VwGH vom 17.09.2010, 2009/04/0289

VwGH vom 17.09.2010, 2009/04/0289

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates Wien vom , Zl. VKS - 7350/09, betreffend Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung (mitbeteiligte Partei: Z GmbH in Y, vertreten durch Dr. Roland Katary, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom hat der Vergabekontrollsenat Wien über Antrag der Mitbeteiligten die Entscheidung der Stadt Wien - Wiener Krankenanstaltenverbund als Auftraggeberin im Vergabeverfahren betreffend Vollwartung der Rohrpostanlage im Krankenhaus A, der Beschwerdeführerin den Zuschlag erteilen zu wollen, für nichtig erklärt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, dass der Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren gemäß der Ausschreibung nach den Kriterien Preis der Obergruppe 01 (Wartung), gewichtet mit 60 %, und Preis der Obergruppe 02 (Ersatzteile), gewichtet mit 40 %, erteilt werden solle. Entsprechend sei das Leistungsverzeichnis in eine Obergruppe 01 betreffend die Wartung und in eine Obergruppe 02 betreffend Ersatzteile gegliedert. Beide Obergruppen enthielten zahlreiche Positionen mit näherer Leistungsbeschreibung. Alle Positionen der Obergruppe 02 seien mit einem "E" gekennzeichnet, womit sie als Eventualpositionen ausgewiesen seien. Für die Positionen der Obergruppe 01 sei im Leistungsverzeichnis die Anführung einer Gesamtsumme vorgesehen, für die Positionen der Obergruppe 02 fehle eine solche Gesamtsumme. Dies habe die Auftraggeberin damit begründet, dass die verwendete Software eine solche Summenbildung nicht vorgesehen habe.

Die Mitbeteiligte und fünf weitere Bieter hätten rechtzeitig Angebote gelegt. Die Angebotseröffnung sei am um 9.00 Uhr erfolgt.

Die Niederschrift zur Angebotseröffnung sei unter Verwendung eines Formulars errichtet worden. Aus dieser Niederschrift ergebe sich, dass neben den drei Mitarbeitern der Auftraggeberin, die die Angebotseröffnung geleitet hätten, vier Bieter vertreten gewesen seien. Von den Angeboten aller sechs Bieter sei die Angebotssumme für die Obergruppe 01 als zivilrechtlicher Preis verlesen worden. Der Niederschrift sei nicht zu entnehmen, dass - wie von den Parteien des Nachprüfungsverfahrens übereinstimmend vorgebracht - von zwei Bietern die Verlesung der Preise der Obergruppe 02 begehrt worden sei und diese Positionspreise auch tatsächlich verlesen worden seien. Auf Grund des diesbezüglich übereinstimmenden Vorbringens der Parteien werde jedoch festgestellt, dass zunächst der Vertreter der Beschwerdeführerin die Verlesung der Preise der Obergruppe 02 aus seinem Angebot begehrt und damit begründet habe, dass diese Preise für die Bewertung wichtig seien. Auch ein weiterer Bieter habe diese Verlesung begehrt. Die begehrten Verlesungen seien auch tatsächlich durchgeführt worden. Die verlesenen Preise der Obergruppe 02 dieser beiden Bieter seien jedoch in der Niederschrift nicht festgehalten worden. Der Niederschrift sei auch nicht zu entnehmen, dass die anwesenden Bieter befragt worden seien, ob sie eine Verlesung der Preise der Obergruppe 02 aus ihren Angeboten begehrten. Es sei auch nicht festgehalten, dass der Leiter der Angebotsöffnung die Verlesung der Preise der Obergruppe 02 als untunlich angesehen habe.

Die Auftraggeberin habe bei der Bewertung der Angebote - die Beschwerdeführerin sei an erster Stelle gereiht worden - sowohl den angebotenen Gesamtpreis für die Obergruppe 01 als auch die Summe der angebotenen Positionspreise der Obergruppe 02 aus den jeweiligen Angeboten berücksichtigt.

