VwGH 27.04.2020, Ra 2020/17/0013
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | GSpG 1989 §19 Abs7 idF 2014/I/013 GSpG 1989 §50 GSpG 1989 §52 Abs1 Z1 idF 2014/I/013 GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 VStG §16 VStG §19 idF 2013/I/033 VStG §20 VStG §64 Abs2 idF 2013/I/033 VwGG §38b VwGVG 2014 §52 Abs8 12010E049 AEUV Art49 Abs3 12010E056 AEUV Art56 12010E267 AEUV Art267 12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB 62007CJ0316 Markus Stoß VORAB 62011CJ0212 Jyske Bank Gibraltar VORAB 62012CJ0390 Pfleger VORAB 62014CJ0098 Berlington Hungary VORAB 62018CJ0064 Maksimovic VORAB 62018CO0645 Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld VORAB |
RS 1 | Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist? 2) Für den Fall der Bejahung der ersten Frage: 2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht? 2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht? 2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht? 2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht? 3) Für den Fall der Verneinung der ersten Frage: 3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht? 3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht? 3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht? 3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht? |
Normen | EURallg GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 VStG §16 VStG §19 idF 2013/I/033 VStG §20 VStG §64 Abs2 idF 2013/I/033 12010E056 AEUV Art56 12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 62008CJ0447 Sjöberg und Gerdin VORAB 62018CJ0064 Maksimovic VORAB 62020CJ0231 M.T. VORAB |
RS 1 | Der EuGH hat aufgrund des , mit Urteil vom , MT, C-231/20, erkannt, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass das nationale Gericht, das mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer wegen Verstoßes gegen das Glücksspielmonopol verhängten Sanktion befasst ist, in einem Verfahren über die Verhängung von Sanktionen wegen eines solchen Verstoßes speziell prüfen muss, ob die in der anwendbaren Regelung vorgesehenen Sanktionen unter Berücksichtigung der konkreten Methoden für deren Bestimmung mit Art. 56 AEUV vereinbar sind. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die im Fall der unternehmerischen Zugänglichmachung verbotener Ausspielungen Folgendes zwingend vorsieht:- die Festsetzung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ohne Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen, sofern der Gesamtbetrag der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil steht;- die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ohne Höchstgrenze der Gesamtdauer der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen, sofern die Dauer der tatsächlich verhängten Ersatzfreiheitsstrafe im Hinblick auf die Schwere der festgestellten Taten nicht übermäßig lang ist, und - einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen, sofern dieser Beitrag im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten eines solchen Verfahrens weder überhöht ist noch das in Art. 47 der GRC verankerte Recht auf Zugang zu den Gerichten verletzt. Zur Durchführung der Prüfung des Sanktionssystems des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 iVm. der Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 VStG sowie die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 VStG im Hinblick auf Art. 56 AEUV ist darauf hinzuweisen, dass die Festlegung von Sanktionen im Bereich der Glücksspiele zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, dass aber das Unionsrecht dieser Zuständigkeit Schranken setzt, da solche Regelungen die durch das Unionsrecht garantierten Grundfreiheiten nicht beschränken dürfen (vgl. Sjöberg und Gerdin, C-447/08 und C-448/08, EU:C:2010:415; , ZW, C-454/19, EU:C:2020:947). Alle Maßnahmen, die die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs untersagen, behindern oder weniger attraktiv machen, sind als Beschränkungen dieser Freiheit zu verstehen ( Maksimovic C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18, EU:C:2019:723). Insoweit ist eine nationale Regelung, wie § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 idF. BGBl I Nr 13/2014, die vorsieht, dass im Fall der Nichteinhaltung von Verpflichtungen, die für sich genommen den freien Dienstleistungsverkehr beschränken, gegen den Erbringer von Dienstleistungen Sanktionen verhängt werden, geeignet, die Ausübung dieser Freiheit weniger attraktiv zu machen, und stellt somit eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar (vgl. Maksimovic, C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18, EU:C:2019:723. Gleichwohl können nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, zulässig sein, wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, wenn sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Maksimovic C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18, EU:C:2019:723). |
Normen | EURallg GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 12010E056 AEUV Art56 12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3 62008CJ0447 Sjöberg und Gerdin VORAB 62012CJ0390 Pfleger VORAB 62015CJ0524 Menci VORAB 62018CJ0679 OPR-Finance VORAB 62020CJ0231 M.T. VORAB |
RS 2 | Nach dem MT, C-231/20, steht es den Mitgliedstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Jedoch müssen die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. Sjöberg und Gerdin, C-447/08 und C-448/08, EU:C:2010:415). Wenn sich ein Mitgliedstaat auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses beruft, um eine Regelung zu rechtfertigen, die geeignet ist, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu behindern, ist diese im Unionsrecht vorgesehene Rechtfertigung im Licht der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und insbesondere der nunmehr durch die GRC garantierten Grundrechte auszulegen. Die vorgesehenen Ausnahmen können daher für die betreffende nationale Regelung nur dann gelten, wenn sie im Einklang mit den Grundrechten steht, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat (vgl. Pfleger, C-390/12, EU:C:2014:281). Soweit das Unionsrecht die Mitgliedstaaten ermächtigt, von Art. 56 AEUV abzuweichen und Beschränkungen für die Erbringung von Glücksspieldienstleistungen aufzuerlegen, und sofern diese Beschränkungen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, - ist davon auszugehen, dass die Verhängung von verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Sanktionen zur Durchsetzung dieser Beschränkungen denselben zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht wie die Beschränkungen des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 idF. BGBl I Nr 13/2014. Die Verhängung von verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Sanktionen wegen Verstoßes gegen eine die Erbringung von Glücksspieldienstleistungen beschränkende Regelung vermag grundsätzlich die Einhaltung dieser Regelung zu gewährleisten und ist daher geeignet, die Erreichung des hiermit verfolgten Ziels zu gewährleisten. Außerdem muss die Härte der verhängten Sanktionen der Schwere der mit ihnen geahndeten Taten entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. OPR-Finance, C-679/18, EU:C:2020:167), wobei sich eine solche Anforderung insbesondere aus dem in Art. 49 Abs. 3 der GRC verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Strafen ergibt (vgl. EugGH , Menci, C-524/15, EU:C:2018:197). |
Normen | EURallg GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 VStG §16 VStG §19 idF 2013/I/033 VStG §20 VStG §64 Abs2 idF 2013/I/033 VwRallg 61992CJ0275 Schindler VORAB 62004CJ0338 Placanica VORAB 62008CJ0203 Sporting Exchange VORAB 62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB 62018CJ0064 Maksimovic VORAB 62020CJ0077 K. M. VORAB 62020CJ0231 M.T. VORAB |
RS 3 | Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 14. Oktober 2021, MT, C-231/20, aus, dass hinsichtlich der Verhängung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten nicht ersichtlich ist, dass eine solche Sanktion für sich genommen im Hinblick auf die Schwere der fraglichen Taten unverhältnismäßig wäre, da von illegalem Automatenglücksspiel, das sich behördlichen Kontrollen naturgemäß entzieht und in welchem Bereich die zum Spielerschutz getroffenen gesetzlichen Vorkehrungen nicht überprüft werden können, eine besonders hohe Sozialschädlichkeit ausgehen kann. Ausspielungen verleiten zu Ausgaben, die schädliche persönliche und soziale Folgen haben können (vgl. Schindler, C-275/92, EU:C:1994:119; Placanica, C-338/04, C-359/04 und C-360/04, EU:C:2007:133; Sporting Exchange, C-203/08, EU:C:2010:307; Dickinger und Ömer, C-347/09, EU:C:2011:582). Was die Höhe der Mindestgeldstrafe angeht, ist es Sache des nationalen Gerichts, bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Sanktion das Verhältnis zwischen der Höhe der möglichen Geldstrafe und dem wirtschaftlichen Gewinn aus der begangenen Tat zu berücksichtigen, um die Verantwortlichen von der Begehung einer solchen Tat abzuschrecken (vgl. K. M., C-77/20, EU:C:2021:112). Es muss sich jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vergewissern, dass der auf diese Weise festgesetzte Mindestbetrag nicht außer Verhältnis zu diesem Vorteil steht. Zu dem Umstand, dass die nationale Regelung des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 idF. BGBl I Nr 13/2014 keine Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht, ist festzustellen, dass zwar die Festsetzung einer Mindestgeldstrafe in Verbindung mit der Kumulation von Geldstrafen ohne Höchstgrenze, wenn die Tat mehrere nicht bewilligte Glücksspielautomaten betrifft, zur Verhängung finanzieller Sanktionen in erheblicher Höhe führen kann. Die in § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 idF. BGBl I Nr 13/2014 genannten Strafhöhen wurden mit der RV 24 BlgNR 25. GP, 22 f, eingeführt. Eine solche Maßnahme ermöglicht es ua, dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen zu begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv zu machen, so dass sie als solche nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Es ist jedoch auch Sache des nationalen Gerichts, sich zu vergewissern, dass die Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu diesem Vorteil steht. Was die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe betrifft, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Verhängung einer solchen Sanktion an sich im Hinblick auf Art und Schwere der in Rede stehenden Taten unverhältnismäßig wäre, da sie gewährleisten soll, dass diese Taten im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wirksam geahndet werden können. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Verhängung einer solchen Sanktion in jedem Einzelfall durch stichhaltige Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein muss (vgl. EGMR, , Lacatus/Schweiz, CE:ECHR:2021:0119JUD001406515), da diese angesichts der daraus resultierenden Folgen für die betroffene Person besonders schwerwiegend ist (vgl. Maksimovic, C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C 148/18, EU:C:2019:723). |
Normen | EURallg GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 VStG §16 Abs2 VStG §19 idF 2013/I/033 VStG §20 VStG §64 Abs2 idF 2013/I/033 12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 62011CJ0199 Otis VORAB 62015CJ0205 Toma VORAB 62018CJ0482 Google Ireland VORAB 62020CJ0231 M.T. VORAB |
RS 4 | Die Ersatzfreiheitsstrafe bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 idF. BGBl I Nr 13/2014 iVm. § 16 Abs. 2 VStG darf pro Übertretung höchstens zwei Wochen betragen. Insoweit stellt der MT, C-231/20, fest, dass - wenn jeder Glücksspielautomat oder Eingriffsgegenstand die Verhängung einer solchen Ersatzfreiheitsstrafe nach sich ziehen kann und die anwendbare Regelung keine Höchstgrenze der Gesamtdauer der zulässigen Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht - die Kumulation solcher Sanktionen zur Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von erheblicher Dauer führen kann, die möglicherweise nicht der Schwere der festgestellten Übertretungen entspricht, für die die geltende Regelung nur Geldstrafen vorsieht. Es obliegt dem nationalen Gericht, zu prüfen, ob dies im Hinblick auf die Dauer der tatsächlich verhängten Ersatzfreiheitsstrafe der Fall ist. Der Umstand, dass eine allgemeine Untergrenze für Ersatzfreiheitsstrafen nicht besteht, da eine solche Strafe der verhängten Geldstrafe entsprechen muss, kann jedoch nicht ausschlaggebend sein, da eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht allein dadurch im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehen kann, dass mitgliedstaatliche Behörden sie nach freiem Ermessen herabsetzen können (vgl. Google Ireland, C-482/18, EU:C:2020:141). Was die Vorschreibung eines Beitrags zu den Kosten des Verfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Gerichtsgebühren grundsätzlich zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Gerichtssystems beitragen, da sie eine Finanzierungsquelle für die gerichtliche Tätigkeit der Mitgliedstaaten darstellen (vgl. Toma und Biroul Executorului Judecătoresc Horațiu-Vasile Cruduleci, C-206/15, EU:C:2016:499). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorschreibung eines solchen Beitrags an sich gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Es ist indes Sache des nationalen Gerichts, sich zu vergewissern, dass ein solcher Beitrag zu den Kosten, da er auf der Grundlage eines Prozentsatzes der Höhe der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben wird, bei der konkreten Festsetzung seiner Höhe und angesichts der fehlenden Höchstgrenze dieser Geldstrafe im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten eines solchen Verfahrens weder überhöht ist noch das in Art. 47 der GRC verankerte Recht auf Zugang zu den Gerichten verletzt (vgl. Otis u. a., C-199/11, EU:C:2012:684). |
Normen | |
RS 5 | Die Einrichtung staatlicher Monopole ist eine Maßnahme, die den in Art. 56 AEUV verbürgten freien Dienstleistungsverkehr und die in Art. 49 AEUV verbürgte Niederlassungsfreiheit beschränkt. Eine solche Monopolregelung, die insbesondere den Vorteil bietet, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, kann jedoch zur Verwirklichung von im Allgemeininteresse liegenden Zielen dienen (vgl. z.B. Markus Stoß ua, C-316/07, Rn. 79). Solche "zwingenden Gründe des Allgemeininteresses" sind Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen (vgl. Pfleger, C-390/12, Rn. 41, mwN), wobei Art. 56 AEUV einer Regelung entgegensteht, die nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen (vgl. Pfleger, Rn. 56). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/17/0001 E RS 1 |
