Suchen Hilfe
VwGH vom 21.03.2013, 2011/09/0102

VwGH vom 21.03.2013, 2011/09/0102

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des MA in W, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelder Straße 120/2/28, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK - 41550/1318-IV/9/2009, betreffend Anerkennung eines Leidens nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der im Jahr 1985 geborene Beschwerdeführer leistete in der Zeit vom bis zum den ordentlichen Präsenzdienst beim österreichischen Bundesheer und beantragte am Beschädigtenversorgung nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG) wegen der Gesundheitsschädigung Osteopetrosis, die während der Grundausbildung ausgelöst worden sei. Er führte aus, er habe bereits Schmerzen bei der Grundausbildung gehabt, habe aber nicht ins Spital gehen dürfen, man habe ihm nicht geglaubt, erst fünf Monate später seien beim Wachdienst die Schmerzen unerträglich geworden und in der Folge habe er zum Arzt ins Heeresspital gehen dürfen, dort sei dann festgestellt worden, dass er an Osteopetrosis leide. Während der Grundausbildung sei er mehrmals gestürzt. Der Arzt Dr. K (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) vom ärztlichen Dienst des Bundessozialamtes stellte am fest, dass der Beschwerdeführer angebe, am ganzen Körper Schmerzen zu verspüren und trotz Schmerzen den Dienst beim Bundesheer versehen zu haben. Er könne nicht lange sitzen, stehen oder liegen. Die Beschwerden habe er erst seit dem Bundesheer, früher seien keine Beschwerden aufgetreten. Der Beschwerdeführer leide an einer Osteopetrosis (Marmorknochenkrankheit). Bei dieser Erkrankung handle es sich um eine seltene anlagebedingte Skelettsystemerkrankung, die mit dem Präsenzdienst in keinem ursächlichen Zusammenhang stehe und durch diesen auch nicht verschlimmert worden sei. Sie sei lediglich anlässlich des Präsenzdienstes erstmalig diagnostiziert worden.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom wurde die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Gesundheitsschädigung gemäß §§ 1 und 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) nicht als Dienstbeschädigung anerkannt und zur Begründung ausgeführt, dass es sich dabei um eine seltene anlagebedingte Skelettsystemerkrankung handle, die weder mit einem schädigenden Ereignis während der Grundwehrdienstausbildung, noch mit den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen im ursächlichen Zusammenhang stehe und durch die Dienstleistung auch nicht verschlimmert worden sei. Die Erkrankung sei lediglich anlässlich des Präsenzdienstes erstmalig diagnostiziert worden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er ausführte, dass die Krankheit durch seinen Sturz während des Präsenzdienstes und seiner nicht sofort behandelten Schmerzen zum Ausbruch gekommen sei.

Die belangte Behörde holte ein neuerliches "Aktengutachten" des Dr. K. vom ein, der ausführte, dass sich der Beschwerdeführer nach Unterlagen des Heeresspitals am außer Dienst in der Wohnung am rechten Kniegelenk verletzt habe. Im Nativröntgen sei ein Ermüdungsbruch im rechten Schienbeinkopf festgestellt worden, was im MRT nicht bestätigt worden sei. In der Vergleichsradiologie und im CT sei eine erhöhte Knochendichte nachgewiesen, in Zusammenschau der Befunde sei die Diagnose einer Osteopetrosis adulta gestellt worden. Bei der Osteopetrosis (Marmorknochenkrankheit) handle es sich um eine äußerst seltene, genetisch bedingte Erkrankung, bei der ein Unvermögen der Osteoklasten (knochenabbauende Zellen), verkalktes Gewebe zu resorbieren, bestehe. Dadurch komme es zu einer generalisierten Osteosklerose, die die Belastbarkeit der Knochen vermindere und sich in einer vermehrten Knochenbrüchigkeit manifestiere. Im Vordergrund stünden somit Knochenbrüche, die bei meist nur geringer klinischer Symptomatik erst anlässlich einer Röntgenuntersuchung das Leiden aufdeckten. Im gegenständlichen Falle sei das Leiden erstmalig während des Präsenzdienstes im Rahmen der Abklärung eines Sturzes diagnostiziert worden. Da es sich um ein genetisch bedingtes Leiden handle, somit vorbestanden habe, sei ein Zusammenhang mit dem Präsenzdienst auszuschließen. Das Leiden sei durch diesen weder hervorgerufen noch verschlimmert worden und es liege keine Dienstbeschädigung vor.