Die Beschwerdeführerin habe die Antragslegitimation der Mitbeteiligten bestritten, weil die Preise der Obergruppe 02 aus deren Angebot nicht verlesen worden seien und das Angebot daher "gleichsam vergaberechtlich nicht existent" sei. Dieser Argumentation könne nicht gefolgt werden. Die Angebotseröffnung sei jedenfalls insofern mangelhaft gewesen, als die Preise der Obergruppe 02 nicht von allen Bietern verlesen worden seien. Dass der Vertreter der Mitbeteiligten ausdrücklich auf die Verlesung dieser Preise verzichtet habe, sei aus der Niederschrift nicht zu entnehmen und werde von der mitbeteiligten Partei auch entschieden bestritten. Die ordnungsgemäße Durchführung der Angebotsöffnung falle ausschließlich in den Aufgabenbereich der Auftraggeberin, wenn es den anwesenden Bietern auch offen stehe, allfällige Mängel, vor allem bei der Verlesung ihrer eigenen Angebote, zu rügen. Gemäß § 118 Abs. 5 Bundesvergabegesetz 2006, BGBl. I Nr. 17 (BVergG) seien aus den Angeboten u.a. zwingend der Gesamtpreis oder der Angebotspreis zu verlesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bewirke die Nichtverlesung eine Rechtswidrigkeit, die grundsätzlich von wesentlichem Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens sei. Vorliegend seien die Preise der Obergruppe 02 jedenfalls zu verlesen, weil sie mit 40 % Einfluss auf die Zuschlagsentscheidung hätten und von der Auftraggeberin bei der Bewertung auch tatsächlich berücksichtigt worden seien. Gemäß § 118 BVergG sei der Auftraggeber zu bestimmten Verlesungen verpflichtet. Die Zustimmung der anwesenden Bieter sei dafür nicht erforderlich. Ein Bieter könne daher auch auf eine Verlesung nicht verzichten. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitbeteiligte durch das Unterlassen des Verlangens der Verlesung ihr Antragsrecht verloren habe .

Die Unterlassung der Verlesung von Preisen für die Obergruppe 02 bei einigen Angeboten stelle daher eine nicht sanierbare fehlerhafte Angebotsöffnung dar, was zur Folge habe, dass eine Zuschlagserteilung - auch auf das Angebot der Beschwerdeführerin - nicht in Betracht komme, weshalb die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Ebenso begehrte die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 118 Abs. 5 BVergG hat folgenden Wortlaut:

"(5) Aus den Angeboten - auch Alternativ- und Abänderungsangeboten - sind folgende Angaben vorzulesen und in der Niederschrift festzuhalten:


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1.
Name und Geschäftssitz des Bieters;
2.
der Gesamtpreis oder der Angebotspreis mit Angabe des Ausmaßes allfälliger Nachlässe und Aufschläge und, wenn die Vergabe in Teilen oder für die ganze Leistung oder für Teile derselben Varianten vorgesehen waren, auch die Teilgesamtpreise oder Teilangebotespreise sowie die Variantenangebotespreise;
3.
wesentliche Erklärungen der Bieter;
4.
sonstige im Hinblick auf andere Zuschlagskriterien als dem Preis relevante in Zahlen ausgedrückte Bieterangaben, deren sofortige Verlesung möglich und zumutbar ist und in den Ausschreibungsunterlagen angekündigt wurde.
Aus Schreiben der Bieter, mit welchen einzelne Preise oder der Gesamtpreis des Angebotes abgeändert werden, dürfen nur die geänderten einzelnen Einheits- oder Positionspreise sowie der geänderte Gesamtpreis oder Angebotspreis bekannt gegeben werden. Andere Angaben dürfen den Bietern nicht zur Kenntnis gebracht werden. Wenn auf Grund der Vielzahl der Preise ein Verlesen derselben untunlich wäre, so sind den Bietern, die dies beantragen, die Preise binnen drei Arbeitstagen nachweislich bekannt zu geben."
Vorliegend wurde in der Ausschreibung - bestandsfest - festgelegt, dass die Preise der Obergruppe 01 mit 60 % und der - als Eventualposition gekennzeichneten - Obergruppe 02 mit 40 % für die Bewertung herangezogen werden. Daher sind die Preise dieser beiden Obergruppen gemäß § 118 Abs. 5 Z. 2 jedenfalls zu verlesen, wie auch die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend ausführen. Für die Obergruppe 02 war im Leistungsverzeichnis keine Gesamtsumme anzubieten, die Verpflichtung zur Verlesung bezog sich daher auf die einzelnen Positionspreise dieser Obergruppe. Dass es sich hiebei um so viele Einzelpreise handelt, dass eine Verlesung untunlich gewesen wäre, wird von keiner der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens behauptet; auch die Beschwerdeführerin behauptet ausdrücklich, dass diese Verlesung in kurzer Zeit möglich und daher keinesfalls untunlich gewesen wäre.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass ein Bieter, dessen Angebotspreis (oder wesentliche Teile davon) - aus welchen Gründen auch immer - nicht verlesen worden sei, mangels vergaberechtlicher Existenz seines Angebots keinesfalls zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages berechtigt sei. Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt würde bei ihrer Zugrundelegung doch den Bietern der Rechtsschutz gegen die vom Auftraggeber (aus welchen Gründen auch immer) unterlassene Verlesung genommen.
Die Beschwerdeführerin bringt auch vor, dass der die Angebotsöffnung leitende Vertreter der Auftraggeberin nach dessen Aussage vor der belangten Behörde deshalb die Preise der Obergruppe 02 nicht verlesen habe, weil dies seiner - unrichtigen -

