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VwGH vom 28.03.2012, 2011/08/0375

VwGH vom 28.03.2012, 2011/08/0375

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der M KG in W, vertreten durch Kriftner Partner Rechtsanwälte KG in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-427138/0001-II/A/3/2011, betreffend Zurückweisung von Berufungen in einer Angelegenheit der Pflichtversicherung nach dem ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. ER in W, 2. DA in W,

3. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4021 Linz, Gruberstraße 77, 4. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65- 67), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom wurde der Einspruch der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom abgewiesen und festgestellt, dass die Erstmitbeteiligte auf Grund ihrer Tätigkeit als Gymnastiktrainerin für die beschwerdeführende Partei in der Zeit vom bis zum als Dienstnehmerin der Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliegt.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom wurde der Einspruch der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom abgewiesen und festgestellt, dass die Zweitmitbeteiligte auf Grund ihrer Tätigkeit als Gymnastiktrainerin für die beschwerdeführende Partei in der Zeit vom 1. bis zum , vom 1. November bis zum und vom 1. bis zum als Dienstnehmerin der Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG sowie in der Zeit vom bis zum , vom bis zum , vom bis zum , vom bis zum , vom bis zum und vom bis laufend gemäß § 7 Z 3 lit. a ASVG der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung unterliegt.

Beide Einspruchsbescheide wurden der R. Steuerberatungsges.m.b.H. Co KEG, einer der beiden Vertreterinnen der beschwerdeführenden Partei, am zugestellt.

Am (dem vorletzten Tag der zweiwöchigen Berufungsfrist), 15.24 Uhr, richtete die M. Wirtschaftsprüfung Steuerberatung GmbH als (weitere) Vertreterin der beschwerdeführenden Partei ein E-Mail an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, in dem sie unter dem Betreff "Berufung Bescheid ..." Folgendes ausführte:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

gegen den Bescheid ... vom erheben wir das Rechtsmittel der Berufung. Die Begründung für die Berufung wird nachgereicht, da Herr Dr. G. diese Woche auf Urlaub ist.

Mit freundlichen Grüßen"

Ein E-Mail gleichen Wortlauts übermittelte diese Vertreterin der beschwerdeführenden Partei am , 15.29 Uhr, unter dem Betreff "Berufung Bescheid ..." an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse.

Am überreichte die beschwerdeführende Partei, vertreten durch R. Steuerberatungsges.m.b.H. Co KEG, eine mit datierte "Berufung gegen die Bescheide vom und ", die insbesondere einen begründeten Berufungsantrag enthält.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom wies die belangte Behörde beide Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 63 Abs. 3 AVG wegen nicht behebbarer Mängel zurück. Sowohl die M. Wirtschaftsprüfung Steuerberatung GmbH als auch die R. Steuerberatungsges.m.b.H. Co KEG seien zur Vertretung der beschwerdeführenden Partei berechtigt gewesen. Die Rechtsmittelfrist zur Einbringung der Berufung habe am Dienstag, dem , zu laufen begonnen und gemäß § 63 Abs. 5 AVG am Dienstag, dem , geendet. Die Rechtsmittelbelehrungen der Einspruchsbescheide seien korrekt gewesen. Die per E-Mail eingebrachten Rechtsmittel hätten dem Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages nicht entsprochen. Es sei nicht einmal eine rudimentäre Begründung geliefert, sondern lediglich eine Berufungsanmeldung erstattet worden. Dies sei in einem Verfahren, auf das das AVG anzuwenden sei, nicht zulässig. Die Begründung sei auch nicht binnen offener Berufungsfrist nachgereicht, sondern erst am bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse abgegeben worden. Bei der beschwerdeführenden Partei liege das Element der Wissentlichkeit in Bezug auf die Einhaltung der Berufungsfrist und die Notwendigkeit einer Berufungsbegründung vor. In diesem Fall sei kein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu erteilen. Es lägen nicht behebbare Mängel vor, weshalb die Rechtsmittel zurückzuweisen waren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 415 Abs. 1 ASVG lautet:

"Die Berufung ist in Angelegenheiten der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung an das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz zu richten und steht in den Fällen des § 413 Abs. 1 Z 2 allgemein, in den Fällen des § 413 Abs. 1 Z 1 jedoch nur zu, wenn über die Versicherungspflicht, ausgenommen in den Fällen des § 11 Abs. 2 erster Satz, oder die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung entschieden worden ist. Soweit die Geschäftsfälle Angelegenheiten der Kranken- und Unfallversicherung berühren, hat der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz regelmäßig der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen hierüber zu berichten."

Der Bundesminister (die belangte Behörde) hat nach Art. I Abs. 3 EGVG als im Instanzenzug übergeordnete Behörde das AVG anzuwenden.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Auch beim Fehlen eines begründeten Berufungsantrages handelt es sich nach § 13 Abs. 3 AVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 nicht mehr um einen unheilbaren inhaltlichen, sondern um einen verbesserungsfähigen Mangel, wobei diese Norm die Behörde verhält, von Amts wegen unverzüglich die Behebung des Mangels zu veranlassen. § 13 Abs. 3 AVG dient dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind.

Wenn eine Partei jedoch - wie im vorliegenden Fall - in Kenntnis der an ein Rechtsmittel gestellten inhaltlichen Anforderungen, d.h. wissentlich, einen Schriftsatz einbringt (hier: am vorletzten Tag der Berufungsfrist), der sich mit keinem Wort inhaltlich gegen den angefochtenen Bescheid richtet, sondern lediglich ankündigt, dass die Begründung für die Berufung nachgereicht werde, weil eine bestimmte Person "diese Woche auf Urlaub ist", was im Ergebnis als Antrag auf Erstreckung der Berufungsfrist bzw. als bloße Anmeldung eines Rechtsmittels gegen späteres Nachbringen der Berufungsbegründung aufzufassen ist, dann fehlt es wegen des Elementes der Wissentlichkeit (Wissen um die Frist bzw. Kenntnis davon, dass ein Einspruch eine nähere Begründung benötigt) an einer Mangelhaftigkeit, die bloß auf einem (allenfalls auch auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführenden) Versehen der Partei beruht. Daher ist auf solche Eingaben § 13 Abs. 3 AVG von vornherein nicht anzuwenden. Dieses Ergebnis wird durch die weitere Überlegung gestützt, dass die Zulassung von Verbesserungsverfahren auch bei derartigen, wissentlich als Fristerstreckungsansuchen oder bloße Rechtsmittelanmeldungen gestalteten Eingaben dazu führen würde, dass ungeachtet dessen, dass der Gesetzgeber solche Rechtsinstitute in den allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzen nicht vorgesehen hat (im Gegensatz z. B. zu § 245 Abs. 3 BAO), diese durch das Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs. 3 AVG ohne weiteres substituiert werden könnten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0062).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am