rechten aber nicht verletzt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/12/0142).

3. Weiters bringen die Beschwerdeführer vor, im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren seien mehrere, inhaltlich divergierende und mangelhafte Baupläne präsentiert worden. Auf diesen Umstand sei die belangte Behörde nicht eingegangen, weshalb sie ihr Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet habe.

Die belangte Behörde wendet in der Gegenschrift ein, Planänderungen seien unwesentlich gewesen und es hätten lediglich einschränkende und somit die Nachbarrechte nicht zusätzlich berührende Abänderungen stattgefunden. Die geänderten Projektunterlagen seien den Beschwerdeführern auch zur Kenntnis gebracht worden.

Nach der hg. Rechtsprechung steht dem Nachbarn kein subjektivöffentliches Recht darauf zu, dass die Unterlagen im Bauverfahren objektiv in jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen genügen. Die vom Bauwerber vorgelegten Planunterlegen müssen aber ausreichen, dem Nachbarn jene Informationen zu vermitteln, die er zur Verfolgung seiner Rechte im Verwaltungsverfahren braucht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0089, mwN).

Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass den Beschwerdeführern die letzte Projektänderung mit Schreiben der belangten Behörde vom zur Kenntnis gebracht worden ist. Ihnen wurde die Möglichkeit eingeräumt, sämtliche Unterlagen einzusehen, und es wurden ihnen damit jene Informationen zum Bauansuchen vermittelt, die sie zur Verfolgung ihrer Rechte im Verwaltungsverfahren gebraucht haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0296, mwN).

Ausgehend davon legen die Beschwerdeführer aber nicht nachvollziehbar dar, dass sie gehindert gewesen wären, nach § 134a Abs. 1 BO beachtliche Einwände zu erheben, die zu einem anderen Verfahrensergebnis hätten führen können.

Nichts Anderes gilt auch für das weitere Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe es nach Ansicht der Beschwerdeführer zu Unrecht unterlassen, eine mündlichen Berufungsverhandlung durchzuführen. Auch insofern vermögen die Beschwerdeführer aus den dargestellten Gründen einen relevanten Verfahrensmangel nicht aufzuzeigen.

4. Soweit die Beschwerdeführer schließlich geltend machen, das Bauvorhaben betreffend den linken Seitentrakt stehe im Widerspruch zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, genügt es, sie auf das mehrfach zitierte Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Einwände gegen die Bauführungen im rechten Seitentrakt sind nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

5. Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Da sowohl die belangte Behörde als auch die Mitbeteiligte zu beiden Beschwerden jeweils wörtlich gleichlautende Gegenschriften erstattet hat, waren die Kosten für Schriftsatzaufwand nur je einmal zuzusprechen.

Wien, am