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VwGH vom 20.01.2016, 2013/17/0786

VwGH vom 20.01.2016, 2013/17/0786

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger und Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde des Dr. IM in Wien, vertreten durch Dr. Ihor-Andrij Maritczak, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 60, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , RU1-BR-1315/005-2013, betreffend Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde St. Andrä-Wördern in St. Andrä-Wördern, vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Bauwerber I-A M eine baubehördliche Bewilligung für das Grundstück Nr 266/43 KG K und erklärte gleichzeitig die Liegenschaft zum Bauplatz.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde schrieb dafür zunächst dem Bauwerber I-A M mit Bescheid vom Aufschließungsabgabe vor. Dagegen erhob dieser zunächst Berufung und gegen die abweisende Berufungsentscheidung Vorstellung. Mit Erkenntnis vom , 2010/17/0079, hob der Verwaltungsgerichtshof die daraufhin ergangene Vorstellungsentscheidung auf, weil der Bauwerber zum Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld nicht Eigentümer des Grundstücks Nr 266/43 gewesen sei, sodass sich die Vorschreibung der Abgabe an ihn als rechtswidrig erweise.

Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Beschwerdeführer als damaligem Eigentümer desselben Grundstücks Aufschließungsabgabe in Höhe von EUR 14.500,70 vor; nach Anrechnung einer früher erbrachten Leistung in der Höhe von EUR 948,91 ergebe sich für den Beschwerdeführer eine Abgabenschuld von EUR 13.551,79.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung, der mit Berufungsentscheidung vom keine Folge gegeben wurde. Mit Vorstellungsentscheidung vom hob die belangte Behörde diesen Bescheid auf, weil sich der Gemeindevorstand im Hinblick auf einen (das Grundstück Nr 266/43 betreffenden) Grundabteilungsbescheid aus dem Jahre 1959 mit der Frage der Verjährung des Abgabenanspruchs hätte auseinander setzen müssen.

Mit Bescheid vom gab der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde der Berufung neuerlich keine Folge und änderte den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom dahingehend ab, dass die Aufschließungsabgabe gemäß § 38 Abs 1 Z 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996) vorgeschrieben werde, weil das gegenständliche Grundstück zum Zeitpunkt der (erstinstanzlichen) Abgabenvorschreibung bereits ein Bauplatz gewesen sei. Mit Bescheid vom sei eine Grundabteilung (betreffend die gegenständliche Liegenschaft) nach § 6 NÖ Bauordnung 1883 gestattet worden. Das Institut der Bauplatzerklärung sei aber erst mit der NÖ Bauordnung 1976 eingeführt worden. Es habe daher 1959 keine Möglichkeit gegeben, anlässlich einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben. Eine Aufschließungsabgabe sei weder vorgeschrieben noch entrichtet worden.

In seiner dagegen erhobenen Vorstellung brachte der Beschwerdeführer ua vor, bereits 1959 sei aufgrund der Schaffung des Bauplatzes als auch aufgrund dessen erstmaliger Bebauung der Abgabentatbestand verwirklicht worden. Dies stehe der Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe aus Anlass der Erteilung der nunmehrigen Baubewilligung entgegen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung keine Folge gegeben und begründend ua ausgeführt, zur Zeit des Grundabteilungsbescheids vom habe es das Institut der Bauplatzerklärung nicht gegeben. Dass es sich nach der Teilung bei dem gegenständlichen Grundstück um einen Bauplatz gehandelt habe, sei für die Frage der Verjährung ohne Bedeutung. Ein Abgabentatbestand der erstmaligen Bauführung sei in den Bestimmungen des § 14 und 15 NÖ Bauordnung 1883 nicht vorgesehen gewesen. Es habe auch bis 2009 keine Bauführung gegeben. Damit sei auch keine Verjährung eingetreten.

Durch die erstmalige Bauführung (Genehmigungsbescheid vom ) sei ein

"Aufschließungsabgabenvorschreibungsanlass" im Sinne des § 38 Abs 1 Z 2 der NÖ BauO 1996 vorgelegen. Der Beschwerdeführer habe keinen Beweis führen können, dass ihm bereits eine Aufschließungsabgabe mit einem ziffernmäßig festgesetzten Betrag vorgeschrieben worden sei. Auch sei nach Einsicht in den vorgelegten Bauakt die Anrechnung einer früheren Eigenleistung korrekt nach dem Straßenbauindex erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 877/2013, gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene - Beschwerde.

