VwGH vom 16.12.2015, 2013/17/0657
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie den Hofrat Dr. Mairinger, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde der V GmbH in S, vertreten durch Mag. Bernd Moser, Rechtsanwalt in 5760 Saalfelden, Mühlbachweg 2, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , 201-BERU/4/620-2012, betreffend Tourismusverbandsbeiträge für die Jahre 2007 bis 2011, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheiden jeweils vom setzte das Landesabgabenamt Salzburg den Verbandsbeitrag für die Betriebsstätte der beschwerdeführenden Partei im Tourismusverband Saalbach-Hinterglemm, Ortsklasse A, für die Beitragsjahre 2007 bis 2011 fest, weil sich die Selbstberechnung (lt Beitragserklärung) jeweils als unrichtig erwiesen habe. Die Tätigkeit "Getränke-Einzelhandel" sei nach der geltenden Beitragsgruppenordnung in der Ortsklasse A der Beitragsgruppe 3 (bzw betreffend das Jahr 2007 der Beitragsgruppe 4) zuzuordnen gewesen und nicht der Beitragsgruppe 6 "Großhandel (Berufsgruppen, die nicht ausdrücklich genannt sind)". Dies ergebe Nachforderungen in der Höhe von EUR 3.384,69 für das Jahr 2007, EUR 7.446,01 für das Jahr 2008, EUR 8.532,92 für das Jahr 2009, EUR 13.865,49 für das Jahr 2010 und EUR 16.550,61 für das Jahr 2011.
Gegen diese Bescheide erhob die beschwerdeführende Partei Berufung, in der sie ausführte, dass sie keinen Einzelhandel betreibe, weil sie ihre Waren nicht überwiegend an Privathaushalte, sondern an andere Unternehmen, vorrangig des Hotel- und Gastgewerbes, veräußere. Sie sei daher unter den Großhandel einzureihen. Zum Beweis lege sie eine "Nettoumsatzliste Debitoren" für den Zeitraum Mai 2010 bis April 2011 vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die beschwerdeführende Partei habe in ihren Beitragserklärungen für die Jahre 2007 bis 2010 die Umsätze ausschließlich der Beitragsgruppe 6 zugeordnet. Die Ermittlungen des Landesabgabenamtes (Gewerbeberechtigung, Homepage, die der Berufung beigelegten Saldenliste) hätten ergeben, dass die beschwerdeführende Partei ihre Produkte sowohl als Einzelhändlerin als auch im Großhandel vertreibe, wobei hinsichtlich des Einzelhandels nicht von Hilfsumsätzen im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs auszugehen sei. Der Einzelhandel sei vielmehr ein regelmäßig neben dem Großhandel bestehender Geschäftszweig, weshalb die Umsätze der beschwerdeführenden Partei in unterschiedliche Beitragsgruppen einzuordnen seien.
Gemäß § 38 Abs 3 S.TG 2003 habe der Beitragspflichtige für die nach Beitragsgruppen getrennte Erfassung der getätigten Umsätze zu sorgen, widrigenfalls der gesamte Umsatz der in Betracht kommenden niedersten Beitragsgruppe zugeordnet werde. Die beschwerdeführende Partei habe in ihren Beitragserklärungen die Umsätze nicht getrennt erfasst, sondern den gesamten Umsatz der Beitragsgruppe 6 zugeordnet. Daher habe das Landesabgabenamt zu Recht gemäß § 38 Abs 3 S.TG 2003 die gesamten Umsätze der für den Beitragspflichtigen in Betracht kommenden niedersten Beitragsgruppe (für das Jahr 2007 der Beitragsgruppe 4 und für die Jahre 2008 bis 2011 der Beitragsgruppe 3) - und somit mit dem höchsten Beitragssatz - zugeordnet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Das Salzburger Tourismusgesetz 2003 (in der Folge: S.TG 2003), LGBl Nr 43/2003 (WV), § 35 Abs 1 idF LGBl Nr 94/2005, lautet (auszugsweise):
"...
