VwGH vom 30.05.2011, 2011/09/0093
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des Bundesministers für Finanzen in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-PL-09-0253, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheit Übertretungen des AuslBG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; mitbeteiligte Partei: CG, vertreten durch Schubert Hensel, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 15), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der NC GmbH mit Sitz in O, somit als Arbeitgeber zu verantworten, dass diese Gesellschaft im Zeitraum vom bis , jedenfalls am um
10.30 Uhr, auf dem Veranstaltungsgelände "NOVA ROCK" in N, 49 näher bezeichnete ungarische Staatsangehörige mit Reinigungs- und Müllbeseitigungsarbeiten entgegen § 3 AuslBG beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.
Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung. Die belangte Behörde gab der Berufung ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein.
Die Begründung lautet:
"Nach den Feststellungen der Bezirkshauptmannschaft ist die NC GmbH mit Sitz in O von der ME GmbH mit Sitz in M mit den Reinigungsarbeiten auf dem gesamten Festivalgelände im Zuge des Nova Rock Festival beauftragt worden. Hiebei wurden die im Spruch genannten ungarischen Staatsbürger beim Reinigen des Geländes angetroffen und hat das Gesamtprojekt die personellen Kapazitäten der NC GmbH überschritten, weshalb Fremdfirmen, nämlich die TC Ltd. in Dublin und die PS KEG mit Sitz in W, beschäftigt wurden. An beide Subfirmen wurde der Auftrag mündlich erteilt. Die Firma TC Ltd. hat keinen Sitz in Österreich. Die Arbeitseinteilung und die Anweisungen an die Arbeitskräfte der Fremdfirmen würde nicht von der Firma NC GmbH vorgenommen. Herr P ist Ansprechpartner und Projektsleiter der Firma TC Ltd. in Österreich und alle angetroffenen Arbeitskräfte haben angegeben, mit diesem einen Arbeitsvertrag abgeschlossen zu haben. Die Organe des Finanzamtes haben jedoch beobachtet, dass die Arbeitskräfte durch Angehörige der Firma NC GmbH mit Mineralwasser, Arbeitshandschuhen und Müllsäcken versorgt worden sind.
So kommt die Bezirkshauptmannschaft zum Schluss, dass Beschäftiger im Sinne des AuslBG die NC G.m.b.H. gewesen sei, weil zum Zeitpunkt der Kontrolle keine Entsendebewilligung gemäß § 18 Abs. 1 AuslBG vorlag.
Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land NÖ als Berufungsbehörde ist in dieser Hinsicht aber dem Schluss, die Firma NC GmbH sei unerlaubter Beschäftiger gewesen, in keiner Weise schlüssig, da das Prüfkriterium des § 4 AÜG klar ein Beschäftigungsverhältnis zur Firma TC Ltd. darlegt.
Da es sich um eine ausländische nicht mit Betriebssitz im Inland gelegene Firma handelt, erweist sich eine Tatanlastung nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a als vollständig unrichtig indem vielmehr bei der Annahme einer Inanspruchnahme der ausländischen Personen nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b i.V.m. § 18 AuslBG anzulasten gewesen wäre. - Im Gegenstand ist die vorgeworfene unmittelbare Beschäftigung nach § 3 Abs. 1 i.V.m.
§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG zu Folge des offensichtlichen Bestehens der ausländischen Dienstgeber absolut unrichtig (vgl. UVS NÖ Senat-PL-05-0218 vom )."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art. 131 Abs. 2 B-VG gestützte Amtsbeschwerde, die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie und der Mitbeteiligte erstatteten Gegenschriften, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat das gegenständliche Beschwerdeverfahren bis zur Vorabentscheidung des EuGH über die Ersuchen des Raad van State in den verbundenen Rechtssachen C- 307/09 bis C-309/09, Vicoplus u.a., sowie des unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg in der Rechtssache C-241/10 mit Beschluss vom , Zlen. 2009/09/0159, 0160 (auf den gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird), ausgesetzt.
Das Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-307/09 bis C-309/09, Vicoplus u.a., erging am . Der unabhängige Verwaltungssenat Salzburg hat am mitgeteilt, dass der Antrag in der Rechtssache C-241/10 zurückgezogen wurde. Die Gründe für die Aussetzung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof sind damit weggefallen.
Im genannten Urteil vom antwortete der EuGH, dass die Art. 56 AEUV und 57 AEUV es nicht verbieten, dass ein Mitgliedstaat während der in Kapitel 2 Nr. 2 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 vorgesehenen Übergangszeit die Entsendung von polnischen Arbeitnehmern im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71/EG in sein Hoheitsgebiet von der Einholung einer Beschäftigungserlaubnis abhängig macht.
Die in diesem Urteil enthaltenen Aussagen des EuGH sind auch auf die für Österreich geltenden Übergangsregelungen in der Beitrittsakte von 2003 hinsichtlich von Staatsbürgern aller neu beigetretenen Staaten in gleicher Weise anzuwenden, eine mögliche Beschäftigung der durch die TC Ltd überlassenen ungarischen Staatsangehörigen ist daher nicht anders zu werten als die Beschäftigung von Arbeitnehmer, die von einem Unternehmen mit Sitz im Bundesgebiet überlassen wurden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/09/0082, 0083; auch auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen).
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1044 wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid in keiner Weise gerecht. Der Sachverhalt, von dem die belangte Behörde ausgeht, verweist auf die Feststellungen der Behörde erster Instanz. Sie gibt diese aber in entscheidenden Passagen aktenwidrig wieder. Insbesondere stellte die Behörde erster Instanz beruhend auf den Angaben der Ungarn z.B. fest, dass die Ungarn durch einen Vertreter der NC GmbH, Herrn MA, zur Arbeit angewiesen worden seien und keine Kenntnis davon gehabt hätten, für die TC Ltd. tätig gewesen zu sein.
Da sohin überhaupt keine tauglichen Sachverhaltsfeststellungen vorliegen, ist die - zudem völlig begründungslose - rechtliche Beurteilung der belangten Behörde nicht nachvollziehbar.
Im Übrigen ist die belangte Behörde noch darauf hinzuweisen, dass sich die belangte Behörde zu Unrecht für den Entfall der mündlichen Verhandlung auf § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG berufen hat. Wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt, sprachen nach dem Akteninhalt, welcher der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorlag, im Sinne einer Beurteilung nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt die wesentlichen Sachverhaltselemente überwiegend für eine Beschäftigung der Ungarn (sei es in der Form einer direkten Beschäftigung oder in Form der Beschäftigung überlassener Arbeitskräfte) durch die NC GmbH, zumal ein im Vorhinein bestimmtes, gewährleistungstaugliches Werk, das der TC Ltd. übertragen worden wäre, nicht erkennbar scheint und die Ungarn anscheinend in die Betriebsorganisation der NC GmbH integriert waren.
Im Übrigen wird auf das den Mitbeteiligten und einen gleichartigen Sachverhalt betreffende Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/09/0028, mit dem eine Beschwerde des Mitbeteiligten gegen einen Bescheid der belangten Behörde betreffend Beschäftigung ausländischer Staatsangehöriger bei Aufräumarbeiten nach dem "NOVA ROCK-Festival" im Jahre 2008 abgewiesen wurde, hingewiesen.
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-87164