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VwGH vom 21.09.2016, 2013/17/0610

VwGH vom 21.09.2016, 2013/17/0610

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Beschwerde der G N Int. Ltd. in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , MagIbk/2987/RA-RM-AB/1, betreffend Vorschreibung von Vergnügungssteuer für Oktober 2011, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom schrieb der Stadtmagistrat der Landeshauptstadt Innsbruck der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 13 ff Tiroler Vergnügungssteuergesetz (im Folgenden kurz: TVStG) in Verbindung mit dem Gemeinderatsbeschluss vom eine Vergnügungssteuer für das Aufstellen von 21 Glücksspielautomaten an einem bestimmten Standort im Zeitraum Oktober 2011 in der Höhe von insgesamt EUR 8.800,-- vor.

1.2. In ihrer dagegen erhobenen Berufung bekämpfte die Beschwerdeführerin die zugrunde gelegte Anzahl der Automaten. Weiters wandte sie sich gegen die Qualifikation der Geräte als Glücksspielautomaten, weil die Spielentscheidung nicht an Ort und Stelle im Automat, sondern zentralseitig erfolge. So finde an den sieben Geräten der Firma O - wie diese ausdrücklich bestätigt habe - eine zentralseitige Ausspielung statt. Die drei Geräte der Firma B G seien mit einem WLAN ausgestattet, das sich an einem Server einwähle. Die weiteren Geräte der Firma V seien an einem Remote Server angeschlossen und funktionierten über VLT mode, sodass die Spielentscheidung ebenso nicht an Ort und Stelle erfolge. Wie die Beschwerdeführerin ferner vorbrachte, seien auch vier Internetcomputer aufgestellt, bei denen es sich um keine Glücksspielautomaten handle.

1.3. Im Hinblick auf dieses Berufungsvorbringen erteilte der Stadtmagistrat der Beschwerdeführerin den Auftrag, die Adressen der Gerätestandorte, mit denen die Automaten angeblich verbunden seien, bzw der Serverstandorte bekannt zu geben, eine allfällige Konzession für den Betrieb von Video-Lotterie-Terminals vorzuweisen und sämtliche Verträge vorzulegen, welche die Rechtsverhältnisse zwischen dem Serverbetreiber, dem Datenleitungsbetreiber und den jeweiligen Glücksspielveranstaltern belegten, sowie ferner eine Reihe von technischen Nachweisen über die Automaten und deren Funktionsweise zu erbringen.

1.4. Die Beschwerdeführerin legte daraufhin zwei Fotos einer nicht näher bezeichneten technischen Einheit sowie eine Rechnung über ein "15 R-Mobile Datenstarterpaket" samt Zahlungsbeleg vor. Weiters brachte sie (bereits mit der Berufung) einen in englischer Sprache verfassten "Confirmation Letter" der Firma V, eine Bestätigung der Firma B G (wonach bei Installierung eines Mobilfunk Moduls der Apparat an einen Server angeschlossen werden könne) und eine Bestätigung der Firma O (wonach gelieferte Spielgeräte für zentral vernetzte Videolotterie vorgesehen seien, dabei würden die Terminals zentralseitig über einen Server gesteuert, die Anbindung erfolge über ein eingebautes Modul oder über das Internet) in Vorlage.

2.1. Mit Berufungsvorentscheidung vom gab der Stadtmagistrat der Berufung der Beschwerdeführerin insofern teilweise Folge, als er die vorgeschriebene Vergnügungssteuer auf EUR 7.040,-- herabsetzte.

Der Stadtmagistrat führte begründend aus, die Steuervorschreibung sei in Ansehung von vier Glücksspielautomaten (wegen Verwechslung der Aufstellungsräume) aufzuheben gewesen.

Die weiteren Einwendungen seien indessen nicht berechtigt. Was vier aufgestellte "Internetcomputer" betreffe, so hätten die Erhebungen ergeben, dass diese Geräte eine (näher erörterte) Beschaffenheit bzw Funktion aufwiesen, auf Grund derer es sich um Glücksspielautomaten handle. Auch das Vorbringen, die sonstigen Geräte würden einer zentralseitigen Ausspielung unterliegen und die Spielentscheidungen nicht an Ort und Stelle in den Automaten getroffen, sei nicht stichhältig. Die Behörde habe die Beschwerdeführerin zur Beibringung diverser Unterlagen (betreffend die Adresse der Serverstandorte, das Vorliegen einer Konzession und die Rechtsverhältnisse zwischen den angeführten Firmen und dem Glücksspielveranstalter) sowie zur Vorlage von technischen Nachweisen aufgefordert. Die Beschwerdeführerin habe aber nur eine Rechnung über eingekaufte Datenstarterpakete und zwei Fotos einer technischen Einheit eingereicht, andere wichtige Nachweise habe sie nicht erbracht. Mangels vorgelegter Unterlagen habe das Vorbringen, dass es sich um Geräte mit zentralseitiger Spielentscheidung handle, nicht nachvollzogen werden können, das Vorbringen sei als reine Schutzbehauptung zu erachten.

