VwGH vom 23.07.2020, Ra 2020/12/0017
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Feiel als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des J J in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W221 2204228-1/2E, betreffend Feststellung der Rechtmäßigkeit und Befolgungspflicht einer Weisung nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Personalamt Wien der Österreichischen Post AG), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang, somit in seinem Spruchpunkt A/I., wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Der 1958 geborene Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist gemäß § 17 Abs. 1a Poststrukturgesetz (PTSG), BGBl Nr. 201/1996, der Österreichischen Post Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugewiesen.
2Mit Schreiben der vor dem Verwaltungsgericht belangten Dienstbehörde vom wurde dem Revisionswerber mitgeteilt, dass aus einer von der Pensionsversicherungsanstalt im Rahmen eines eingeleiteten Ruhestandsversetzungsverfahrens nach § 14 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl Nr. 333/1979, erstellten Stellungnahme des Chefärztlichen Dienstes vom und einem ärztlichen Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie vom hervorgehe, dass er derzeit nicht in der Lage sei, die Anforderungen seines Arbeitsplatzes zu erfüllen, jedoch eine leistungskalkülrelevante Besserung des Gesundheitszustandes durch fachärztlich-psychiatrische Behandlung sowie Psychopharmakologie und Psychotherapie für möglich gehalten und eine Nachuntersuchung empfohlen worden sei. Unter Berufung auf § 51 BDG 1979 wurde der Revisionswerber unter einem aufgefordert, entsprechend der Befundlage die von der Pensionsversicherungsanstalt vorgeschlagenen zumutbaren Krankenbehandlungen in Anspruch zu nehmen und Bestätigungen bzw. Befundberichte über die in Anspruch genommenen Therapiemaßnahmen jeweils im Abstand von drei Monaten vorzulegen.
3Mit Bescheid vom stellte die Dienstbehörde über Antrag des Revisionswerbers vom (gerichtet darauf, dass die Weisung rechtswidrig gewesen sei und von vornherein keine Befolgungspflicht entfaltet habe) - nach Säumnisbeschwerde vom - fest, dass die Weisung vom , sich der von der Pensionsversicherungsanstalt vorgeschlagenen zumutbaren Krankenbehandlung, nämlich sich einer fachärztlich-psychiatrischen Behandlung, einer Psychopharmakotherapie und einer Psychotherapie zu unterziehen, rechtmäßig erfolgt sei (Spruchpunkt 1.), die Weisung mangels schriftlicher Wiederholung aufgrund der Aufhebungsfiktion des § 44 Abs. 3 BDG 1979 als zurückgenommen gelte (Spruchpunkt 2.) und (Spruchpunkt 3.) für den Revisionswerber nach § 51 Abs. 2 BDG 1979 die Pflicht bestehe, sich einer zumutbaren Krankenbehandlung zu unterziehen und er daher verpflichtet gewesen wäre, die unter Spruchpunkt 1. angeführten Behandlungen zu absolvieren.
4Gegen die Spruchpunkte 1. und 3. dieses Bescheids erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, das mit dem angefochtenen Erkenntnis den Bescheid in seinem Spruchpunkt 1. mit der Maßgabe bestätigte, als es den Antrag vom auf bescheidmäßige Absprache über die Rechtmäßigkeit und Befolgungspflicht der Weisung, sich einer Krankenbehandlung zu unterziehen, als unzulässig zurückwies (A/I.). Hinsichtlich Spruchpunkt 3. gab es der Beschwerde statt und behob diesen ersatzlos (A/II.). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
5Das Verwaltungsgericht stellte - soweit für das Revisionsverfahren noch von Belang - fest, dass laut einem weiteren, von der Dienstbehörde bei der Pensionsversicherungsanstalt in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten, dem ärztlichen Gesamtgutachten einer Fachärztin für Psychiatrie/Neurologie und psychotherapeutische Medizin vom , festgestellt worden sei, dass durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation eine leistungskalkülrelevante Besserung nicht möglich sei. Weiters sei festgestellt worden, dass eine Besserung des Gesundheitszustands des Revisionswerbers nicht möglich sei.
