VwGH vom 31.08.2016, 2013/17/0811

VwGH vom 31.08.2016, 2013/17/0811

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamminger, über die Beschwerde des P M D in L, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom , UVS- 5/14617/11-2013, betreffend Bestrafung nach dem Glücksspielgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seiner Spruchpunkte II. und III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom erkannte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung den Beschwerdeführer als das gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen befugte Organ der I GmbH der Übertretung des § 52 Abs 1 Z 1 des Glücksspielgesetzes (GSpG) für schuldig, verhängte über ihn eine Geldstrafe von EUR 7.500,-- und setzte einen Kostenbeitrag von EUR 750,-- fest. Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, er habe als Geschäftsführer der I GmbH, welche das Lokal "A" an einem näher genannten Standort betreibe, am mittels drei näher bezeichneter Glücksspielgeräte (FA-Nr 3, FA-Nr 5 und FA-Nr 9) als Unternehmer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG zugänglich gemacht.

2 Der Beschwerdeführer erhob Berufung und stellte dabei den Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Strafbescheides. Das Finanzamt Salzburg-Land erhob ebenfalls Berufung und beantragte, die verhängte Strafe auf zumindest EUR 10.000,-- zu erhöhen.

3 Die belangte Behörde hob mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides den erstinstanzlichen Strafbescheid hinsichtlich der Glücksspielgeräte FA-Nr 3 und FA-Nr 5 ersatzlos auf. Bei diesen beiden Glücksspielgeräten seien Einsätze von über EUR 10,-- möglich bzw verleite das Vorliegen einer "Auto-Start-Taste" zu Serienspielen. Es werde somit der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht und die gerichtliche Strafbarkeit begründet, wodurch eine Bestrafung derselben Tat nach § 52 Abs 1 Z 1 GSpG unzulässig sei.

Hinsichtlich des Glücksspielgeräts FA-Nr 9 ("Eurowechsler") wies die belangte Behörde mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides die Berufungen als unbegründet ab. Sie änderte den Spruch des Strafbescheides dahingehend ab, dass dem Beschwerdeführer darin nunmehr vorgeworfen wurde, er habe es als gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen befugtes Organ der I GmbH, welche das Lokal "A" an einem näher genannten Standort betreibe, zu verantworten, dass die I GmbH als Vermieterin des Aufstellplatzes des Glücksspielautomaten das Glücksspielgerät FA-Nr 9 unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG iVm § 9 Abs 1 VStG begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.500,-- verhängt werde. Mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von EUR 500,-- vorgeschrieben.

Die belangte Behörde wies mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides die Berufung des Finanzamtes Salzburg-Land hinsichtlich des Gerätes FA-Nr 9 ab.

4 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde "soweit der erstinstanzliche Bescheid nicht ersatzlos behoben wurde". Die Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

5 Das gemäß Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG an die Stelle der belangten Behörde getretene Landesverwaltungsgericht Salzburg legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

7 Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 GSpG (idF vor dem Abgabenänderungsgesetzes 2012, BGBl I Nr 112/2012) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs 4 leg cit veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs 2 GSpG daran beteiligt.

8 Strittig ist, ob die Bestrafung hinsichtlich des Gerätes FA-Nr 9 zu Recht erfolgte.

9 Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, auf dem Gerät FA-Nr 9 könnte gar keine Ausspielung iSd § 2 Abs 1 GSpG durchgeführt werden, da die in Aussicht gestellte Leistung beim Einsatz des Spielers bereits bekannt sei und somit keinen "Gewinn" darstelle. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid aber zu Recht auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach bei den sog "Fun-Wechslern" vom Vorliegen eines Glücksspielgerätes auszugehen ist (vgl etwa ). Dass sich die Funktionsweise des Gerätes FA-Nr 9 wesentlich von der jener Geräte, zu denen die genannte Rechtsprechung erging, unterscheiden würde, behauptet die Beschwerde nicht.

Der Beschwerdeführer rügt überdies, dass er wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung nicht mehr hätte bestraft werden dürfen.