Normen | EURallg GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 VwRallg 12010E056 AEUV Art56 62011CJ0212 Jyske Bank Gibraltar VORAB 62012CJ0390 Pfleger VORAB |
RS 6 | Die Verhinderung und die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung stellen legitime Ziele dar, zu deren Erreichung sich die Mitgliedstaaten sowohl auf internationaler als auch auf Unionsebene verpflichtet haben. Dabei ist die Bekämpfung der Geldwäsche, die Teil des Ziels des Schutzes der öffentlichen Ordnung ist, ein legitimes Ziel, das eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann (vgl. Jyske Bank Gibraltar Ltd., C-212/11). Die Mitgliedstaaten verfügen nach dieser Judikatur "im Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Soweit die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Voraussetzungen im Übrigen beachtet werden, ist es Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten in Bezug auf Spiele und Wetten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen" (vgl. Pfleger, C-390/12). |
Normen | |
RS 7 | Sofern die Beschränkungen für Glücksspieldienstleistungen den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, ist davon auszugehen, dass auch die Verhängung von Sanktionen zur Durchsetzung dieser Beschränkungen denselben zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht (vgl. MT, C-231/20). |
Normen | |
RS 8 | Jede der in § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG 1989 inkriminierten Handlungen bildet in Ansehung jedes einzelnen Glücksspielautomaten (oder anderen Eingriffsgegenstandes) eine eigene Verwaltungsübertretung, für die iSd. § 22 VStG nebeneinander Strafen zu verhängen sind (vgl. ). Im Rahmen der Bemessung der Geldstrafen sieht der Strafrahmen des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 idF. BGBl I Nr 13/2014 im Falle des unternehmerisch Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen für jede Übertretung eine Mindeststrafe von € 3.000,-- und eine Höchststrafe von € 30.000,-- vor. Wenn es § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG 1989 verbietet, Glücksspiele ohne Konzession und damit auch ohne Aufsicht hinsichtlich des Spielerschutzes zu veranstalten, zu organisieren, unternehmerisch zugänglich zu machen oder sich an ihnen als Unternehmer zu beteiligen, so tragen u.a. die Festlegung des normativen Rahmens für die behördliche Aufsicht in § 50 GSpG 1989 und die damit einhergehende strikte behördliche Kontrolle ausreichend Sorge dafür, dass die Ziele des Gesetzgebers (v.a. Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung) tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (vgl. , 0049): Übertretungen des GSpG 1989 müssen wirkungsvoll geahndet werden, um dem mit einem Konzessionssystem kombinierten Monopolsystem zum Durchbruch zu verhelfen, weil es andernfalls wirkungslos wäre. Die Beachtung des Monopols (seiner Effizienz) ist vielmehr nach der Rechtsprechung des EuGH sicherzustellen (vgl. Markus Stoß ua, C-316/07). Die Verhängung von Sanktionen wegen des Verstoßes gegen eine die Erbringung von Glücksspieldienstleistungen beschränkende Regelung vermag nämlich grundsätzlich die Einhaltung dieser Regelungen zu gewährleisten und ist daher geeignet, die Erreichung der verfolgten Ziele (v.a. Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung) zu gewährleisten (vgl. EuGH14.10.2021, MT, C-231/20). |
Normen | |
RS 9 | Bei den in § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG umschriebenen Übertretungen handelt es sich nicht etwa um die Übertretungen bloßer Ordnungsvorschriften, die administrativen Zwecken dienen. Vielmehr soll das Monopol gegen Personen gesichert werden, die keine Regelungen hinsichtlich des Spielerschutzes einzuhalten haben und sich keiner Aufsicht (etwa im Hinblick auf die Unterbindung von Geldwäsche, vgl. § 19 Abs. 7 GSpG) zu unterwerfen haben. Sanktioniert wird beispielsweise das Veranstalten verbotener Ausspielungen mit Glücksspielapparaten, die notorisch ein besonders hohes Suchtpotential und daher eine besonders hohe Gefährlichkeit mit sich bringen (vgl. hiezu , 0049, Rn. 79). § 52 Abs. 2 GSpG stellt dabei auf die Anzahl der Eingriffsgegenstände (insbes. auf die Anzahl der Glücksspielautomaten) ab. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/17/0001 E RS 3 |
Normen | |
RS 10 | § 52 Abs. 2 GSpG 1989 ist geeignet, die mit dem GSpG 1989 verfolgten Ziele der Verhinderung verbotener Glücksspiele zu erreichen und eine tatsächliche Befolgung der Vorschriften des GSpG 1989 sicherzustellen, weil die Bestimmung so ausgestaltet ist, dass sie abschreckend wirkt. Die Höhe der Summe der Strafen ergibt sich aus der Anzahl der verwendeten Glücksspielautomaten (oder Eingriffsgegenstände) (vgl. EuGH14.10.2021, MT, C-231/20). |
Normen | |
RS 11 | Die Verhängung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ist aufgrund der Schwere der Übertretungen nicht unverhältnismäßig: Von illegalem Automatenglücksspiel, das sich der behördlichen Kontrolle naturgemäß entzieht und in dem die zum Spielerschutz getroffenen gesetzlichen Vorkehrungen nicht überprüft werden können, geht eine besondere Sozialschädlichkeit aus (vgl. EuGH14.10.2021, MT, C-231/20). Die gesetzlichen Mindestgeldstrafen in § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 sind daher selbst in jenen Fällen, in denen - mangels Höchstgrenze im Fall der Kumulation - vor den Übertretungen zunächst nicht gesagt werden kann, wie hoch die Summe der Geldstrafen insgesamt ausfallen wird, vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Gewinns aus den begangenen Taten, der umso höher ausfällt, je mehr Geräte aufgestellt werden, sowie der gebotenen Abschreckung grundsätzlich nicht unverhältnismäßig. Nach der Judikatur des EuGH ist jedoch bei der Anwendung im Einzelfall sicherzustellen, dass bei jeder Bemessung der festzusetzenden Geldstrafen vor dem Hintergrund der jeweiligen Strafzumessungsgründe nach den Vorgaben des VStG die Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil stehen. |
Norm | VStG §19 Abs2 idF 2013//033 |
RS 12 | Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind nur bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 2 letzter Satz VStG). |
Normen | GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 VStG §16 Abs2 |
RS 13 | § 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor, noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen (vgl. ). Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt daher maximal zwei Wochen pro Übertretung. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/17/0001 E RS 10 |
Normen | VStG §54b VStG §9 Abs7 |
RS 14 | Der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe setzt gemäß § 54b VStG voraus, dass die Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist (). Uneinbringlichkeit liegt dann vor, wenn der Bestrafte wirtschaftlich außerstande ist, die Geldstrafe zu bezahlen (vgl. VfSlg. 12.255/1990). Keine Uneinbringlichkeit liegt jedoch vor, wenn eine andere Person für die verhängte Geldstrafe haftet; dies ist etwa bei Ausspruch der Haftung einer juristischen Person gemäß § 9 Abs. 7 VStG der Fall. Erst wenn sich die Erfolglosigkeit der Vollstreckung gegen die haftende Person herausstellt, ist der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe zulässig (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II 1122 f). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/17/0001 E RS 12 |
Normen | |
RS 15 | Die gesetzliche Normierung von Ersatzfreiheitsstrafen ist angesichts der Art und Schwere der Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG 1989 nicht von Vorneherein unverhältnismäßig, weil diese Sanktion gewährleisten soll, dass diese Taten auch im Fall der - wegen der infolge der üblicherweise ausgesprochenen Haftung zwar unwahrscheinlichen - Uneinbringlichkeit der Geldstrafen wirksam geahndet werden können. Nach der Rechtsprechung des EuGH könnte jedoch Die Kumulation solcher Sanktionen zu einer Summe von Ersatzfreiheitsstrafen von erheblicher Dauer führen, die möglicherweise nicht der Schwere der festgestellten Übertretungen entspricht, für die die geltende Regelung nur Geldstrafen vorsieht (vgl. EuGH14.10.2021, MT, C-231/20). Es ist daher im Einzelfall in Anwendung des § 16 VStG sicherzustellen, dass dies nicht der Fall ist. |
Normen | EURallg GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 VStG §16 VStG §19 idF 2013/I/033 VStG §64 Abs2 idF 2013/I/033 12010E056 AEUV Art56 62020CJ0231 M.T. VORAB |
RS 16 | Die Gebühren, der Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG, tragen zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Gerichtssystems bei, weil sie eine Finanzierungsquelle für die gerichtliche Tätigkeit der Mitgliedstaaten darstellen. Die nationalen Gerichte haben jedoch im Einzelfall zu beachten, dass die konkrete Festsetzung im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten weder überhöht ist noch den Zugang zu den Gerichten verletzt (vgl. EuGH14.10.2021, MT, C-231/20). Dass der nach einem fixen, verhältnismäßig geringen Prozentsatz der wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem GSpG 1989 verhängten Geldstrafe für jeden Glückspielautomaten (oder Eingriffsgegenstand) - und damit für jede Übertretung - gemäß § 64 Abs. 2 VStG zu bemessende Verfahrenskostenbeitrag - was seine Gesamtsumme anlangt - im Ergebnis überhöht wäre, ist wegen des bei einer größeren Anzahl solcher Geräte im Regelfall höheren Verfahrensaufwands nicht zu erkennen. Das Unionsrecht steht daher der Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrags nach den Vorgaben des § 64 VStG grundsätzlich nicht entgegen. |
Normen | GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 VStG §16 VStG §19 idF 2013/I/033 VStG §20 VStG §64 Abs2 idF 2013/I/033 12010E056 AEUV Art56 12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3 |
RS 17 | Die Rechtsgrundlagen für die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989, für die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 VStG im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 und für die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG sind grundsätzlich mit dem Unionsrecht (insbesondere Art. 56 AEUV und Art. 49 Abs. 3 der GRC vereinbar. Sofern im Einzelfall außerordentliche Umstände vorliegen, die vom Gesetzgeber bei der Erstellung des gesetzlichen Strafrahmens bzw. der Normierung des Verfahrenskostenbeitrages nicht hinreichend berücksichtigt worden sind und bei denen auch mit der Anwendung des § 20 VStG nicht das Auslangen gefunden werden kann, ist bei der Anwendung dieser Rechtsgrundlagen sicherzustellen, dass die jeweils bemessene Geldstrafe und die Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zum durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen stehen, sowie, dass die Dauer der tatsächlich verhängten Ersatzfreiheitsstrafen der Schwere der Übertretungen entspricht und dass der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens nicht überhöht ist. |
Normen | B-VG Art130 Abs3 GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 StGB §32 StGB §33 StGB §34 StGB §35 VStG §19 Abs2 idF 2013/I/033 VStG §19 idF 2013/I/033 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §38 VwRallg |
RS 18 | Die Strafbemessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist: Die Behörde bzw. das VwG hat dabei zunächst die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat zu bewerten. In der Folge sind bei der Strafbemessung die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Das VwG hat für zehn Übertretungen zehn Geldstrafen zu jeweils € 4.000,-- sowie zehn Ersatzfreiheitsstrafen zu je einem Tag festgesetzt. Es ist bei der Bemessung der jeweiligen Geldstrafe für die Übertretung gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 über den Mindestbetrag von € 3.000,-- pro Gerät hinausgegangen. Begründend führte das VwG aus, dass aufgrund der Tatsache, dass der Rw zum Kontrollzeitpunkt zehn illegale Glücksspielgeräte aufgestellt gehabt habe, habe mit der Verhängung der Mindeststrafe von € 3.000,-- pro Gerät nicht das Auslagen gefunden werden können. Mit seiner Strafbemessung setzt sich das VwG über das sich aus § 19 Abs. 2 erster Satz VStG ergebende Doppelverwertungsverbot hinweg, wonach die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe nur so weit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen sind, als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen (vgl. ). Die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevanten Umstände dürfen also nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden (z.B. ). Da im Revisionsfall die Anzahl der Glücksspielautomaten bereits für den anzuwendenden Strafsatz relevant ist, hätte das VwG die konkrete Anzahl nicht auch noch bei der Strafbemessung berücksichtigen dürfen. Der Gesetzgeber hat diese Umstände bereits durch die Gliederung der Strafsätze mit ihren unterschiedlichen Strafrahmen entsprechend gewichtet (vgl. ; ). |
Entscheidungstext
Beachte
* EuGH-Entscheidung:
EuGH 62020CJ0231 B
* Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren:
Ra 2020/17/0013 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag. Liebhart-Mutzl und Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J Z in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 30.23-2284/2018-30, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), den Beschluss gefasst:
Spruch
I. Beim Verwaltungsgerichtshof besteht Grund zur Annahme, dass im Sinne des § 38a Abs. 1 VwGG eine erhebliche Anzahl von Revisionen eingebracht werden wird, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind: Es geht um die Fragen, ob § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz - GSpG sowie im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz leg. cit., die §§ 16 und 64 VStG gegen Unionsrecht (Art. 56 AEUV sowie Art. 49 Abs. 3 GRC) verstoßen und ob die vor dem Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogene Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark wegen der allenfalls daraus folgenden Unanwendbarkeit ohne gesetzliche Grundlage ergangen ist.
