VwGH vom 21.03.2011, 2009/04/0018

VwGH vom 21.03.2011, 2009/04/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der J Gesellschaft mbH in X, vertreten durch Prof. Dr. Strigl Dr. Horak Mag. Stolz Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1010 Wien, Tuchlauben 8, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom , Zl. VKS-9068/08, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei:

Stadt Wien (Wiener Wohnen Direktion - Technik), vertreten durch schwartz huber-medek partner rechtsanwälte og in 1010 Wien, Stubenring 2; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Vergabeverfahren:

Den unstrittigen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zufolge führte die mitbeteiligte Partei als öffentliche Auftraggeberin (im Folgenden: Auftraggeberin) ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe von Rahmenverträgen zur Durchführung von Spenglerarbeiten in den von ihr in allen 23 Wiener Bezirken verwalteten Objekten. Dabei handelt es sich um die Vergabe von Bauaufträgen im Preisaufschlags- und Preisnachlassverfahren. Die Ausschreibung wurde am im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht; das Ende der Angebotsfrist war der , 8.00 Uhr, die Angebotseröffnung erfolgte anschließend.

Mit Schreiben vom teilte die Auftraggeberin der Beschwerdeführerin mit, dass ihr Angebot (betreffend näher bezeichnete Lose) gemäß § 129 Abs. 1 Z. 2 und Z. 7 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) ausgeschieden werde, da für die angebotenen Gerüstungsarbeiten die erforderliche Befugnis nicht gegeben sei und die Nennung eines entsprechenden Subunternehmers bereits im Angebot bei Angebotslegung vorhanden sein müsse.

2. Nachprüfungsverfahren und angefochtener Bescheid:

Gegen diese Entscheidung brachte die Beschwerdeführerin einen Nachprüfungsantrag bei der belangten Behörde ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag, die Ausscheidungsentscheidung der Auftraggeberin vom für nichtig zu erklären, abgewiesen (Spruchpunkt 1.), weiters die einstweilige Verfügung vom mit sofortiger Wirkung aufgehoben (Spruchpunkt 2.) sowie festgestellt, dass die Auftraggeberin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (Spruchpunkt 3.).

Als Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde undifferenziert die §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 11 Abs. 2, 13 Abs. 3, 18, 19, 20 Abs. 1, 22 Abs. 3, 23 Abs. 1, 24 Abs. 1 Z. 6, 25 Abs. 1, 31 Abs. 6, 39 WVRG 2007 in Verbindung mit §§ 2 Z. 16 lit. a sublit. aa, 3 Abs. 1 Z. 2, 4, 12 Abs. 1 Z. 3, 69 Abs. 1, 76 Abs. 1, 126, 129 Abs. 1 Z. 2 und 7 BVergG 2006 sowie §§ 32, 99 Abs. 1 Z. 4, 100 Abs. 1, 133 Abs. 3 und 149 Abs. 5 GewO 1994 an.

Begründend stellte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges unter anderem näher bezeichnete Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen fest, wonach unter anderem Unternehmer als geeignet gelten, die befugt, leistungsfähig und zuverlässig seien. Die Eignungskriterien müssten spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen (Verweis auf § 69 Z. 1 BVergG 2006) und während des gesamten Vertragserfüllungszeitraums fortbestehen. Bieter könnten die Befugnis und die Leistungsfähigkeit durch Subunternehmer erfüllen (Punkt 2.10. Eignung). Allfällige Subunternehmer habe der Bieter im Angebot zu benennen (Punkt 2.15. Subunternehmer). Als Nachweis der Befugnis sei eine Gewerbeberechtigung oder eine andere Berechtigung zur Ausübung der angebotenen Leistung dem Angebot anzuschließen gewesen (nach Beilage 13.08.1.).

Nach Punkt 01.18. des Ausschreibungs-Leistungsverzeichnisses sei auch die Verwendung von Gerüsten (und zwar von Schutzgerüsten, Konsolgerüsten, die Herstellung und Errichtung von Schutzdächern mit einer Höhe von über 10 m, von Passagengerüsten sowie von Dachschutzblenden) anzubieten gewesen. Dabei seien die statischen Berechnungen und einmaligen Prüfungen im Einheitspreis des Auftragnehmers einzukalkulieren gewesen.