2.2. Im Vorlageantrag wiederholte die Beschwerdeführerin ihr bereits in der Berufung erstattetes Vorbringen.

3.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab (auch) die belangte Behörde der Berufung teilweise statt, indem sie die vorgeschriebene Vergnügungssteuer auf EUR 7.040,-- herabsetzte. Im Übrigen gab sie dem Rechtsmittel keine Folge.

3.2. Soweit die belangte Behörde der Berufung stattgab, hielt sie fest, dass fälschlich Vergnügungssteuer für vier Glücksspielautomaten vorgeschrieben worden sei. Der Abgabenbetrag sei daher (um einen Betrag von EUR 1.760,--) zu reduzieren gewesen.

3.3. Soweit die belangte Behörde die Berufung abwies, führte sie aus, nach § 18 Abs 1 TVStG sei für das Aufstellen von Glücksspielautomaten für jeden angefangenen Monat eine Pauschsteuer nach festen Sätzen einzuheben. Ein Glücksspielautomat setze gemäß § 18 Abs 3 TVStG voraus, dass die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhänge und nicht zentralseitig, sondern durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung im Automat selbst erfolge.

Zur Klärung dieser Voraussetzungen habe der Stadtmagistrat im Rahmen seiner Ermittlungspflicht die Vorlage diverser Unterlagen aufgetragen, die Beschwerdeführerin sei dem Ergänzungsauftrag aber nur mangelhaft nachgekommen. So habe sie lediglich eine Ankaufsrechnung über 15 Datenstarterpakete samt Zahlungsbeleg, zwei Kopien einer technischen Einheit (ohne Beschreibung und damit nicht beurteilbar), ein nicht übersetztes englisches Schreiben (Confirmation Letter), eine Bestätigung der Firma B G, wonach bei zusätzlicher Installation eines Mobilfunk-Moduls der Apparat an einen Server angeschlossen werden könne, sowie eine Bestätigung der Firma O, wonach unter anderem für die Beschwerdeführerin diverse Apparate vorgesehen seien, vorgelegt. Andere für die Beurteilung wesentliche Nachweise - betreffend die Adresse der Serverstandorte, eine allfällige Konzession für Video-Lotterie-Terminals und die Verträge zwischen Serverbetreiber, Datenleitungsbetreiber und Glücksspielveranstaltern - sowie weitere technische Nachweise habe sie nicht erbracht. Auf Grund ihrer mangelnden Mitwirkung habe die belangte Behörde daher vom Vorliegen von Glücksspielapparaten - wofür insbesondere auch die Bestätigung der Firma B G spreche, der zufolge die Geräte erst nach einer zusätzlichen Installation als Video-Lotterie-Terminals, ohne eine solche hingegen jederzeit als Glücksspielautomaten genutzt werden könnten - auszugehen gehabt. Die gegenteiligen Behauptungen der Beschwerdeführerin seien - wie bereits der Stadtmagistrat zutreffend gewürdigt habe - als bloße Schutzbehauptungen zu erachten.

Insgesamt seien daher die Geräte jedenfalls als Glücksspielautomaten anzusehen, sodass für das Aufstellen für jeden angefangenen Monat Vergnügungssteuer zu erheben sei.

3.2. Gegen diesen Bescheid (inhaltlich nur gegen den die Berufung abweisenden Teil) wendet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit einem Aufhebungsantrag.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurück- bzw Abweisung der Beschwerde und die Zuerkennung von Schriftsatz- und Vorlageaufwand beantragte.

4. Der Verwaltungsgerichthof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

4.1. Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

4.2. § 18 Tiroler Vergnügungssteuergesetz 1982, LGBl Nr 60/1982 - Wiederverlautbarung, idF LGBl Nr 24/2011, lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 18

(1) Die Pauschsteuer wird für das Aufstellen (...) von Glücksspielautomaten für jeden angefangenen Monat nach festen Sätzen erhoben.

(...)

(3) Glücksspielautomat im Sinn des Abs. 1 ist ein gegen Entgelt zu betreibendes Gerät mit mechanischen oder elektronischen Vorrichtungen, bei dem

a) einem Spieler eine vermögenswerte Leistung ausgefolgt oder in Aussicht gestellt wird,

b) die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängt und nicht zentralseitig, sondern durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst erfolgt und

c) keine Ausspielung nach § 2 des Glücksspielgesetzes (...) durch Konzessionäre und Bewilligungsinhaber nach den §§ 5, 14, 21 und 22 des Glücksspielgesetzes erfolgt.

(...)"

5.1. Die Beschwerdeführerin macht - unter Hinweis auf Art 47 GRC und die einschlägige Judikatur - geltend, die belangte Behörde habe ihrem Antrag auf mündliche Berufungsverhandlung nicht entsprochen.

5.2. § 284 BAO ist auf das Verfahren betreffend die Vergnügungssteuer vor der belangten Behörde (hier Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck) nicht anwendbar. Auch nach der Novelle der BAO durch BGBl I Nr 20/2009 enthält diese keine verfahrensrechtlichen Regelungen über eine Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren betreffend Landes- und Gemeindeabgaben (, mwN).

