VwGH vom 20.12.2010, 2009/03/0155
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des W G in P, Deutschland, vertreten durch Puttinger, Vogl Partner Rechtsanwälte GmbH in 4910 Ried/Innkreis, Claudistraße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl UVS-1-1105/E1-2008, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer, dem gewerberechtlichen Geschäftsführer eines näher bezeichneten Güterunternehmens mit Sitz in P, Bundesrepublik Deutschland, zur Last gelegt, er habe als zur Vertretung nach Außen befugter Geschäftsführer eines näher genannten Beförderungsunternehmens mit Sitz in P, Bundesrepublik Deutschland, nicht dafür Sorge getragen, dass die Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes 1995 eingehalten würden; das nach dem Kennzeichen bestimmte Fahrzeug sei am , um 7.30 Uhr, in Feldkirch auf der L 191, km 03,200, in Tisis bei der Ausreise von einem namentlich genannten türkischen Staatsbürger, somit einem Staatsangehörigen eines Drittstaates, mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern, von einem Ort, welcher außerhalb des Bundesgebiets liege, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch oder von einem innerhalb des Bundesgebiets liegenden Ort in das Ausland verwendet worden. Der Beschwerdeführer habe nicht dafür gesorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr 881/92 erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt worden sei, obwohl der Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz geführt habe; lenke ein Fahrer aus einem Drittstaat das Fahrzeug, so habe dieser eine Fahrerbescheinigung mitzuführen. Er habe dadurch § 28 Abs 1 Z 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 iVm Art 6 Abs 6 der Verordnung (EWG) Nr 881/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 484/2002 übertreten. Über ihn wurde gemäß § 23 Abs 1 Z 8 iVm § 23 Abs 4 des GütbefG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.453,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. Im Beschwerdefall ist die Verordnung (EG) Nr 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs noch nicht anzuwenden. Die hier noch maßgebliche Verordnung (EWG) Nr 881/92 des Rates vom über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl Nr L 095 vom , idF der Verordnung (EG) Nr 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr 881/92 und (EG) Nr 3118/93 des Rates hinsichtlich der Einführung einer Fahrerbescheinigung, ABl L Nr 076 vom , (im Folgenden: VO) enthält folgende - für den
vorliegenden Fall relevante - Bestimmungen:
"Artikel 3
(1) Der grenzüberschreitende Verkehr unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung. ...
Artikel 4
...
(2) Die Fahrerbescheinigung gemäß Artikel 3 bestätigt, dass im Rahmen einer Beförderung auf der Straße, für die eine Gemeinschaftslizenz besteht, der diese Beförderung durchführende Fahrer, der Staatsangehöriger eines Drittstaates ist, in dem Mitgliedstaat, in dem der Verkehrsunternehmer ansässig ist, gemäß den Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls, je nach den Vorschrift dieses Mitgliedstaats, gemäß den Tarifverträgen über die Bedingungen für die Beschäftigung und Berufsausbildung von Fahrern beschäftigt ist, um dort Beförderungen auf der Straße vorzunehmen.
...
Artikel 6
(1) Die Fahrerbescheinigung gemäß Artikel 3 wird von den zuständigen Behörden des Niederlassungsmitgliedstaats des Verkehrsunternehmens ausgestellt.
(2) Die Fahrerbescheinigung wird von dem Mitgliedstaat auf Antrag des Inhabers der Gemeinschaftslizenz für jeden Fahrer ausgestellt, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist und den er rechtmäßig beschäftigt bzw. der ihm gemäß den Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls, je nach den Vorschriften dieses Mitgliedstaats, gemäß den Tarifverträgen über die in diesem Mitgliedstaat geltenden Bedingungen für die Beschäftigung und Berufsausbildung von Fahrern rechtmäßig zur Verfügung gestellt wird. Mit der Fahrerbescheinigung wird bestätigt, dass der darin genannte Fahrer unter den in Artikel 4 festgelegten Bedingungen beschäftigt ist.
(4) Die Fahrerbescheinigung ist Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt. Eine beglaubigte Abschrift der Fahrerbescheinigung ist in den Geschäftsräumen des Verkehrsunternehmers aufzubewahren. Die Fahrerbescheinigung ist den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen."
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmung des Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl Nr 593/1995 idF BGBl I Nr 153/2006 (GütbefG) lautet (auszugsweise):
"§ 23. (1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7 267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer
...
8. nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.
(3) Strafbar nach Abs. 1 Z 3, Z 6, Z 8 oder Z 11 ist ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgte.
(4) ... Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 ... Z 8 ... hat die Geldstrafe mindestens 1 453 Euro zu betragen. ..."