Im Beschwerdefall begann die Frist des § 31 Abs 2 VStG iVm § 52 Abs 5 GSpG (idF vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeitsanpassungsgesetz - Bundesministerium für Finanzen, BGBl I Nr 70/2013) am zu laufen und endete mit Ablauf des . Die mit datierte Aufforderung zur Rechtfertigung wurde dem Beschwerdeführer am und somit vor Ablauf der einjährigen Verjährungsfrist zugestellt.

10 Der Beschwerdeführer rügt auch, die in der Aufforderung zur Rechtfertigung angelastete Tat wäre jedoch in dieser nicht hinreichend konkretisiert gewesen.

11 Eine Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs 2 VStG (idF vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I Nr 33/2013) jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind an Verfolgungshandlungen iSd § 32 Abs 2 VStG hinsichtlich der Umschreibung der angelasteten Tat die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG (vgl ). Insbesondere hat sie sich auf sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z 2 VStG zu beziehen (vgl ua ).

13 In der Aufforderung zur Rechtfertigung wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe den Tatbestand des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG iVm § 9 Abs 1 VStG erfüllt, weil er Geschäftsführer der I GmbH sei, welche das Lokal "A" betreibe und Glücksspielgeräte bzw zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG als Unternehmer zugänglich mache. Dieser Tatvorwurf bezieht sich auf alle erforderlichen Tatbestandselemente iSd § 52 Abs 1 Z 1 GSpG und ist somit hinreichend konkretisiert. Die Aufforderung zur Rechtfertigung war somit als Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG anzusehen, die den Ablauf der Frist der Verfolgungsverjährung unterbrochen hat.

14 Dem Beschwerdeführer ist zwar darin zuzustimmen, dass die Behörde erster Instanz durch die Verhängung einer Gesamtstrafe für die drei zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen gegen das Kumulationsprinzip des § 22 VStG verstoßen hatte, weil der Betrieb jedes einzelnen Glücksspielgeräts eine selbstständige Verwaltungsübertretung darstellt (vgl ). Allerdings wurde diese Rechtswidrigkeit von der belangten Behörde beseitigt, indem sie das Straferkenntnis hinsichtlich der Glücksspielgeräte FA-Nr 3 und 5 ersatzlos aufhob und nur hinsichtlich des Geräts FA-Nr 9 eine Geldstrafe verhängte. Damit hat sie ausschließlich für jene Verwaltungsübertretung, hinsichtlich derer eine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit festgestellt wurde, eine Strafe verhängt. Auch wenn nun nicht zweifelsfrei feststeht, welcher Anteil der von der ersten Instanz verhängten Gesamtstrafe auf die einzelnen Verwaltungsübertretungen entfiel (gegen eine gleichmäßige Verteilung der Gesamtstrafe auf die einzelnen Geräte sprechen laut Beschwerde Unterschiede in der Beschaffenheit und im Spielablauf der einzelnen Geräte), und daher ein Maßstab fehlt, um beurteilen zu können, ob die Berufungsbehörde für die "verbleibende" Verwaltungsübertretung (FA-Nr 9) eine höhere Strafe verhängt hat als die Behörde erster Instanz (zum Verschlechterungsverbot gemäß § 51 Abs 6 VStG (idF vor seiner Aufhebung durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I Nr 33/2013) vgl ), so hat dies im Beschwerdefall keine Auswirkungen. Da auch das Finanzamt Berufung erhoben hatte, stand das Verschlechterungsverbot einer Neubemessung der Strafe durch die Berufungsbehörde nicht entgegen (vgl Thienel/Schulev-Steindl , Verwaltungsverfahrensrecht5, 529, und Köhler in Raschauer/Wessely , VStG, § 51 Rz 17, mwN).

15 Der Beschwerdeführer vertritt unter Hinweis auf § 65 VStG die Auffassung, dass ihm kein Verfahrenskostenbeitrag aufzuerlegen gewesen sei, weil er im Berufungsverfahren teilweise obsiegt habe.

