VwGH vom 23.05.2013, 2011/09/0048

VwGH vom 23.05.2013, 2011/09/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AM-10-0017, Senat-AM-10-0256, betreffend Bestrafungen wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: T, vertreten durch Mag. Dr. Alfred Poferl, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 11, weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom wurde der Mitbeteiligte für schuldig erkannt, er habe es in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher angeführten GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin sechs namentlich angeführte polnische Staatsangehörige im Zeitraum vom bis zum , einen polnischen Staatsangehörigen vom bis zum , einen polnischen Staatsangehörigen vom bis zum , einen weiteren polnischen Staatsangehörigen vom bis zum sowie letztlich einen weiteren polnischen Staatsangehörigen am entgegen § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) mit Maurerarbeiten beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländer keine der in § 3 Abs. 1 AuslBG erforderlichen Bewilligungen, Bestätigungen oder Erlaubnisse vorgelegen seien.

Der Mitbeteiligte wurde wegen dieser Übertretungen mit Geldstrafen von EUR 4.000,-- und Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils sechs Tagen in den erstgenannten sechs Fällen, von jeweils EUR 3.000,-- und Ersatzfreiheitstrafen von jeweils vier Tagen und 12 Stunden im zweit-, dritt- und viertangeführten Fall und von EUR 2.000,-- und einer Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen im letztangeführten Fall bestraft und wurden ihm Verfahrenskosten auferlegt.

Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung, deren Gegenstand er in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde auf die Strafzumessung einschränkte.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 20 VStG der Berufung dahingehend Folge gegeben, als die zu den neun zuerst angeführten Bestrafungen verhängten Verwaltungsstrafen auf jeweils EUR 1.000,-- und Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils einem Tag herabgesetzt und auch die Verfahrenskosten für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz entsprechend verringert wurden. (Die letztangeführte Entscheidung der Behörde erster Instanz hat der angefochtene Bescheid nicht zum Gegenstand).

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Mitbeteiligte in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am dargetan habe, dass er sich bei verschiedenen Stellen erkundigt habe und im Gegenstand aus subjektiver Sicht völlig rechtmäßig verhalten habe. Der Mitbeteiligte habe vor der belangten Behörde glaubhaft versichert und auch dem vorliegenden Aktengeschehen sei nachzuvollziehen, dass bloß ein geringes Verschulden vorliege, indem sich der Mitbeteiligte durchaus um ein rechtskonformes Agieren bemüht habe. So sei auch hinsichtlich des Tatzeitraumes festzuhalten, dass der Mitbeteiligte durchaus ganz offensichtlich an die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens geglaubt habe. Entgegen der Rechtsmeinung der Behörde erster Instanz stelle die Fortsetzung des Tatverhaltens trotz laufenden Verwaltungsstrafverfahrens solchermaßen keinen Straferschwerungsgrund dar. Als deutlich strafmildernd sei die erfolgte Einschränkung der Strafhöhe seitens des Mitbeteiligten zu verwerten. Selbst wenn man in der längeren Beschäftigungsdauer einen Straferschwerungsgrund erblicke, sei die belangte Behörde im Ergebnis der Ansicht, dass ein Überwiegen der Strafmilderungskomponenten zu verzeichnen sei, sodass spruchgemäß noch mit der verfügten Strafherabsetzung vorgegangen werden könne. Die Gesamtbestrafung von EUR 9.000,-- und einer Ersatzfreiheitsstrafe von neun Tagen und einem Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren der Behörde erster Instanz von EUR 900,-- sei noch als durchaus schuld- und tatangemessen und wohl ausreichend, Wiederholungen gleicher Art in Hinkunft zu vermeiden.

Die Bundesministerin für Finanzen hat gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, über welche nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die beschwerdeführende Partei hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil im angefochtenen Bescheid Feststellungen dahingehend, bei welchen Behörden der Mitbeteiligte Auskünfte bzw. Erkundigungen betreffend der Beschäftigung polnischer Staatsangehöriger eingeholt hätte und ob die Beschäftigung dieser polnischen Staatsangehörigen für das von ihm vertretene Unternehmen allenfalls als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG zu qualifizieren wäre, im angefochtenen Bescheid nicht enthalten seien. Ebenso wenig weise der angefochtene Bescheid Feststellungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der mitbeteiligten Partei auf.

