VwGH vom 08.03.2021, Ra 2020/14/0291

VwGH vom 08.03.2021, Ra 2020/14/0291

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Schindler sowie den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des X Y in Z, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W174 2126090-2/17E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

Spruch

I. zu Recht erkannt

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A), soweit damit die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die festgelegte Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag (im zweiten Rechtsgang) mit Bescheid vom sowohl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde gestützt auf § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

3Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt A.) und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).

4Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verwies es den Revisionswerber auf die Möglichkeit der Rückkehr in seine Herkunftsregion Daikundi. Alternativ stünde ihm auch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat offen. Der Revisionswerber, der etwa bis zu seinem zehnten Lebensjahr in Afghanistan mit seiner Familie gelebt und auch dort zur Schule gegangen sei, sei gesund, verfüge über eine Schulbildung sowie jahrelange Berufserfahrung und spreche Farsi und Dari. Er sei mit den kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans vertraut und könne sich seine Existenzgrundlage - auch ohne Ortskenntnisse und soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte vor Ort - sichern. In Bezug auf die Covid-19-Pandemie führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber nicht unter eine Risikogruppe falle. Er verfüge über kein Familienleben im Inland. Der Eingriff in sein Privatleben sei nicht unverhältnismäßig. Die öffentlichen Interessen überwögen - auch unter Berücksichtigung des seit bestehenden aufrechten Lehrverhältnisses als Tapezierer und Dekorateur - gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers. Betreffend die Frist für die freiwillige Ausreise wies das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass der Revisionswerber einen vom bis geltenden Lehrvertrag vorgelegt habe, „weshalb die Ausreisefrist entsprechend § 55a FPG zu bemessen“ sei.

5Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis stütze sich auf veraltete Länderberichte. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und den im Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen auseinandergesetzt und insbesondere eine im März 2020 veröffentlichte Studie von F.S. unberücksichtigt gelassen. Daraus hätte sich ergeben, dass für Afghanistan 700.000 Covid-19-Erkrankungen erwartet würden, die einer stationären Behandlung bedürften, wofür das afghanische Gesundheitssystem nicht ausgelegt sei. Es sei nach der zitierten Studie zu gestiegenen Lebensmittelpreisen und zur Überfüllung der Teehäuser gekommen. Aufgrund der Verkehrseinschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie sei es dem Revisionswerber nicht möglich, seine Heimatregion Daikundi zu erreichen. Er würde dort zudem in eine existenzbedrohende Lage geraten. Das Bundesverwaltungsgericht sei bei der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Herat und Mazar-e Sharif von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es sich lediglich mit einer möglichen Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK infolge einer hypothetischen Covid-19 Infektion des Revisionswerbers und nicht mit der Frage der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Folgen der genannten Pandemie in den hierfür durch das Gericht in Betracht gezogenen afghanischen Städten auseinandergesetzt habe. Es habe zudem entgegen den EASO-Guidelines nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Revisionswerber Afghanistan im Alter von etwa zehn Jahren verlassen habe. Im Zusammenhang mit der Frist für die freiwillige Ausreise bemängelt die Revision, das Bundesverwaltungsgericht habe lediglich in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses darauf verwiesen, dass der Revisionswerber aufgrund des nach der Erlassung des Bescheides des BFA eingegangenen Lehrverhältnisses die Voraussetzungen des § 55a FPG erfülle. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht gesondert über die „Fristenhemmung“ abzusprechen habe.

6Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Revision samt der Verfahrensakten das Vorverfahren eingeleitet. Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

7Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

Die Revision erweist sich als teilweise zulässig und berechtigt.

Zur teilweisen Zurückweisung der Revision

8Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

10Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11Werden Verfahrensmängel - wie hier Feststellungs- und Ermittlungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, ist auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel darzutun, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. , mwN).

12Es ist darauf zu verweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht in erster Linie eine Rückkehrmöglichkeit des Revisionswerbers in seine Heimatregion Daikundi bejahte und ihn lediglich alternativ auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Herat und Mazar-e Sharif verwies. Der pauschale Hinweis auf die Covid-19-Pandemie und die daraus resultierenden Verkehrseinschränkungen reichen für eine hinreichende Relevanzdarlegung nicht. Insbesondere führt die Revision nicht aus, welche konkreten weiteren für den Revisionswerber günstigeren Feststellungen vom Bundesverwaltungsgericht zu treffen gewesen wären. Es geht aus dem Vorbringen nicht hervor, ob und in welchem Ausmaß die vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung angeführten Verkehrswege nach Daikundi betroffen sein sollen. Darüber hinaus werden in der Revision exzeptionelle und konkret auf den Revisionswerber Bezug nehmende Umstände, welche die Annahme einer realen Gefahr einer drohenden Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat rechtfertigen würden, nicht dargetan (vgl. ; , Ra 2020/20/0188; jeweils mwN).

13Im Übrigen vermag die Revision aber auch im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Herat und Mazar-e Sharif durch das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit der Revision nicht darzulegen. Die Frage der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes letztlich eine Entscheidung im Einzelfall dar, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit zu treffen ist (vgl. , mwN).

14Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Beurteilung zu Grunde, dass es sich beim Revisionswerber um einen jungen, gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter handle, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge sowie mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut sei, und berücksichtigte aktuelle Länderberichte. Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen zu der durch die Covid-19-Pandemie bewirkten schwierigeren wirtschaftlichen Lage weder auf, dass in Mazar-e Sharif und Herat solche exzeptionellen Umstände vorlägen, die eine Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers darstellten, noch dass dem Revisionswerber - ungeachtet der schwierigeren wirtschaftlichen Lage - eine Ansiedlung unter Berücksichtigung der aktuellen Lage dort nicht zumutbar wäre (vgl. wiederum ; , Ra 2020/20/0188; , Ra 2020/20/0212; jeweils mwN).

15Derartiges wird auch mit den pauschalen Ausführungen, der Revisionswerber könne in den genannten Städten bereits deshalb nicht Fuß fassen, weil er dort über keine familiären Bindungen verfüge und im Kindesalter Afghanistan verlassen habe, nicht dargelegt. Es entspricht nämlich der - auf vergleichbarer Sachverhaltsgrundlage ergangenen - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren worden sei, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe, sondern im Iran aufgewachsen sei (vgl. , mwN).

16Hinsichtlich der Abweisung der Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten, der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigenden Gründen sowie der Erlassung einer Rückkehrentscheidung wurde kein gesondertes Zulässigkeitsvorbringen im Sinn des § 28 Abs. 3 VwGG erstattet.

17Die Revision war daher, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. des Bescheides des BFA richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat mit Beschluss zurückzuweisen (vgl. zur Trennbarkeit der Aussprüche etwa , mwN).

Zur Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit

18Aus den in der Revision angeführten Gründen ist sie allerdings, soweit sie sich gegen die festgelegte Frist für die freiwillige Ausreise wendet, zulässig und auch berechtigt.

19Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG samt Überschriften lauten auszugsweise:

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) ...

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

...

(5) ...

Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise zum Zweck des Abschlusses einer begonnenen Berufsausbildung

§ 55a. (1) Ist ein Asylwerber, gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen wird oder nicht rechtskräftig erlassen worden ist, als Lehrling (§ 1 des Berufsausbildungsgesetzes - BAG, BGBl. Nr. 142/1969) beschäftigt und teilt er oder der Lehrberechtigte (§ 2 Abs. 1 BAG) dies rechtzeitig (Abs. 3) dem Bundesamt mit, so beginnt die Frist für die freiwillige Ausreise abweichend von § 55 Abs. 2

1.ab dem Zeitpunkt der Endigung, der vorzeitigen oder der außerordentlichen Auflösung des Lehrverhältnisses oder

2.im Falle der Beantragung der Zulassung zur Lehrabschlussprüfung mit Ablauf des von der zuständigen Lehrlingsstelle gemäß § 23 BAG festgesetzten Prüfungstermins, wenn dieser nach dem in Z 1 genannten Zeitpunkt liegt und dem Bundesamt mitgeteilt wurde,

spätestens jedoch nach Ablauf von vier Jahren nach Beginn des Lehrverhältnisses zu laufen, sofern das Lehrverhältnis vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2019 begonnen und seitdem ununterbrochen bestanden hat.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Asylwerber, die straffällig geworden sind (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005) oder im Rahmen des Asylverfahrens über ihre Identität zu täuschen versucht haben.

(3) Die Mitteilung gemäß Abs. 1 ist rechtzeitig, wenn sie dem Bundesamt spätestens vor der Zustellung der Rückkehrentscheidung zugeht. Ist diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2019 bereits zugestellt und erhebt der Asylwerber dagegen Beschwerde, so ist die Mitteilung rechtzeitig, wenn sie dem Bundesamt spätestens vor der Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zugeht. Diesfalls ist das Bundesamt verpflichtet, die Mitteilung unverzüglich dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis zu bringen.

(4) Die Mitteilung gemäß Abs. 1 bedarf der Schriftform. Ihr ist bei sonstiger Unwirksamkeit eine Abschrift des Lehrvertrags, in den Fällen des Abs. 1 Z 2 darüber hinaus eine Abschrift der Entscheidung der Lehrlingsstelle über die Festsetzung des Prüfungstermins beizulegen. Eine rechtzeitig erstattete und wirksame Mitteilung hat bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Abs. 1 für den Fall der rechtskräftigen Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Folge, dass das Lehrverhältnis nicht als gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG beendet gilt.

(5) Endet das Lehrverhältnis vor dem Ablauf der vereinbarten Lehrzeit (§ 14 Abs. 2 lit. a bis e BAG) oder wird es vorzeitig oder außerordentlich aufgelöst (§§ 15 oder 15a Abs. 1 BAG), so ist der Lehrberechtigte verpflichtet, dies unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche, dem Bundesamt schriftlich mitzuteilen. In der Mitteilung ist neben den nach dem ersten Satz maßgeblichen Tatsachen und dem Zeitpunkt ihres Eintritts die Identität des Drittstaatsangehörigen anzugeben.