16 § 65 VStG (vor seiner Aufhebung durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl Nr 33/2013) schließt die Auferlegung von Kosten des Berufungsverfahrens im Fall der auch nur teilweisen Stattgebung der Berufung oder bei Abänderung der Strafe aus. Im Beschwerdefall wurde sowohl in der erstinstanzlichen als auch in der zweitinstanzlichen Entscheidung über drei Verwaltungsübertretungen abgesprochen, die hinsichtlich des Kostenbeitrags zum Berufungsverfahren getrennt zu beurteilen sind. Die Beurteilung, ob der Berufung Folge gegeben wurde, ist - auch im Fall mehrerer in einem Straferkenntnis zusammengefasster Tatvorwürfe - immer auf den einzelnen Tatvorwurf zu beziehen (vgl , und Wessely in Raschauer/Wessely , VStG, § 65 Rz 1). Nach der ständigen hg Rechtsprechung führt der Erfolg eines Rechtsmittels hinsichtlich einer von mehreren in einem Straferkenntnis geahndeten Übertretungen nicht zur Anwendung des § 65 VStG auch hinsichtlich der übrigen Übertretungen (vgl , mwN).

Da sich jedoch auch dem erstinstanzlichen Straferkenntnis nicht entnehmen lässt (auch nicht in Verbindung mit seiner Begründung), wie die verhängte Gesamtstrafe (EUR 7.500,--) auf die damals zur Last gelegten drei Verwaltungsübertretungen aufgeteilt wurde, gibt es keinen Maßstab, an Hand dessen sich zweifelsfrei beurteilen lässt, ob die belangte Behörde für die eine aufrechterhaltene Verwaltungsübertretung eine höhere Strafe verhängt hat oder nicht. Damit war für die belangte Behörde aber im Zusammenhang mit der Bemessung der Kosten des Verfahrens nicht ersichtlich, ob der Berufung hinsichtlich der aufrechterhaltenen Verwaltungsübertretung nicht teilweise stattgegeben wurde, was hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens deren gänzlichen Entfall (§ 65 VStG idF vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz BGBl Nr 33/2013) zur Folge gehabt hätte.

Diese Fehlleistung der Behörde erster Instanz konnte bei der im Beschwerdefall vorliegenden Fallkonstellation von der Berufungsbehörde nicht mehr korrigiert werden; sie hätte daher den Ausspruch der Kosten für das erstinstanzliche Verfahren ersatzlos aufzuheben und von der Vorschreibung der Kosten für das Berufungsverfahren zur Gänze Abstand zu nehmen gehabt.

Indem sie dies verkannte, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

17 Der angefochtene Bescheid erweist sich auch in anderer Hinsicht als rechtswidrig:

Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Berufung ua ausführliche unionsrechtliche Bedenken in Bezug auf die Anwendbarkeit des GSpG geltend gemacht.

18 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) hat zur Beurteilung der Frage der unionsrechtlichen Zulässigkeit einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch den nationalen Richter eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, zu erfolgen (vgl , Rz 67ff unter Hinweis auf , Robert Pfleger ua, Rn 52). Dabei sind nicht bloß der Wortlaut der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes samt Gesetzesmaterialien, sondern auch faktische Gegebenheiten (wie etwa der Umfang der Beschaffungskriminalität und der Kriminalität gegenüber Glücksspielern im Mitgliedstaat, eine allfällige expansionistische Geschäftspolitik der Konzessionäre und deren Zielsetzung etc) in den Blick zu nehmen (siehe ausführlich , sowie , Admiral Casinos Entertainment AG , wonach es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen).

19 Da die belangte Behörde offenbar in Verkennung der Rechtslage auf das diesbezügliche Vorbringen in der Berufung im angefochtenen Bescheid nicht eingegangen ist, hat sie diesen auch in dieser Hinsicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

20 Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Erwägungen im angefochtenen Umfang schon deswegen wegen Rechtwidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, sodass auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht einzugehen war.

21 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art 6 Abs 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan.

22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, idF BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am