VwGH 24.03.2011, 2011/09/0034
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Werbemittelverteiler stellen kein selbständiges, näher umschriebenes "Werk" her. Ihre Verwendung erfolgt daher grundsätzlich in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis (Hinweis E , 98/09/0153). Eine Vertragsbestimmung betreffend "Verpflichtung zur Erstellung eines Werkes" spricht - weil im konkreten Zusammenhang ohne inhaltliche Aussagekraft - nicht für das "Nichtvorliegen einer organisatorisch-wirtschaftlichen Abhängigkeit". Dass die Regelung des Entgelts als "Honorarvereinbarung" bezeichnet wird, der Ausländer überwiegend ein eigenes Fahrrad oder Motorrad benützen und "Aufträge" ablehnen darf, macht den Ausländer - der nach den Feststellungen der belangten Behörde keinen Einfluss auf die Höhe des ihm bezahlten "Honorars" und seine konkrete Einteilung zu Verteilungen nehmen kann - nicht zu einem selbständigen Unternehmer. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2000/09/0058 E RS 5
(Hier: Dies gilt gleichermaßen für Zeitungszusteller.) |
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RS 2 | Anders als bei der zivilen Betrachtung, ob gemäß § 861 ABGB ein Vertrag gültig zu Stande gekommen ist, wo der objektive Erklärungswert im Vordergrund steht, kommt es zur Beurteilung, ob eine Beschäftigung nach dem AuslBG vorliegt, auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt an (vgl. E , 2001/09/0195). Der Bf beruft sich auf die in der Zustellvereinbarung enthaltenen Bestimmungen. Für den Umstand, ob das mit einem solchen Vertrag von den Vertragsparteien Erklärte mit dem von ihnen wirtschaftlich Gewollten übereinstimmt, ist notwendige Voraussetzung, ob beide Vertragsparteien in der Lage waren, den Vertragsinhalt und dessen Konsequenzen zu verstehen. Selbst bei einer rein zivilrechtlichen Betrachtung wäre es möglich, dass der Irrtum einer Partei auch durch das Schweigen des Gegners beachtlich werden kann. Dieses kann sogar Arglist beinhalten, wenn der Schweigende eine ihm obliegende Aufklärungspflicht verletzt, obwohl er weiß, dass der andere irrt. In gleicher Weise genügt zum "Veranlassen" iSd § 871 ABGB erster Fall jedes für die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten, sodass der Irrtum auch durch die Unterlassung einer nach der Verkehrsanschauung erforderlichen Aufklärung veranlasst werden kann (vgl. ). Die dargestellten Aussagen über den Irrtum als Vertragsanfechtungsgrund müssen umso mehr in einem Verfahren gelten, in dem es nicht einmal darauf ankommt, die Gültigkeit des Vertrages zu prüfen, sondern darauf, wie dieser Vertrag tatsächlich wirtschaftlich "gelebt" wird. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2011/09/0029 E RS 2 |
Normen | |
RS 3 | Bei einem Ausländer, der (hier als Asylwerber) erst (relativ) kurze Zeit in Österreich aufhältig ist, dessen Muttersprache nicht deutsch ist, und der Vertragspartner eines wirtschaftlich dominanten Unternehmens, das einen von ihm verfassten "Werkvertrag" zur Annahme anbietet, werden soll, ist unter Berücksichtigung seiner einfachen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse eine in verständlicher Weise (allenfalls auch in der Muttersprache des Ausländers) erfolgende Aufklärung seitens der wirtschaftlich dominanten Vertragsanbieterseite über Inhalt und Konsequenzen des von ihr verfassten Vertrages zu fordern. (Hier: Eine Aufklärung ist nicht erfolgt. In der Zustellvereinbarung finden sich Rechtsbegriffe sowie Verweise auf die "österreichische Rechtslage" und § 11 Abs. 7 und 8 Umsatzsteuer-Gesetz, die zu verstehen fundierte Kenntnis der österreichischen Rechtsordnung voraussetzt. Damit liegt kein Werkvertrag vor, weil der Ausländer die Bestimmungen im Zustellvertrag und deren Bedeutung ohne die erforderliche ausreichende Erläuterung nicht verstanden hat; er befand sich auf Grund der mangelhaften Aufklärung durch die Vertragsanbieterseite in einem von dieser Seite veranlassten Irrtum über die Bedeutung des Vertrages.) |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2011/09/0029 E RS 3 |
Normen | |
RS 4 | Weder einem Bundesminister noch einer Interessenvertretung (etwa der Wirtschaftskammer oder dem Gewerkschaftsbund) kommt die Zuständigkeit oder Befugnis zu, Ausnahmen vom Geltungsbereich des AuslBG zugunsten eines konkreten Arbeitgebers oder bestimmter Gruppen von Arbeitgebern anzuordnen, zuzusagen oder die Übertretung des AuslBG für tolerierbar zu erklären. Für die Beurteilung des Verschuldens des Beschwerdeführers ist es ohne Belang, ob in anderen Fällen oder gegenüber anderen Normadressaten Verstöße gegen Bestimmungen des AuslBG toleriert wurden oder nicht (vgl. hiezu das Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0175). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2001/09/0195 E RS 6 |