Mit Schreiben vom habe die Auftraggeberin die Beschwerdeführerin um Aufklärung im Hinblick auf den nachzureichenden Nachweis über die Befugnis zur Errichtung der ausgeschriebenen Gerüstungsarbeiten ersucht. Die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom ausgeführt, dass in ihrer Firma ein geeigneter Fachmann beschäftigt sei und für Gerüstbauten größeren Umfanges eine näher bezeichnete Firma genannt werde. Diesem Schreiben war die Kopie einer Urkunde, ausgestellt von der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung Berlin am , beigelegt, wonach Herr S. an der Ingenieurschule für Bauwesen Berlin die staatliche Abschlussprüfung in der Fachrichtung Hochbau mit Erfolg abgelegt habe und berechtigt sei, den Grad "Dipl. Ing. (FH)" zu führen.

Die Beschwerdeführerin verfüge (laut dem im Nachprüfungsverfahren vorgelegten Auszug aus dem Gewerberegister) über die Gewerbeberechtigungen für die reglementierten Gewerbe des Dachdeckers (§ 94 Z. 9 GewO 1973), des Spenglers (§ 94 Z. 74 GewO 1973) sowie des (freien) Gewerbes Schwarzdecker. Eine gewerberechtliche Befugnis zur Errichtung von (sogenannten) statisch belangreichen Gerüsten sei von der Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen worden.

Erstmals im Nachprüfungsverfahren habe die Beschwerdeführerin einen Dienstzettel betreffend den genannten Dipl. Ing. S vorgelegt, wonach dieser bei der Beschwerdeführerin seit beschäftigt sei. Unstrittig verfüge Dipl. Ing. S nicht über die Befugnis zum Baumeister, wozu die Beschwerdeführerin ergänzend vorgebracht habe, dass es grundsätzlich nur erforderlich sei, die Befähigung einer Fachkraft nachzuweisen, nicht aber die Befugnis.

Die Beschwerdeführerin verfüge nicht über die Befugnis zum Aufstellen von Gerüsten, für die statische Kenntnisse erforderlich seien. Bei den nach der Ausschreibung verlangten Gerüsten handle es sich um teils statisch belangreiche Gerüste, deren Aufstellung ausschließlich den Baumeistern (§ 99 Abs. 1 Z. 4 GewO 1994), Steinmetzmeistern einschließlich Kunststeinerzeugern und Terrazzomachern (§ 133 Abs. 3 GewO 1994), Zimmermeistern (§ 149 Abs. 5 GewO 1994) und Brunnenmeistern (§ 100 Abs. 1 GewO 1994) vorbehalten seien (es handle sich nämlich auch um Ausschussgerüste, die aus einem Fenster heraus errichtet würden, Konsolgerüste, die an der Fassade abgestützt würden und Standgerüste höher als 2 m als Bockgerüst bzw. höher als 6 m als verfahrbare Standgerüste). Somit erfordere ein Teil der in den Ausschreibungsunterlagen verlangten Gerüste jedenfalls statische Kenntnisse zu deren Ausführungen. Das Verfahren habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin über keine Gewerbeberechtigung verfüge, die sie zur Errichtung der ausschreibungsgegenständlichen Gerüste berechtigen würde.

Weiters habe sie in ihrem Angebot keine Subunternehmer für die ausschreibungsgegenständlichen Gerüstungsarbeiten genannt. Die von der Beschwerdeführerin über Aufforderung der Auftraggeberin mit (Aufklärungs)Schreiben vom nachgereichten Subunternehmererklärungen seien zu Recht von der Auftraggeberin gemäß § 69 Z. 1 BVergG 2006 nicht mehr berücksichtigt worden.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf ein Nebenrecht nach § 32 GewO 1994, insbesondere dessen Abs. 2, berufe, sei für sie nichts gewonnen. Zwar sei nach dem Inhalt der abgegebenen Angebote, insbesondere auch nach dem Angebot der Beschwerdeführerin, der Auftragswert, soweit er Gerüstungen betreffe, hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Lose mit weniger als 1 % der Gesamtangebotssumme anzunehmen. Solche Leistungen "im geringen Umfang" wären grundsätzlich vom Nebenrecht des § 32 GewO 1994 erfasst.

