VwGH vom 16.03.2016, 2013/17/0660
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Senatspräsident Dr. Köhler und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer als Richter und Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde des M P in Wien, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol vom , Zl uvs-2012/K3/2985-4, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft K vom wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 9 Abs 1 VStG in Verbindung mit § 1 Abs 1 und § 2 Abs 2, 3 und 4 sowie § 3 in Verbindung mit § 4 und § 52 Abs 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz, BGBl Nr 620/1989 in der Fassung BGBl I Nr 73/2010 (in der Folge: GSpG), eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 4.000,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen, verhängt.
2 Aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem der Berufung insoweit teilweise Folge gegeben wurde, als dem Beschwerdeführer fünf Übertretungen gemäß § 52 Abs 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG vorgeworfen und über ihn gemäß § 52 Abs 1 Einleitungssatz GSpG anstelle einer Gesamtstrafe von EUR 4.000,-- fünf Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 600,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils einem Tag, verhängt wurden.
3 Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges aus, dass aufgrund der mündlichen Verhandlung und des durchgeführten Beweisverfahrens der von der Erstbehörde angenommene "und von der Berufungsbehörde modifizierte Sachverhalt" als erwiesen feststehe. Es sei ergänzend festzuhalten, dass die belangte Behörde auch hinsichtlich des Automaten mit der Nr 4 den von der Erstbehörde angenommenen Sachverhalt als erwiesen annehme, jedoch von einem möglichen Maximaleinsatz pro Spiel von über EUR 10,-- ausgehe und daher dieses Gerät aus dem Schuldvorwurf ausgenommen worden sei.
4 Bei den Geräten handle es sich um Video-Lotterie-Terminals. Es seien virtuelle Walzenspiele angeboten worden. Der mögliche Maximaleinsatz pro Spiel habe mit Ausnahme des Automaten mit der Nr 4 EUR 10,-- nicht überschritten.
5 Im Rahmen der Beweiswürdigung wird hiezu darauf hingewiesen, dass der Spielablauf durch die Anzeige samt Beilagen sowie durch die nachgereichte Fotodokumentation hinreichend belegt sei. Dazu komme die Aussage des Zeugen M, aus der sich eindeutig ergebe, dass insbesondere auch eine Überprüfung an den Automaten vorgenommen worden sei, inwieweit ein Einsatz von über EUR 10,-- pro Spiel möglich gewesen sei. Der Zeuge habe eingeräumt, dass bei ein oder zwei Geräten ein Einsatz von über EUR 10,-- möglich gewesen sei. Aufgrund der Dokumentation ergebe sich zweifelsfrei, dass dies nur in Bezug auf das Gerät Nr 4 möglich gewesen sei. Der Zeuge habe auch keinen Zweifel darüber gelassen, dass jeweils Testspiele durchgeführt worden seien. Diese Testspiele hätten auch die Einsatzhöhe betroffen, welche im Fall eines Gerätes auch einen Einsatz pro Spiel von EUR 10,-- überstiegen hätte.
6 Im Hinblick auf die eindeutige Klärung des relevanten Sachverhalts sei die Einvernahme der Zeugin V nicht erforderlich gewesen. Wie sich aus dem Akt ergebe, habe die Zeugin bei der Einvernahme des auskunftspflichtigen T an der Amtshandlung mitgewirkt. Sie scheine jedoch nicht auf dem Formular GSp 26, welches anlässlich der Überprüfung der Spielautomaten angefertigt worden sei, auf.
7 Nach Wiedergabe der nach Auffassung der belangten Behörde maßgeblichen Vorschriften des GSpG wird die Rechtsprechung des VfGH zur Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes gemäß § 52 Abs 1 GSpG dargestellt und ausgeführt, dass im vorliegenden Fall mit Ausnahme des Automaten mit der Nr 4 jeweils lediglich ein Höchsteinsatz von höchstens EUR 10,-- möglich gewesen sei.
8 Zu unionsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers wird unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom , C-64/08, und danach ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes festgehalten, dass der diesbezügliche Verweis sich als nicht zielführend erweise.
9 Nach der Begründung der Strafbemessung wird daher geschlossen, dass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
10 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
11 Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Gemäß § 79 Abs 11 VwGG in der Fassung BGBl I Nr 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
13 Der angefochtene Bescheid geht von der Annahme aus, dass an jenen Automaten, für die die Bestrafung aufrechterhalten wurde, nur mit einem Höchsteinsatz von EUR 10,-- habe gespielt werden können.
14 In der Beschwerde wird diese Annahme bestritten und diesbezüglich ein wesentlicher Begründungsmangel geltend gemacht.
15 Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. 16 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2012/17/0249, im Anschluss an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 422/2013 ausgeführt hat, besteht eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 Strafgesetzbuch (StGB) dann, wenn an einem Glücksspielgerät ein EUR 10,-- übersteigender Einsatz möglich war bzw wenn Serienspiele veranlasst werden konnten.
17 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die Beweiswürdigung der belangten Behörde (nur) hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl statt vieler ). Einer solchen Überprüfung hält die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht stand.
18 Die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, dass die an den gegenständlichen Automaten (mit Ausnahme des Automaten mit der Nr. 4) angebotenen Spiele nur mit einem Einsatz bis EUR 10,-- hätten gespielt werden können, beruht im Wesentlichen auf der Aussage des Zeugen M und einem Verweis auf eine nicht im Akt erliegende Fotodokumentation. Aus dieser Aussage ist nach der im Akt erliegenden Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung vom jedoch nicht eindeutig ableitbar, inwiefern sich die durchgeführten Testspiele tatsächlich auf die Ermittlung der möglichen Höchsteinsätze erstreckt hätten. Aus der Aussage des Zeugen, der Grund dafür, dass keine Anzeige an die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Übertretung des § 168 StGB erstattet worden sei, sei gewesen, dass keine Zeugen vorhanden gewesen seien, die hätten bestätigen können, dass sie mit über EUR 10,-- gespielt hätten, ist einerseits ersichtlich, dass die Kontrollorgane möglicherweise der Auffassung waren, es käme auf die tatsächlich durchgeführten Spiele an. Andererseits erliegt im Akt ein Auskunftsschreiben der Bezirksverwaltungsbehörde Kufstein an die Staatsanwaltschaft Innsbruck, in dem Bezug auf eine Anzeige des Finanzamtes Kufstein-Schwaz bezüglich des Beschwerdeführers vom wegen des Verdachts des Glücksspiels gemäß § 168 Abs 1 StGB genommen wird.
19 Diese Beweisergebnisse können nicht die ausreichende Grundlage für die Schlussfolgerung, es hätte an den übrigen Automaten nicht mit mehr als EUR 10,-- gespielt werden können, sein. In gleicher Weise ist aber nicht ohne weiteres nachvollziehbar, inwieweit sich aus einer nachgelieferten Fotodokumentation (die sich nicht im Akt befindet) Rückschlüsse auf die maximal möglichen Einsätze ziehen ließen.
20 Es liegen somit keine in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren getroffenen Feststellungen im Sinne des oben genannten Erkenntnisses vom betreffend die möglichen Höchsteinsätze an den gegenständlichen Automaten vor. Der angefochtene Bescheid leidet insoweit an einem wesentlichen Verfahrensmangel (vgl ).
21 Die belangte Behörde hat daher ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-86966