Meinung nach auf Grund der großen Anzahl der Preise nicht zumutbar gewesen sei. Der bei der Angebotsöffnung anwesende Vertreter der Mitbeteiligten hätte die Unterlassung dieser Verlesung bezüglich seines Angebots rügen müssen, zumal zwei weitere Bietervertreter die Verlesung der Preise der Obergruppe 02 aus ihren Angeboten verlangt hätten.

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass die korrekte Durchführung der Angebotsöffnung - insbesondere die vorgeschriebenen Verlesungen - Sache des Auftraggebers ist, der sich dazu gemäß § 118 Abs. 1 zweiter Satz BVergG einer Kommission zu bedienen hat, die aus mindestens zwei sachkundigen Vertretern besteht. Es kann dahinstehen, wie weit ein Bieter verpflichtet ist, bei der Angebotsöffnung das - versehentliche - Unterlassen einer Verlesung aus seinem Angebot zu rügen, und ob das Unterlassen einer solchen Rüge letztlich zur Unzulässigkeit eines Nachprüfungsantrages führen kann. Vorliegend beruhte die Unterlassung der Verlesung nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nämlich nicht auf einem Versehen, sondern auf einer unrichtigen Rechtsansicht des Leiters der Angebotsöffnung. Es hieße die Anforderungen an einen Bieter zu überspannen, würde man von ihm verlangen, derartige Rechtsirrtümer der - sachkundigen, also mit der korrekten Vorgangsweise bei der Angebotsöffnung vertrauten (vgl. Pachner in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006, Rz 14 zu § 118) - Mitglieder der Angebotsöffnungskommission zu erkennen. Der Umstand allein, dass zwei weitere Bieter die Verlesung der Preise der Obergruppe 02 aus ihren Angeboten verlangt haben, verpflichtete den Vertreter der Mitbeteiligten nicht, der Rechtsauffassung der Kommissionsmitglieder zu misstrauen und diese Verlesung aus seinem Angebot zu verlangen. Dass der Vertreter der Mitbeteiligten aus anderen Gründen - etwa wegen seiner Rechtskunde - Anlass zu einer solchen Vorgangsweise gehabt hätte, wird in der Beschwerde nicht konkret behauptet.

Der Mitbeteiligten fehlte daher entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht die Antragslegitimation vor der belangten Behörde.

Die - nicht konkret bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die vorliegende Unterlassung von verpflichtenden Verlesungen bei der Angebotsöffnung zur Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung führt, entspricht der hg. Judikatur (vgl. insbesondere das von der belangten Behörde zitierte, zum BVergG 2002 ergangene Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0100).

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil im pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am