VwGH vom 06.06.2012, 2011/08/0368
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See in 5600 St. Johann im Pongau, Hans Kappacher-Straße 14, gegen Spruchpunkt II des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom , Zlen. UVS-11/10995/18- 2009, UVS-5/13270/17-2009, betreffend Übertretungen des § 111 iVm § 33 ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; mitbeteiligte Partei: J T pA H GmbH in S, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1A/1.St.), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt S vom wurde dem Mitbeteiligten angelastet, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H. Bau GmbH und somit nach § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ auf einer näher bezeichneten Baustelle den Arbeitnehmer M. P. "seit bis zum " und den Arbeitnehmer M. S. "seit ca. einer Woche (40-50 Stunden) bis zum " beschäftigt, ohne sie vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben. Dadurch habe er § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG verletzt. Es wurden Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 730,-- (insgesamt EUR 1.460,--) verhängt.
Mit Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten gegen dieses Straferkenntnis Folge, behob die erstinstanzliche Entscheidung und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ein. (Mit dem durch die vorliegende Beschwerde nicht bekämpften Spruchpunkt I wurde ein Straferkenntnis wegen Übertretung des AuslBG bestätigt; s. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0282.)
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, § 33 ASVG unterscheide zwischen der Meldung krankenversicherter Personen (Abs. 1) und der Meldung bloß geringfügig Beschäftigter (Abs. 2). Bestrafe die Behörde daher wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG (Nichtmeldung krankenversicherter Personen), so habe sie in der Begründung die Krankenversicherungspflicht des Beschäftigten, d.h. einen Entgeltanspruch über der Geringfügigkeitsgrenze, dazutun. Dies bedeute zumindest die Feststellung eines solchen Umfangs der Arbeitsverpflichtung, dass daraus verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden dürfe. Gelinge ihr dies nicht, so komme nur ein Schuldspruch gemäß § 33 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG in Betracht. Eine Verfolgungshandlung müsse, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließe, unter anderem wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhaltes erfolgen, sodass die Zuordnung zur übertretenen Rechtsvorschrift eindeutig möglich sei. Dies erfordere, dass sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen habe. Mit dem bekämpften Straferkenntnis seien dem Mitbeteiligten zwei Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs. 1 ASVG angelastet worden, wobei allerdings keine Tatanlastung hinsichtlich einer bestehenden Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gemacht worden sei. Selbst im Strafantrag finde sich diesbezüglich keine direkte Feststellung. Damit sei der Berufung Folge zu geben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Verfolgungsverjährung (der Tatzeitraum endete am ) gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. In einem unaufgefordert vorgelegten "ergänzenden Schriftsatz" wies er auf das eingangs zitierte, ihm gegenüber ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0282, hin.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsbeginn beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden, wobei diese Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden kann (§ 33 Abs. 1a ASVG).
Für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a ASVG Pflichtversicherten gilt § 33 Abs. 1 ASVG mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind (§ 33 Abs. 2 ASVG).
Nach § 111 ASVG begehen Dienstgeber, im Falle einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 ASVG die Bevollmächtigten, die der ihnen auf Grund dieses Bundesgesetzes obliegenden Verpflichtung (unter anderem) zur Erstattung von Meldungen und Anzeigen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen, eine Verwaltungsübertretung und werden von der Bezirksverwaltungsbehörde in näher genannter Weise bestraft.
2. Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3 VStG) vorgenommen worden ist.
Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat (§ 32 Abs. 2 VStG).
Der Verfolgungshandlung muss entnommen werden können, wegen welcher Tat sich die Verfolgung der Behörde gegen die beschuldigte Person richtet. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/02/0053, VwSlg. 11.894 A, wurde in Ansehung der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a (nunmehr § 44a Z 1) VStG ausgeführt, dass dieser Bestimmung dann entsprochen werde, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes, sein. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/09/0199).
