VwGH vom 25.02.2010, 2006/18/0366
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der T in Wien, geboren am , vertreten durch Dr. Haimo Sunder-Plaßmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 497/06, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde die Beschwerdeführerin, eine kroatische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei mit ihrer Mutter in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 sichtvermerksfrei erstmals nach Österreich gekommen und habe hier vier Klassen Hauptschule bzw. den Polytechnischen Lehrgang besucht. Unter diesen Umständen sei das Abkommen zwischen Österreich und Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, welches einen sichtvermerksfreien dreimonatigen Aufenthalt im Vertragsstaat vorsehe, wenn sich der jeweilige Staatsbürger auch nur längstens drei Monate aufhalten wolle und keine Erwerbstätigkeit beabsichtige (BGBl. 487/1995), auf die Beschwerdeführerin nicht anwendbar gewesen. Sie habe jedenfalls zu keiner Zeit einen Aufenthaltstitel für Österreich besessen.
Am sei die Beschwerdeführerin von Amtsorganen der Zollwache Wien dabei betreten worden, wie sie ohne behördliche Bewilligung in einem Nachtcafe einer Beschäftigung als Kellnerin nachgegangen sei. Dies habe sie auch bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am zugegeben. Wegen des unrechtmäßigen Aufenthaltes sei sie damals im Verwaltungsweg rechtskräftig bestraft worden.
Nach Darstellung des gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom erhobenen Berufungsvorbringens führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Beschwerdeführerin in einer ergänzenden Äußerung vom vorgebracht habe, zuletzt am aus Kroatien nach Österreich eingereist und daher derzeit (wegen des erwähnten Sichtvermerksabkommens) rechtmäßig hier aufhältig zu sein. Bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am sei von ihr angegeben worden, dass sie vom Zeitpunkt der (Neu )Ausstellung ihres Reisepasses in Wien am bis (Anmerkung der belangten Behörde: also länger als drei Monate) durchgehend im Bundesgebiet aufhältig gewesen wäre. Dann hätte sie sich zwei Wochen in Kroatien aufgehalten. Sie wäre Ende November wieder nach Wien zurückgekehrt, wo sie sich bis Mai 2006 (Anmerkung der belangten Behörde: also wieder länger als drei Monate) weiter aufgehalten hätte. Zwecks Stellung des Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung hätte sie sich dann um den neuerlich in Kroatien aufgehalten, von wo sie am in das Bundesgebiet zurückgekehrt wäre. Zuletzt wäre sie im Juli 2006 fünf Tage lang in Kroatien gewesen und am über Ungarn nach Österreich eingereist.
Die Beschwerdeführerin halte sich nunmehr - allenfalls mit kurzfristigen Unterbrechungen - bereits seit sechs Jahren unrechtmäßig in Österreich auf. Sie sei ab dem im Bundesgebiet ununterbrochen behördlich gemeldet. Unter Berücksichtigung der dadurch und aufgrund von anderen Umständen (Schulbesuch, illegale Beschäftigung, Nähe zur Mutter) erweislichen offensichtlichen Niederlassungsabsicht im Bundesgebiet schade der jeweils ganz kurzfristige Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Kroatien nicht der Annahme, dass sie sich unter Umgehung des oben erwähnten Sichtvermerksabkommens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG - vorbehaltlich des § 66 Abs. 1 leg. cit. - seien daher verwirklicht.
Die Beschwerdeführerin sei 17 1/2 Jahre alt, ledig, ohne Sorgepflichten und beschäftigungslos. Ihr Vater lebe in Kroatien, ihre Mutter mit Aufenthaltstitel in Wien. Auch ein Bruder sei im Bundesgebiet - in Zell am See -- aufhältig.
Angesichts des - wenn auch illegalen - mehrjährigen Aufenthaltes und der familiären Situation sei zweifellos von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei. Die gemäß § 66 Abs. 1 FPG vorzunehmende Interessenabwägung falle nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin aus. Die von ihr in Österreich aufgebaute private Interessenlage an einem weiteren Verbleib stütze sich auf einen von Anbeginn an und nunmehr schon sechs Jahre dauernden illegalen Aufenthalt, der auch von ihrer Mutter nach dem Motto "na irgendwie wird's schon gehen" geduldet, wenn nicht sogar gefördert worden sei, anstatt den rechtmäßigen Zustand - etwa durch eine gemeinsame Ausreise - alsbald herzustellen. So unselbständig, wie die Berufungsschrift zu vermitteln suche, könne die Beschwerdeführerin nicht sein, wo sie doch schon im Alter von 16 Jahren - offensichtlich im Einverständnis mit ihrer Mutter, die sie später abgeholt habe - zur nächtlichen Zeit (22.30 Uhr) beim "Kellnerieren" in einem Nachtcafe betreten worden sei. Die Beschwerdeführerin habe durch ihren vieljährigen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Einhaltung der für den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukomme, gravierend beeinträchtigt. Dieses Maß an Rechtsgüterbeeinträchtigung müsse auch bei einer Abwägung nach § 66 Abs. 1 FPG zu Lasten der Beschwerdeführerin gebührend berücksichtigt werden, und es überwiege die Relevanz des durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme bewirkten Eingriffes in das Privat- bzw. Familienleben.
Besonders berücksichtigungswerte Umstände, die sonst eine Ermessensentscheidung zugelassen hätten, seien weder erkannt noch vorgebracht worden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin noch nie über einen Aufenthaltstitel für Österreich verfügt habe, begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin unrechtmäßig und die Tatbestandsvoraussetzung nach § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG erfüllt seien, keinen Bedenken.
