VwGH vom 15.09.2011, 2011/09/0019
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des X, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 68/16-DOK/10, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße (weitere Parteien: Bundesministerin für Inneres, Bundeskanzler), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Kriminalbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, seine Dienststelle ist das Landeskriminalamt Wien-Nord.
Mit dem Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am um 06.10 Uhr in W in zivil und außer Dienst ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (der Alkomattest um 06.34 Uhr habe einen Wert von 0,77 mg/l ergeben), wobei es in weiterer Folge zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen sei.
Durch den Entzug der Lenkberechtigung sei die Dienstfähigkeit für den Zeitraum von sechs Monaten herabgesetzt und der Beschwerdeführer daher in der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit beeinträchtigt gewesen, da ihm auch untersagt gewesen sei, ein Dienst-Kfz zu lenken.
Er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 iVm § 91 BDG 1979 begangen. Es wurde gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von EUR 200,-- verhängt.
Die Behörde erster Instanz begründete im Wesentlichen, dass der Beschwerdeführer angeführt habe, er müsse zur Zeit des Entzuges der Lenkberechtigung einen Kollegen ersuchen, ihn zu den diversen Tatorten bzw. Amtshandlungen zu chauffieren, er fungiere nur als Beifahrer. Dadurch sei die dienstliche Tätigkeit insofern beeinträchtigt, als er nicht in allen Bereichen und nicht allein eingesetzt werden könne, da er - was die Mobilität anbelangt - auf die Hilfe von Kollegen angewiesen sei. Als Angehöriger einer Kriminalabteilung sei der Beschwerdeführer im Rahmen seines Sachbereiches für die Wiener Bezirke 21 und 22 zuständig, wobei aufgrund der geforderten Mobilität des Beamten im Rahmen seiner Dienstausübung den notwendigen Lenken von Dienstkraftfahrzeugen ein besonders hoher Stellenwert einzuräumen sei. Diese Mobilität sei im Entziehungszeitraum sehr wohl eingeschränkt gewesen, obwohl der Beschwerdeführer darauf hingewiesen habe, dass auch ein öffentliches Verkehrsnetz bestehe. Grundsätzlich wäre er auf andere Kollegen angewiesen, welche im Besitz einer Lenkberechtigung seien.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Sie wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen und das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis bestätigt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde den Gang des Verfahrens und der mündlichen Verhandlung, die Begründung des Disziplinarerkenntnisses der Behörde erster Instanz und den Inhalt der Berufung wieder. Sie erachtete den oben wiedergegebenen Teil der Begründung des Disziplinarerkenntnisses der Behörde erster Instanz als zutreffend und führte sodann ihre Erwägungen zur Strafbemessung aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshofes zu § 43 Abs. 2 BDG bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte "in seinem gesamten Verhalten" den Schluss zu, dass hiedurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen. Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen (allgemeiner Funktionsbezug) - nicht in sachlicher (rechtmäßiger, korrekter, unparteiischer und uneigennütziger) Weise erfüllen. Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Ob das außerdienstliche Verhalten des Beamten an die Öffentlichkeit gedrungen ist oder nicht, spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle. Bei der Prüfung, ob ein außerdienstliches Verhalten diesen Dienstbezug aufweist, ist ein strengerer Maßstab anzulegen, als bei dienstlichem Fehlverhalten. Dies folgt aus der mit dem Wortlaut zu vereinbarenden Absicht des Gesetzgebers, die disziplinarrechtliche Verantwortung des Beamten für den außerdienstlichen Bereich (Freizeitverhalten) einzuschränken. Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass sich der Begriff "Dienstpflichten" ausschließlich auf das Verhalten des Beamten in Ausübung seines Dienstes beschränke und die Disziplinarbehörde nicht in besonders krassen Fällen auch das außerdienstliche Verhalten zu überprüfen hätte (siehe Zl. 99/09/0110).
Bei Rechtsverletzungen, die außer Dienst oder ohne Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit erfolgen, ist grundsätzlich darauf abzustellen, ob der Schutz des betreffenden Rechtsgutes zu den Berufspflichten des Beamten gehört. Damit wird der Forderung Rechnung getragen, § 43 Abs. 2 BDG wolle in das außerdienstliche Verhalten des Beamten nur "in besonders krassen Fällen" eingreifen. Der damit gewählte Bezugspunkt führt dazu, dass etwa an das Verhalten von Kriminalbeamten insoweit besonders qualifizierte Anforderungen gestellt werden, als diese im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben in der Regel zum Schutz von Verletzungen des gesamten StGB (also auch der §§ 81 und 88 StGB, deren Tatbestände in beträchtlichem Maß durch Vorfälle beim (alkoholbeeinträchtigten) Lenken von Kraftfahrzeugen erfüllt werden) berufen sind und von ihnen zu erwarten ist, dass sie die darin geschützten Rechtsgüter nicht verletzen. Aber auch Ermittlungstätigkeiten im Dienste der StVO zählen zu den Aufgaben eines Kriminalbeamten. Ein Kriminalbeamter, der dennoch schuldhaft in alkoholbeeinträchtigtem Zustand ein Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr lenkt und in diesem Zustand einen Verkehrsunfall verursacht, vereitelt schon im Hinblick auf diesen Teilaspekt des Schuldspruches die vom Gesetzgeber zur Herabminderung der Verkehrsunfälle verfolgten Ziele.