Jedoch werde diese Ansicht von der belangten Behörde nur insoweit geteilt, als es sich dabei um Tätigkeiten anderer Gewerbe handeln müsse, die einem reglementierten Gewerbe nicht vorbehalten seien. Bei den ausgeschriebenen und auch von der Beschwerdeführerin angebotenen Gerüstbauarbeiten handle es sich jedoch um solche, für deren Errichtung statische Kenntnisse erforderlich seien, wozu zwingend eine Gewerbeberechtigung für näher bezeichnete reglementierte Gewerbe erforderlich sei. Nur dann, wenn keine statischen Kenntnisse erforderlich seien, dürften Gerüste auch von anderen Personen und Gewerbetreibenden im Rahmen ihrer Nebenrechte aufgestellt werden, sofern dies nur im geringen Umfang erfolge, um die eigenen Leistungen wirtschaftlich sinnvoll zu ergänzen, der wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebes erhalten bleibe und sich der Gewerbetreibende erforderlichenfalls ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte bediene, wenn dies aus Gründen der Sicherheit notwendig sei (§ 32 Abs. 2 GewO 1994; die belangte Behörde verweist auf eine von der Beschwerdeführerin vorgelegte Stellungnahme der Wirtschaftskammer Wien vom ). Da es sich bei den ausgeschriebenen und angebotenen Gerüstarbeiten auch um solche, die statisch belangreich seien, handle, wäre die Beschwerdeführerin gehalten gewesen, unabhängig von deren Auftragswert bereits mit ihrem Angebot entweder eine entsprechende Subunternehmererklärung eines geeigneten Unternehmers vorzulegen oder die Verfügung über eine "entsprechende ausgebildete und erfahrene Fachkraft" nachzuweisen. Dabei könne es sich um eine im Betrieb beschäftigte Person handeln oder um eine externe Fachkraft.

Zu § 32 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 habe die Beschwerdeführerin den Standpunkt vertreten, dass sie durch die Nennung des Dipl. Ing. S. eine geeignete Fachkraft namhaft gemacht habe. Das Verfahren habe zwar ergeben, dass Dipl. Ing. S. in der ehemaligen DDR die Fachschule für Hochbau erfolgreich abgeschlossen habe. Das Verfahren habe aber auch ergeben, dass Dipl. Ing. S. nicht über die Befugnis eines Baumeisters, Brunnenmeisters, Steinmetzmeisters, Zimmermeisters oder Ziviltechnikers verfüge bzw. diese Gewerbe ausübe. Die Möglichkeit, dass Dipl. Ing. S. möglicherweise die Befähigung zur Erlangung der entsprechenden Befugnis besitze, vermöge nicht die Befugnisse selbst zu ersetzen. Daher seien die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 GewO 1994 nicht gegeben.

Da die Beschwerdeführerin somit zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung über die zur Aufstellung der Gerüste erforderliche Befugnis auch nicht im Rahmen der Nebenrechte des § 32 GewO 1994 verfügt habe und auch eine rechtzeitig abgegebene Subunternehmererklärung nicht vorliege, sei das Ausscheiden des Angebotes der Beschwerdeführerin wegen fehlender Befugnis nach § 129 Abs. 1 Z. 2 BVergG 2006 in unbedenklicher Weise geschehen.

Die Spruchpunkte 2. und 3. begründete die belangte Behörde damit, dass die einstweilige Verfügung gemäß § 31 Abs. 6 WVRG 2007 mit sofortiger Wirkung aufzuheben war und sich die Kostenentscheidung auf § 19 Abs. 1 und 3 WVRG 2007 gründe.

3. Beschwerde:

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, Dipl. Ing. S. sei zur Ausübung des Baumeistergewerbes befähigt und zumindest seit Dienstnehmer der Beschwerdeführerin. Dipl. Ing. S. verfüge daher über sämtliche gesetzliche Voraussetzungen zur Erteilung einer Befugnis für Gerüstungsarbeiten einschließlich statisch belangreicher Gerüste bzw. einer Befugnis eines "Baumeisters", "Zimmermanns" oder "Steinmetzmeisters" jeweils im Sinne der GewO 1994. Daher verfüge Dipl. Ing. S. über die gemäß § 32 Abs. 2 GewO 1994 geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten als "ausgebildete und erfahrene Fachkraft". Dagegen sei § 32 GewO 1994 nicht zu entnehmen, dass über die Befähigung einer "ausgebildeten und erfahrenen Fachkraft" hinaus diese auch selbst über eine Gewerbeberechtigung verfügen müsse. Daher lägen sämtliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nebenrechten gemäß § 32 GewO 1994 vor und sei das Ausscheiden des Angebotes der Beschwerdeführerin zu Unrecht erfolgt.

