TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 29.02.2012, 2009/03/0154

VwGH vom 29.02.2012, 2009/03/0154

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Dr. C B in W, vertreten durch Berlin Partner Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Arenbergstraße 2, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl LF1-J-139/088-2009, betreffend Aberkennung der Rechte als Jagdaufsichtsorgan, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid vom erkannte die Bezirkshauptmannschaft B (BH) dem Beschwerdeführer seine mit Bestätigung und Beeidigung durch die BH am erworbenen Rechte als Jagdaufseher für ein näher bezeichnetes Eigenjagdgebiet ab und trug ihm auf, seinen Bezug habenden Dienstausweis sowie das Dienstabzeichen unverzüglich bei der Behörde abzugeben.

Begründend führte die BH aus, der Beschwerdeführer sei am wegen der Vergehen nach den §§ 89 und 105 StGB zur Anzeige gebracht worden. Er sei verdächtig, am gegen 17.30 Uhr im Gemeindegebiet von H auf einer Schotterstraße an einem näher bezeichneten Ort Frau M W mit ihrem Pferd zum Galoppieren genötigt zu haben, indem er mit einem nach Kennzeichen umschriebenen PKW der Reiterin im geringen Abstand und mit aufheulendem Motor nachgefahren sei. Überdies sei er mit dem PKW auf M W und ihr Pferd zugefahren, als diese auf einer Wiese stehen geblieben seien. Frau M W habe mit ihrem Pferd einen Satz zur Seite machen müssen, widrigenfalls sie und ihr Pferd vom PKW erfasst worden wären. Ferner sei der Beschwerdeführer verdächtig, am gegen 16.30 Uhr im Gemeindegebiet von H auf der genannten Schotterstraße die Reiterinnen E H und N P zum Galoppieren genötigt zu haben, indem er ihnen mit einem Quad in einem sehr dichten Abstand und mit aufheulendem Motor nachgefahren sei. Dabei habe er mit dem Fahrzeug das Pferd von E H gestreift, das dabei eine kleine Kratzwunde erlitten habe. Mit Strafanzeige vom sei der Beschwerdeführer neuerlich wegen des Vergehens nach § 89 StGB zur Anzeige gebracht worden. Er sei verdächtig, am gegen 12.45 Uhr im Gemeindegebiet H auf einer Schotterstraße die beiden (minderjährigen) Reiterinnen S H und A W durch rasches, beschleunigtes Zufahren auf diese mit seinem Jeep in ihrer körperlichen Sicherheit gefährdet zu haben.

Aufgrund des vom Beschwerdeführer wiederholt gesetzten Verhaltens komme die Behörde zu dem Schluss, dass bei ihm die in § 67 Abs 2 NÖ Jagdgesetz für die Bestätigung und Beeidigung von Jagdaufsichtsorganen geforderte Vertrauenswürdigkeit nicht mehr gegeben sei. Deshalb sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Der gegen diesen Mandatsbescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers gab die BH mit Bescheid vom keine Folge. Die gegen den zuletzt genannten Bescheid eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 67 Abs 1 Z 4 und 5 iVm § 67 Abs 2 NÖ Jagdgesetz, LGBl 6500-24 (NÖ JG), und § 7 des NÖ Landeskulturwachengesetz, LGBl 6125-2, ab.

Zur Begründung ihrer Entscheidung gab die belangte Behörde zunächst den erstinstanzlichen Bescheid vom und die dagegen erhobene Berufung wörtlich wieder und führte die von ihr herangezogenen Rechtsgrundlagen an. Anschließend setzte sich die belangte Behörde mit dem Einwand des Beschwerdeführers, zur Anhaltung der Reiterinnen berechtigt gewesen zu sein, auseinander, und hielt - zusammengefasst - fest, dass die Anhaltung jedenfalls mit verhältnismäßigen Mitteln zu erfolgen gehabt hätte. Die vom Beschwerdeführer "erwiesenermaßen gesetzten Handlungen, um die Reiterinnen zum Anhalten zu zwingen wie Nachjagen mit dem Pkw, Versperren des Weges, Beschimpfungen" ließen "jegliche Verhältnismäßigkeit vermissen". Richtig wäre nach Ansicht der belangten Behörde eine Mitteilung der Verstöße der Reiterinnen an den betroffenen Reitstallbesitzer gewesen, der ein starkes wirtschaftliches Interesse haben müsse, dass die zwischen ihm und der Forstverwaltung H abgeschlossene zivilrechtliche Nutzungsvereinbarung nicht aufgelöst würde und seine Kunden im Eigenjagdgebiet H möglichst viele Reitmöglichkeiten zur Verfügung hätten. Deshalb wäre er gezwungen gewesen, die Reiterinnen zur ordnungsgemäßen Benützung der Reitwege anzuhalten. Die Befugnis des Jagdaufsehers umfasse nur das Recht auf Anhaltung zur Identitätskontrolle, nicht aber "das Recht mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen". Im Übrigen schließe sich die belangte Behörde vollinhaltlich den Ausführungen des Bescheides der BH vom an. Die belangte Behörde komme daher zur Ansicht, dass die Behörde erster Instanz die Vertrauensunwürdigkeit des Beschwerdeführers richtig beurteilt habe und dass ein "Sich-Verlassen-Können" durch die Art und Weise des festgestellten Handelns nicht mehr gegeben sei. Der Beschwerdeführer sei deshalb nicht vertrauenswürdig und es seien ihm die erworbenen Rechte als Jagdaufseher abzuerkennen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzungen von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 65 Abs 1 NÖ JG haben (ua) Eigentümer von nichtverpachteten Eigenjagdgebieten für einen ausreichenden Jagdschutz zu sorgen und zu diesem Zweck Jagdaufseher zu bestellen, deren behördliche Bestätigung und Beeidigung sowie die Aberkennung ihrer Rechte gemäß § 66 Abs 1 NÖ JG im Gesetz über die Beeidigung und äußere Kennzeichnung der öffentlichen Landeskulturwachen, LGBl 6125 (nunmehr: NÖ Landeskulturwachengesetz, LGBl 6125-2), geregelt ist.