5. Abschnitt
Verbandsbeiträge
Beitragspflicht
§ 30
(1) Die Pflichtmitglieder eines Tourismusverbandes haben an diesen für jedes Kalenderjahr (Beitragszeitraum) Verbandsbeiträge zu entrichten, die freiwilligen Mitglieder als Verbandsbeiträge jeweils den Mindestbeitrag (§ 39 Abs 2 und 3).
...
Beitragsgruppen
§ 32
(1) Zur Berechnung der Verbandsbeiträge werden die Berufsgruppen der Pflichtmitglieder in Beitragsgruppen (1 bis 7) eingeteilt. Die Einreihung der einzelnen Berufsgruppen in die Beitragsgruppen hat die Landesregierung durch Verordnung zu treffen (Beitragsgruppenordnung). Die Einreihung ist gesondert für die einzelnen Ortsklassen (§ 34) vorzunehmen. Sie hat in sieben Gruppen zu erfolgen.
...
Beitragspflichtiger Umsatz
§ 35
(1) Der beitragspflichtige Umsatz ist, soweit nachstehend nicht anderes bestimmt ist, die Summe der im zweitvorangegangenen Jahr erzielten steuerbaren Umsätze im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG 1994 sowie die Umsätze aus Bauleistungen im Sinn des § 19 Abs 1a UStG 1994. Ausgenommen sind jedoch: ...
...
§ 36
(1) Ist ein Pflichtmitglied in mehrere Beitragsgruppen eingereiht, ist der Verbandsbeitrag nach Beitragsgruppen getrennt zu berechnen, jedoch in einem Gesamtbetrag zu entrichten.
...
Vereinfachte Umsatzermittlung
§ 38
...
(3) Fallen die Umsätze eines Pflichtmitgliedes durch Zugehörigkeit zu verschiedenen Berufsgruppen in unterschiedliche Beitragsgruppen (§ 36 Abs 1), hat der Beitragspflichtige für eine nach Beitragsgruppen getrennte Erfassung der Umsätze zu sorgen und die auf diese jeweils entfallenden Umsätze der Beitragsberechnung zugrunde zu legen. Unterlässt dies der Beitragspflichtige, wird der gesamte Umsatz der für den Beitragspflichtigen in Betracht kommenden niedersten Beitragsgruppe zugeordnet. Teilt der Beitragspflichtige den Umsatz nicht auf alle für ihn in Betracht kommenden höheren Beitragsgruppen auf, gilt der Beitrag diesbezüglich trotzdem als richtig festgesetzt.
..."
Die Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 18. Feber 1986, mit der auf Grund des Salzburger Fremdenverkehrsgesetzes die Beitragsgruppen für die einzelnen Berufsgruppen bestimmt werden (Beitragsgruppenverordnung), LGBl Nr 24/1986 idF vor der Novelle LGBl Nr 107/2007, lautet samt Anlage (auszugsweise):
"§ 1
Für die Leistung von Verbandsbeiträgen und Tourismusbeiträgen werden die als Pflichtmitglieder von Tourismusverbänden in Betracht kommenden Berufsgruppen nach Maßgabe der einen wesentlichen Bestandteil dieser Verordnung bildenden Anlage in Beitragsgruppen eingereiht.
§ 2
Berufsgruppen, die in der Anlage nicht angeführt sind, sind
in allen Ortsklassen in Beitragsgruppe 5, solche des Großhandels
in die Beitragsgruppe 6 gereiht.
§ 3
Treffen auf einen Beitragspflichtigen mehrere Berufsgruppen (Handelsgegenstände) zu, die in unterschiedliche Beitragsgruppen gereiht sind, so sind Aufzeichnungen über die Zurechnung des Umsatzes zu den einzelnen Beitragsgruppen laufend und sorgfältig zu führen.
ANLAGE
...
II.