Der Beschwerdeführer erschien vor der Behörde zur Aufnahme einer Niederschrift, in welcher er zu diesem Gutachten replizierte, dass seine Grunderkrankung erst durch die Belastungen beim Grundwehrdienst zum Ausbruch gekommen sei. Er sei schon während der Feldwoche im Rahmen der Grundausbildung gestürzt und nicht erst in der Wohnung außer Dienst. Er habe seine damalige Verletzung gemeldet, sei jedoch nicht von weiteren Übungen befreit worden und habe die Übungen im Zuge der Feldwoche weitermachen müssen, eine Behandlung im Krankenrevier sei ihm verwehrt worden. Erst nach Beendigung der Feldwoche, die er unter Schmerzen absolviert habe, habe der Beschwerdeführer im Krankenhaus behandelt werden können. Die Diagnose sei vom Oberarzt Dr. R. im Heeresspital gestellt worden und dieselbe Diagnose und das Entstehen der Erkrankung seien auch von Prof. C. im AKH (Chirurgische Abteilung) bestätigt worden.

Die belangte Behörde holte eine weitere Stellungnahme des Dr. K. ein, der ausführte, dass die Erkrankung bereits vor dem Präsenzdienst vorhanden gewesen sei und nur nicht bekannt gewesen sei. Somit könne sie nicht erst während des Wehrdienstes zum Ausbruch gekommen sein. Auf Grund der unelastischen und spröden Knochenstruktur bestehe die Neigung zu Spontanfrakturen, die auch ohne ersichtliche Belastung auftreten könnten, das heiße, sie hätten auch unter alltäglichen Belastungen jederzeit auftreten können. Somit bestehe kein kausaler Zusammenhang mit dem Wehrdienst.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und dies nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit begründet, dass im ärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. K. und dessen ergänzender Stellungnahme ausführlich und nachvollziehbar ausgeführt werde, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Leidenszustand um ein schicksalhaftes, genetisch bedingtes Leiden handle, das mit dem Wehrdienst in keinem Zusammenhang stehe. Die Osteopetrosis sei bereits vor dem Wehrdienst vorhanden gewesen, allerdings nicht bekannt. Die erhobenen Einwände seien nicht geeignet, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften. Seitens des medizinischen Sachverständigen sei ausführlich auf das Vorbringen eingegangen und schlüssig dargelegt worden, warum keine Kausalität vorliege. Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten und die Stellungnahme seien als vollständig, schlüssig und in sich widerspruchsfrei erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Entsprechend dem Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens sei die Kausalität der geltend gemachten Gesundheitsschädigung zu negieren. Die belangte Behörde stelle den vorgebrachten Gesundheitszustand selbst nicht in Frage, da es sich jedoch um ein genetisch bedingtes Leiden handle und es bereits vor Antritt der militärischen Dienstleistung bestanden habe und nach geltender medizinischer Lehrmeinung somit nicht erst während des Präsenzdienstes zum Ausbruch gelangen habe können, sei die Anerkennung als Dienstbeschädigung zu versagen. Die bestehende unelastische und spröde Knochenstruktur und die damit verbundene Neigung zu Spontanbeeinträchtigungen hätte auch ohne die Ableistung des Präsenzdienstes unter alltäglichen Bedingungen und ohne ersichtliche Belastung zum gleichen Gesundheitszustand geführt. Ein kausaler Zusammenhang mit dem Grundwehrdienst oder mit den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen sei nicht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und einer weiteren Stellungnahme des Beschwerdeführers erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 erster Satz des Heeresversorgungsgesetzes - HVG, BGBl. Nr. 27/1964, in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 150/2002, ist eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes, einschließlich einer beruflichen Bildung im freiwillig verlängerten Grundwehrdienst oder im Wehrdienst als Zeitsoldat erlitten hat, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes als Dienstbeschädigung zu entschädigen (§ 2). Gemäß § 2 Abs. 1 HVG, in der Fassung BGBl. Nr. 110/1993, ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinn des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil jene Schmerzen, die er bereits während der Ableistung seines Präsenzdienstes verspürte, durch die Belastungen des Präsenzdienstes zu einem früheren Zeitpunkt und in einem höheren Ausmaß aufgetreten seien, als wenn er keinen Präsenzdienst geleistet hätte oder diese Belastungen während des Präsenzdienstes unterblieben wären. Die Überlastungen des Präsenzdienstes hätten seine Erkrankung (seine Schmerzen) ausgelöst.

Dazu gibt es kein ausreichendes Beweisverfahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in vergleichbaren Fällen ausgesprochen, dass die Anerkennung eines Leidens in Frage kommt, wenn die Präsenzdienstleistung (oder diese Dienstleistung im Zusammenhalt mit einem angeschuldigten Ereignis) eine anlagebedingte Vorschädigung des Beschwerdeführers zumindest mit Wahrscheinlichkeit im Sinne einer Prädisposition einen aufgetretenen Leidenszustand verschlimmert oder diesen Leidenszustand vorzeitig ausgelöst hat (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0013, vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0207). Dass dieser Umstand auch im vorliegenden Fall gegeben ist, kann auch angesichts der eingeholten Beurteilung des Sachverständigen nicht ausgeschlossen werden, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 68 HVG abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
EAAAE-87207