Der Beschwerdeführer macht in seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte Teile der Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die vorgelegten Verwaltungsakten betreffen im Wesentlichen die zunächst an den Bauwerber erfolgte Abgabenvorschreibung. Hinsichtlich der Abgabenvorschreibung an den Beschwerdeführer wird das Verfahren darin erst ab der (ersten Vorstellung gegen die) Berufungsentscheidung vom dokumentiert. Da der Verwaltungsgerichtshof die belangte Behörde bei Einleitung des Vorverfahrens ausdrücklich auf die Säumnisfolge nach § 38 Abs 2 VwGG hingewiesen hat, kann daher insoweit auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers, so sie von den Feststellungen im angefochtenen Bescheid abweichen oder solche Feststellungen fehlen, erkannt werden.

Auch die mitbeteiligte Marktgemeinde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

§ 38 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996), LGBl Nr 8200, lautete in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung zu dem von der belangten Behörde zugrunde gelegten Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches (auszugsweise):

" Abgaben

§ 38

Aufschließungsabgabe

(1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der

Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit

rechtskräftigem Bescheid der Behörde nach § 2

1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz

(§ 11) erklärt oder

2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung

eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2 und 3, für den kein der Höhe nach bestimmter Aufschließungsbeitrag oder keine entsprechende Abgabe vorgeschrieben und entrichtet worden ist, erteilt wird.

...

(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, in der Fassung BGBl. I Nr. 194/1999. ...

...

(7) Frühere Leistungen für den Ausbau der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Beleuchtung einer an den Bauplatz grenzenden Straße sind auf die Aufschließungsabgabe anzurechnen, wenn ...

..."

Strittig ist zunächst, ob im Beschwerdefall der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages der Grundsatz der Einmaligkeit iSd § 38 Abs 3 NÖ BauO 1996 entgegensteht. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, wegen der Grundstücksabteilung im Jahr 1959, durch die das gegenständliche Grundstück entstanden sei, und einer im selben Jahr erfolgten Bebauung dieses Grundstücks sei bereits der Abgabentatbestand zur Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages verwirklicht worden. Dies stehe der nunmehrigen Vorschreibung der Abgabe entgegen.

§ 14 der (im Jahr 1959 anzuwendenden) Bauordnung für Niederösterreich (Gesetz vom 17. Jänner 1883, LGBl Nr 36/1883 idF LGBl Nr 70/1934; im Folgenden: NÖ Bauordnung 1883) sah in seinem vorletzten Absatz im Falle der Eröffnung neuer Straßen, Gassen oder Plätze eine Verpflichtung des Abteilungswerbers zur Leistung eines Beitrages "zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn der im Abteilungsplane vorgesehenen Straßen" vor. Dieser Beitrag durfte 80 % der ortsüblichen Kosten einer gewalzten Straße mit genügendem Unterbau (Fahrbahn- und Oberflächenentwässerung) nicht übersteigen. Diese Bestimmung fand nach dem letzten Satz dieses vorletzten Absatzes auf Abteilungswerber keine Anwendung, welche nachweisen konnten, dass ihnen für das geplante Bauvorhaben auf Grund des Bundesgesetzes vom , BGBl Nr 252/1931, vom Bundes-Wohn- und Siedlungsamt finanzielle Hilfe geleistet oder zugesichert wurde.

Im Beschwerdefall hat somit bereits die unbestrittenermaßen 1959 durchgeführte Grundabteilung zur Erfüllung eines Abgabentatbestandes im Zusammenhang mit der Vorschreibung von Aufschließungsbeiträgen geführt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem zu § 38 Abs 1 Z 2 NÖ BauO 1996 ergangenen Erkenntnis vom , 2013/17/0257, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, steht ein bereits früher entstandener Abgabenanspruch der Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe entgegen, selbst wenn diese Abgabe nicht entrichtet wurde und der Abgabenanspruch nunmehr verjährt ist. Dies findet auch im Falle von Aufschließungsbeiträgen, die aufgrund eines anders lautenden Abgabentatbestandes früherer Bauordnungen entstanden sind, Anwendung.

Abgaben gelten somit auch dann als "vorgeschrieben und entrichtet", wenn früher entstandene Abgabenansprüche wegen des Eintritts von Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl bereits , unter Verweis auf ).

Indem die belangte Behörde dies verkannte und ihre Entscheidung darauf stützte, dass die NÖ Bauordnung 1883 im Jahr 1959 noch nicht den Vorgang der Bauplatzerklärung bzw den Abgabentatbestand der erstmaligen Bauführung enthalten habe, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dass im Jahr 1959 auf Grund einer finanziellen Hilfe des Bundes-Wohn- und Siedlungsamtes auf Grund des Bundesgesetzes vom , BGBl Nr 252/1931, im Beschwerdefall kein Abgabenanspruch entstanden wäre, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am