VwGH vom 26.06.2020, Ra 2020/17/0016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer, den Hofrat Mag. Berger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des B K in E, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 30.9-1056/2017-18, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murtal), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit Spruchpunkten 1. bis 14. des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der K GmbH der vierzehnfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG mit vierzehn näher bezeichneten „Eingriffsgegenständen“ schuldig erkannt und es wurden über ihn vierzehn Geldstrafen (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil die durch ihn vertretene Gesellschaft im Zeitraum von bis verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch zugänglich gemacht habe, indem sie den Spielbetrieb in ihren Räumlichkeiten bzw. in ihrer Betriebsstätte geduldet, die Verfügungsgewalt über den Raum, in welchem sich die Glücksspielgeräte befunden hätten, gehabt sowie die gastronomische Versorgung der Spieler durchgeführt habe. „Zudem [seien] die Eingriffsgegenstände, welche Wetten auf virtuelle Hunderennen ermöglichten in der Gaststätte der Betriebsstätte [d]er K GmbH angebracht“ gewesen.
2Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) im ersten Rechtsgang nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom mit der Maßgabe ab, dass es den Tatzeitraum auf bis einschränkte. Dieses Erkenntnis wurde - nach Ablehnung und Abtretung der zuvor an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers an den Verwaltungsgerichtshof - infolge einer außerordentlichen Revision des Revisionswerbers mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/09/0159, mit näherer Begründung - u.a. weil der Betrieb von sogenannten „Cash-Centern“ und Komponenten wie PC-Rechner, Monitor und Wettscheindrucker keine Ausspielung iSd § 2 Abs. 4 GSpG darstelle sowie wegen fehlender Strafsanktionsnorm - aufgehoben.
3Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Erkenntnis des LVwG wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte 1. bis 8. des angefochtenen Straferkenntnisses (d.h. hinsichtlich dieser acht Eingriffsgegenstände) erneut unter Einschränkung des Tatzeitraums auf bis sowie unter Ergänzung der Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 GSpG als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Spruchpunkte 9. bis 14. wurde der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Umfang aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt (Spruchpunkt I. des Erkenntnisses). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das LVwG für nicht zulässig (Spruchpunkt II. des Erkenntnisses).
4Das LVwG hielt fest, dass die Verantwortlichkeit des Revisionswerbers mit seiner Eintragung als handelsrechtlicher Geschäftsführer seit anzunehmen sei. Als weiters „unbestritten und nicht der Beweiswürdigung unterliegend“ sei festgestellt worden, dass diese Funktion des Revisionswerbers am liquidationsbedingt gelöscht worden sei. Darauf beruhe letztendlich die Tatzeiteinschränkung. Am sowie am hätten näher beschriebene Überprüfungen nach dem GSpG im „betreffenden“ Lokal durch Organe der belangten Behörde, der Landespolizeidirektion Steiermark sowie eines Zeugen stattgefunden. Eine Zeugin habe Probespiele an den „bereitgestellten Walzenspielapparaten“ vorgenommen. Bei den festgestellten Hunderennen nach näheren Abbildungen habe es sich keinesfalls um Live-Hunderennen gehandelt, sondern um Spielprogramme.
5Beweiswürdigend führte das LVwG aus, die Verantwortlichkeit des Revisionswerbers ergebe sich aus dem Firmenbuch, die Feststellungen zu den Kontrollen ergäben sich aus den Aussagen näher bezeichneter Zeugen und aus den Lichtbildern. Die Beschwerdebehauptungen seien nicht belegt.
6Weiters gibt es im Erkenntnis beweiswürdigende Überlegungen zu „Feststellungen betreffend die Verbreitung von Glücksspiel und Spielsucht in Österreich“, zur tatsächlichen Einhaltung des Glücksspielrechts und zur Konzessionsvergabe.
7Nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen führte das LVwG rechtlich im Wesentlichen lediglich aus, das GSpG sei mit dem Unionsrecht aufgrund näher dargestellter Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union und des Verwaltungsgerichtshofes vereinbar, der Anwendungsvorrang des Unionsrechts stehe der Anwendung der Bestimmungen des GSpG nicht entgegen. Sämtliche Feststellungen seien vom entscheidenden Richter getroffen worden; die Strafsanktionsnorm sei aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes zu ergänzen gewesen. Zuletzt erläuterte das LVwG die Strafbemessung.
8Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9Die Revision erweist sich bereits im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen, das Erkenntnis stehe im Widerspruch zu näherer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil ein unlösbarer Widerspruch zwischen Spruch und Begründung bestehe, als zulässig und berechtigt:
10Das LVwG geht in seinem Spruch von einer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Revisionswerbers hinsichtlich der Übertretungen des GSpG vom bis zur liquidationsbedingten Löschung seiner Geschäftsführertätigkeit mit aus. Allerdings gibt es im gesamten Erkenntnis des LVwG keine Feststellung, wonach in diesem Zeitraum verbotene Ausspielungen am Tatort stattgefunden hätten. Die Feststellungen beziehen sich auf die beiden Kontrollzeitpunkte und ; zu diesen Zeitpunkten bestand jedoch nach den Feststellungen des LVwG, für die es auch eine hinreichende Beweiswürdigung gibt, keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Revisionswerbers.
11Darüber hinaus hat die belangte Behörde dem Revisionswerber im Spruch des Straferkenntnisses hinsichtlich jedes Eingriffsgegenstandes vorgeworfen, dass die Eingriffsgegenstände „Wetten auf virtuelle Hunderennen ermöglicht“ hätten. Das LVwG trifft hingegen Feststellungen sowohl zu Walzenspielapparaten als auch zu Hunderennen, ohne dass nachvollziehbar wäre, mit welchen der verbliebenen acht Eingriffsgegenstände Walzenspiele oder gerade Hunderennen „ermöglicht“ worden wären, und darüber hinaus, ohne den (diesbezüglich fehlerhaften) Spruch des Straferkenntnisses zu korrigieren.
12Bereits aus diesen Gründen liegt jeweils ein unlösbarer Widerspruch zwischen Spruch und Begründung vor, weshalb das angefochtene Erkenntnis schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist (vgl. ).
13Weiters ist auf Folgendes hinzuweisen: Es findet sich im angefochtenen Erkenntnis keine Feststellung, dass die vom Revisionswerber vertretene Gesellschaft Betreiberin des Lokals ist, in dem die Kontrollen stattgefunden haben, sowie dass die Geräte im eingeschränkten Tatzeitraum (d.h. vom bis am Tatort) tatsächlich aufgestellt gewesen sind; der Revisionswerber hat dies im Beschwerdeverfahren hinsichtlich des nunmehr angelasteten Tatzeitraumes bestritten.
14Der Revisionswerber ist auch mit seiner Rüge im Recht, es gebe keine Feststellungen zur Prüfung der von ihm behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG:
15Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nämlich Aufgabe des in der Sache entscheidenden Verwaltungsgerichtes, zum Zweck der Durchführung einer Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die die Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und umgesetzt werden, die hiefür notwendigen Feststellungen zu treffen, um in der Folge beurteilen zu können, ob die Regelungen des GSpG den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechen (vgl. , 0049). Zur Ermöglichung der Beurteilung, ob Unionsrecht unmittelbar anwendbar ist, hat das Verwaltungsgericht Feststellungen dazu zu treffen, ob die Monopolregelung den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht, und sich für den Fall der Annahme der Nichtanwendbarkeit von Unionsrecht auch mit der Frage verfassungsrechtlicher Bedenken der Anwendung von § 52 GSpG wegen Inländerdiskriminierung auseinanderzusetzen (vgl. , mwN).
16Feststellungen zur Beurteilung der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG fehlen jedoch ebenso wie die im Rahmen der rechtlichen Erwägungen notwendige Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter die angelastete Bestimmung des GSpG.
17Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
18Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170016.L00 |
Schlagworte: | Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 |
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