II. Zur Beantwortung der in Spruchpunkt I. genannten Rechtsfragen hat der Verwaltungsgerichtshof § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 13/2014, sowie § 16 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 und § 64 Abs. 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, anzuwenden.
III. Der Verwaltungsgerichtshof wird die Rechtsfragen in dem zu Ra 2020/17/0013 protokollierten Revisionsverfahren behandeln.
IV. Der Bundeskanzler ist gemäß § 38a Abs. 2 VwGG zur unverzüglichen Kundmachung des Spruches dieses Beschlusses im Bundesgesetzblatt verpflichtet. Auf die mit der Kundmachung eintretenden, in § 38a Abs. 3 VwGG genannten Rechtsfolgen, wird verwiesen.
Begründung
1 Beim Verwaltungsgerichtshof wurden zuletzt mehrere Revisionen zu den im Spruch genannten Rechtsfragen anhängig gemacht, welche im Wesentlichen vorbringen, § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG, die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen (§ 16 VStG) und die Vorschreibung von Kostenbeiträgen zu den Strafverfahren (§ 64 VStG) widersprächen dem Unionsrecht (Art. 56 AEUV sowie Art. 49 Abs. 3 GRC).
2 Mit Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2020/17/0013, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?
2)Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:
2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3) Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:
3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorsieht?“
3 Es besteht aufgrund dieses hg. Beschlusses nunmehr im Sinne des § 38a Abs. 1 VwGG vor dem Hintergrund der gehäuften Revisionserhebungen im Glücksspielbereich (vgl. dazu die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes z.B. für die Jahre 2017 und 2018) Grund zur Annahme, dass eine erhebliche Anzahl weiterer solcher in Rn. 1 genannter Revisionen in nächster Zeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gemacht werden wird.
4 Die Voraussetzungen für einen Beschluss gemäß § 38a Abs. 1 VwGG liegen daher vor. Die Aussprüche gründen sich auf § 38a Abs. 1 VwGG, jener über die Kundmachungspflicht auf § 38a Abs. 2 VwGG.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungsdatum:
Beachte
* Ausgesetzte Revisionsverfahren gemäß §38 AVG iVm §62 VwGG:
Ra 2019/16/0198 B
Ra 2019/17/0100 B
Ra 2019/17/0102 B
Ra 2019/17/0110 B
Ra 2019/17/0120 B
Ra 2019/17/0123 B
Ra 2020/17/0006 B
Ra 2020/17/0012 B
Ra 2020/17/0014 B
Ra 2020/17/0023 B
Ra 2020/17/0024 B
Ra 2020/17/0040 B
Ra 2020/17/0045 B
Ra 2020/17/0056 B
Ra 2020/17/0058 B
Ra 2020/17/0059 B
Ra 2020/17/0064 B
Ra 2020/17/0077 B
Ra 2020/17/0079 B
Ra 2020/17/0087 B
Ro 2020/17/0004 B
Ro 2020/17/0005 B
Ro 2020/17/0010 B
Ro 2020/17/0023 B
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag. Liebhart-Mutzl und Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J Z in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 30.23-2284/2018-30, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?
2)Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:
2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3) Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:
3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?
Begründung
1 I. Die genannten Fragen stellen sich im Zusammenhang mit der Überprüfung der Strafbemessung eines Straferkenntnisses der zuständigen Strafbehörde, in dem Herr J Z (der Revisionswerber) der Begehung von zehn Übertretungen des Glücksspielgesetzes - GSpG (BGBl. Nr. 620/1989 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 13/2014) schuldig erkannt wurde, und das er, nachdem seiner Beschwerde hinsichtlich des Strafausmaßes vom Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) teilweise Folge gegeben und die Strafen pro Übertretung herabgesetzt wurden, nunmehr vor dem vorlegenden Gericht mit Revision bekämpft.
2 Die mit dem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union herangetragenen unionsrechtlichen Fragen stehen repräsentativ für weitere Revisionsfälle beim vorlegenden Gericht.
3 II. Sachverhalt:
4 Mit behördlichem Straferkenntnis wurde (hier auf das Wesentliche zusammengefasst) der Revisionswerber schuldig erkannt, die von ihm als Geschäftsführer vertretene Gesellschaft (A GmbH) habe vom 30. April bis zum verbotene Ausspielungen in einem näher genannten Lokal mit insgesamt zehn Glücksspielautomaten unternehmerisch zugänglich gemacht und dadurch insgesamt zehn Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG begangen. Die A GmbH habe die Veranstaltung der verbotenen Ausspielungen in ihrem Lokal geduldet und an der Auszahlung erzielter Spielgewinne dadurch mitgewirkt, dass sie das Personal zur Auszahlung von Gewinnen angehalten habe. Die A GmbH hafte für die verhängten Geldstrafen sowie die Verfahrenskosten. Gemäß § 52 Abs. 2 GSpG verhängte die Verwaltungsstrafbehörde pro Übertretung - also pro Glücksspielautomat - jeweils eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von € 10.000,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen (bei zehn Geräten somit insgesamt € 100.000,-- sowie 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und verpflichtete den Revisionswerber zusätzlich zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 10.000,--.
5 Als Veranstalterin der Glücksspiele mit diesen zehn Glücksspielautomaten wurde die in der Slowakei ansässige F s.r.o. von der Strafbehörde bestraft. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen. Das von der F s.r.o. angestrengte Revisionsverfahren vor dem vorlegenden Gericht ist abgeschlossen (, 0006, ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090005.L00).
6 Die Beschlagnahme der zehn Glücksspielautomaten wurde sowohl gegenüber der A GmbH als auch gegenüber der (slowakischen) F s.r.o. angeordnet (vgl. das diesbezügliche Revisionsverfahren: , ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170453.L00).
7 Der Revisionswerber erhob gegen das Straferkenntnis Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
8 Das Verwaltungsgericht führte eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen das GSpG erlassen worden ist und vollzogen wird, durch und kam dabei zu dem Ergebnis, das die damit bewirkte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt sei. Es wies die vom Revisionswerber gegen das behördliche Straferkenntnis erhobene Beschwerde im ersten Rechtsgang sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch hinsichtlich des Strafausspruches ab. Der Revisionswerber bekämpfte diese Entscheidung vor dem vorlegenden Gericht mittels Revision.
9 In einem ersten Revisionsverfahren wurde die das Strafverfahren des Revisionswerbers betreffende Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom vorlegenden Gericht hinsichtlich des Schuldausspruchs bestätigt, hinsichtlich des Strafausspruches aber aufgehoben. In der Folge gab das Verwaltungsgericht mit dem im fortgesetzten Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis der Beschwerde des Revisionswerbers im Zusammenhang mit der Strafhöhe dahingehend Folge, dass es in Anwendung von § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG zehn Geldstrafen zu jeweils € 4.000,-- sowie zehn Ersatzfreiheitsstrafen zu je einem Tag verhängte (insgesamt sohin € 40.000,-- Geldstrafen sowie zehn Tage Ersatzfreiheitsstrafen). Der Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verwaltungsstrafverfahren (§ 64 VStG) wurde mit € 4.000,-- festgesetzt. Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren schrieb das Verwaltungsgericht gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten vor, weil für den Fall einer auch nur teilweisen Stattgabe keine Kosten vorzuschreiben sind.
10 Der Revisionswerber erhob gegen diese Strafbemessung die nunmehr vorliegende Revision an das vorlegende Gericht. Gegenstand des Verfahrens vor dem vorlegenden Gericht ist ausschließlich die Frage der Strafbemessung.
11 Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Strafbemessung durch das vorlegende Gericht hängt davon ab, ob die die Strafbemessung regelnden Vorschriften des GSpG im Zusammenhalt mit den vom Verwaltungsgericht bei der Strafbemessung anzuwendenden Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG mit dem Unionsrecht (allgemeine Grundsätze für die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit sowie Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) im Einklang stehen.
12 III. Rechtslage
13 III.1. Unionsrecht:
14 III.1.1. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Konsolidierte Fassung; AEUV), ABl. C 326/49 vom , lautet (auszugsweise):
„DIENSTLEISTUNGEN
Artikel 56
(ex-Artikel 49 EGV)
Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.
Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, dass dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Union ansässig sind.“
III.1.2. Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), C 364/1 vom , lautet (auszugsweise):
„Artikel 49
Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen
1. [...]
2. [...]
3. Das Strafmaß darf gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein.“
15 III.2. Nationales Recht:
III.2.1. Das Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 13/2014 und BGBl. I Nr. 118/2015, lautet (auszugsweise):
„Ausspielungen
§ 2. (1) Ausspielungen sind Glücksspiele,
1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und
2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und Verwaltungsstrafbestimmungen
3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).
[...]
(4) Verbotene Ausspielungen sind Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 ausgenommen sind.
[...]
Aufsicht
§ 19. (1) Der Bundesminister für Finanzen hat den Konzessionär auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder des Konzessionsbescheides oder sonstiger Bescheide oder Verordnungen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen worden sind, zu überwachen. Zu diesem Zweck kann der Bundesminister für Finanzen in die Bücher und Schriften des Konzessionärs Einsicht nehmen; er kann Überprüfungen an Ort und Stelle vornehmen oder durch Abschlußprüfer oder sonstige sachverständige Personen vornehmen lassen und vom Konzessionär Auskünfte über Geschäftsvorfälle, die Vorlage von Zwischenabschlüssen und von Ausweisen in bestimmter Form und Gliederung verlangen; solchen Verlangen hat der Konzessionär unverzüglich nachzukommen. Organe und Personen, deren sich der Bundesminister für Finanzen zur Ausübung seines Aufsichtsrechtes bedient, dürfen die Geschäftsräume des Konzessionärs betreten und haben sich zu Beginn der Amtshandlung unaufgefordert durch Vorlage eines schriftlichen Prüfungsauftrages auszuweisen. Die Kosten der Überwachung trägt der Konzessionär; der Bundesminister für Finanzen hat den jährlichen Personal- und Sachaufwand für die Überwachung des Konzessionärs gemäß der WFA-FinAV, BGBl. II Nr. 490/2012, in der Fassung der Kundmachung BGBl. II Nr. 78/2019, mit Bescheid zu bemessen und dem Konzessionär innerhalb von drei Monaten nach Ablauf jedes Quartals zur Zahlung innerhalb von 14 Tagen vorzuschreiben.
[...]
(7) Der Bundesminister für Finanzen hat bei der Aufsicht nach Abs. 1 zur Verhinderung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung die Bestimmungen der § 8 Abs. 5, § 9 Abs. 4, § 9a Abs. 2 bis 5, § 18, § 19 Abs. 3, § 24 Abs. 5, § 25 Abs. 2 und 5 bis 10, § 26, § 31 Abs. 1, 2 und 3 Z 1, § 32, § 33, § 37, § 38, § 40 Abs. 2 bis 4 FM-GwG [= Finanzmarkt-Geldwäschegesetz] sinngemäß anzuwenden.