Gemäß § 7 Abs 1 NÖ Landeskulturwachengesetz hat die Bezirksverwaltungsbehörde den Verlust der mit der Bestätigung und/oder Beeidigung erworbenen Rechte auszusprechen und den Dienstausweis sowie das Dienstabzeichen einzuziehen, wenn ein Umstand eintritt oder ein solcher nachträglich bekannt wird, der die Bestätigung und/oder Beeidigung des Wachorganes behindert hätte.

In diesem Sinn setzt die Bestätigung und Beeidigung eines Jagdaufsehers gemäß § 67 Abs 1 NÖ JG unter anderem voraus, dass er über körperliche und geistige Eigenschaften verfügt, welche seine Betrauung mit den Rechten und Pflichten, wie sie auch von einem öffentlichen Aufsichtsorgan verlangt werden, gerechtfertigt erscheinen lassen (Z 4) und dass er vertrauenswürdig ist (Z 5).

Gemäß § 67 Abs 2 NÖ JG sind wegen mangelnder Vertrauenswürdigkeit von der Bestätigung und Beeidigung für den Jagdaufsichtsdienst insbesondere Personen ausgenommen, die wegen strafbarer Handlungen im Sinne des § 61 Abs 1 Z 11 NÖ JG verurteilt worden sind, solange die Strafe nicht getilgt oder die Strafnachsicht nicht erteilt worden ist; ferner Personen, auf welche die Bestimmungen des § 61 Abs 1 Z 12 NÖ JG zutreffen (dabei handelt es sich um Personen, die wegen in dieser Norm näher präzisierten Übertretungen des NÖ JG, einer dazu erlassenen Verordnung oder einer Natur- oder Tierschutzbestimmung bestraft worden sind), für die Dauer von drei Jahren ab Rechtskraft des letzten Straferkenntnisses oder der letzten Strafverfügung.

2. Von den oben angeführten Vorschriften, die seitens der belangten Behörde als Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides herangezogen wurden, sind fallbezogen nur § 7 Abs 1 NÖ Landeskulturwachengesetz iVm § 67 Abs 1 Z 5 NÖ JG von Relevanz. Die Bescheidbegründung liefert nämlich keine ausreichenden Grundlage dafür, den Verlust der Rechte des Jagdaufsehers auf § 67 Abs 1 Z 4 NÖ JG zu stützen oder auf eine in § 67 Abs 2 NÖ JG genannte Verurteilung oder Bestrafung zu gründen (nach der Aktenlage wurde das gegen den Beschwerdeführer wegen der gegenständlichen Vorfälle eingeleitete Strafverfahren nach diversioneller Erledigung eingestellt).

3. Dem Begriff der "Vertrauenswürdigkeit" iSd § 67 Abs 1 Z 5 NÖ JG kommt unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs inhaltlich die Bedeutung von "Sich verlassen können" zu. Entscheidend ist, ob das bisherige Verhalten - wobei das Gesamtverhalten zu würdigen ist - auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick (hier) auf die Bestimmungen des Jagdgesetzes obliegt (vgl dazu das zum Salzburger Jagdgesetz ergangene, in seinen diesbezüglichen Erwägungen aber verallgemeinerungsfähige hg Erkenntnis vom , Zl 2002/03/0135).

Ausgehend davon könnte der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers aufgrund der im gegenständlichen Verfahren gegen ihn erhobenen Vorwürfe für nicht mehr gegeben angesehen hätte, zumal die ihm angelasteten Straftaten auf ein (aggressives) Persönlichkeitsbild schließen ließen, das mit den Aufgaben eines Jagdaufsichtsorgans (nach § 65 iVm § 64 NÖ JG) nicht vereinbar wäre.

Voraussetzung für eine solche Beurteilung ist aber in jedem Fall ein mängelfreies Ermittlungsverfahren, aufgrund dessen in einer gemäß § 67 iVm § 60 AVG ausreichend begründeten Entscheidung festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Taten auch tatsächlich begangen hat. Diesem Erfordernis hat die belangte Behörde, wie die Beschwerde zu Recht geltend macht, nicht entsprochen:

Abgesehen davon, dass der angefochtene Bescheid (wie auch der verwiesene erstinstanzliche Bescheid vom ) keine Sachverhaltsfeststellungen enthält und sich daher nur mittelbar - unter Zuhilfenahme der Ausführungen im Mandatsbescheid der BH - erkennen lässt, von welchem Sachverhalt die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung überhaupt ausgegangen sein dürfte, hat sich die belangte Behörde mit den Einwänden des Beschwerdeführers gegen die ihm vorgeworfenen Taten (der Beschwerdeführer hat sowohl im erstinstanzlichen als auch im Berufungsverfahren ausdrücklich bestritten, die von der belangten Behörde begründungslos als "erwiesen" angenommenen Delikte begangen zu haben) nicht auseinandergesetzt und ist auf die zum Beweis seines Vorbringens gestellten Beweisanträge nicht eingegangen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Durchführung eines mängelfreien Verfahrens ein anderes, für den Beschwerdeführer günstigeres Ergebnis erzielt worden wäre, erweisen sich diese Verfahrensmängel auch als relevant.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am