Suchen Hilfe
VwGH vom 15.05.2013, 2011/08/0373

VwGH vom 15.05.2013, 2011/08/0373

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der Y T in R, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Neutorgasse 47, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl LGS600/SfA/0566/2011-Fa/Ja, betreffend Einstellung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erstinstanzlichem Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz vom wurde der Arbeitslosengeldbezug der Beschwerdeführerin ab dem mangels Arbeitslosigkeit eingestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ab dem zur Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe, da sie die Ausbildung zur Tagesmutter beginne.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom führte die Beschwerdeführerin aus, ihre Ausbildungszeiten wären von Montag bis Mittwoch von 8:30 bis 12:30 Uhr, Donnerstag von 8:30 bis 14:00 Uhr und Freitag von 8:30 bis 12:30 Uhr. Da sie auf Grund ihrer Ausbildungszeiten dem Arbeitsmarkt jedenfalls mehr als 20 Stunden pro Woche zur Verfügung stehe, seien die Voraussetzungen des § 7 AlVG erfüllt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen, der erstinstanzliche Bescheid aber dahingehend abgeändert, als der Arbeitslosengeldbezug mangels Verfügbarkeit eingestellt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe Bürokauffrau gelernt und zuletzt bis bei der Firma M. in der Produktion gearbeitet. In ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld habe sie angegeben, dass sie sich ab dem in einer Ausbildung (Kurs und Praktikum) befände. Laut vorgelegter Bestätigung der Tagesmütter G. GmbH dauere der Ausbildungslehrgang zur Tagesmutter und Kinderbetreuerin vom bis Ende März 2012. Die Ausbildung finde zu folgenden Zeiten statt: Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag von 8:30 bis 12:30 Uhr und Donnerstag von 8:30 bis 15:30 Uhr. Es handle sich um 325 Unterrichtseinheiten und ein zweimonatiges Praktikum (insgesamt 160 Stunden).

Nach Wiedergabe des § 7 AlVG führte die belangte Behörde weiters aus, dass die Beschwerdeführerin die Ausnahmeregelung des § 12 Abs 4 AlVG erfülle und somit Arbeitslosigkeit vorliege. Hinsichtlich der Verfügbarkeit gemäß § 7 AlVG stelle sich jedoch die Frage, ob es sich um einen Ausbildungslehrgang handle, an den die Beschwerdeführerin tagsüber gebunden sei, oder um eine Ausbildung für Berufstätige, die es der Beschwerdeführerin erlaube, eine Arbeit im Ausmaß von zumindest 20 Wochenstunden bei üblicher Arbeitszeitverteilung werktags tagsüber sofort aufzunehmen bzw. sie zu einer solchen Beschäftigung zu vermitteln. Eine Ausbildung für Berufstätige zeichne sich dadurch aus, dass der Unterrichtsschwerpunkt am Abend, am Wochenende bzw. freitags am Nachmittag liege. Die Beschwerdeführerin habe sich nicht für eine berufsbegleitende Ausbildungsvariante entschieden, sondern nehme jeden Werktag bis 12:30 Uhr am Unterricht teil (Anwesenheitspflicht); am Donnerstag auch am Nachmittag.

Sie müsse im Rahmen der Ausbildung ein zweimonatiges Praktikum in einem Kindergarten bzw. bei einer Tagesmutter verpflichtend absolvieren. Die gesamte zeitliche Inanspruchnahme betreffend die Ausbildung zur Tagesmutter und Kinderbetreuerin inklusive Praktika, Fahrzeit und Lernaufwand schließe die Aufnahme einer Arbeit in den Bereichen Büro und Produktion im Ausmaß von zumindest 20 Wochenstunden bei üblicher Arbeitszeitverteilung werktags tagsüber aus. Die Einstellung des Arbeitslosengeldes ab Ausbildungsbeginn () werde daher bestätigt, jedoch der Spruch des Bescheides insofern abgeändert, als der Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld nicht mangels Arbeitslosigkeit nicht gebühre, sondern mangels Verfügbarkeit gemäß § 7 AlVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen des § 12 Abs 4 AlVG auch über den hinaus arbeitslos im Sinne des § 12 AlVG war. Während die erstinstanzliche Behörde den Arbeitslosengeldbezug der Beschwerdeführerin ab diesem Datum noch mangels Arbeitslosigkeit eingestellt hatte, sprach die belangte Behörde aus, dass der Arbeitslosengeldbezug der Beschwerdeführerin ab dem mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt eingestellt werde. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bleibt daher zu prüfen, ob die belangte Behörde zu Recht von der mangelnden Verfügbarkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen ist.

2. Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (unter anderem) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht.