(8) [...]
[...]
Verwaltungsstrafbestimmungen
§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;
[...]
(2) Bei Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6 000 Euro bis zu 60 000 Euro zu verhängen.“
16 In der Regierungsvorlage zur Einführung dieser Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 findet sich folgende Begründung (Regierungsvorlage 24 BlgNR 25. GP, S 22 f):
„Zur Sicherstellung einer wirksamen Vollziehung sind aus Gründen der General- und Spezialprävention empfindliche Strafen erforderlich. Diese sollen dem durch die Tat erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv machen und weiter zurückdrängen. Aus diesem Grund wird eine Staffelung der zu verhängenden Strafen je nach Schwere des Eingriffes (Anzahl der Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstände) bzw. Häufigkeit der Eingriffe (Wiederholungsfall) und eine Mindeststrafenregelung sowie die Erhöhung des Maximalstrafbetrages normiert. Die Strafdrohung ist nach der Schädlichkeit dadurch differenziert, dass bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen die dreifache Mindeststrafe vorgesehen ist. Dadurch wird einerseits die typischerweise damit einhergehende organisierte (und mit qualifizierter Strafhöhe im Wiederholungsfall auch wiederholte) Übertretung des Gesetzes erfasst und andererseits dem typischerweise damit einhergehenden wirtschaftlichen Nutzen aus dem strafbaren Verhalten begegnet“.
III.2.2. Das Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, lautet (auszugsweise):
„Besondere Fälle der Verantwortlichkeit
§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
(2) [...]
[...]
(7) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.
[...]
Ersatzfreiheitsstrafe
§ 16. (1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.
(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
[...]
Strafbemessung
§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
[...]
Außerordentliche Milderung der Strafe
§ 20. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.
[...]
Kosten des Strafverfahrens
§ 64. (1) In jedem Straferkenntnis ist auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
(2) Dieser Beitrag ist für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.
[...]“
17 III.2.3. Das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 122/2013, lautet (auszugsweise):
„Anzuwendendes Recht
§ 38. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“
18 IV. Vorlageberechtigung und Problemstellung:
19 Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 267 AEUV, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechtes angefochten werden können. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die vorliegende Revision und damit über die Rechtmäßigkeit der Strafbemessung ist von den Antworten auf die im vorliegenden Ersuchen um Vorabentscheidung formulierten und im Folgenden näher erörterten Fragen zur Auslegung des Unionsrechts abhängig.
20 Der EuGH hat die Anwendbarkeit unionsrechtlicher Bestimmungen, insbesondere der GRC sowie des Art. 56 AEUV, für den Fall, dass der Veranstalter unzulässiger Glücksspiele in Österreich aufhältig und die vermeintliche Eigentümerin der Geräte eine in Tschechien ansässige Gesellschaft ist, bejaht (vgl. Pfleger, C-390/12, Rn. 10, 33 bis 36, ECLI:EU:C:2014:281). In dem dem vorliegenden Revisionsfall zugrunde liegenden Verwaltungsstrafverfahren ist die Veranstalterin der Glücksspiele eine in der Slowakei ansässige Gesellschaft (F s.r.o.); die vom Revisionswerber vertretene A GmbH hat diese Glücksspiele in einem Café zugänglich gemacht. Die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten wurde sowohl gegenüber der vom Revisionswerber vertretenen A GmbH als auch gegenüber der F s.r.o. ausgesprochen. Im Übrigen wurde das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts vom EuGH auch schon darauf gestützt, dass keineswegs auszuschließen sei, dass Anbieter, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig seien, ein Interesse daran gehabt hätten oder hätten, etwa in Ungarn Glücksspielstätten zu eröffnen ( Berlington Hungary, C-98/14, Rn. 27, ECLI:EU:C:2015:386).
21 Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt eine Regelung, die u.a. den Betrieb von Glücksspielautomaten ohne vorab erteilte behördliche Erlaubnis verbietet, eine Beschränkung des durch Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs dar (vgl. in diesem Sinne u. a. Pfleger, Rn. 39), die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die Regelungen des GSpG ist dabei vom nationalen Gericht anhand der Durchführung der unionsrechtlich gebotenen Gesamtwürdigung zu prüfen (vgl. näher Pfleger, Rn. 50). Diese Prüfung wurde bereits bei der Beurteilung des Schuldvorwurfs vorgenommen und ist nicht mehr Teil des nunmehrigen Revisionsverfahrens, das ausschließlich die Frage der Rechtmäßigkeit der Höhe der verhängten Strafen zum Gegenstand hat.
22 Aufgrund des feststehenden Schuldspruchs ist im Revisionsfall aus unionsrechtlicher Sicht lediglich die Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Sanktionen zu prüfen, die für den festgestellten verbotenen Eingriff in das Monopol zu erfolgen haben.
23 Der Maksimovic u.a., C-64/18, C 140/18, C-146/18 und C-148/18 (ECLI:EU:C:2019:723), über mehrere Vorabentscheidungsersuchen entschieden, die sich mit der Verhältnismäßigkeit einschlägiger österreichischer Bestimmungen befassten, welche für den Fall der Nichtbereitstellung von Lohnunterlagen bei grenzüberschreitendem Arbeitskräfteeinsatz sowie bei Nichteinholung von Beschäftigungsbewilligungen einerseits die Verhängung von Geldstrafen jeweils pro betroffenem Arbeitnehmer, und zwar in einer Mindesthöhe, ohne Höchstgrenze der insgesamt zu verhängenden Summe solcher Geldstrafen, und andererseits Ersatzfreiheitsstrafen vorsahen.
24 Der EuGH urteilte, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den dortigen Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die für den Fall der Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen und auf die Bereithaltung von Lohnunterlagen die Verhängung von Geldstrafen vorsieht,
- die einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürfen,
- die für jeden betreffenden Arbeitnehmer kumulativ und ohne Beschränkung verhängt werden,
- zu denen im Fall der Abweisung einer gegen den Strafbescheid erhobenen Beschwerde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Strafe hinzutritt und
- die im Fall der Uneinbringlichkeit in Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt werden.
Diese Rechtsprechung hat der EuGH auch auf das LSD-BG übertragen (vgl. NE gegen Bezirkshauptmannschaft Hartberg, C-645/18).
25 Im vorliegenden Revisionsfall stellt sich nun bei der Prüfung der Verhängung der Sanktionen wegen mehrerer Übertretungen des GSpG die Frage der Auslegung der Art. 56 AEUV sowie allenfalls des Art. 49 Abs. 3 GRC zur Beurteilung der Unionsrechtskonformität des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG sowie der §§ 16 und 64 Abs. 2 VStG.
26 V. Erläuterung der Vorlagefragen:
V.1. Prüfung der Strafbemessung anhand des Art. 56 AEUV (Frage 1):
27 Die Einrichtung staatlicher Monopole ist eine Maßnahme, die den in Art. 56 AEUV verbürgten freien Dienstleistungsverkehr und die in Art. 49 AEUV verbürgte Niederlassungsfreiheit beschränkt. Eine solche Monopolregelung, die insbesondere den Vorteil bietet, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, kann jedoch zur Verwirklichung von im Allgemeininteresse liegenden Zielen dienen (vgl. z.B. Markus Stoß ua, C-316/07, Rn. 79, ECLI:EU:C:2010:504).
28 Solche „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ sind Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen (vgl. EuGH, Pfleger, Rn. 41, mwN), wobei Art. 56 AEUV einer Regelung entgegensteht, die nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen (EuGH, Pfleger, Rn. 56).
29 Nach der Rechtsprechung des EuGH stellen die Verhinderung und die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung legitime Ziele dar, zu deren Erreichung sich die Mitgliedstaaten sowohl auf internationaler als auch auf Unionsebene verpflichtet haben ( Jyske Bank Gibraltar Ltd., C-212/11, Rn. 62, ECLI:EU:C:2013:270). Dabei ist die Bekämpfung der Geldwäsche, die Teil des Ziels des Schutzes der öffentlichen Ordnung ist, ein legitimes Ziel, das eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann (vgl. Jyske Bank Gibraltar Ltd., Rn. 64, mwN).
30 Die Mitgliedstaaten verfügen nach dieser Rechtsprechung des EuGH „im Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Soweit die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Voraussetzungen im Übrigen beachtet werden, ist es Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten in Bezug auf Spiele und Wetten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen“ (vgl. Pfleger, Rn. 45, mwN).
31 Im vorliegenden Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht im ersten Rechtsgang eine solche Prüfung des Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit in Form einer Gesamtwürdigung anhand der Kriterien des EuGH durchgeführt und ist zum Ergebnis gelangt, dass die Bestimmungen des GSpG, die eine Strafbarkeit von Automatenglücksspiel ohne die erforderliche Konzession vorsehen, nicht dem Unionsrecht widersprechen.
32 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat das vorlegende Gericht in der Schuldfrage zurückgewiesen, weil keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung geltend gemacht wurden. Im Umfang des Ausspruches über die Strafen sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wurde das Erkenntnis vom vorlegenden Gericht aufgehoben.
33 Bei der Prüfung der gegen die im Ersatzerkenntnis vom Verwaltungsgericht durchgeführten Strafbemessung stellt sich für das vorlegende Gericht nun zunächst die Frage, ob in einem zweiten Schritt auch die Frage der Verhältnismäßigkeit der gesetzlich vorgesehenen Sanktionen, die für einen solchen Eingriff in das Monopol zu verhängen sind, ihrerseits anhand der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen sind, oder ob dies (lediglich) anhand der innerstaatlichen Verfassungsordnung zu erfolgen hat (vgl. zu dieser bereits durchgeführten Prüfung der Verhältnismäßigkeit des § 52 Abs. 2 GSpG durch das nationale Verfassungsgericht: u.a., VfSlg. 19.960, ECLI:AT:VFGH:2015:G203.2014).
34 V.2. Prüfung der Strafbemessung anhand des Art. 49 GRC:
35 Für den Fall der Verneinung der ersten Frage stellt sich für das vorlegende Gericht in einem weiteren Schritt die Frage, ob die vom vorlegenden Gericht bei der Überprüfung der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Strafbemessung anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen als verhältnismäßig im Sinne des Art. 49 Abs. 3 GRC anzusehen sind.
36 V.3. Da die zum Verständnis der gestellten Fragen erforderlichen Erläuterungen sowohl unter dem Blickwinkel des Art. 56 AEUV als auch unter dem Blickwinkel des Art. 49 GRC nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ident sind, erfolgen diese gemeinsam, wobei zunächst die Frage nach der Auslegung des Art. 56 AEUV und im Klammerausdruck die gleichlautende Frage nach der Auslegung des Art. 49 Abs. 3 GRC angeführt wird.
37 V.3.1. Für den Fall der Bejahung der ersten Frage (Fragen 2a bis 2d) sowie für den Fall der Verneinung der ersten Frage (Fragen 3a bis 3d):
38 V.3.1.1. Vorauszuschicken ist, dass nach dem GSpG jede der in § 52 Abs. 1 inkriminierten Handlungen in Ansehung jedes einzelnen Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenstandes) eine eigene Verwaltungsübertretung bildet (ständige Rechtsprechung des vorlegenden Gerichtes; vgl. z.B. , ECLI:AT:VWGH:2016:2013170811.X00), für die im Sinne des § 22 VStG nebeneinander Strafen zu verhängen sind (ständige Rechtsprechung des vorlegenden Gerichtes; vgl. z.B. , mwN, ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170055.L00).
39 Im vorliegenden Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Bemessung der Geldstrafen den Strafrahmen des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG angewendet, der im Falle des erstmaligen unternehmerisch Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen mit mehr als drei Glücksspielautomaten eine Mindeststrafe von € 3.000,-- und eine Höchststrafe von € 30.000,-- pro Glücksspielautomat (bzw. Eingriffsgegenstand) vorsieht.