5.3. Aber auch aus unionsrechtlicher Sicht ergibt sich für die belangte Behörde keine Verhandlungspflicht:

Die Grundrechtecharta kommt nur dann zur Anwendung, wenn die in Rede stehende nationale Regelung in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Dies trifft auf die gegenständliche Festsetzung einer Vergnügungssteuer nicht zu, fehlt es doch an einem hinreichenden Bezug zum Unionsrecht, wie er etwa bei einer Umsatzsteuer bejaht wurde (vgl ).

Dem steht auch das in der Beschwerde genannte , Åkerberg Fransson , nicht entgegen, ging es doch dort gerade um die Fragen der Umsatzsteuer.

Mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen, sie sei "eine Gesellschaft mit Sitz in einem (anderen) Mitgliedstaat der Europäischen Union", und ihrer Berufung "auf die unionrechtlich gewährleisteten Grundfreiheiten des Binnenmarktes" zeigt die Beschwerdeführerin noch nicht auf, dass und in welchen konkreten Freiheiten sie sich verletzt erachtet, zumal sie den vergnügungssteuerpflichtigen Aktivitäten in ihrer inländischen Betriebsstätte nachgeht. Darüber hinaus wird die zu entrichtende Abgabe unterschiedslos von inländischen und ausländischen (unionsangehörigen) Abgabepflichtigen erhoben.

5.4. Demnach ergibt sich aber, dass eine Verhandlungspflicht der belangten Behörde weder nach dem nationalen Recht noch aus unionsrechtlichen Erwägungen besteht.

6.1. Die Beschwerdeführerin macht als weiteren Verfahrensmangel geltend, die belangte Behörde habe ihrem Antrag auf Abhaltung eines Lokalaugenscheines nicht entsprochen.

6.2. Die Beschwerdeführerin verabsäumt es jedoch, konkret darzulegen, zu welchen abweichenden Feststellungen die belangte Behörde bei der Durchführung eines Lokalaugenscheins hätte kommen müssen (vgl ).

Davon abgesehen besteht kein Rechtsanspruch einer Partei auf Durchführung des Ermittlungsverfahrens in einer bestimmten Art und Weise, hier durch Abhaltung eines Lokalaugenscheins ().

7.1. Die Beschwerdeführerin bekämpft ferner die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach die Entscheidung über das Spielergebnis in den Geräten selbst und nicht zentralseitig erfolge. Diese Würdigung sei nicht nachvollziehbar, liege doch kein hinreichendes Tatsachensubstrat vor. Die Beschwerdeführerin habe umfassende Nachweise erbracht, wonach die Geräte an Server angeschlossen seien und die Entscheidung über das Ergebnis zentralseitig erfolge. Unrichtig sei, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht hinreichend entsprochen habe, die belangte Behörde hätte bloß die Unterlagen nachvollziehbar würdigen müssen.

7.2. Die Beweiswürdigung der Behörde ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nur dahin unterworfen, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und die hierbei angestellten Erwägungen schlüssig sind, was dann der Fall ist, wenn sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut nicht widersprechen (). Diese eingeschränkte Kontrollbefugnis dient somit der Wahrnehmung von Begründungsmängeln im Sinn einer unschlüssigen Beweiswürdigung ( und 0914). Nur die Schlüssigkeit, nicht die konkrete Richtigkeit der Erwägungen unterliegt der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ().

7.3. Vorliegend lassen die Beschwerdeausführungen Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde näher dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen.

Die Beschwerdeführerin wurde zur Beibringung wesentlicher Unterlagen (betreffend die Serverstandorte, eine allfällige Konzession und die jeweiligen Vertragsverhältnisse zwischen Serverbetreiber, Datenleitungsbetreiber und Glücksspielveranstalter) sowie zur Vorlage diverser technischer Nachweise aufgefordert. Sie hat dieser Aufforderung ohne ersichtlichen Grund in völlig ungenügender Weise entsprochen, sodass die belangte Behörde nachvollziehbar auf eine mangelnde Mitwirkung und folglich auf die Unzuverlässigkeit ihrer Einwendungen im Sinn der Erhebung bloßer Schutzbehauptungen schließen konnte.

Dieser Würdigung stehen - wie die belangte Behörde schlüssig würdigte - die wenigen von der Beschwerdeführerin überreichten Unterlagen nicht entgegen.

Soweit sich die Beschwerdeführerin erstmals in der Beschwerde darauf beruft, die Vorlage weiterer Nachweise wäre faktisch nicht möglich oder unzumutbar gewesen, liegt zudem ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot vor.

7.4. Davon ausgehend halten aber die behördlichen Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nach den oben aufgezeigten Kriterien stand.

8. Das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für die Steuerpflicht der Beschwerdeführerin im Sinn des § 18 TVStG ist nicht strittig.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen (§ 42 Abs 1 VwGG).

9.1. Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte nach § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl neuerlich VwGH 2013/17/0913). Auch Art 6 EMRK stand dem in der vorliegenden Abgabensache nicht entgegen ().

9.2. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455, die gemäß § 3 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, idF BGBl II Nr 8/2014, weiter anzuwenden ist.

Wien, am