Norm | VStG §5 Abs2; |
RS 5 | Die Unkenntnis eines Gesetzes oder dessen irrige Auslegung kann nur dann als unverschuldet im Sinne des § 5 Abs 2 VStG angesehen werden, wenn dem Betreffenden die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen zumutbaren Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Insbesondere kann von einer unverschuldeten irrigen Gesetzesauslegung dann nicht gesprochen werden, wenn der Beschuldigte bereits einmal wegen derselben Übertretung bestraft worden ist (vgl die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, S 90f zitierte Judikatur). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 98/02/0449 E VwSlg 15503 A/2000 RS 2 |
Normen | |
RS 6 | Der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer war ein zur Vertretung einer GmbH nach außen berufenes Organ dieser Gesellschaft und im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch diese Gesellschaft verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Dass ein weiterer handelsrechtlicher Geschäftsführer bestellt wurde, vermag an der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG nichts zu ändern (Hinweis E , Zl. 97/09/0144, mwN). Allerdings bedeutet dies nicht, dass den Beschwerdeführer als einen in Betracht kommenden Adressaten der Strafnorm damit an der vorgeworfenen Übertretung des AuslBG zwingend ein Verschulden trifft. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2002/09/0098 E RS 1
(Hier lautet der letzte Satz: Das Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit
der Handlungen eines anderen Geschäftsführers exkulpiert nicht.) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Ing. C, vertreten durch Dr. Eckhard Tasler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Klosterstraße 3/5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-252616/15/Lg/Sta, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit nach außen vertretungsbefugtes Organ der O GmbH in L, die unbeschränkt haftender Gesellschafter der O GmbH & Co KG in L sei, zu verantworten, dass von dieser Gesellschaft der nigerianische Staatsangehörige OC vom bis als Zeitungsausträger beschäftigt worden sei, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.500,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden) verhängt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der vorliegende Beschwerdefall ist in der Frage des Vorliegens einer Beschäftigung nach dem AuslBG jenem gleichgelagert, welcher dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/09/0029, zugrunde liegt. Es genügt daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die dortigen Entscheidungsgründe zu verweisen (der Beschwerdefall betrifft lediglich einen weiteren handelsrechtlichen Geschäftsführer der O GmbH, die Beschwerde wurde vom selben Beschwerdevertreter verfasst und der angefochtene Bescheid wurde von derselben belangten Behörde erlassen).
Insoweit sich der Beschwerdeführer auf eine interne Aufgabenteilung und seine faktische Unkenntnis der entscheidungsrelevanten Vorgänge beruft, ist er auf § 5 Abs. 1 VStG zu verweisen, wonach dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt und Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung - wie dies hinsichtlich der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG der Fall ist - der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Der Beschwerdeführer hätte daher initiativ alles vorzubringen, was zu seiner Entlastung dienlich sein könnte. Der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer war ein zur Vertretung einer GmbH nach außen berufenes Organ dieser Gesellschaft und im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch diese Gesellschaft verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Dass ein(e) weitere(r) handelsrechtliche(r) Geschäftsführer(in) bestellt worden war, kann an der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG allein nichts ändern (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0369), zumal die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 28a Abs. 3 AuslBG nicht geltend gemacht wurde. Dass der Beschwerdeführer Kontrollmaßnahmen gesetzt hätte, wird ebenfalls nicht behauptet; das Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Handlungen eines anderen Geschäftsführers exkulpiert nicht.
Da der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | ABGB §1151; ABGB §861; ABGB §871; AuslBG §1; AuslBG §2 Abs2; AuslBG §2 Abs4; AuslBG §28 Abs1 Z1 lita; AuslBG §3 Abs1; AuslBG §3; GmbHG §15; GmbHG §18 Abs1; VStG §5 Abs1; VStG §5 Abs2; VStG §5; VStG §9 Abs1; VwRallg; |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1 Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2011090034.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAE-87023