Hinzu kommt, dass ein Verhalten außer Dienst aufgrund der besonderen Aufgaben des Beamten die Bedingungen für die Annahme einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG erfüllen kann, wenn diese Umstände in ihrer Art, Ausgestaltung und Gewichtung einem besonderen Funktionsbezug vergleichbar sind. Eine solche Konstellation, die einem besonderen Funktionsbezug gleichkommt, wird vor allem dann gegeben sein, wenn aufgrund von Auswirkungen des außerdienstlichen Verhaltens der Beamte in der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit beeinträchtigt ist.
Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund seines außerdienstlichen Verhaltens die Lenkberechtigung für die Gruppe B für die Dauer von sechs Monaten entzogen und ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen ausgesprochen. Ihm war es daher für diesen Zeitraum untersagt, ein Kraftfahrzeug zu lenken. Diese Maßnahme hatte sich aber nicht nur auf den außerdienstlichen Bereich, sondern auch auf den dienstlichen, d.h. auf das Lenken von Dienstkraftfahrzeugen, ausgewirkt. Als Angehöriger einer Kriminalabteilung ist der Beschwerdeführer im Rahmen seines Sachbereiches für den gesamten Bereich dieser Kriminalabteilung zuständig, im konkreten Fall für die Wiener Bezirke 21 und 22, die bekanntermaßen zu den flächenmäßig größten Bezirken in Wien zählen und Bereiche in wesentlichem Ausmaß beinhalten, die nur durch individuelle, motorisierte Verkehrsmittel schnell erreichbar sind (z.B. Lobau, Agrarflächen um Breitenlee, Weinbaugebiete und Hügelland um Stammersdorf), sodass aufgrund der geforderten Mobilität des Beamten im Rahmen seiner Dienstausübung dem notwendigen Lenken von Dienstkraftfahrzeugen gerade in diesem Gebiet ein besonders hoher Stellenwert einzuräumen ist. Diese Mobilität war aber im Entziehungszeitraum eingeschränkt. Dies hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch durch seine Aussage bestätigt, "zurzeit muss ich einen Kollegen ersuchen, wenn ich bei einer Amtshandlung ermitteln muss, mich zu fahren". Daraus folgt aber, dass durch diesen Umstand - Nichtlenkendürfen eines Dienstkraftfahrzeuges - der Beamte bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit (in diesem Sinne ist "Dienstfähigkeit" zu verstehen) beeinträchtigt war, wie bereits die Behörde erster Instanz richtig ausführte. Da - wie bereits erwähnt - von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen ist, spielt es - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - keine rechtserhebliche Rolle, in welchen und wie vielen konkreten Einzelfällen der Beschwerdeführer im Zeitraum des Entzuges seiner Lenkberechtigung auf die Hilfe eines Kollegen als "Chauffeur" angewiesen war. Es bestand daher eine dem besonderen Funktionsbezug vergleichbare Konstellation, ein disziplinärer Überhang im Sinne der Begehung einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 ist daher zu bejahen.
Gegen die Strafbemessung bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, es seien keine effektiven negativen Auswirkungen eingetreten. Dieses Vorbringen widerspricht seiner eigenen Aussage, er habe sich in der Zeit des Entzuges der Lenkberechtigung Kollegen als Chauffeur bedienen müssen, was jedenfalls eine Beeinträchtigung des Dienstbetriebes darstellt.
Mit den Ausführungen, es spreche alles dafür, dass es sich um ein einmaliges Vorkommnis gehandelt habe, das sich auch in der Zukunft nicht wiederholen werde, wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme der Notwendigkeit einer Strafe aus spezialpräventiven Gründen.
Damit verkennt er, dass mit der Nov. BGBl. I Nr. 147/2008 in § 93 BDG 1979 die Generalprävention ausdrücklich als gleichrangiges Strafbemessungsziel erwähnt wird: die Strafe kann - ungeachtet spezialpräventiver Erwägungen - auch erforderlich sein, um "der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken" (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 2010, S 106). Die belangte Behörde hat neben der Berücksichtigung der Schwere der Tat, der Auswirkungen auf den Dienstbetrieb und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Dienstverrichtung eines Kriminalbeamten (wie eine "unmittelbare Nacheile" zur Verhinderung von Straftaten und die Verfolgung von flüchtigen Tatverdächtigen; diesbezüglich ist von den im Rahmen des Dienstbetriebes abstrakt möglichen Situationen auszugehen und nicht, wie der Beschwerdeführer vermeint, vom konkreten Eintritt derartiger Situationen), von Milderungs- und Erschwerungsgründen u.a. auch generalpräventive Überlegungen für die Notwendigkeit der Verhängung einer Geldbuße angeführt.
Dass die belangte Behörde ihr bei der Bemessung der Disziplinarstrafen eingeräumtes Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt habe, ist angesichts der minderschweren Strafart und der darin im untersten Bereich der gesetzlichen Strafdrohung (Geldbuße bis zu einem halben Monatsbezug; eine Monatsabrechnung für Juli 2010 liegt im Akt der Behörde erster Instanz ein) bemessenen Geldbuße im Hinblick auf die Auswirkungen der Tat auf den Dienstbetrieb und die generalpräventiven Überlegungen der belangten Behörde nicht zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am