Gemäß § 7 Abs 2 AlVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer (unter anderem) eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs 3).

Gemäß § 7 Abs 3 Z 1 AlVG kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen, die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält.

§ 7 Abs 7 AlVG idF BGBl I Nr 2007/104 lautet:

"(7) Als auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotene, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Voraussetzungen entsprechende Beschäftigung gilt ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 20 Stunden. Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr oder behinderte Kinder, für die nachweislich keine längere Betreuungsmöglichkeit besteht, erfüllen die Voraussetzung des Abs. 3 Z 1 auch dann, wenn sie sich für ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 16 Stunden bereithalten."

3. Die Beschwerdeführerin bestreitet in ihrer Beschwerde die Annahme der belangten Behörde, dass sie ab dem für eine Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden sei. Sie führt dazu aus, für die Verfügbarkeit sei gemäß § 7 Abs 7 AlVG der Maßstab ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 20 Stunden. Auf Grund der festgestellten Zeiträume der Ausbildung könne dieser Zeitraum aber durch die zur Verfügung stehenden Stunden am Nachmittag, am Abend und am Samstag leicht erbracht werden. Ein Arbeitsloser erfülle die Anspruchsvoraussetzung dann, wenn er bereit und in der Lage sei, jederzeit eine sich bietende Arbeitsmöglichkeit zumindest im Umfang der Verfügbarkeitsgrenze tatsächlich aufzunehmen. Eine fehlende Verfügbarkeit ergebe sich nur aus Umständen, aus welchen in aller Regel angenommen werden könne, dass der Arbeitslose nicht an einer entsprechenden neuen Beschäftigung, sondern vorwiegend an anderen Zielen interessiert sei. Es handle sich dabei um Bindungen, die es nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht erwarten ließen, dass daneben noch eine Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu üblichen zeitlichen Bedingungen ausgeübt werden könne.

Dem angefochtenen Bescheid sei allerdings nicht zu entnehmen, dass trotz Erfüllung der 20-stündigen Verfügbarkeit pro Woche einer dieser Umstände vorliege.

4. Nach den - unbestrittenen - Feststellungen des angefochtenen Bescheids wird die Beschwerdeführerin durch ihre Ausbildung jeweils Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag von 8:30 bis 12:30 Uhr und Donnerstag von 8:30 bis 15:30 Uhr in Anspruch genommen. Die belangte Behörde geht weiters von einer Inanspruchnahme durch "Praktika, Fahrzeit und Lernaufwand" aus, ohne zu dieser zeitlichen Beanspruchung nähere Feststellungen zu treffen. Insgesamt kommt die belangte Behörde zu der Schlussfolgerung, dass durch die Ausbildung der Beschwerdeführerin die Aufnahme einer Beschäftigung in den Bereichen Büro und Produktion "im Ausmaß von zumindest 20 Wochenstunden bei üblicher Arbeitszeitverteilung werktags tagsüber" ausgeschlossen sei.

Nach § 7 Abs 7 AlVG ist die Verfügbarkeit der Beschwerdeführerin nur dann gegeben, wenn sie sich zur Aufnahme und Ausübung einer Beschäftigung mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 20 Stunden bereithält. Dabei ist aber nicht - ohne weiteres - entscheidend, ob ein derartiges Stundenausmaß "werktags tagsüber" - die belangte Behörde meint damit offenbar am Vormittag - erzielbar ist. Sofern auch Beschäftigungen zu anderen Tageszeiten auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angeboten werden, sind auch diese zu berücksichtigen (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/08/0092).

Nach den im angefochtenen Bescheid festgestellten Ausbildungszeiten der Beschwerdeführerin stünde diese werktags am Nachmittag (außer Donnerstag) bzw am Samstag ganztägig für eine Beschäftigung zur Verfügung. Damit wäre eine Beschäftigung der Beschwerdeführerin im Ausmaß von mindestens 20 Wochenstunden denkbar. Inwiefern ihre Verfügbarkeit durch "Praktika, Fahrzeit und Lernaufwand" weiter eingeschränkt wird bzw. inwiefern die spezifischen Anforderungen des Arbeitsmarkts in den Bereichen "Büro und Produktion" einer Beschäftigung im Ausmaß von mindestens 20 Wochenstunden zu den verfügbaren Zeiten entgegenstehen, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.

Wenn die belangte Behörde versucht, in ihrer Gegenschrift näher darzulegen, wie die üblichen Arbeitszeiten einer Produktionsarbeiterin ausgestaltet sind, ist sie darauf zu verweisen, dass eine fehlende Begründung des angefochtenen Bescheids in der Gegenschrift nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl unter vielen das hg Erkenntnis vom , Zl 2009/08/0205).

5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-86870