VwGH vom 04.08.2020, Ra 2020/16/0021

VwGH vom 04.08.2020, Ra 2020/16/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der F GmbH in L, vertreten durch die Friedl & Holler Rechtsanwälte GmbH in 8430 Leibnitz, Konradweg 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 61.11-2055/2019-14, betreffend Kanalisationsbeitrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde Leibnitz; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadtgemeinde Leibnitz hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die Beschwerde der revisionswerbenden Gesellschaft mbH (Revisionswerberin) gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leibnitz vom ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Leibnitz habe mit Bescheid vom der Revisionswerberin die Bewilligung für einen Zubau und die Aufstockung beim bestehenden Gebäude auf dem Baugrundstück Nr. xxx, KG L, erteilt.

3Die Revisionswerberin habe im November 2013 das durch den Zubau und die Aufstockung beim bestehenden Gebäude entstandene Lager in Betrieb genommen.

4Am habe „die Stadtgemeinde Leibnitz, Abteilung Baurecht/Umweltrecht“ ein Schreiben an die Revisionswerberin gerichtet, worin zunächst festgehalten worden sei, dass bis dato weder ein Ansuchen um Benützungsbewilligung noch eine Fertigstellungsanzeige bei der Stadtgemeinde eingelangt sei. Es sei daher ersucht worden, falls das Bauwerk bereits fertiggestellt worden sei, das beigelegte Formular (Ansuchen Benützungsbewilligung oder Fertigstellungsanzeige) auszufüllen und umgehend samt Bauführerbescheinigung, Elektrobescheinigung, Bestätigung über diverse Sicherheitsverglasungen und Rauchfangkehrerbescheinigung an „die Stadtgemeinde Leibnitz“ zu retournieren. Abschließend sei darauf verwiesen worden, dass eine bauliche Anlage ohne Benützungsbewilligung nicht benützt werden dürfe und eine allfällige Benützung durch die Baubehörde zu untersagen sei.

5Nachdem am ein Gutachten eines Rauchfangkehrermeisters hinsichtlich des in Rede stehenden Objektes bei „der Stadtgemeinde Leibnitz“ eingelangt sei, dass gegen die bestimmungsgemäße Benützung der überprüften Abgasanlage in bau- und feuerpolizeilicher Hinsicht unter Einhaltung im einzelnen angeführter Punkte keine Bedenken bestünden, habe „die Stadtgemeinde Leibnitz, Abteilung Baurecht/Umwelt“ am neuerlich ein Schreiben an die Revisionswerberin gerichtet und Auskunft darüber begehrt, ob der Zubau und die Aufstockung beim bestehenden Gebäude auf dem in Rede stehenden Grundstück bereits fertiggestellt sei. Ein identes Schreiben sei neuerlich am an die Revisionswerberin ergangen.

6Am habe die Revisionswerberin eine Fertigstellungsanzeige bei der Baubehörde der Stadtgemeinde Leibnitz eingebracht und eine Bestätigung eines Baumeisters vom und ein Elektroattest einer EW GmbH vom vorgelegt.

7Mit Abgabenbescheid vom habe der Bürgermeister der Stadtgemeinde Leibnitz der Revisionswerberin gemäß dem Steiermärkischen Kanalabgabengesetz und der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Leibnitz einen weiteren Kanalisationsbeitrag in näher angeführter Höhe vorgeschrieben. Der dagegen erhobenen Berufung habe der Gemeinderat der Stadtgemeinde Leibnitz mit dem vor dem Landesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid vom nicht Folge geben.

8Rechtlich hielt das Landesverwaltungsgericht - soweit für den Revisionsfall von Interesse - fest, die Beitragspflicht entstehe mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile, welche im Revisionsfall im November 2013 stattgefunden habe. Die mit Ablauf des beginnende Verjährungsfrist sei durch nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen um ein Jahr verlängert worden. Bei diesen Amtshandlungen habe es sich um die erwähnten Schreiben vom , vom und vom gehandelt. Diese Anfragen an die Revisionswerberin nähmen Bezug auf die Fertigstellung des Zubaus und damit der Benützung, was wiederum Voraussetzung für die Vorschreibung eines ergänzenden Kanalisationsbeitrages sei.