40 Die Strafbemessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist: Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht hat dabei zunächst die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat zu bewerten. In der Folge sind bei der Strafbemessung die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen (vgl. , ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090079.L00). Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die einschlägigen Vorschriften des gerichtlichen Strafrechts (§§ 32 bis 35 StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des vorlegenden Gerichtes; vgl. z.B. , ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020096.L00; , ECLI:AT:VWGH:2004:2003050201.X00, zur Berücksichtigung eines Konkursverfahrens; , ECLI:AT:VWGH:2010:2009090181.X00, zur Berücksichtigung einer langen Verfahrensdauer als Milderungsgrund).
41 Dabei ist auch zu beachten, dass die im GSpG hier pro Übertretung vorgesehene Mindeststrafe von € 3.000,-- bei der Strafbemessung im Einzelfall gemäß § 20 VStG bis zur Hälfte (d.h. auf € 1.500,-- pro Gerät) unterschritten werden kann, sofern die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.
42 V.3.1.2. Vor dem Hintergrund der erwähnten Rechtsprechung des EuGH zur Unzulässigkeit der Verhängung von Mindeststrafen, kumulativen Geldstrafen und deren Umwandlung in Ersatzfreiheitsstrafen bei Verletzung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen (vgl. Rs. Maksimovic) stellt sich im Revisionsfall die Frage, ob Art. 56 AEUV (sowie im Fall der Verneinung seiner Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall Art. 49 Abs. 3 GRC) so auszulegen ist, dass er auch einer Regelung wie § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG entgegen steht, mit anderen Worten, ob die Überlegungen des EuGH in der Rs. Maksimovic auf eine Regelung übertragbar sind, die wie § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit Strafe bedroht, entgegen § 2 Abs. 4 GSpG Glücksspiele ohne Konzession und damit auch ohne Aufsicht z.B. hinsichtlich des Spielerschutzes zu veranstalten, zu organisieren, unternehmerisch zugänglich zu machen, oder sich an ihnen als Unternehmer zu beteiligen.
43 Eine solche Vorschrift trägt, wie der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zur Prüfung der Zulässigkeit der Einrichtung eines Glücksspielmonopols mehrfach ausgesprochen hat, u.a. mit der Festlegung des normativen Rahmens für die behördliche Aufsicht in § 50 GSpG und der damit einhergehenden strikten behördlichen Kontrolle ausreichend Sorge dafür, dass die Ziele des Gesetzgebers tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (vgl. z.B. , 0049, mwN, ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170048.L00): Übertretungen des GSpG müssen wirkungsvoll geahndet werden, um dem mit einem Konzessionssystem kombinierten Monopolsystem zum Durchbruch zu verhelfen, weil es andernfalls wirkungslos wäre. Die Beachtung des Monopols (seiner Effizienz) ist vielmehr sicherzustellen (vgl. Stoß u.a., Rn. 84 ff).
44 Das vorlegende Gericht ist der Meinung, dass es sich bei den in § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG genannten Übertretungen nicht um Übertretungen bloßer Ordnungsvorschriften handelt, die administrativen Zwecken dienen. Vielmehr soll das unionsrechtlich zulässigerweise geschaffene Monopol gegen Personen gesichert werden, die keine Regelungen hinsichtlich des Spielerschutzes einhalten und sich keiner Aufsicht (etwa im Hinblick auf die Unterbindung von Geldwäsche, vgl. § 19 Abs. 7 GSpG) unterwerfen. Sanktioniert wird beispielsweise das Veranstalten verbotener Ausspielungen mit Glücksspielapparaten, die notorisch ein besonders hohes Suchtpotential und daher eine besonders hohe Gefährlichkeit mit sich bringen (vgl. hiezu , 0049, Rn. 79, ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170048.L00). Die in § 52 Abs. 2 GSpG geregelten Strafsätze stellen pro Übertretung dabei auf die Gesamtanzahl der sogenannten Eingriffsgegenstände (insbesondere auf die Anzahl der Glücksspielautomaten) ab.
45 Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Verfahren zur Erteilung einer Konzession bzw. Bewilligung nach dem GSpG nicht bloß um einen Akt handelt, bei dem seitens des Konzessionswerbers lediglich formalen Erfordernissen Genüge getan werden muss. Vielmehr ist aufgrund der äußerst geringen Zahl der zur Vergabe stehenden Konzessionen bzw. Bewilligungen und der hohen Anforderungen, die an einen Konzessionswerber gestellt werden, im Ergebnis davon auszugehen, dass das Durchführen von Glücksspielen im Regelfall verboten ist und nicht als Ausübung einer an sich erlaubten, von den Grundfreiheiten garantierten Tätigkeit angesehen werden kann. Die Verhängung strenger Strafen kann daher nicht die Ausübung einer jedermann eingeräumten Freiheit weniger attraktiv machen, sie soll vielmehr ihrer Intention nach das Veranstalten (Organisieren, Zugänglichmachen und sich daran unternehmerisch Beteiligen) aller Arten von Glücksspielen durch Personen ohne Konzession bzw. Bewilligung und die sich daraus ergebenden negativen Effekte für das Allgemeininteresse der Gesellschaft effektiv verhindern.
46 V.3.1.3. Es stellt sich daher die Frage, ob Art. 56 AEUV (sowie Art. 49 Abs. 3 GRC) auch einer Regelung entgegensteht, deren Normzweck darin gelegen ist, eine unrechtmäßige Handlung zu unterbinden, die eine hohe Sozialschädlichkeit aufweist. Bei den in § 52 Abs. 1 GSpG umschriebenen Tatbildern handelt sich nicht um die Verletzung einer bloßen Anmeldeverpflichtung, sondern um die Beeinträchtigung gewichtiger öffentlicher Interessen, zu deren Sicherstellung nach Ansicht des österreichischen Gesetzgebers aus Gründen der General- und Spezialprävention empfindliche Strafen erforderlich sind (Regierungsvorlage 24 BlgNR 25. GP, 22 f).
47 Dabei ist nach Ansicht des vorlegenden Gerichtes getrennt zu prüfen, ob Art. 56 AEUV (sowie Art. 49 Abs. 3 GRC) vor dem Hintergrund dieses Normzwecks der im Folgenden dargestellten gesetzlich vorgegebenen Vorgangsweise bei der Strafbemessung entgegensteht:
48 V.3.1.3.1. Verhängung von Geldstrafen ohne betragsmäßige Höchstgrenze sowie Mindeststrafen(Fragen 2a und 2b bzw. Fragen 3a und 3b)
49 Zunächst ist pro Übertretung, also pro Glücksspielautomat, eine Geldstrafe von (im vorliegenden Revisionsfall) mindestens € 3.000,--zu verhängen (die jeweils unter besonderen Umständen gemäß § 20 VStG um die Hälfte unterschritten werden kann).
50 Die Gesamtsumme der gegenüber dem Beschuldigten verhängten Geldstrafen ergibt sich letztlich aus der Anzahl der Übertretungen, mithin aus der Anzahl der eingesetzten Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenständen). Diese Vorgangsweise soll nach dem Willen des österreichischen Gesetzgebers dem durch die Tat erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv machen und weiter zurückdrängen (Regierungsvorlage 24 BlgNR 25. GP, 22 f).
51 Im typischen Fall der Ausmessung gleich hoher Geldstrafen pro Übertretung ergibt sich die Gesamtstrafsumme folglich aus einer Multiplikation der Anzahl der Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenstände) mit der Höhe der einzelnen Geldstrafe. Eine unterschiedliche Bemessung der Geldstrafen pro Übertretung könnte sich hingegen etwa daraus ergeben, dass Geräte unterschiedlich lange aufgestellt waren, weil ein kürzerer Tatzeitraum entsprechend milder zu sanktionieren wäre.
52 Angesichts des im vorliegenden Revisionsfall anzuwendenden Mindeststrafsatzes (pro Glücksspielautomat bzw. Eingriffsgegenstand € 3.000,--) ergeben sich schon bei einer größeren Anzahl von Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenständen) wie etwa im vorliegenden Revisionsfall Mindeststrafsummen von € 30.000,--, im Falle einer „Spielhölle“ mit etwa 50 Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenständen) betrüge die Summe der Mindeststrafen bereits € 150.000,--. Die österreichischen Gesetzesmaterialien führen hiezu aus, dass die Strafdrohung nach der Schädlichkeit dadurch differenziere, dass bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten die dreifache Mindeststrafe vorgesehen sei. Dadurch werde einerseits die typischerweise damit einhergehende organisierte Übertretung des Gesetzes erfasst und andererseits dem typischerweise damit einhergehenden wirtschaftlichen Nutzen aus dem strafbaren Verhalten begegnet (Regierungsvorlage 24 BlgNR 25. GP, 22 f).
53 Die Gesamtsumme der Geldstrafen ist bei diesem Sanktionsmodell naturgemäß nach oben offen, weil sie zwingend von der Anzahl der aufgestellten Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenstände) abhängig ist und das Gesetz keine Höchstgrenze für die Gesamtsumme der Geldstrafen normiert. Dies gilt auch dann, wenn die Mindeststrafen für einzelne Übertretungen gemäß § 20 VStG bis zur Hälfte unterschritten werden dürfen.
54 V.3.1.3.2. Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen (Frage 2c bzw. 3c)
55 In einem weiteren Schritt stellt sich die Frage, ob der hohe Unrechtsgehalt sowie die Sozialschädlichkeit der Übertretungen die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen rechtfertigen. Diese werden nur dann vollzogen, wenn weder der Bestrafte noch die zur Haftung verpflichtete Gesellschaft die verhängten Geldstrafen bezahlen.
56 Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen (§ 16 Abs. 1 VStG). Gemäß § 16 Abs. 2 VStG darf die einzelne Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG (Bemessung der Freiheitsstrafe) nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
57 Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind hingegen nur bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 2 letzter Satz VStG).
58 § 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen (vgl. , ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170081.L00). Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt daher maximal zwei Wochen pro Übertretung.
59 Nach der ständigen Judikatur des vorlegenden Gerichtes zum VStG besteht zwischen der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe und der Geldstrafe insofern ein innerer Zusammenhang, als etwa bei der Ausmessung der Ersatzfreiheitsstrafe darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Beschuldigte die Übertretung vorsätzlich oder nur fahrlässig begangen hat: Würde etwa das Verwaltungsgericht eine behördlich festgesetzte Geldstrafe herabsetzen, weil anders als von der Behörde angenommen eine bloß fahrlässige Tatbegehung stattgefunden hat, so hätte dies auch in der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe Niederschlag zu finden (vgl. näher , ECLI:AT:VWGH:2013:2012170567.X00).
60 Nach der weiteren ständigen Rechtsprechung des vorlegenden Gerichtes ist überdies dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine ausreichende Begründung erforderlich (vgl. , ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016090056.L00).
61 Das System der Ersatzfreiheitsstrafe soll gewährleisten, dass für die festgestellte strafbare Handlung auch im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Strafe vollzogen werden kann. Andernfalls blieben finanziell schlecht gestellte Personen straflos.
62 Ebenso wie bei der Verhängung der Geldstrafen ist aufgrund der Kumulation auch bei der Summe der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen keine gesetzliche Obergrenze vorgesehen. Auch die Dauer der insgesamt verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ergibt sich (bei Geldstrafen in jeweils gleicher Höhe) aus der Multiplikation zwischen einer verhängten Ersatzfreiheitsstrafe mit der Anzahl der Übertretungen (Glücksspielautomaten bzw. andere Eingriffsgegenstände).
63 V.3.1.3.3. Verfahrenskostenbeitrag (Frage 2d bzw. Frage 3d)
64 Zuletzt stellt sich für das vorlegende Gericht die Frage, ob das Unionsrecht so auszulegen ist, dass es der Verhängung eines zwingenden Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens entgegensteht: Bei Erlassung eines Straferkenntnisses durch die Strafbehörde hat diese gemäß § 64 Abs. 2 VStG dem Bestraften einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorzuschreiben. Wird die von der Strafbehörde verhängte Sanktion vom Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren herabsetzt, hat das Verwaltungsgericht auch diesen behördlichen Verfahrenskostenbeitrag herabzusetzen. Dieser beträgt auch in diesem Fall 10 % der Gesamtsumme dieser herabgesetzten Geldstrafen. Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Revisionsfall die zehn Geldstrafen auf je € 4.000,-- herabgesetzt (zusammen somit 10 x € 4.000,-- = € 40.000). Der behördliche Verfahrenskostenbeitrag wurde daher vom Verwaltungsgericht in Anwendung des § 64 Abs. 2 VStG mit 10 % dieser herabgesetzten Geldstrafen, somit mit insgesamt € 4.000,-- bemessen. Das ergibt für den Revisionswerber einen Gesamtbetrag von € 44.000,-- an Geldstrafen und Verfahrenskosten.
