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VwGH vom 29.06.2010, 2006/18/0224

VwGH vom 29.06.2010, 2006/18/0224

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des V R in X, vertreten durch Mag. Andreas Fritz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 1/9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 473/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen moldawischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am von Ungarn kommend illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am in der Schubhaft einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei am rechtskräftig (negativ) beendet worden, und es sei unter einem die Abschiebung (des Beschwerdeführers) in seinen Heimatstaat verfügt worden.

Der Beschwerdeführer habe sich seit seiner Einreise zum Teil unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sei deshalb bereits dreimal, nämlich jeweils gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 107 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, rechtskräftig seit und seit , sowie gemäß § 40 Abs. 1 iVm § 107 Abs. 1 Z. 1 FrG, rechtskräftig seit , bestraft worden.

Am sei der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Josefstadt gemäß § 229 Abs. 1 StGB wegen Urkundenunterdrückung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Wochen rechtskräftig verurteilt worden.

Am habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin R. geheiratet. Am habe er den Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft" gestellt, über den jedoch infolge der Einleitung von Erhebungen wegen des Verdachtes einer Scheinehe nicht mehr entschieden worden sei.

Nach Hinweis auf die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter aus, dass die - im angefochtenen Bescheid näher dargestellte - Aussage der Ehegattin des Beschwerdeführers als Zeugin am alle Merkmale einer "klassischen" Scheinehe beschreibe. Die Tatsache, dass R. bei der ersten Befragung noch geleugnet habe, sei nahezu "Standard" bei Scheinehen. Es komme den Scheinehepartnern offensichtlich erst später zu Bewusstsein, in welche aussichtslose Lage sie sich hineinmanövriert hätten, worauf sie eine rasche Bereinigung der Situation in Form eines umfassenden Geständnisses herbeiführen wollten. Im Übrigen deckten sich die Angaben der Zeugin R. mit den Ergebnissen der Erhebungen der Fremdenpolizeibehörde. Während der Beschwerdeführer naturgemäß ein überaus großes Interesse am Fortbestand der Annahme einer "normalen" Ehe habe, wäre nicht nachvollziehbar, warum R. letztlich eine falsche Aussage machen sollte. Auch habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung keine diesbezüglichen Zweifel angemeldet.

(In diesem Zusammenhang traf die erstinstanzliche Behörde in ihrem Bescheid vom , auf dessen Gründe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid verwiesen hat, u.a. folgende Feststellungen:

"(Die Ehegattin des Beschwerdeführers, R.) hat am angegeben, dass sie am Tag der Hochzeit am Abend zu ihrer Oma in das Spital musste und haben Sie (der Beschwerdeführer) Ihrer Gattin gesagt, dass Sie noch mit Freunden in der Stadt feiern werden. Ihre Gattin konnte auch nicht angeben, welchen Beruf Sie ausüben und wusste sie auch nicht, wo und für welche Firma Sie arbeiten. Auch Ihr Geburtsdatum wusste sie nicht. Sie haben am niederschriftlich angegeben, dass Sie gemeinsam mit Ihrer Gattin nach der Hochzeit in einem Kaffeehaus in Hietzing bei der U4-Station waren und sind sie danach in eine Disco, gleich neben dem Kaffeehaus, gegangen, wo sie bis 24.00 Uhr verblieben. Danach sind sie mit dem Taxi nach Hause gefahren. Somit steht fest, dass Ihre Angaben im krassen Widerspruch mit den Angaben Ihrer Gattin stehen. Dies wurde Ihnen auch vorgehalten und gaben Sie wörtlich dazu an 'Davon weiß ich nichts'. Bemerkenswert ist auch der Inhalt der Anhaltemeldung vom , wo Sie an diesem Tag in Wien (...) gemeinsam mit Ihrer Freundin (T.) angetroffen wurden, und das einen Tag vor der Hochzeit. Sie konnten über Befragung auch keinerlei genauen Angaben wie zum Beispiel das Geburtsdatum oder die genaue Adresse Ihrer zukünftigen Gattin bekannt geben. Laut Angabe der Heimleitung des Bruno Kreisky Heimes der oben angeführten Adresse teilen Sie sich mit Ihrer Freundin (T.) seit ca. einem halben Jahr das Zimmer. Ihre Gattin hat am dazu niederschriftlich angegeben, nicht gewusst zu haben, dass Sie eine Freundin haben. Am wurde versucht, Sie aufgrund eines Schubhaftbescheides an der Adresse Ihrer Gattin (...) festzunehmen. Es konnte in den Abendstunden niemand angetroffen werden und verliefen auch Ermittlungen im Haus über Ihren Aufenthalt negativ. Es steht für die Behörde somit aufgrund der durchgeführten Erhebungen sowie der niederschriftlichen Aussagen von Ihnen und Ihrer Gattin fest, dass die Ehe nur zum Schein zwecks Erlangung eines Aufenthaltstitels geschlossen wurde, und besteht auch kein gemeinsames Familienleben.")