3. Dem vorgelegten Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass dem Mitbeteiligten die Aufforderung zur Rechtfertigung durch die erstinstanzliche Behörde am zugestellt wurde. In dieser Aufforderung wurde ihm zur Last gelegt, er habe, wie Organe des beschwerdeführenden Finanzamtes bei einer Kontrolle am festgestellt hätten, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H. B GmbH und somit nach § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ auf einer näher bezeichneten Baustelle den Arbeitnehmer M. P. "seit bis zum " und den Arbeitnehmer M. S. "seit ca. einer Woche (40-50 Stunden) bis zum " beschäftigt, ohne sie vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben. Dadurch habe er § 33 Abs. 1 iVm § 11 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG verletzt.
§ 111 ASVG enthält verschiedene Tatbilder, sodass für eine Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 VStG erforderlich ist, dass sich die Behörde auf die im Einzelfall konkret vorgeworfenen Tatbestandselemente bezieht. § 33 Abs. 1 ASVG sieht eine Verpflichtung zur Meldung für jede beschäftigte, der Pflichtversicherung entweder in der Krankenversicherung oder (iVm Abs. 2) in der Unfall- und Pensionsversicherung unterliegende Person vor. Es genügt daher für eine ausreichende Präzisierung des Tatbildes des § 111 ASVG in der Deliktskonstellation einer unterlassenen Meldung, wenn die Aufforderung zur Rechtfertigung den Hinweis darauf enthält, dass eine Gesetzesverletzung entgegen den Bestimmungen des § 33 Abs. 1 ASVG vorgeworfen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0262, und im Anschluss daran etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0198).
Damit lag aber innerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung (§ 111 Abs. 3 ASVG) eine wirksame Verfolgungshandlung betreffend die vorgeworfene Tat der Verletzung der Meldepflicht nach § 33 Abs. 1 ASVG vor. Dieser Tatvorwurf umfasst - für den Fall, dass es der Behörde nicht gelingt, einen Beschäftigungsumfang festzustellen, aus dem verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden kann - auch den Vorwurf eines Verstoßes gegen § 33 Abs. 2 ASVG. Zutreffend ist freilich, dass im Straferkenntnis sodann nachprüfbare Feststellungen dazu zu treffen sind, in welchem Umfang Arbeitsverpflichtungen bestanden und ob sohin - bezogen auf die einzelnen betroffenen Arbeitnehmer - eine Meldepflicht nach § 33 Abs. 1 oder nach § 33 Abs. 2 ASVG bestand. Derartige Feststellungen können aber auch im Verfahren zweiter Instanz nachgeholt werden (vgl. abermals die hg. Erkenntnisse vom und vom ).
Hinsichtlich der unterlassenen Anmeldung des Beschäftigten M. S. war die Tatzeit zwar sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung als auch im erstinstanzlichen Straferkenntnis nur mit den Worten "seit ca. einer Woche (40-50 Stunden) bis zum " umschrieben. Für eine Meldepflichtverletzung nach § 33 ASVG ist diese Tatumschreibung in der Verfolgungshandlung aber ausreichend, weil deren Strafbarkeit erst mit der Aufnahme der Beschäftigung beginnt und die Meldepflicht dann während des aufrechten Beschäftigungsverhältnisses weiter besteht. Eine Doppelbestrafung wegen desselben Delikts ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Zeitpunkt der Meldepflichtverletzung nicht datumsmäßig präzise angegeben wird, solange das Beschäftigungsverhältnis, auf das sich die Pflichtverletzung bezieht, eindeutig bestimmt wird; eine nochmalige Bestrafung wegen der unterlassenen Meldung ist dann in einer Konstellation wie der vorliegenden nicht möglich. Vor diesem Hintergrund hat die Verfolgungshandlung auch hinsichtlich der unterlassenen Anmeldung des Beschäftigten M. S., die sich auf ein klar umschriebenes Beschäftigungsverhältnis bezogen hat, einerseits eine Doppelbestrafung wegen desselben Delikts verhindert und andererseits dem Mitbeteiligten - wie auch die im Verfahren vor der Strafbehörde erster Instanz erstattete schriftliche Rechtfertigung zeigt - seine Verteidigung ermöglicht.
5. Da die Einstellung des Strafverfahrens wegen eingetretener Verfolgungsverjährung somit nicht der Rechtslage entsprochen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am