4. Gegenschriften:

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die Auftraggeberin als mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

Die Auftraggeberin brachte in ihrer Gegenschrift unter anderem vor, die Beschwerdeführerin beschäftige mit Dipl. Ing. S. lediglich einen Mitarbeiter, welcher an der Ingenieurschule für Bauwesen Berlin die staatliche Abschlussprüfung in der Fachrichtung Hochbau abgelegt habe. Der Abschluss einer Fachhochschule vermittle jedoch weder die Befugnis oder Befähigung für das Baumeistergewerbe und sei auch keineswegs mit der gesetzlich geregelten Ziviltechnikerausbildung inklusive Ziviltechnikerprüfung gleichzusetzen. Nach Ansicht der Wirtschaftskammer Wien wiesen neben Baumeistern (sowie Brunnenmeistern, Steinmetzmeistern und Zimmermeistern) nur noch Ziviltechniker die erforderlichen Kenntnisse der Fachkraft für die strittigen Leistungen auf. Die von der Beschwerdeführerin erst im Nachprüfungsverfahren vorgelegten Unterlagen wiesen die erforderliche Befähigung des Dipl. Ing. S. für statische Gerüstungsarbeiten nicht nach, zumal die vorgelegten Ausbildungsnachweise weder den Anforderungen der Baumeister-Verordnung entsprächen noch von der Beschwerdeführerin die jedenfalls erforderliche Anerkennung der Befähigung gemäß der EU/EWR-Anerkennungsverordnung BGBl. II Nr. 233/2003 behauptet bzw. nachgewiesen worden sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall (ausgehend von der Einleitung des Vergabeverfahrens) maßgeblichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 86/2007 (BVergG 2006) lauten:

" Eignungsanforderungen und Eignungsnachweise Zeitpunkt des Vorliegens der Eignung

§ 69. Unbeschadet der Regelung des § 20 Abs. 1 muss die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit spätestens

1. beim offenen Verfahren zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung,

vorliegen.

Verlangen der Nachweise durch den Auftraggeber

§ 70. (1) Der Auftraggeber kann von Unternehmern, die an einem Vergabeverfahren teilnehmen, Nachweise darüber verlangen, dass ihre

1. berufliche Befugnis,

gegeben ist.

(4) Der Unternehmer kann den Nachweis der Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit auch durch den Nachweis der Eintragung in einem einschlägigen, allgemein zugänglichen Verzeichnis eines Dritten führen, sofern diesem die vom Auftraggeber geforderten Unterlagen vorliegen und vom Auftraggeber selbst unmittelbar abrufbar sind. Der Unternehmer kann den Nachweis der Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit auch mit anderen als den vom Auftraggeber geforderten Unterlagen führen, sofern die geforderten Unterlagen aus einem gerechtfertigten Grund nicht beigebracht werden können und die vorgelegten Unterlagen die gleiche Aussagekraft wie die ursprünglich geforderten aufweisen. Der Nachweis der gleichen Aussagekraft ist vom Unternehmer nach Aufforderung zu erbringen.

Nachweis der Befugnis

§ 71. Der Auftraggeber hat als Nachweis für das Vorliegen der einschlägigen Befugnis gemäß § 70 Abs. 1 Z 1, dass der Unternehmer nach den Vorschriften seines Herkunftslandes befugt ist, die konkrete Leistung zu erbringen, zu verlangen:

1. nach Maßgabe der Vorschriften des Herkunftslandes des Unternehmers eine Urkunde über die Eintragung im betreffenden in Anhang VII angeführten Berufs- oder Handelsregister des Herkunftslandes oder die Vorlage der betreffenden in Anhang VII genannten Bescheinigung oder eidesstattlichen Erklärung, oder

2. im Falle eines Dienstleistungsauftrages die Vorlage der im Herkunftsland des Unternehmers zur Ausführung der betreffenden Dienstleistung erforderlichen Berechtigung oder eine Urkunde betreffend die im Herkunftsland des Unternehmers zur Ausführung der betreffenden Dienstleistung erforderliche Mitgliedschaft zu einer bestimmten Organisation.

Ausscheiden von Angeboten

§ 129. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der Auftraggeber auf Grund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:

2. Angebote von Bietern, deren Befugnis, finanzielle, wirtschaftliche oder technische Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gegeben ist;

7. den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind;"

Die im Beschwerdefall (ausgehend vom Zeitpunkt der Angebotsöffnung nach § 69 Abs. 1 Z. 1 BVergG 2006) maßgeblichen Bestimmungen der GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 42/2008 lauten:

" Sonstige Rechte von Gewerbetreibenden

§ 32. (1) Gewerbetreibenden stehen auch folgende Rechte zu:

1. alle Vorarbeiten und Vollendungsarbeiten auf dem Gebiet anderer Gewerbe vorzunehmen, die dazu dienen, die Produkte, die sie erzeugen oder vertreiben sowie Dienstleistungen, die sie erbringen, absatzfähig zu machen sowie in geringem Umfang Leistungen anderer Gewerbe zu erbringen, die eigene Leistungen wirtschaftlich sinnvoll ergänzen;

(2) Bei der Ausübung der Rechte gemäß Abs. 1 müssen der wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebes erhalten bleiben. Soweit dies aus Gründen der Sicherheit notwendig ist, haben sich die Gewerbetreibenden entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte zu bedienen.