2. Mit dem Vorbringen, der Fahrer habe zum Zeitpunkt der gegenständlichen Fahrt lediglich über eine befristete Aufenthaltsberechtigung verfügt, was - trotz an sich rechtmäßiger Beschäftigung beim Beschwerdeführer - nicht dazu ausgereicht habe, von der zuständigen deutschen Behörde eine Fahrerbescheinigung ausgestellt zu erhalten, entfernt er sich von dem von der belangten Behörde festgestellten - nicht in Abrede gestellten - Sachverhalt. Danach hat der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht, dass er umgehend nach der Kontrolle einen Antrag auf Erteilung einer Fahrerbescheinigung gestellt und diese Fahrerbescheinigung auch ausgestellt erhalten habe, und dass der Berufung auch eine Kopie dieser Fahrerbescheinigung vom beigeschlossen war. Entgegen der Beschwerde liegt demnach auch keine Regelungslücke vor, nach der die Erteilung einer Fahrerbescheinigung im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen wäre. Mit diesem Vorbringen vermag daher die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
3. Wenn sich die Beschwerde unter Hinweis auf Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls zu dem am unterzeichneten Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei, ABl L 293 vom , sowie auf Art 13 des Beschlusses Nr 1/80 des durch das genannte Assoziierungsabkommen geschaffenen Assoziationsrates beruft und daraus den Schluss zieht, dass die Ausstellung einer Fahrerbescheinigung zum Zeitpunkt der gegenständlichen Fahrt "aus gemeinschaftlichen Erwägungen" nicht erforderlich gewesen sei, ist ihr das hg Erkenntnis vom , Zl 2007/03/0221, entgegenzuhalten, auf das gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird. Aus den in diesem Erkenntnis angestellten Überlegungen erweisen sich diese Beschwerdeausführungen als nicht zielführend. Mit dem Hinweis auf die - wie dargestellt - unzutreffende Auffassung, dass im gegenständlichen Fall die Erteilung einer Fahrerbescheinigung zum Zeitpunkt der gegenständlichen Fahrt überhaupt nicht möglich gewesen wäre, legt der Beschwerdeführer auch nicht mit Erfolg dar, dass sich sein Fall von dem Fall, der dem besagten hg Erkenntnis zugrunde liegt, maßgeblich unterscheiden würde. Mit dem Hinweis auf das besagte Erkenntnis im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde entgegen der Beschwerde zudem keinen Verfahrensfehler gesetzt.
4. Entgegen seiner Auffassung kann sich der Beschwerdeführer mit seiner unzutreffenden Ansicht, dass "türkische Fahrer" auf Grund des Assoziierungsabkommens keine Fahrerbescheinigung benötigten, auch nicht auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum iSd § 5 Abs 2 VStG berufen. Das Erfordernis einer Fahrerbescheinigung basiert auf nicht nur in Österreich, sondern für den Bereich der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften. Der Beschwerdeführer hätte bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit die strafbare Handlung als solche erkennen müssen, muss doch von einem zur Vertretung nach Außen befugten Geschäftsführer eines Beförderungsunternehmens für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern im Rahmen des grenzüberschreitenden Verkehrs nach den genannten rechtlichen Regelungen verlangt werden, sich mit den einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen und sich gegebenenfalls zuvor in geeigneter Weise (etwa durch eine Rückfrage bei den zuständigen österreichischen Behörden) über den aktuellen Stand der hiefür maßgeblichen Vorschriften zu informieren (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2000/03/0014).
5. Die Beschwerde meint schließlich, dass es bisher noch zu keiner einzigen verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers gekommen sei und im Hinblick auf diese bisherige Unbescholtenheit gemäß § 20 VStG ein Unterschreiten der Mindeststrafe geboten gewesen wäre, "da Milderungsgründe gegeben sind, hingegen keine Erschwerungsgründe vorliegen". Gemäß § 20 VStG könne die Mindeststrafe bis zur Hälfte unter anderem dann unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Vorliegend müsse als Milderungsgrund in Betracht gezogen werden, dass der Beschwerdeführer umgehend nach der Kontrolle einen Antrag auf Erteilung einer Fahrerbescheinigung für den in Rede stehenden türkischen Fahrer gestellt habe und die Fahrerbescheinigung in weiterer Folge auch ausgestellt worden sei, weshalb der Schutzzweck der Verordnung nicht einmal berührt worden sei. Auch dieses Vorbringen geht fehl.
Vorliegend wurde dem angesprochenen Schutzzweck der in Rede stehenden Verordnung insofern zuwidergehandelt, als zum Zeitpunkt der gegenständlichen Kontrolle die erforderliche Fahrerbescheinigung unstrittig nicht vorhanden war. Sofern mit dem Hinweis auf den Schutzzweck auf den Nichteintritt eines Schadens abgestellt werden solle, vermag der Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil es sich bei der in Rede stehenden Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinn des § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG handelt, bei dem der Nichteintritt eines Schadens schon nach dem Zweck der Strafdrohung (§ 19 Abs 2 VStG) nicht als Milderungsgrund in Betracht kommt (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/03/0066). Weiters kann der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit auch bei Fehlen von Erschwerungsgründen für sich genommen noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe im Sinn des § 20 VStG bewirken (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2000/03/0139).
6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am