65 V.4. Da die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht als derart offenkundig erscheint, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. hierzu das Urteil des Gerichtshofes vom , Rs. 283/81, Srl. C.I.L.F.I.T. u.a.), werden die eingangs formulierten Vorlagefragen gemäß Art. 267 AEUV mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:
* Vorabentscheidungsantrag:
Ra 2020/17/0013 B
* EuGH-Entscheidung:
EuGH 62020CJ0231 B
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätinnen Mag. Dr. H. Zehetner, Mag. Liebhart-Mutzl und Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J Z in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 30.23-2284/2018-30, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
I. 1. Die in BGBl. I Nr. 55/2020 gemäß § 38a Abs. 2 VwGG kundgemachten Rechtsfragen werden wie folgt beantwortet:
Die Rechtsgrundlagen
i) für die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 13/2014,
ii) für die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG und
iii) für die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013,
sind grundsätzlich mit dem Unionsrecht (insbesondere Art. 56 AEUV und Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) vereinbar.
I. 2. Auf die mit der Kundmachung eintretenden, in § 38a Abs. 4 VwGG genannten Rechtsfolgen wird verwiesen.
I. 3. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Spruchpunkte I.1. und I.2. im Bundesgesetzblatt, Teil II, verpflichtet.
II. 1. Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II. 2. Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, die von ihm als Geschäftsführer vertretene A GmbH habe vom 30. April bis zum verbotene Ausspielungen in einem näher genannten Lokal mit insgesamt zehn Glücksspielautomaten unternehmerisch zugänglich gemacht und dadurch insgesamt zehn Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG begangen. Die A GmbH habe die Veranstaltung der verbotenen Ausspielungen in ihrem Lokal geduldet und an der Auszahlung erzielter Spielgewinne dadurch mitgewirkt, dass sie das Personal zur Auszahlung von Gewinnen angehalten habe. Die A GmbH hafte für die verhängten Geldstrafen sowie für die Verfahrenskosten. Gemäß § 52 Abs. 2 GSpG verhängte die belangte Behörde zehn Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 10.000,-- sowie zehn Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von jeweils drei Tagen und verpflichtete den Revisionswerber zusätzlich zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 10.000,--.
2 2.1. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) wies die vom Revisionswerber gegen das behördliche Straferkenntnis erhobene Beschwerde im ersten Rechtsgang sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch hinsichtlich des Strafausspruches mit näherer Begründung ab. Der Verwaltungsgerichtshof hob dieses Erkenntnis im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf; im Übrigen wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision zurück (). Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dem angefochtenen Erkenntnis seien Feststellungen zu der den höheren (vierten) Strafsatz begründenden Vortat nicht zu entnehmen. Da das Verwaltungsgericht weder die „einschlägigen Vorstrafen“ näher darstelle noch eine Begründung für die Heranziehung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG vornehme, liege ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstelle.
3 2.2. In der Folge gab das Verwaltungsgericht mit dem im fortgesetzten Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis der Beschwerde des Revisionswerbers im Zusammenhang mit dem Strafausmaß dahingehend Folge, dass es in Anwendung von § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG zehn Geldstrafen zu jeweils € 4.000,-- sowie zehn Ersatzfreiheitsstrafen zu je einem Tag verhängte. Der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren (§ 64 VStG) wurde mit € 4.000,-- festgesetzt (Spruchpunkt I.). Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren schrieb das Verwaltungsgericht keine Kosten vor. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für unzulässig (Spruchpunkt II.).
4 3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 3.2. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Ab- bzw. Zurückweisung der Revision beantragte.
6 3.3. Mit Beschluss vom , Ra 2020/17/0013, hat der Verwaltungsgerichtshof den Gerichtshof der Europäischen Union um die Beantwortung folgender Fragen ersucht:
„1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?
2) Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:
2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3) Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:
3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?“.
7 3.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat am weiters folgenden Beschluss gemäß § 38a VwGG gefasst:
„I. Beim Verwaltungsgerichtshof besteht Grund zur Annahme, dass im Sinne des § 38a Abs. 1 VwGG eine erhebliche Anzahl von Revisionen eingebracht werden wird, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind: Es geht um die Fragen, ob § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz - GSpG sowie im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz leg. cit., die §§ 16 und 64 VStG gegen Unionsrecht (Art. 56 AEUV sowie Art. 49 Abs. 3 GRC) verstoßen und ob die vor dem Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogene Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark wegen der allenfalls daraus folgenden Unanwendbarkeit ohne gesetzliche Grundlage ergangen ist.
II. Zur Beantwortung der in Spruchpunkt I. genannten Rechtsfragen hat der Verwaltungsgerichtshof § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 13/2014, sowie § 16 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 und § 64 Abs. 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, anzuwenden.
III. Der Verwaltungsgerichtshof wird die Rechtsfragen in dem zu Ra 2020/17/0013 protokollierten Revisionsverfahren behandeln.
IV. Der Bundeskanzler ist gemäß § 38a Abs. 2 VwGG zur unverzüglichen Kundmachung des Spruches dieses Beschlusses im Bundesgesetzblatt verpflichtet. Auf die mit der Kundmachung eintretenden, in § 38a Abs. 3 VwGG genannten Rechtsfolgen, wird verwiesen.“
8 Die Bundesministerin für EU und Verfassung hat diesen Beschluss am im Bundesgesetzblatt kundgemacht (BGBl. I Nr. 55/2020).
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 A. Zur Zulässigkeit
10 Die Revision erweist sich als zulässig, weil sie unter Berufung auf das Maksimovic u.a., C-64/18, u.a., geltend macht, dass die Bestrafung des Revisionswerbers nach dem gestaffelten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG sowie die Verhängung der Ersatzfreiheitsstrafen dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zuwiderlaufe; es gebe keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob das erwähnte Urteil einer uneingeschränkten Anwendung des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG entgegenstehe.
11 B. Die maßgebliche Rechtslage
12 1. Unionsrecht:
13 1.1. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Konsolidierte Fassung; AEUV), ABl. C 326/49 vom , lautet (auszugsweise):
„DIENSTLEISTUNGEN
Artikel 56
(ex-Artikel 49 EGV)
Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.
Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, dass dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Union ansässig sind.“
14 1.2. Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), C 364/1 vom , lautet (auszugsweise):
„Artikel 49
Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen
1. [...]
2. [...]
3. Das Strafmaß darf gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein.“
15 2. Innerstaatliches Recht
16 2.1. Das Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 13/2014 und BGBl. I Nr. 118/2015, lautet (auszugsweise):
„Ausspielungen
§ 2. (1) Ausspielungen sind Glücksspiele,
1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und
2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und Verwaltungsstrafbestimmungen
3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).
[...]
(4) Verbotene Ausspielungen sind Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 ausgenommen sind.
[...]
Aufsicht
§ 19. 1) Der Bundesminister für Finanzen hat den Konzessionär auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder des Konzessionsbescheides oder sonstiger Bescheide oder Verordnungen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen worden sind, zu überwachen. Zu diesem Zweck kann der Bundesminister für Finanzen in die Bücher und Schriften des Konzessionärs Einsicht nehmen; er kann Überprüfungen an Ort und Stelle vornehmen oder durch Abschlußprüfer oder sonstige sachverständige Personen vornehmen lassen und vom Konzessionär Auskünfte über Geschäftsvorfälle, die Vorlage von Zwischenabschlüssen und von Ausweisen in bestimmter Form und Gliederung verlangen; solchen Verlangen hat der Konzessionär unverzüglich nachzukommen. Organe und Personen, deren sich der Bundesminister für Finanzen zur Ausübung seines Aufsichtsrechtes bedient, dürfen die Geschäftsräume des Konzessionärs betreten und haben sich zu Beginn der Amtshandlung unaufgefordert durch Vorlage eines schriftlichen Prüfungsauftrages auszuweisen. Die Kosten der Überwachung trägt der Konzessionär; der Bundesminister für Finanzen hat den jährlichen Personal- und Sachaufwand für die Überwachung des Konzessionärs gemäß der WFA-FinAV, BGBl. II Nr. 490/2012, in der Fassung der Kundmachung BGBl. II Nr. 78/2019, mit Bescheid zu bemessen und dem Konzessionär innerhalb von drei Monaten nach Ablauf jedes Quartals zur Zahlung innerhalb von 14 Tagen vorzuschreiben.
[...]
(7) Der Bundesminister für Finanzen hat bei der Aufsicht nach Abs. 1 zur Verhinderung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung die Bestimmungen der § 8 Abs. 5, § 9 Abs. 4, § 9a Abs. 2 bis 5, § 18, § 19 Abs. 3, § 24 Abs. 5, § 25 Abs. 2 und 5 bis 10, § 26, § 31 Abs. 1, 2 und 3 Z 1, § 32, § 33, § 37, § 38, § 40 Abs. 2 bis 4 FM-GwG [= Finanzmarkt-Geldwäschegesetz] sinngemäß anzuwenden.
(8) [...]
[...]
Verwaltungsstrafbestimmungen
§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;
[...]
(2) Bei Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6 000 Euro bis zu 60 000 Euro zu verhängen.“
17 2.2. In der Regierungsvorlage zur Einführung dieser Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 findet sich folgende Begründung (RV 24 BlgNR 25. GP, 22 f):
„Zur Sicherstellung einer wirksamen Vollziehung sind aus Gründen der General- und Spezialprävention empfindliche Strafen erforderlich. Diese sollen dem durch die Tat erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv machen und weiter zurückdrängen. Aus diesem Grund wird eine Staffelung der zu verhängenden Strafen je nach Schwere des Eingriffes (Anzahl der Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstände) bzw. Häufigkeit der Eingriffe (Wiederholungsfall) und eine Mindeststrafenregelung sowie die Erhöhung des Maximalstrafbetrages normiert. Die Strafdrohung ist nach der Schädlichkeit dadurch differenziert, dass bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen die dreifache Mindeststrafe vorgesehen ist. Dadurch wird einerseits die typischerweise damit einhergehende organisierte (und mit qualifizierter Strafhöhe im Wiederholungsfall auch wiederholte) Übertretung des Gesetzes erfasst und andererseits dem typischerweise damit einhergehenden wirtschaftlichen Nutzen aus dem strafbaren Verhalten begegnet“.
18 2.3. Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des VStG (§ 16 in der Stammfassung BGBl. Nr. 52/1991, § 19 idF BGBl. I Nr. 33/2013, § 20 in der Stammfassung BGBl. Nr. 52/1991, § 64 Abs. 1 und 2 idF BGBl. I Nr. 33/2013) lauten auszugsweise:
„Ersatzfreiheitsstrafe
§ 16. (1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.
(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
[...]
Strafbemessung
§ 19. 1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
[...]
Außerordentliche Milderung der Strafe
§ 20. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.
[...]
Kosten des Strafverfahrens
§ 64. (1) In jedem Straferkenntnis ist auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
(2) Dieser Beitrag ist für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.
[...]“.
19 C. Die Revision ist im Ergebnis begründet.
20 1. Der EuGH hat aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/17/0013, mit Urteil vom , MT, C-231/20, Folgendes erkannt:
„1. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht, das mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer wegen Verstoßes gegen das Glücksspielmonopol verhängten Sanktion befasst ist, in einem Verfahren über die Verhängung von Sanktionen wegen eines solchen Verstoßes speziell prüfen muss, ob die in der anwendbaren Regelung vorgesehenen Sanktionen unter Berücksichtigung der konkreten Methoden für deren Bestimmung mit Art. 56 AEUV vereinbar sind.
2. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die im Fall der unternehmerischen Zugänglichmachung verbotener Ausspielungen Folgendes zwingend vorsieht:
- die Festsetzung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ohne Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen, sofern der Gesamtbetrag der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil steht;
- die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ohne Höchstgrenze der Gesamtdauer der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen, sofern die Dauer der tatsächlich verhängten Ersatzfreiheitsstrafe im Hinblick auf die Schwere der festgestellten Taten nicht übermäßig lang ist, und
- einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen, sofern dieser Beitrag im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten eines solchen Verfahrens weder überhöht ist noch das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf Zugang zu den Gerichten verletzt.“
21 Im Revisionsfall ist daher das Sanktionssystem des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG iVm. der Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 VStG sowie die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 VStG im Hinblick auf Art. 56 AEUV gesondert zu prüfen (vgl. MT, Rn. 34).