Berufsgruppen des Handels
A Einzelhandel
Berufsgruppen des Einzelhandels, die in der Folge nicht ausdrücklich genannt werden, sind in allen Ortsklassen in die Beitragsgruppe 5 eingereiht.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Berufsgruppe Handelsgegenstand | Beitragsgruppe in den Ortsklassen | ||
A | B | C | |
... | |||
Getränke | 4 | 4 | 5 |
... |
B Großhandel
Berufsgruppen des Großhandels, die in der Folge nicht ausdrücklich genannt werden, sind in allen Ortsklassen in die Beitragsgruppe 6 eingereiht.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Berufsgruppe Handelsgegenstand | Beitragsgruppe in den Ortsklassen | ||
A | B | C | |
..." |
Durch die Verordnung der Salzburger Landesregierung vom , mit der die Beitragsgruppenverordnung geändert wird, LGBl Nr 107/2007, wurde mit Wirkung ab dem Beitragsjahr 2008 in der Anlage Teil II (Berufsgruppen des Handels, A. Einzelhandel) für die Getränke in der Ortsklasse A die Beitragsgruppe 4 durch die Beitragsgruppe 3 ersetzt.
Die beschwerdeführende Partei bestreitet nicht, in den gegenständlichen Beitragsjahren Getränke sowohl an Unternehmer als auch an Privatpersonen geliefert zu haben. Sie behauptet auch nicht, dass es sich bei den Umsätzen im Bereich des Einzelhandels nur um Hilfsumsätze gehandelt habe, also um solche Umsätze, die lediglich die Hauptumsätze im Bereich des Großhandels ergänzt und im Wesentlichen denselben Adressatenkreis gehabt hätten (vgl ua). Strittig ist ausschließlich, ob die beschwerdeführende Partei die Umsätze an Privatpersonen getrennt von ihren Großhandelsumsätzen hätte ausweisen müssen und ob der Umstand, dass sie das unterlassen hat, die Abgabenbehörde berechtigt hat, sämtliche Umsätze in die niedrigere Beitragsgruppe des Einzelhandels einzureihen, welche den höheren Beitragssatz zur Folge hat.
Die beschwerdeführende Partei vertritt die Auffassung, dass eine Aufteilung ihrer Umsätze deswegen nicht erforderlich gewesen sei, weil sie ihre Waren nicht überwiegend an Privatpersonen geliefert habe. Da sie überwiegend an Unternehmer verkauft habe, seien sämtliche ihrer Umsätze als Großhandelsumsätze zu behandeln.
Diese Auffassung findet ihre Deckung aber nicht im Gesetzeswortlaut. Im Gegenteil: § 38 Abs 3 erster Satz S.TG 2003 sieht in jedem Fall die Aufteilung von Umsätzen eines Pflichtmitglieds, welche durch dessen Zugehörigkeit zu verschiedenen Berufsgruppen in verschiedene Beitragsgruppen fallen, vor. Ergänzend dazu verpflichtet § 3 der Beitragsgruppenverordnung den Beitragspflichtigen, laufende und sorgfältige Aufzeichnungen über die Zurechnung des Umsatzes zu den einzelnen Beitragsgruppen zu führen. Davon abweichende Regelungen sind in den Fassungen des S.TG 2003, welche im Beschwerdefall jeweils anzuwenden sind, nicht (mehr) enthalten.
Bis 2005 enthielt § 32 Abs 5 S.TG 2003 (im Wesentlichen übereinstimmend mit § 35 Abs 2 des Salzburger Fremdenverkehrsgesetzes in der Stammfassung) folgende Bestimmung:
"(5) Großhändler im Sinn der Berufsgruppeneinstufung der Beitragsgruppenordnung sind jene Handelsbetriebe, die ausschließlich oder überwiegend Gegenstände an andere Unternehmer zur Verwendung in deren Unternehmen, und zwar zur gewerblichen Weiterveräußerung, zur gewerblichen Herstellung anderer Gegenstände oder zur Bewirkung gewerblicher oder beruflicher Leistungen liefern. Lieferungen an eine Körperschaft öffentlichen Rechts zählen zu den Großhändlerlieferungen."
