VwGH vom 19.03.2009, 2006/18/0178

VwGH vom 19.03.2009, 2006/18/0178

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M B in I, vertreten durch Dr. Markus Knoll, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Pacherstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom , Zl. 2/4033/23/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen marokkanischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 60 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 9, 61, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer habe am in Innsbruck die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich in der Folge für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gegenüber der Bundespolizeidirektion Innsbruck auf diese Ehe berufen, aber nie ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK mit seiner Ehefrau geführt. Diese Ehe sei vom Bezirksgericht Innsbruck mit Urteil vom , rechtskräftig seit , gemäß § 23 Abs. 1 Ehegesetz für nichtig erklärt worden, weil die Eheschließung ausschließlich zu dem Zweck erfolgt sei, dem Beschwerdeführer die Erlangung der unbeschränkten Aufenthaltsmöglichkeit im Inland und den ungehinderten Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , rechtskräftig seit , sei der Beschwerdeführer wegen schwerer Sachbeschädigung gemäß §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 7 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 180 Tagessätzen (Probezeit drei Jahre) verurteilt worden, weil er am in Innsbruck einen fremden Pkw vorsätzlich beschädigt und dadurch einen Schaden in der Höhe von EUR 3.500,-- herbeigeführt habe.

Das Eingehen einer Scheinehe im Zusammenhang mit der Verschaffung einer Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet (Ende 1998/Anfang 1999) und das dem Urteil vom zu Grunde liegende Fehlverhalten zeige deutlich die negative Einstellung des Beschwerdeführers zur Rechtsordnung, wodurch der Eindruck entstehe, dass er nicht gewillt sei, die Rechtsordnung in erforderlicher Weise zu achten. Daraus ergebe sich die berechtigte Folgerung, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 60 Abs. 1 Z. 1 FPG). Sein Fehlverhalten bezüglich der Berufung auf die Scheinehe zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung erfülle den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG. Die Fremdenpolizeibehörde sei berechtigt (und verpflichtet), ohne weiteres (ohne eine eigene Beweiswürdigung betreffend das Eingehen der Ehe vorzunehmen) von dem Urteil, womit die Ehe für nichtig erklärt worden sei, auszugehen.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG aber nicht unzulässig, sondern die sich im Gesamt(fehl)verhalten manifestierende Neigung der Person des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele des Schutzes und der Verteidigung der (öffentlichen) Ordnung auf dem Gebiet des Einwanderungs- bzw. Fremdenwesens sowie der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen dringend geboten.

Die privaten und familiären Interessen am Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet wögen höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei. Der Beschwerdeführer lebe behördlich erlaubt seit 1995 in Österreich, zunächst als Student, ab Ende 1998/Anfang 1999 als begünstigter Drittstaatsangehöriger/Ehegatte einer Österreicherin (rechtskräftiges Scheidungsurteil vom ). Der Beschwerdeführer arbeite seit 1999 - mit Unterbrechungen - als Kellner im Gastgewerbe. Er sei im Bundesgebiet dementsprechend gut integriert. Relevante familiäre Bindungen im Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer nicht. Die soziale Komponente seiner Integration werde durch sein in Rede stehendes Gesamt(fehl)verhalten erheblich beeinträchtigt. Die durch das Aufenthaltsverbot bewirkte Beeinträchtigung seiner Lebensführung müsse auf Grund des großen öffentlichen Interesses an der "Nicht-Anwesenheit" des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in Kauf genommen werden.

Dem stehe das große öffentliche Interesse am Nicht-Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gegenüber. Der Verhinderung so genannter Scheinehen bzw. Aufenthaltsehen komme - ebenso wie dem Schutz der Rechte anderer (z.B. auf Vermögen) - ein sehr großes Gewicht zu.

Die Erlassung eines fünfjährigen Aufenthaltsverbotes entspreche dem in Rede stehenden Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers. Dabei seien sowohl seine privaten/familiären Verhältnisse berücksichtigt worden als auch, dass das Berufen auf die Scheinehe zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung aus Ende 1998/Anfang 1999 und das strafrechtlich relevante Fehlverhalten aus 2004 datiere. Aus dem Gesamt-Fehlverhalten des Beschwerdeführers leuchte eindrucksvoll die Gefährlichkeit seiner Person für die öffentliche Ordnung und Sicherheit hervor.

Auf die beantragte persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Exgattin zum Beweis dafür, dass es sich bei der Eheschließung nicht um eine Scheinehe gehandelt habe, sei wegen "Unnotwendigkeit" verzichtet worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen hat, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

2. Die Beschwerde bestreitet die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend das rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom nicht. Mit diesem Urteil wurde die zwischen dem Beschwerdeführer und seiner österreichischen Ehefrau am geschlossene - und mit Urteil vom geschiedene - Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt.

Damit steht in bindender Weise fest, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt hat (vgl. zu dieser Bindungswirkung etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0327). Die diesbezügliche Verfahrensrüge geht somit ins Leere. Ferner wendet sich der Beschwerdeführer nicht gegen die Feststellung, dass er sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (Niederlassungsbewilligung) auf die Ehe berufen hat. Damit begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verwirklicht sei, keinem Einwand.

Weiters bestreitet die Beschwerde nicht das dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers, wonach dieser vorsätzlich einen fremden Pkw schwer beschädigt habe.

Angesichts der gravierenden Beeinträchtigung des großen Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zum Zweck der Erlangung von fremdenrechtlich und beschäftigungsrechtlich bedeutsamen Bewilligungen sowie an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen ist auch die weitere Annahme der belangten Behörde, dass vorliegend die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich.

3. Bei der nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes durchzuführenden Interessenabwägung hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Dauer von 11 Jahren sowie seine Berufstätigkeit - der Beschwerdeführer ist seit 1999 mit Unterbrechungen als Kellner im Gastgewerbe beschäftigt - berücksichtigt und zutreffend einen mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen relevanten Eingriff im Sinne dieser Gesetzesbestimmung angenommen. Die aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als sie auf einen Aufenthalt zurückzuführen sind, der zunächst - zwischen Mai 1995 und Mai 1999 - zweckgebunden nur zur Absolvierung eines Studiums berechtigt war. Als Student konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht damit rechnen, sich auf Dauer im Inland aufhalten zu dürfen. In der Folge wurden dem Beschwerdeführer unter Berufung auf die Scheinehe Aufenthaltstitel mit dem Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt und - zuletzt bis - verlängert. Sein Aufenthalt zwischen 1999 und 2005 war somit nur auf Grund des Eingehens einer Scheinehe möglich. Relevante familiäre Bindungen hat der Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens nicht vorgebracht. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass der Beschwerdeführer derzeit in aufrechter Lebensgemeinschaft lebe, handelt es sich dabei um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Insgesamt kommt daher - auch unter Zugrundelegung einer Dauer des inländischen Aufenthalts von insgesamt 11 Jahren - den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet kein großes Gewicht zu.

Diesen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe und die Berufung hierauf zur Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, erheblich beeinträchtigt hat. Zusätzlich hat der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten gegen das öffentliche Interesse am Schutz des Eigentums Dritter verstoßen. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme wögen nicht schwerer auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Entgegen der Beschwerdeansicht ist es auch nicht von Relevanz, ob der Beschwerdeführer zu seiner Heimat noch Bindungen hat, wird doch mit dem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen, dass er in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er allenfalls abgeschoben werde. Abgesehen davon gewährleistet § 66 FPG nicht die Gewährung eines Privat- und Familienlebens außerhalb von Österreich (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0215).

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Zuspruch von Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am