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK und § 66 Abs. 1 FPG und bringt vor, dass die Beschwerdeführerin von ihren Eltern lediglich Kontakt zu ihrer Mutter habe und diese daher der einzige verfügbare Elternteil für sie sei. Ihrem Alter entsprechend lebe sie bei ihrer Mutter, und es würde die mit der Ausweisung verbundene Trennung von ihrer Mutter für beide Teile einen schweren Eingriff in ihr Familienleben bedeuten. Auch würde die Beschwerdeführerin in Kroatien gänzlich auf sich allein gestellt sein, und es würde eine derart große örtliche Trennung einen für ihre Mutter nicht kontrollierbaren Lebenswandel ihrer Tochter bedeuten. Der Aufenthaltsort des Vaters der Beschwerdeführerin sei unbekannt, und es leiste dieser keinen Unterhalt für sein Kind, sodass der gesamte Kindesunterhalt allein von der in Österreich lebenden und hier arbeitenden Mutter der Beschwerdeführerin aufgebracht werden müsse. Die belangte Behörde habe weiters nicht gebührend berücksichtigt, dass sämtliche nahen Verwandten der Beschwerdeführerin in Österreich aufhältig seien und hier ihren Lebensmittelpunkt hätten. Sie habe daher auch nicht die Möglichkeit, in Kroatien zumindest vorübergehend bei Verwandten unterzukommen. Da der Vater der Beschwerdeführerin unauffindbar sei, bestehe für die minderjährige Beschwerdeführerin im Ergebnis keine andere Möglichkeit, als gemeinsam mit ihrer Mutter in Österreich zu leben, um ein den Umständen entsprechendes sorgenfreies Familienleben zu führen. Die Beschwerdeführerin sei umfassend in Österreich integriert und verfüge darüber hinaus über ausgezeichnete Kenntnisse der deutschen Sprache. Durch den Schulbesuch in Österreich bestünden entsprechende soziale Kontakte und Freundschaften zu Mitschülern. Die belangte Behörde hätte auch feststellen müssen, dass die Beschwerdeführerin in Österreich die zweite, dritte und vierte Klasse der Hauptschule und den Polytechnischen Lehrgang besucht und abgeschlossen habe und daher umfassend hier integriert sei. Ferner sei die Beschwerdeführerin entgegen den Feststellungen der belangten Behörde keiner Beschäftigung als Kellnerin nachgegangen. Sie habe lediglich kurzfristig und unentgeltlich aus Gefälligkeit in diesem Lokal ausgeholfen. Solche Gefälligkeits- oder Freundschaftsdienste unterlägen jedoch nicht dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, weshalb die Tätigkeit der Beschwerdeführerin keine Schwarzarbeit dargestellt habe.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit der zweiten Hälfte des Jahres 2000, ihre Bindungen zu ihrer Mutter und dem in Salzburg aufhältigen Bruder und den Umstand, dass sie hier die Hauptschule und den Polytechnischen Lehrgang besucht hat, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff im Sinn der genannten Bestimmung angenommen. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin ableitbare Integration ist jedoch dadurch relativiert, dass dieser Aufenthalt zur Gänze unrechtmäßig war. In diesem Zusammenhang wird bemerkt, dass die im angefochtenen Bescheid getroffene Annahme hinsichtlich der Niederlassungsabsicht der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt wird, weshalb das im angefochtenen Bescheid genannte Abkommen über die sichtvermerksfreie Einreise auf die Beschwerdeführerin keine Anwendung findet.
Nach den weiteren insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde ist die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides etwa 17 1/2 Jahre alte Beschwerdeführerin ohne Beschäftigung. Ihren Angaben zufolge hielt sie sich zuletzt mehrere Tage im Juli 2006 in Kroatien auf. Zuvor hatte sie sich laut ihren Angaben (u.a.) im November 2005 zwei Wochen und im Mai 2006 wiederholt in Kroatien aufgehalten.
Den obgenannten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht ihr -- sieht man von den kurzfristigen Unterbrechungen durch ihre Aufenthalte in Kroatien ab - zur Gänze unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem Jahr 2000 gegenüber, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0268, mwN). Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerin, die nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthalts im Jahr 2006 bestraft wurde, am , um 22.30 Uhr, von Amtsorganen der Zollwache Wien in einem Nachtcafe bei einer Beschäftigung als Kellnerin betreten worden war. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass es sich dabei um keine nach dem AuslBG unerlaubte Beschäftigung der Beschwerdeführerin gehandelt habe, weil diese lediglich kurzfristig und unentgeltlich aus Gefälligkeit in diesem Lokal ausgeholfen habe, so vermag sie mit diesem Vorbringen die genannte Annahme der belangte Behörde nicht zu widerlegen, hat doch die Beschwerdeführerin bei ihrer Vernehmung durch die Erstbehörde am im Beisein ihres damaligen Rechtsvertreters angegeben, es entspreche den Tatsachen, dass sie am bei einer Beschäftigung als Kellnerin betreten worden sei.
Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine besonderen Umstände für die Annahme dahingehend abzuleiten, dass es der Beschwerdeführerin, die sich 2005 und 2006 wiederholt in Kroatien aufgehalten hat, mit Blick auf Art. 8 EMRK unzumutbar wäre, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsbewilligungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren. Abgesehen davon legt die Beschwerde auch keine Umstände dar, die einer allfälligen Begleitung der Beschwerdeführerin durch ihre Mutter in ihr Heimatland zwingend entgegenstünden.
Im Hinblick darauf ist die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung der Beschwerdeführerin sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig, nicht zu beanstanden.
3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-87298