(6) Eine gemäß Abs. 1 eingetretene Hemmung des Fristenlaufs erlischt, wenn

1.das Lehrverhältnis vor dem Ablauf der vereinbarten Lehrzeit endet oder vorzeitig oder außerordentlich aufgelöst wird,

2.der Drittstaatsangehörige straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005) oder

3.die für das Lehrverhältnis erteilte Beschäftigungsbewilligung erlischt (§ 7 Abs. 6 AuslBG) oder widerrufen wird (§ 9 AuslBG) oder die Entscheidung, mit der sie erteilt wurde, im Rechtsweg nachträglich behoben wird.

Die Anwendung der Z 1 setzt nicht voraus, dass der Lehrberechtigte die Mitteilung gemäß Abs. 5 erstattet hat.

(7) ...

(8) ...

In-Kraft-Treten

§ 126. (1) ...

...

(23) Die § 52 Abs. 8 zweiter Satz, 55a, ... und 127 sowie der Eintrag im Inhaltsverzeichnis zu § 55a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2019 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und nach Ablauf von vier Jahren nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Eine bis dahin gemäß § 55a Abs. 1 eingetretene und nicht gemäß § 55a Abs. 6 erloschene Hemmung des Laufs der Frist für die freiwillige Ausreise dauert über diesen Zeitpunkt hinaus bis zu dem nach § 55a Abs. 1 oder Abs. 6 maßgeblichen Zeitpunkt fort ...

(24) ...“

20Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass - wovon auch das BFA in seinem Bescheid und das Bundesverwaltungsgericht (infolge Bestätigung des diesbezüglichen behördlichen Ausspruches) erkennbar ausgegangen sind - gemäß § 55 Abs. 1 FPG zugleich mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen ist. Nach § 55 Abs. 2 FPG ist im Regelfall das Ausmaß dieser Frist mit 14 Tagen und der Beginn der Ausreisefrist mit der Rechtskraft „des Bescheides“ festzusetzen. Letzteres kann freilich in jenem Fall, in dem gegen den behördlichen Bescheid Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben wurde, nur die Bedeutung beigemessen werden, dass sich der Beginn der Ausreisefrist auf die (in der Sache getroffene) Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu beziehen hat (in diesem Sinn hat auch das BFA in der Formulierung seines auf § 55 Abs. 1 und Abs. 2 FPG gestützten Spruchpunktes VI. des Bescheides vom den Beginn der Frist für die freiwillige Ausreise „ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung“ festgelegt).

21§ 55a FPG wurde mit der am kundgemachten Änderung des FPG, BGBl. Nr. 110/2019, eingefügt und ist gemäß § 126 Abs. 23 FPG mit Ablauf des Tages der Kundmachung, somit am , in Kraft getreten. Diese Bestimmung findet daher Anwendung auf Asylwerber (vgl. dazu jüngst ), die sich bereits vor dem in einem seit Beginn ununterbrochenen Lehrverhältnis als Lehrling im Sinn des § 1 Berufsausbildungsgesetz befinden und die in § 55a FPG normierten sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Bei Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen wird der Beginn der Frist für die freiwillige Ausreise an - im Vergleich zu dem ansonsten gemäß § 55 Abs. 2 FPG normierten Fristbeginn, nämlich der „Rechtskraft des Bescheides“, abweichende - in § 55a FPG konkret angeführte Zeitpunkte angeknüpft. Insofern ist die Überschrift des § 55a FPG (ebenso wie die Textierung des § 126 Abs. 23 FPG), wo von einer „Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise“ die Rede ist, irreführend, weil diese Bestimmung - wie bereits ausgeführt - den Beginn einer erst (gemäß § 55 Abs. 1 FPG) festzulegenden Frist regelt.

22Im vorliegenden Fall ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Frist für die freiwillige Ausreise aufgrund des vom Revisionswerber am eingegangenen Lehrverhältnisses und der Erfüllung der in § 55a FPG ansonsten normierten Voraussetzungen nicht allein nach § 55 FPG, sondern auch nach § 55a FPG richtet. Es hat darauf auch ausdrücklich in den Entscheidungsgründen hingewiesen, jedoch in weiterer Folge - in Bestätigung des Spruchpunkts VI. des Bescheides des BFA vom , womit die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt wurde - die Beschwerde zur Gänze abgewiesen.

23Der nach § 55a FPG - im Vergleich zu dem in § 55 Abs. 2 FPG abweichende - Beginn des Laufs der Frist für die freiwillige Ausreise hätte im Fall des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen bei der mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmenden Festlegung der Ausreisefrist vom Bundesverwaltungsgericht bei seiner Spruchfassung beachtet werden müssen.

24Indem das Bundesverwaltungsgericht infolge Abweisung der Beschwerde den behördlichen Ausspruch aber unverändert übernommen und derart entschieden hat, den Beginn der Frist für die freiwillige Ausreise mit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festzulegen, obwohl es in der Begründung vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 55a FPG ausging, hat es das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit es die Abweisung der Beschwerde gegen den Spruchpunkt VI. des Bescheides des BFA betrifft, aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

25Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die § 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

26Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 und 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140291.L00

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