6Rechtlich führte das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der beantragten Feststellung der Rechtmäßigkeit der Weisung vom , in der angeordnet worden sei, die vorgeschlagenen und zumutbaren Krankenbehandlungen in Anspruch zu nehmen, begründend aus, dass sich diese auf die in der Stellungnahme des Chefärztlichen Dienstes vom bzw. einem ärztlichen Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie vom empfohlene Krankenbehandlung bezogen habe. Mittlerweile sei jedoch ein weiteres, von der Dienstbehörde bei der Pensionsversicherungsanstalt in Auftrag gegebenes ärztliches Gesamtgutachten einer Fachärztin für Psychiatrie/Neurologie und psychotherapeutische Medizin vom erstellt worden, aus dem sich ergebe, dass durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation eine leistungskalkülrelevante Besserung bzw. eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht möglich sei.
7Vor diesem Hintergrund sei daher mangels einer Abwendung zukünftiger Rechtsgefährdung kein rechtliches Interesse des Revisionswerbers an der Erlassung eines Feststellungsbescheids bezüglich der Rechtmäßigkeit der zurückgezogenen Weisung vom mehr gegeben, weshalb es den Feststellungsantrag als unzulässig zurückwies.
8Zur ersatzlosen Behebung von Spruchpunkt 3. führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Behörde damit über etwas abgesprochen habe, das nicht beantragt gewesen sei und wozu auch keine amtswegige Zuständigkeit der Behörde bestanden habe.
9Die Unzulässigkeit der Revision begründete es mit dem Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
10Gegen Spruchpunkt A/I. dieses Erkenntnisses richtet sich die eine Verletzung im Recht auf Sachentscheidung geltend machende Revision aus den Gründen der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
11Zur Zulässigkeit macht der Revisionswerber primär geltend, dass die Zurückweisungsentscheidung gesetzwidrig sei, weil eine Zurückweisung nur dann in Frage komme, wenn der Antrag von Anfang an, also schon zum Zeitpunkt seiner Einbringung als unzulässig zu werten sei. Bei Wegfall des Entscheidungsinteresses sei das Verfahren hingegen einzustellen (Hinweis auf ).
12Das rechtliche Feststellungsinteresse puncto Rechtmäßigkeit und Befolgungspflicht der Weisung entfalle aber durch den Wegfall letzterer noch nicht. Dementsprechend sei in concreto eine Verfahrenseinstellung nicht in Betracht gekommen, weil das erforderliche Feststellungsinteresse weiterhin gegeben sei. Dies im Hinblick darauf, dass das Gutachten vom keineswegs die Wirkung und Bedeutung habe, welche ihm das Bundesverwaltungsgericht zugeordnet habe. Rein faktisch sei der Revisionswerber immer noch in einem Aktivdienstverhältnis. Das Gutachten habe also nicht dafür ausgereicht, seine Pensionierung herbeizuführen. Damit sei weiterhin die Möglichkeit offen, dass ihm eine Weisung zu einer von ihm zu realisierenden Krankenbehandlung erteilt werde. Sei aber diese Möglichkeit offen, bestehe das Feststellungsinteresse sowohl hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Weisung wie auch deren mangelnder Befolgungspflicht.
13Aus der Begutachtung selbst resultiere überhaupt keine Rechtsfolge. Insbesondere werde der Dienstgeber dadurch auch nicht zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, hier etwa mit der Maßgabe, dass ihm bestimmte Weisungen nicht mehr erteilt werden dürften oder könnten. Ganz allgemein könne ein Gutachten rechtliche Auswirkungen nur dadurch entfalten, dass es Anlass für ein bestimmtes rechtliches Handeln von Personen oder für Entscheidungen von Behörden oder Gerichten gebe.
14Die Revision ist aus den in Rn. 12 und 13 aufgezeigten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet.
15Im Revisionsverfahren ist nur mehr die Zurückweisung des Antrags auf Feststellung der Rechtmäßigkeit und der Befolgungspflicht der dem Revisionswerber erteilten Weisung, sich einer näher bezeichneten Krankenbehandlung zu unterziehen, gegenständlich. Das Bundesverwaltungsgericht verneinte die Zulässigkeit eines dahingehenden Feststellungsantrags im Kern mit der Begründung, dass inzwischen im Ruhestandsversetzungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei, aus dem sich ergebe, dass eine Besserung des Gesundheitszustands nicht (mehr) möglich sei. Aus diesem Grund mangle es an einer zukünftigen Rechtsgefährdung. Zu Recht berief sich das Bundesverwaltungsgericht nicht darauf, dass das Feststellungsinteresse schon im Hinblick auf das Außerkrafttreten der Weisung infolge Remonstration weggefallen wäre (vgl. dazu , Rn. 21-28).
16Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird ein rechtliches Interesse an der Erlassung eines Feststellungsbescheids darüber bejaht, ob die Befolgung einer erteilten Weisung zu den Dienstpflichten des Beamten zählt; der Umstand, dass die konkreten Auswirkungen eines Dienstauftrags der Vergangenheit angehören, bildet für sich allein noch kein Hindernis für die Erlassung eines Feststellungsbescheids, doch muss die an ein abgeschlossenes Geschehen anknüpfende Feststellung über ein Recht oder Rechtsverhältnis der Abwendung zukünftiger Rechtsgefährdung des Antragstellers dienen (siehe , mwN; , 88/12/0103).
17Im Ruhestandsversetzungsverfahren ist die Dienstunfähigkeit ein Rechtsbegriff, dessen Beurteilung der Dienstbehörde obliegt (vgl. etwa ). Nichts anderes gilt für deren Qualifikation als „dauernd“. Auch wenn gemäß § 14 Abs. 3 BDG 1979 im Verfahren über die Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit zur Beantwortung von Fragen, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fällt, für die gemäß § 17 Abs. 1a PTSG zugewiesenen Beamtinnen und Beamten Befund und Gutachten von der Pensionsversicherungsanstalt einzuholen ist, ist die Schlüssigkeit solcher Gutachten von der Dienstbehörde zu prüfen. Diese ist darüber hinaus berechtigt und verpflichtet, auch sonstige (etwa vom Beamten selbst vorgelegte) im Ruhestandsversetzungsverfahren bekannt gewordene oder von ihr selbst im Zuge dieses Verfahrens eingeholte Gutachten in ihre Beweiswürdigung einzubeziehen (vgl. ).
18Wie der Revisionswerber insoweit zutreffend vorbringt, führt daher nicht bereits das in einem Ruhestandsversetzungsverfahren eingeholte Gutachten zu einer Ruhestandsversetzung des Beamten, sondern erst die Entscheidung der Dienstbehörde (oder des Verwaltungsgerichts) in einem Verfahren nach § 14 BDG 1979. Aus einem Gutachten mag sich zwar eine dauernde Dienstunfähigkeit ergeben; das Gutachten selbst stellt jedoch bloß ein Beweismittel für die von der Dienstbehörde auszusprechende Ruhestandsversetzung dar.
19Demgemäß kann aber allein aus dem Umstand, dass (wie hier) ein Gutachten die Möglichkeit einer Besserung des Gesundheitszustands des Beamten ausschließt, noch nicht abgeleitet werden, dass die Dienstbehörde eine Weisung, dass sich der Beamte einer bestimmten, in einem früheren ärztlichen Sachverständigengutachten angeratenen Behandlung zu unterziehen habe, faktisch nicht mehr erteilen darf.
20Ein der Abwendung einer zukünftigen Rechtsgefährdung dienendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit und der Befolgungspflicht der Weisung ist in der vorliegenden Konstellation solange als gegeben anzusehen, als nicht etwa das Dienstverhältnis aufgelöst worden oder eine Versetzung in den Ruhestand bereits erfolgt wäre (vgl. ).
21Vor den genannten Zeitpunkten ist eine künftige Rechtsgefährdung jedenfalls nicht schon auf Grund der Existenz des Gutachtens ausgeschlossen. Es ist daher nach wie vor von einem Feststellungsinteresse des Revisionswerbers auszugehen. Dementsprechend hätte das Bundesverwaltungsgericht den Feststellungsantrag hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Weisung nicht zurückzuweisen, sondern diesen inhaltlich zu behandeln gehabt.
22Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Spruch auch die Befolgungspflicht bezüglich der Weisung behandelte, übersah es, dass diese nicht Gegenstand von Spruchpunkt 1. des bei ihm angefochtenen Bescheids und deshalb auch nicht Sache des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens war. In diesem Umfang war der Spruch des Bundesverwaltungsgerichts schon deshalb rechtswidrig.
23Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, belastete es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts, weshalb dieses in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
24Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGH in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020120017.L00 |
Schlagworte: | Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Besondere Rechtsgebiete Beweismittel Sachverständigenbeweis Beweismittel Sachverständigengutachten Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten rechtliche Beurteilung Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen |
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