Vielmehr sei das Verschulden des Mitbeteiligten als erheblich einzustufen, zumal dieser die zumindest arbeitnehmerähnliche Verwendung der Ausländer bei Anwendung der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt hätte auffallen müssen und der Mitbeteiligte auch verpflichtet gewesen wäre, sich mit den gesetzlichen Vorschriften betreffend die Ausländerbeschäftigung auseinander zu setzen. Das Verschulden des Mitbeteiligten sei nicht als gering zu erachten, dies sei auch daraus abzuleiten, dass er nach einer ersten Beanstandung (Kontrolle der auf der Baustelle beschäftigten Personen) am die weitere Verwendung der Ausländer nicht unterlassen habe, sondern diese ausländischen Staatsbürger (zumindest sechs Personen) bis zum Mai 2009 weiter beschäftigt habe, was anlässlich von weiteren Kontrollen am und am durch Erhebungsorgane des Finanzamtes erwiesen sei. Der Mitbeteiligte habe es trotz dieser ersten Beanstandung am unterlassen, eine Rechtsauskunft bei der für den Vollzug des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zuständigen Behörde einzuholen. Die belangte Behörde habe auch zu Unrecht die Tatsache, dass der Mitbeteiligte bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde seine Berufung auf die Höhe der Bemessung der Strafe eingeschränkt habe, als einen Strafmilderungsgrund gewertet. Zwar könnte die Einschränkung einer Berufung mitunter einem Geständnis gleichgehalten werden und damit als Milderungsgrund des § 34 StGB zum Tragen kommen; im vorliegenden Fall habe der Mitbeteiligte jedoch keinesfalls ein Geständnis getan, sondern vielmehr auch im Berufungsverfahren noch jedes schuldhafte Verhalten bestritten.

Die hier anzuwendende Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2005 lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

1. wer,

a) entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) oder Zulassung als Schlüsselkraft (§ 12) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) oder eine 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' (§ 8 Abs. 2 Z 3 NAG) oder ein Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt-EG' (§ 45 NAG) oder ein Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG 1997) ausgestellt wurde, oder

...

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis zu 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis zu 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis zu 50 000 Euro."

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs. 1). Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (Abs. 2 leg. cit.).

Nach dem von der belangten Behörde herangezogenen § 20 VStG kann dann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist, die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterstrichen werden.

Voraussetzung für das Gebrauchmachen von der außerordentlichen Strafmilderung ist demnach - soweit im Beschwerdefall von Belang -, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Dass diese Voraussetzung zutrifft, hat die Behörde in nachvollziehbarer Weise darzutun. Dazu ist es erforderlich, die im konkreten Fall nach Meinung der Behörde jeweils zum Tragen kommenden Milderungsgründe und Erschwerungsgründe einander gegenüberzustellen und darzulegen, dass und weshalb das Gewicht der Milderungsgründe jenes der Erschwerungsgründe "beträchtlich überwiegt".

Der Amtsbeschwerde kommt Berechtigung zu:

Der hier anzuwendende zweite Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG sieht im Falle der unberechtigten Beschäftigung von mehr als drei Ausländern einen Strafrahmen von EUR 2.000,-- bis EUR 20.000,-- vor.

Bei der Beurteilung der Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Mitbeteiligten wäre zu berücksichtigen gewesen, dass das Ausmaß des Verschuldens des Mitbeteiligten angesichts der durch Erkundigungen dokumentierten Kenntnis der einschlägigen Vorschriften als nicht bloß geringfügig qualifiziert werden kann.