§ 32 Abs 5 S.TG 2003 wurde aber durch die Novelle LGBl Nr 94/2005 mit Wirkung ab (§ 64 Abs 9 letzter Satz S.TG 2003) ersatzlos gestrichen. An der oben dargestellten Auslegung des S.TG 2003 idF nach der genannten Streichung vermögen auch die Materialien zur Novelle LGBl Nr 94/2005 nichts zu ändern. In diesen wird zur Streichung des § 32 Abs 5 S.TG 2003 ausgeführt, die Definition des Großhandels sei seit der Novelle des S.TG 2003 durch LGBl Nr 74/2002 "auf Gesetzesstufe überflüssig" und stelle einen "Fremdkörper" im Rahmen des § 32 S.TG 2003 dar. Sie passe besser in die Beitragsgruppenverordnung (vgl dazu ErläutRV 16 BlgSbgLT 13. GP 3).
Dazu wird angemerkt, dass die Auswirkungen der in den Materialien angeführten Novelle LGBl Nr 74/2002 auf den Begriff des Großhandels nicht ersichtlich sind. Auch unterließ es die Salzburger Landesregierung, eine dem früheren § 32 Abs 5 S.TG entsprechende Regelung in die Beitragsgruppenverordnung aufzunehmen. Selbst wenn man die Materialien dahingehend interpretieren wollte, der Gesetzgeber habe damit keineswegs eine ersatzlose Streichung der inhaltlichen Regelung des früheren § 32 Abs 5 S.TG 2003 beabsichtigt, so ist diese ersatzlose Streichung im Ergebnis dennoch erfolgt. Weder dem System noch dem Wortlaut des S.TG 2003 bzw der Beitragsgruppenverordnung lässt sich anderes entnehmen.
Es kann somit nicht als rechtsirrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde davon ausging, dass die beschwerdeführende Partei, die unstrittig sowohl Großhandels- als auch Einzelhandelsumsätze getätigt hatte, diese getrennt in ihren Beitragserklärungen hätte ausweisen müssen.
Allerdings hätte die belangte Behörde in der Folge zu prüfen gehabt, ob die gegenteilige Vorgehensweise der beschwerdeführenden Partei einer vertretbaren Rechtsmeinung entspringt. Bejahendenfalls hätten dann aber nicht die sanktionsähnlichen Rechtsfolgen des § 38 Abs 3 S.TG 2003 eintreten dürfen. Vielmehr wäre lediglich eine Aufteilung der Umsätze in Groß- und Einzelhandelsumsätze vorzunehmen gewesen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2010/17/0210, unter Hinweis auf das Erkenntnis des , ausgeführt hat, sollen die Beitragspflichtigen nämlich über § 38 Abs 3 S.TG 2003 nicht dazu gezwungen werden, ihrer Beitragserklärung von vornherein eine für sie ungünstige Rechtsauslegung zugrunde zu legen, um allfällige Sanktionsfolgen nach § 38 Abs 3 S.TG 2003 zu vermeiden (vgl auch ). Die belangte Behörde hat aber in Verkennung der Rechtslage diese Prüfung unterlassen. Es ist in diesem Zusammenhang nicht nur auf die bis 2005 geltende Rechtslage, sondern auch auf das unwidersprochen gebliebene Beschwerdevorbringen hinzuweisen, wonach die Abgabenbehörde selbst der beschwerdeführenden Partei vorausgefüllte Abgabenerklärungen, in denen ausschließlich "Großhandel (Berufsgr. die nicht ausdrückl. genannt sind)" abgefragt wurden, übermittelt hat.
Der angefochtene Bescheid war aus den genannten Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG aF iVm § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-86957