22 Der EuGH hat zur Durchführung dieser Prüfung im letztgenannten Urteil weiters Folgendes ausgeführt:
„37 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Festlegung von Sanktionen im Bereich der Glücksspiele zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, dass aber das Unionsrecht dieser Zuständigkeit nach ständiger Rechtsprechung Schranken setzt, da solche Regelungen die durch das Unionsrecht garantierten Grundfreiheiten nicht beschränken dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Sjöberg und Gerdin, C-447/08 und C-448/08, EU:C:2010:415, Rn. 49, sowie vom , ZW, C-454/19, EU:C:2020:947, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind alle Maßnahmen, die die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs untersagen, behindern oder weniger attraktiv machen, als Beschränkungen dieser Freiheit zu verstehen (Urteil vom , Maksimovic u. a., C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18, EU:C:2019:723, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Insoweit ist eine nationale Regelung wie die des Ausgangsverfahrens, die vorsieht, dass im Fall der Nichteinhaltung von Verpflichtungen, die für sich genommen den freien Dienstleistungsverkehr beschränken, gegen den Erbringer von Dienstleistungen Sanktionen verhängt werden, geeignet, die Ausübung dieser Freiheit weniger attraktiv zu machen, und stellt somit eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Maksimovic u. a., C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18, EU:C:2019:723, Rn. 33 und 34).
40 Gleichwohl können nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, zulässig sein, wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, wenn sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom , Maksimovic u. a., C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18, EU:C:2019:723, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Der Gerichtshof hat im Übrigen klargestellt, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Jedoch müssen die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Sjöberg und Gerdin, C-447/08 und C-448/08, EU:C:2010:415, Rn. 39).
42 Zudem ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn sich ein Mitgliedstaat auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses beruft, um eine Regelung zu rechtfertigen, die geeignet ist, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu behindern, diese im Unionsrecht vorgesehene Rechtfertigung im Licht der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und insbesondere der nunmehr durch die Charta garantierten Grundrechte auszulegen. Die vorgesehenen Ausnahmen können daher für die betreffende nationale Regelung nur dann gelten, wenn sie im Einklang mit den Grundrechten steht, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat (Urteil vom , Pfleger u. a., C-390/12, EU:C:2014:281, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43 Hierzu ist erstens festzustellen, dass - soweit das Unionsrecht die Mitgliedstaaten ermächtigt, von Art. 56 AEUV abzuweichen und Beschränkungen für die Erbringung von Glücksspieldienstleistungen aufzuerlegen, und sofern diese Beschränkungen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, - davon auszugehen ist, dass die Verhängung von verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Sanktionen zur Durchsetzung dieser Beschränkungen denselben zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht wie die genannten Beschränkungen.
44 Zweitens ist festzustellen, dass die Verhängung von verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Sanktionen wegen Verstoßes gegen eine die Erbringung von Glücksspieldienstleistungen beschränkende Regelung grundsätzlich die Einhaltung dieser Regelung zu gewährleisten vermag und daher geeignet ist, die Erreichung des hiermit verfolgten Ziels zu gewährleisten.
45 Außerdem muss drittens die Härte der verhängten Sanktionen der Schwere der mit ihnen geahndeten Taten entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , OPR-Finance, C-679/18, EU:C:2020:167, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei sich eine solche Anforderung insbesondere aus dem in Art. 49 Abs. 3 der Charta verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Strafen ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Menci, C-524/15, EU:C:2018:197, Rn. 55).
46 Was als Erstes die Verhängung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten betrifft, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Sanktion für sich genommen im Hinblick auf die Schwere der fraglichen Taten unverhältnismäßig wäre, da, wie die österreichische Regierung ausführt, von illegalem Automatenglücksspiel, das sich behördlichen Kontrollen naturgemäß entzieht und in welchem Bereich die zum Spielerschutz getroffenen gesetzlichen Vorkehrungen nicht überprüft werden können, eine besonders hohe Sozialschädlichkeit ausgehen kann, wobei der Gerichtshof bereits darauf hingewiesen hat, dass die Ausspielungen zu Ausgaben verleiten, die schädliche persönliche und soziale Folgen haben können (Urteil vom , Schindler, C-275/92, EU:C:1994:119, Rn. 60, vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteile vom , Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, EU:C:2007:133, Rn. 47, vom , Sporting Exchange, C-203/08, EU:C:2010:307, Rn. 27, sowie vom , Dickinger und Ömer, C-347/09, EU:C:2011:582, Rn. 45).
47 Was die Höhe dieser Mindestgeldstrafe angeht, ist es Sache des nationalen Gerichts, bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Sanktion das Verhältnis zwischen der Höhe der möglichen Geldstrafe und dem wirtschaftlichen Gewinn aus der begangenen Tat zu berücksichtigen, um die Verantwortlichen von der Begehung einer solchen Tat abzuschrecken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , K. M. [Gegen den Kapitän eines Schiffs verhängte Sanktionen], C-77/20, EU:C:2021:112, Rn. 49). Es muss sich jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vergewissern, dass der auf diese Weise festgesetzte Mindestbetrag nicht außer Verhältnis zu diesem Vorteil steht.
48 Zu dem Umstand, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung keine Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht, ist festzustellen, dass zwar die Festsetzung einer Mindestgeldstrafe in Verbindung mit der Kumulation von Geldstrafen ohne Höchstgrenze, wenn die Tat mehrere nicht bewilligte Glücksspielautomaten betrifft, zur Verhängung finanzieller Sanktionen in erheblicher Höhe führen kann.
49 Wie jedoch sowohl das vorlegende Gericht, das sich auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage stützt, mit der die in § 52 Abs. 2 GSpG genannten Strafhöhen eingeführt wurden, als auch die österreichische und die belgische Regierung sowie die Kommission ausgeführt haben, ermöglicht es eine solche Maßnahme u. a., dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen zu begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv zu machen, so dass sie als solche nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Es ist jedoch auch Sache des nationalen Gerichts, sich zu vergewissern, dass die Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu diesem Vorteil steht.
50 Was als Zweites die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe betrifft, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Verhängung einer solchen Sanktion an sich im Hinblick auf Art und Schwere der in Rede stehenden Taten unverhältnismäßig wäre, da sie, wie die österreichische Regierung ausführt, gewährleisten soll, dass diese Taten im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wirksam geahndet werden können.
51 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Verhängung einer solchen Sanktion in jedem Einzelfall durch stichhaltige Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein muss (vgl. in diesem Sinne EGMR, , Lacatus/Schweiz, CE:ECHR:2021:0119JUD001406515, § 110), da diese angesichts der daraus resultierenden Folgen für die betroffene Person besonders schwerwiegend ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Maksimovic u. a., C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C 148/18, EU:C:2019:723, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Ersatzfreiheitsstrafe bei Verwaltungsübertretungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden pro Übertretung höchstens zwei Wochen betragen darf.
53 Insoweit ist festzustellen, dass - wenn jeder Glücksspielautomat oder Eingriffsgegenstand die Verhängung einer solchen Ersatzfreiheitsstrafe nach sich ziehen kann und die anwendbare Regelung keine Höchstgrenze der Gesamtdauer der zulässigen Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht - die Kumulation solcher Sanktionen zur Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von erheblicher Dauer führen kann, die möglicherweise nicht der Schwere der festgestellten Übertretungen entspricht, für die die geltende Regelung nur Geldstrafen vorsieht. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob dies im Hinblick auf die Dauer der tatsächlich verhängten Ersatzfreiheitsstrafe der Fall ist.
54 In diesem Zusammenhang hat die österreichische Regierung ausgeführt, dass eine allgemeine Untergrenze für Ersatzfreiheitsstrafen nicht bestehe, da eine solche Strafe der verhängten Geldstrafe entsprechen müsse.
55 Ein solcher Umstand kann jedoch nicht ausschlaggebend sein, da eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht allein dadurch im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehen kann, dass mitgliedstaatliche Behörden sie nach freiem Ermessen herabsetzen können (vgl. entsprechend Urteil vom , Google Ireland, C-482/18, EU:C:2020:141, Rn. 53).
56 Was als Drittes die Vorschreibung eines Beitrags zu den Kosten des Verfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Gerichtsgebühren grundsätzlich zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Gerichtssystems beitragen, da sie eine Finanzierungsquelle für die gerichtliche Tätigkeit der Mitgliedstaaten darstellen (Urteil vom , Toma und Biroul Executorului Judecătoresc Horațiu-Vasile Cruduleci, C-206/15, EU:C:2016:499, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorschreibung eines solchen Beitrags an sich gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.
57 Es ist indes Sache des vorlegenden Gerichts, sich zu vergewissern, dass ein solcher Beitrag zu den Kosten, da er auf der Grundlage eines Prozentsatzes der Höhe der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben wird, bei der konkreten Festsetzung seiner Höhe und angesichts der fehlenden Höchstgrenze dieser Geldstrafe im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten eines solchen Verfahrens weder überhöht ist noch das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf Zugang zu den Gerichten verletzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Otis u. a., C-199/11, EU:C:2012:684, Rn. 48).“
23 2. Die Einrichtung staatlicher Monopole ist eine Maßnahme, die den in Art. 56 AEUV verbürgten freien Dienstleistungsverkehr und die in Art. 49 AEUV verbürgte Niederlassungsfreiheit beschränkt. Eine solche Monopolregelung, die insbesondere den Vorteil bietet, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, kann jedoch zur Verwirklichung von im Allgemeininteresse liegenden Zielen dienen (vgl. z.B. Markus Stoß ua, C-316/07, Rn. 79).
24 Solche „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ sind Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen (vgl. Pfleger, C-390/12, Rn. 41, mwN), wobei Art. 56 AEUV einer Regelung entgegensteht, die nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen (vgl. Pfleger, Rn. 56).
25 Nach der Rechtsprechung des EuGH stellen die Verhinderung und die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung legitime Ziele dar, zu deren Erreichung sich die Mitgliedstaaten sowohl auf internationaler als auch auf Unionsebene verpflichtet haben (vgl. Jyske Bank Gibraltar Ltd., C-212/11, Rn. 62). Dabei ist die Bekämpfung der Geldwäsche, die Teil des Ziels des Schutzes der öffentlichen Ordnung ist, ein legitimes Ziel, das eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann (vgl. Jyske Bank Gibraltar Ltd., Rn. 64, mwN).
26 Die Mitgliedstaaten verfügen nach dieser Judikatur „im Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Soweit die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Voraussetzungen im Übrigen beachtet werden, ist es Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten in Bezug auf Spiele und Wetten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen“ (vgl. in diesem Sinne Pfleger, Rn. 45, mwN).
27 Sofern die Beschränkungen für Glücksspieldienstleistungen den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, ist davon auszugehen, dass auch die Verhängung von Sanktionen zur Durchsetzung dieser Beschränkungen denselben zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht (vgl. MT, Rn. 43).
28 3. Zur Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG in Verbindung mit dem VStG:
29 3.1. Jede der in § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG inkriminierten Handlungen bildet in Ansehung jedes einzelnen Glücksspielautomaten (oder anderen Eingriffsgegenstandes) eine eigene Verwaltungsübertretung, für die im Sinne des § 22 VStG nebeneinander Strafen zu verhängen sind (vgl. z.B. , mwN).
30 3.2. Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Bemessung der Geldstrafen den Strafrahmen des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG angewendet, der im Falle des unternehmerisch Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen für jede Übertretung eine Mindeststrafe von € 3.000,-- und eine Höchststrafe von € 30.000,-- vorsieht.