Abgesehen davon, dass aus der angefochtenen Entscheidung auch nicht zu erkennen ist, inwieweit die in der Berufung enthaltenen Angaben des Mitbeteiligten über die Höhe seines Einkommens bei der Strafbemessung herangezogen wurden, hätte die erstinstanzliche Verwaltungsbehörde anlässlich der Vorlage der Berufung dazu Stellung nehmen können, sodass der (offenkundig darauf bezogene) Einwand der Verletzung des Parteiengehörs ins Leere geht.

Die beschwerdeführende Bundesministerin weist darauf hin, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keinen Hinweis auf konkrete Bemühungen des Mitbeteiligten dahingehend dargelegt habe, er habe sich tatsächlich bei verschiedenen Stellen erkundigt und im Gegenstand aus subjektiver Sicht völlig rechtmäßig verhalten.

Nach der Aktenlage ist der Stellungnahme des Mitbeteiligten zur Aufforderung zur Rechtfertigung gegenüber der Behörde erster Instanz vom zwar ein Hinweis des Mitbeteiligten darauf zu entnehmen, dass er mit den einzelnen Arbeitskräften Werkverträge auf Grund eines Vordruckes der Österreichischen Wirtschaftskammer abgeschlossen hätte, dies führt der Mitbeteiligte auch in seiner Berufung aus.

Dem Akt der Behörde erster Instanz ist weiters ein Aktenvermerk des Bearbeiters Mag. H. (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) zu entnehmen, wonach der Mitbeteiligte und sein Rechtsanwalt am bei der Behörde erster Instanz vorgesprochen haben und um die Mitteilung ersucht haben, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit die Arbeiten dem Gesetz entsprechend durchgeführt werden können. Der Sachbearbeiter teilte dem Aktenvermerk zufolge dem Mitbeteiligten und seinem Rechtsanwalt mit, dass dazu entweder ausländerbeschäftigungsrechtliche Bewilligungen bei der Beschäftigung der einzelnen Ausländer oder eine Entsendebewilligung bei Beschäftigung eines polnischen Unternehmens mit polnischen Arbeitern erforderlich sei. Der Mitbeteiligte und sein Rechtsanwalt hätten dazu mitgeteilt, dass eine derartige Bewilligung vom Arbeitsmarktservice im Baugewerbe nicht erteilt werde und sie hätten weiters auf die Gestaltungsfreiheit in Werkverträgen verwiesen.

Bei dieser Sachlage ist nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass sich der Mitbeteiligte bei verschiedenen Stellen erkundigt und im Gegenstand aus subjektiver Sicht völlig rechtmäßig verhalten habe.

Die Bezugnahme des Mitbeteiligten auf ihm zur Verfügung gestellte Werkvertragsformulare, in denen kein konkreter Konnex zur Zulässigkeit nach dem AuslBG enthalten ist, sowie der Hinweis auf seine Vorsprache bei der Behörde erster Instanz, bei welcher er die Auskunft erhielt, dass er bei Verwendung der polnischen Arbeitskräfte um Beschäftigungsbewilligungen einzukommen habe, sind nicht geeignet, das Verschulden des Mitbeteiligten herabzumindern. Hingegen kann es als bekannt vorausgesetzt werden, dass die Beschäftigung von Ausländern grundsätzlich einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung bedarf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0087), und hat der Mitbeteiligte nicht dargetan, dass sein Verschulden hinsichtlich der - von ihm letztlich doch zugestandenen - Verwaltungsübertretungen durch Bemühungen zu einem rechtmäßigen Verhalten herabgemindert wäre.

Die Vorsprache erfolgte auch etwa eineinhalb Monate nach dem Ende der dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Übertretungen. Dass der Mitbeteiligte sein rechtswidriges Verhalten jedoch nach den Taten beendet habe, kann ihm hinsichtlich der hier vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht als mildernd angerechnet werden.

Bei Gesamtbetrachtung dieser so wie der übrigen von der belangten Behörde aufgezeigten Umstände kann von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe jedenfalls nicht ausgegangen werden, sodass die Anwendung von § 20 VStG durch die belangte Behörde zu Unrecht erfolgte, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am