Es könne daher - so die belangte Behörde weiter begründend - kein Zweifel daran bestehen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers den öffentlichen Interessen zuwiderlaufe und eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens, darstelle, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zulässig sei. Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers, Organe der staatlichen Verwaltung, wie etwa den Standesbeamten, über den wahren Ehewillen zu täuschen und eine nur zum Schein geschlossene Ehe zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis und einer Beschäftigungsbewilligung vorzuschieben, stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Hinzu komme, dass sich der Beschwerdeführer auch darüber hinaus nicht immer gesetzestreu verhalten habe (vgl. die strafgerichtliche Verurteilung).

Bei der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG fielen praktisch keine Umstände ins Gewicht. Es könnten - aus fremdenpolizeilicher Sicht - kaum persönliche Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erkannt werden. Der Beschwerdeführer habe sich durch das Eingehen der Scheinehe eine Aufenthaltsberechtigung erschleichen wollen und die Arbeitsbewilligung dadurch bereits erschlichen. Jedenfalls seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens sei sein Aufenthalt in Österreich unrechtmäßig. Er habe - abgesehen von seiner Ehegattin R. - keine nahen Verwandten im Bundesgebiet. Den somit relativ geringfügigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehe gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und das Berufen darauf in seinem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Von daher könne die Ansicht der Erstbehörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von deren Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), durchaus nachvollzogen und übernommen werden.

Da besonders berücksichtigungswerte Gründe nicht erkannt und auch nicht vorgebracht worden seien, habe im Rahmen einer behördlichen Ermessensübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht Abstand genommen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe (Aufenthaltsehe) und bringt vor, die Ehegattin des Beschwerdeführers habe am erklärt, dass sie aus Liebe geheiratet hätten und zusammenwohnten, was auch ihre Nachbarin und alle ihre Freunde bestätigen könnten. Die (dazu widersprüchliche) Aussage seiner Ehegattin vom sei unrichtig. Der Beschwerdeführer könne sich diese Aussage nur so erklären, dass sich seine Ehegattin von ihm kostengünstig trennen wolle.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

So stellt der Beschwerdeführer nicht in Abrede, dass R. bei ihrer Vernehmung am , deren Aussage er für seine Darstellung ins Treffen führt, - wie im erstinstanzlichen Bescheid festgestellt - (u.a.) nicht einmal das Geburtsdatum des Beschwerdeführers wusste. Auch spricht der - ebenso insoweit vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellte - Umstand, dass er einen Tag vor der Hochzeit in dem genannten Heimzimmer mit T. zusammenwohnend angetroffen wurde und er sich laut Angaben der Heimleitung seit einem halben Jahr dieses Zimmer mit T. geteilt hatte, nicht für die Annahme, dass er sich bei der mit R. eingegangenen Ehe um keine Aufenthaltsehe handelte. In Anbetracht der Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers vom und sowie der im erstinstanzlichen Bescheid (vgl. oben I.1.) dargestellten Ermittlungen begegnen die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) und die auf Grund dieser Beweiswürdigung von ihr getroffenen Feststellungen keinen Bedenken.

2. Im Hinblick darauf, dass der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0722, mwN), ist - ohne dass es hiebei noch auf die im angefochtenen Bescheid festgestellten Bestrafungen wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes ankommt - auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinn des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) leg. cit. darstelle, nicht zu beanstanden.

Wenn der Beschwerdeführer im Übrigen vorbringt, dass er bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Aufenthalt berechtigt sei, so verkennt er, dass die bloße Erstantragstellung ihm kein Aufenthaltsrecht verschaffen kann.

3. In Bezug auf die Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe übersehen, dass in Österreich der Bruder des Beschwerdeführers lebe.

Dieses Vorbringen ist bereits deshalb nicht zielführend, weil es gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) verstößt, hat doch der Beschwerdeführer die im erstinstanzlichen Bescheid getroffene Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich (sieht man von seiner Ehegattin ab) keine familiären Bindungen hat, in seiner Berufung nicht bestritten.

Im Übrigen hat die belangte Behörde bei der Prüfung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG den jedenfalls seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in seine persönlichen Interessen angenommen. Auch den von ihm in seiner Beschwerde ins Treffen geführten Interessen auf Grund einer Berufstätigkeit kommt kein entscheidendes Gewicht zu, wurde doch eine solche Beschäftigung nur auf Grund des Eingehens der Aufenthaltsehe durch ihn ermöglicht. Die von der belangten Behörde getroffene Interessenabwägung begegnet daher keinen Bedenken, und es genügt daher, auf die insoweit zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen.

4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, und es ergeben sich keine Umstände, die eine Ermessensübung nach § 60 Abs. 1 FPG iVm § 86 Abs. 1 leg. cit. zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

5. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-86976