31 Wenn es § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verbietet, Glücksspiele ohne Konzession und damit auch ohne Aufsicht hinsichtlich des Spielerschutzes zu veranstalten, zu organisieren, unternehmerisch zugänglich zu machen oder sich an ihnen als Unternehmer zu beteiligen, so tragen, wie der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zur Prüfung der Zulässigkeit der Einrichtung eines Glücksspielmonopols mehrfach ausgesprochen hat, u.a. die Festlegung des normativen Rahmens für die behördliche Aufsicht in § 50 GSpG und die damit einhergehende strikte behördliche Kontrolle ausreichend Sorge dafür, dass die Ziele des Gesetzgebers (v.a. Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung) tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (vgl. , 0049, mwN): Übertretungen des GSpG müssen wirkungsvoll geahndet werden, um dem mit einem Konzessionssystem kombinierten Monopolsystem zum Durchbruch zu verhelfen, weil es andernfalls wirkungslos wäre. Die Beachtung des Monopols (seiner Effizienz) ist vielmehr nach der Rechtsprechung des EuGH sicherzustellen (vgl. Stoß ua, Rn. 84ff).
32 Die Verhängung von Sanktionen wegen des Verstoßes gegen eine die Erbringung von Glücksspieldienstleistungen beschränkende Regelung vermag nämlich grundsätzlich die Einhaltung dieser Regelungen zu gewährleisten und ist daher geeignet, die Erreichung der verfolgten Ziele (v.a. Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung) zu gewährleisten (vgl. MT, Rn. 44).
33 3.3. Bei den in § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG umschriebenen Übertretungen handelt es sich daher nicht etwa um die Übertretungen bloßer Ordnungsvorschriften, die administrativen Zwecken dienen. Vielmehr soll das Monopol gegen Personen gesichert werden, die keine Regelungen hinsichtlich des Spielerschutzes einzuhalten haben und sich keiner Aufsicht (etwa im Hinblick auf die Unterbindung von Geldwäsche, vgl. § 19 Abs. 7 GSpG) zu unterwerfen haben. Sanktioniert wird beispielsweise das Veranstalten verbotener Ausspielungen mit Glücksspielapparaten, die notorisch ein besonders hohes Suchtpotential und daher eine besonders hohe Gefährlichkeit mit sich bringen (vgl. auch hiezu , 0049, Rn. 79). § 52 Abs. 2 GSpG stellt dabei auf die Anzahl der Eingriffsgegenstände (insbes. auf die Anzahl der Glücksspielautomaten) ab.
34 § 52 Abs. 2 GSpG ist geeignet, die mit dem GSpG verfolgten Ziele der Verhinderung verbotener Glücksspiele zu erreichen und eine tatsächliche Befolgung der Vorschriften des GSpG sicherzustellen, weil die Bestimmung so ausgestaltet ist, dass sie abschreckend wirkt (vgl. zur Eignung erneut MT, Rn. 44).
35 Die Höhe der Summe der Strafen ergibt sich nach den bisherigen Ausführungen aus der Anzahl der verwendeten Glücksspielautomaten (oder Eingriffsgegenstände).
36 3.4. Wie der EuGH weiters ausgeführt hat, ist die Verhängung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten aufgrund der Schwere der Übertretungen nicht unverhältnismäßig: Von illegalem Automatenglücksspiel, das sich der behördlichen Kontrolle naturgemäß entzieht und in dem die zum Spielerschutz getroffenen gesetzlichen Vorkehrungen nicht überprüft werden können, geht eine besondere Sozialschädlichkeit aus (vgl. MT, Rn. 46).
37 3.5.1. Die gesetzlichen Mindestgeldstrafen in § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG sind daher selbst in jenen Fällen, in denen - mangels Höchstgrenze im Fall der Kumulation - vor den Übertretungen zunächst nicht gesagt werden kann, wie hoch die Summe der Geldstrafen insgesamt ausfallen wird, vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Gewinns aus den begangenen Taten, der umso höher ausfällt, je mehr Geräte aufgestellt werden, sowie der gebotenen Abschreckung grundsätzlich nicht unverhältnismäßig.
38 3.5.2. Nach der Judikatur des EuGH ist jedoch bei der Anwendung im Einzelfall sicherzustellen, dass bei jeder Bemessung der festzusetzenden Geldstrafen vor dem Hintergrund der jeweiligen Strafzumessungsgründe nach den Vorgaben des VStG die Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil stehen.
39 4. Zur Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 VStG bei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG:
40 4.1. Gemäß § 16 Abs. 1 VStG ist für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zwingend eine Ersatzfreiheitsstrafe nach den Regelungen der Strafbemessung festzusetzen. Gemäß § 16 Abs. 2 VStG darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG (Bemessung der Freiheitsstrafe) nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
41 Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind nur bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 2 letzter Satz VStG).
42 4.2. § 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor, noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen (vgl. ). Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt daher maximal zwei Wochen pro Übertretung.
43 4.3. Der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe setzt gemäß § 54b VStG voraus, dass die Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist (). Uneinbringlichkeit liegt dann vor, wenn der Bestrafte wirtschaftlich außerstande ist, die Geldstrafe zu bezahlen (vgl. VfSlg. 12.255/1990).
44 Von einer Uneinbringlichkeit wird üblicherweise nicht auszugehen sein, wenn eine andere Person für die verhängte(n) Geldstrafe(n) haftet, was etwa beim Ausspruch der Haftung einer juristischen Person gemäß § 9 Abs. 7 VStG der Fall ist. Erst wenn sich die Erfolglosigkeit der Vollstreckung auch gegen die haftende Person herausstellt, ist der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe zulässig (vgl. Walter/Thienel (2000), Verwaltungsverfahrensgesetze II 1122 f).
45 4.3. Die gesetzliche Normierung von Ersatzfreiheitsstrafen ist angesichts der Art und Schwere der Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG nicht von Vorneherein unverhältnismäßig, weil diese Sanktion gewährleisten soll, dass diese Taten auch im Fall der - wegen der infolge der üblicherweise ausgesprochenen Haftung zwar unwahrscheinlichen - Uneinbringlichkeit der Geldstrafen wirksam geahndet werden können (vgl. MT, Rn. 50). Nach der Rechtsprechung des EuGH könnte jedoch die Kumulation solcher Sanktionen zu einer Summe von Ersatzfreiheitsstrafen von erheblicher Dauer führen, die möglicherweise nicht der Schwere der festgestellten Übertretungen entspricht, für die die geltende Regelung nur Geldstrafen vorsieht (vgl. MT, Rn. 53). Es ist daher im Einzelfall in Anwendung des § 16 VStG sicherzustellen, dass dies nicht der Fall ist.
46 5. Zur Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrages gemäß § 64 Abs. 2 VStG:
47 Hinsichtlich der Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens hat der EuGH ausgesprochen, dass solche Gebühren zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Gerichtssystems beitragen, weil sie eine Finanzierungsquelle für die gerichtliche Tätigkeit der Mitgliedstaaten darstellen. Die nationalen Gerichte hätten jedoch im Einzelfall zu beachten, dass die konkrete Festsetzung im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten weder überhöht ist noch den Zugang zu den Gerichten verletzt (vgl. MT, Rn. 56 f). Dass der nach einem fixen, verhältnismäßig geringen Prozentsatz der wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem GSpG verhängten Geldstrafe für jeden Glückspielautomaten (oder Eingriffsgegenstand) - und damit für jede Übertretung - gemäß § 64 Abs. 2 VStG zu bemessende Verfahrenskostenbeitrag - was seine Gesamtsumme anlangt - im Ergebnis überhöht wäre, ist wegen des bei einer größeren Anzahl solcher Geräte im Regelfall höheren Verfahrensaufwands nicht zu erkennen. Das Unionsrecht steht daher der Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrags nach den Vorgaben des § 64 VStG grundsätzlich nicht entgegen.
48 6.1. Zusammengefasst sind daher die in BGBl. I Nr. 55/2020 kundgemachten Rechtsfragen wie folgt zu beantworten:
49 Die Rechtsgrundlagen
i) für die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG,
ii) für die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 VStG im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG und
iii) für die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG
sind grundsätzlich mit dem Unionsrecht (insbesondere Art. 56 AEUV und Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) vereinbar.
50 6.2. Sofern im Einzelfall außerordentliche Umstände vorliegen, die vom Gesetzgeber bei der Erstellung des gesetzlichen Strafrahmens bzw. der Normierung des Verfahrenskostenbeitrages nicht hinreichend berücksichtigt worden sind und bei denen auch mit der Anwendung des § 20 VStG nicht das Auslangen gefunden werden kann, ist bei der Anwendung dieser Rechtsgrundlagen sicherzustellen, dass die jeweils bemessene Geldstrafe und die Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zum durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen stehen, sowie, dass die Dauer der tatsächlich verhängten Ersatzfreiheitsstrafen der Schwere der Übertretungen entspricht und dass der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens nicht überhöht ist.
51 7. Für den Revisionsfall folgt daraus:
52 7.1. Die Notwendigkeit der Verhängung einer Mindeststrafe in Höhe von € 3.000,-- für jede erfolgte Übertretung mit einem Glücksspielgerät (oder Eingriffsgegenstand) ist im vorliegenden Fall bei insgesamt zehn Übertretungen als verhältnismäßig anzusehen, weil die Aufstellung so vieler Glücksspielgeräte (oder Eingriffsgegenstände) notorisch zu einer besonders ergiebigen Einnahmequelle aus illegalem Glücksspiel führt, die effektiv verhindert werden muss. Im Revisionsfall wurden keine Ersatzfreiheitsstrafen von erheblicher Gesamtdauer festgesetzt, sodass schon aus diesem Grund keine Unverhältnismäßigkeit zu erkennen ist.
53 Dennoch erweist sich das angefochtene Erkenntnis im Ergebnis als rechtswidrig.
54 7.2. Die Strafbemessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist: Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht hat dabei zunächst die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat zu bewerten. In der Folge sind bei der Strafbemessung die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
55 7.3. Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht für die zehn Übertretungen zehn Geldstrafen zu jeweils € 4.000,-- sowie zehn Ersatzfreiheitsstrafen zu je einem Tag festgesetzt. Es ist demnach bei der Bemessung der jeweiligen Geldstrafe über den Mindestbetrag von € 3.000,-- pro Gerät hinausgegangen. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe erstmals eine Übertretung gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG begangen. Da keine einschlägigen Vorstrafen zum dritten Strafsatz vorlägen, habe dies von der belangten Behörde nicht als erschwerend gewertet werden dürfen, und es sei der dritte Strafsatz heranzuziehen. Aufgrund der Tatsache, dass der Revisionswerber zum Kontrollzeitpunkt zehn illegale Glücksspielgeräte aufgestellt gehabt habe, habe jedoch mit der Verhängung der Mindeststrafe von € 3.000,-- pro Gerät nicht das Auslagen gefunden werden können und eine Strafe von € 4.000,-- pro Gerät verhängt werden müssen. Diese sei im untersten Bereich des Strafrahmens gelegen und als tat- und schuldangemessen anzusehen.
56 Diese Begründung zeigt, dass das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt hat.
57 Mit seiner Strafbemessung setzt sich das Verwaltungsgericht nämlich über das sich aus § 19 Abs. 2 erster Satz VStG ergebende Doppelverwertungsverbot hinweg, wonach die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe nur so weit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen sind, als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen (vgl. ). Die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevanten Umstände dürfen also nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden (z.B. , mwN).
58 Da im Revisionsfall die Anzahl der Glücksspielautomaten bereits für den anzuwendenden Strafsatz relevant ist, hätte das Verwaltungsgericht die konkrete Anzahl nicht auch noch bei der Strafbemessung berücksichtigen dürfen. Der Gesetzgeber hat diese Umstände bereits durch die Gliederung der Strafsätze mit ihren unterschiedlichen Strafrahmen entsprechend gewichtet (vgl. hiezu hinsichtlich Übertretungen der StVO 1960: ; hinsichtlich Übertretungen des AuslBG: ).
59 Indem das Verwaltungsgericht die Strafbemessung nicht im Sinne des Gesetzes vornahm, belastete es sein Erkenntnis, das nur die Straffrage und die damit untrennbar verbundenen Aussprüche über Verfahrenskostenbeiträge umfasst, mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
60 7.4. Für das fortzusetzende Verfahren ist das Verwaltungsgericht darauf hinzuweisen, dass es bei der Bemessung der Strafen (auch) den Milderungsgrund der langen Verfahrensdauer einzubeziehen haben wird (vgl. z.B. ).
61 8.1. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
62 8.2. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
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Normen | GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013 VStG §16 VStG §64 Abs2 idF 2013/I/033 VwGG §38a Abs1 12010E056 AEUV Art56 12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170013.L03 |
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Fundstelle(n):
OAAAE-87286