§ 367. Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2 180 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer

33. Arbeitnehmer beschäftigt, die nicht die gemäß § 32 Abs. 1 Z 9, Abs. 2 und 3, (…) erforderliche Eignung besitzen;"

2. Im Beschwerdefall ist alleine strittig, ob die Beschwerdeführerin über die Befugnis zur Durchführung der auftragsgegenständlichen Gerüstarbeiten verfügt.

Die Beschwerdeführerin beruft sich im Hinblick auf diese Gerüstarbeiten auf ihre Gewerbeberechtigung als "Spengler, Dachdecker und Schwarzdecker" und das ihr in diesem Zusammenhang zustehende Nebenrecht gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, das Nebenrecht des § 32 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 komme bei Tätigkeiten, die einem reglementierten Gewerbe vorbehalten seien, nicht zur Anwendung. Die Beschwerdeführerin wäre gemäß § 32 Abs. 2 GewO 1994 gehalten gewesen, zumindest die Verfügung über eine "entsprechend ausgebildete und erfahrene" Fachkraft nachzuweisen oder eine entsprechende Subunternehmererklärung eines geeigneten Unternehmens vorzulegen.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit dem Nebenrecht nach § 32 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 zuletzt im Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0210, beschäftigt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis insbesondere festgehalten, dass es das Gesetz im Lichte der durch die Gewerberechtsnovelle 2002 intendierten Liberalisierung nicht mehr vorsieht, dass gewisse Leistungen auch in geringem Umfang nur von gewissen Gewerbetreibenden erbracht werden können und insoweit gefahrengeneigte Leistungen einem reglementierten Gewerbe vorbehalten sind. Vielmehr liegt es bei der Ausübung der Nebenrechte nach § 32 Abs. 1 GewO 1994 gemäß § 32 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 in der Verantwortung des Gewerbetreibenden, durch die Heranziehung entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte die in dieser Bestimmung angeführte Sicherheit (unter anderem für Leib und Leben von Betroffenen) zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichthof auch auf die Strafbestimmung des § 367 Z. 33 GewO 1994 hingewiesen.

4.1. Im Beschwerdefall ist die Auffassung der belangten Behörde, die vorliegend strittigen Leistungen können ausgehend von ihrem Anteil an der Angebotssumme (weniger als 1 %) als Leistungen anderer Gewerbe in geringem Umfang im Sinne des § 32 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 angesehen werden, nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. zu dieser Frage das zitierte Erkenntnis vom mit ausführlicher Darstellung der Vorjudikatur). Es ist auch unstrittig, dass die strittigen Leistungen die eigenen Leistungen der Beschwerdeführerin im Sinne des § 32 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 wirtschaftlich sinnvoll ergänzen.

4.2. Jedoch erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, das Nebenrecht des § 32 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 komme bei Tätigkeiten, die einem reglementierten Gewerbe vorbehalten seien, nicht zum Tragen, vor dem Hintergrund des obzitierten Erkenntnisses vom als nicht zutreffend.

4.3. Auch die Auffassung der belangten Behörde, wonach gemäß § 32 Abs. 2 GewO 1994 die herangezogene Fachkraft selbst bereits die erforderliche Befugnis (und nicht bloß die entsprechende Befähigung) aufweisen muss, ist aus folgenden Erwägungen unzutreffend:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis ausgeführt hat, liegt es bei der Ausübung der Nebenrechte nach § 32 Abs. 1 GewO 1994 gemäß § 32 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 in der Verantwortung des Gewerbetreibenden, durch die Heranziehung entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte die in dieser Bestimmung angeführte Sicherheit (unter anderem für Leib und Leben von Betroffenen) zu gewährleisten. Es handelt sich also bei dieser Bestimmung - wie schon ihr Wortlaut zeigt (arg.: "Bei der Ausübung der Rechte") - um keine Vorschrift über die Gewerbeberechtigung und somit die Befugnis (im Sinne der §§ 69 bis 71 BVergG 2006), sondern um eine Vorschrift über die Ausübung des Gewerbes. Auch die Strafbestimmung des § 367 Z. 33 GewO 1994 zeigt, dass der Gesetzgeber der GewO 1994 in diesem Zusammenhang davon ausgeht, dass der Gewerbeinhaber in der Regel als Fachkräfte Arbeitnehmer beschäftigt, die - so die Bestimmung ausdrücklich - die "erforderliche Eignung" besitzen und schon begrifflich nicht eine eigene Gewerbeberechtigung und Befugnis aufweisen.

4.4. Aus diesen Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

5. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Ersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am