9Deshalb sei dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Leibnitz die von der Revisionswerberin eingewendete Verjährung nicht entgegengestanden.

10Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Landesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

11Die Revisionswerberin erachtet sich im Recht verletzt, nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr zur Zahlung des Kanalisationsergänzungsbeitrages herangezogen zu werden.

12Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); Revisionsbeantwortungen langten keine ein.

13Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

14Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision zusammengefasst vor, das Landesverwaltungsgericht sei von näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach eine Verlängerungshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO nur dann vorliege, wenn eine Abgabenbehörde in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise eine Amtshandlung zur Feststellung eines Abgabenanspruches unternehme, etwa ein Schreiben verfasse, das konkret Bezug auf die jeweilige Abgabe nehme. Würden andere als abgabenrechtliche Ziele verfolgt und komme es dabei allenfalls zur Aufdeckung eines auch für die Abgabenerhebung bedeutsamen Sachverhaltes, trete keine Verlängerung der Verjährungsfrist ein.

17Die Revision ist zulässig und berechtigt.

18Gemäß § 2 Abs. 3 des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes entsteht die Beitragspflicht für den Kanalisationsbeitrag bei anschlusspflichtigen Neubauten und bei Zu- und Umbauten in anschlusspflichtigen Baulichkeiten mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile.

19Die Verjährungsfrist beträgt bei dem in Rede stehenden Kanalisationsbeitrag gemäß § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre und beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

20§ 209 Abs. 1 BAO lautet:

„(1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG,§ 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.“

21Eine Unterbrechungshandlung liegt nur dann vor, wenn die Abgabenbehörde in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise eine Amtshandlung zur Feststellung eines Abgabenanspruches unternimmt (vgl. etwa ; und ). An den Abgabepflichtigen gerichtete Vorhalte, Anfragen oder Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen verlängern die Verjährungsfrist, wobei derartige Schreiben der Abgabenbehörde nur hinsichtlich jener Abgaben Verlängerungswirkung zukommt, auf die das Schreiben Bezug nimmt (vgl. ).

22Ausgehend von der unstrittigen erstmaligen Benützung des in Rede stehenden Zubaus im November 2013 entstand der Anspruch auf den Kanalisationsbeitrag mit Ablauf des Jahres 2013 und begann die Verjährung damit zu laufen.

23Das Landesverwaltungsgericht sieht in den erwähnten Schreiben vom , vom und vom Amtshandlungen iSd § 209 Abs. 1 BAO zur Verlängerung der Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2019.

24Zu Recht weist die Revisionswerberin darauf hin, dass den erwähnten Schreiben nicht zu entnehmen ist, dass sie zur Feststellung des Abgabenanspruchs unternommen worden wären. Das Verfahren zur Erteilung der Benützungsbewilligung durch die Baubehörde dient der Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften. Damit ist im Revisionsfall mangels anderer Anhaltspunkte jedenfalls nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich, dass es sich bei den Aufforderungen der „Stadtgemeinde Leibnitz, Abteilung Baurecht/Umweltrecht“ zur Einreichung eines Benützungsbewilligungsansuchens oder einer Fertigstellungsanzeige um eine Amtshandlung der Abgabenbehörde zur Geltendmachung eines Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen gehandelt hätte (vgl. nochmals - ebenfalls die Verjährung eines Kanalisationsbeitrages nach dem Steiermärkischen Kanalisationsgesetz und Aufforderungen zur Abgabe eines Antrages auf Benützungsbewilligung betreffend - ).

25Das Landesverwaltungsgericht durfte daher nicht davon ausgehen, dass die Verjährungsfrist zur Festsetzung des in Rede stehenden Kanalisationsbeitrages um ein Jahr bis zum Ablauf des Jahres 2019 verlängert worden wäre und der Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Leibnitz vom vor Ablauf der Verjährungsfrist erlassen worden wäre.

26Im Übrigen ist festzuhalten, dass sich der Bürgermeister der Stadtgemeinde Leibnitz in seinem Bescheid vom auf die „Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Leibnitz i.d.g.F.“ und das Landesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis auf die „Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Leibnitz vom idF des Gemeinderatsbeschlusses vom “ stützen. Rechtsgrundlage für eine im Jahr 2013 entstandene Abgabenschuld können diese Vorschriften jedoch nicht sein.

27Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160021.L00

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