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VwGH vom 11.03.2021, Ra 2020/11/0120

VwGH vom 11.03.2021, Ra 2020/11/0120

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des A S in S (Deutschland), vertreten durch MMag. Dr. Peter Kaser, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurnerstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-302577/15/KLe/HK, betreffend Übertretungen des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Perg),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als damit die Beschwerde gegen Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen, also hinsichtlich der durch das angefochtene Erkenntnis bestätigten Spruchpunkte 1., 2., 4. und 5. des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom , wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

11.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als Verantwortlicher einer näher genannten Firma mit Sitz in Deutschland zu verantworten, dass

1. die Beschäftigung eines nach Österreich entsandten mobilen Arbeitnehmers im Transportbereich vor dessen Einreise der Zentralen Koordinationsstelle (ZKO) nicht gemeldet worden sei,

2. während des Entsendezeitraums die Unterlagen über die Anmeldung dieses Arbeitnehmers zur Sozialversicherung nicht im Fahrzeug bereitgehalten und auch vor Ort nicht unmittelbar in elektronischer Form zugänglich gemacht worden seien,

3. die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen, nämlich die ZKO3T-Meldung, Sozialversicherungsunterlagen (Dokument A1 oder andere Form des Nachweises), Arbeitsvertrag oder Dienstzettel und Arbeitszeitaufzeichnungen (Dezember 2018, Jänner 2019), trotz nachweislicher Aufforderung der Abgabenbehörde nicht spätestens bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages übermittelt worden seien,

4. der Arbeitsvertrag oder Dienstzettel und Arbeitsaufzeichnungen nicht im Fahrzeug bereitgehalten und auch den Abgabenbehörden nicht unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich gemacht worden seien, und

5. näher genannte Lohnunterlagen nicht übermittelt worden seien.

2Dadurch habe der Revisionswerber gegen

1. § 19 Abs. 1 und 2 iVm. § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG,

2. § 21 Abs. 1 iVm. § 26 Abs. 1 Z 3 LSD-BG,

3. § 12 Abs. 1 Z 3 iVm § 27 Abs. 1 LSD-BG und

4. und 5. § 22 Abs. 1a iVm § 28 Z 1 LSD-BG

verstoßen, weswegen über ihn für jeden Spruchpunkt eine Geldstrafe (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

31.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab, verpflichtete ihn zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4Das Verwaltungsgericht führte, soweit hier maßgeblich, aus, der genannte Arbeitnehmer, der Fahrer eines LKW, habe bei einer Kontrolle durch die Finanzpolizei die genannten Unterlagen nicht vorlegen können. Von der vom Revisionswerber vertretenen Firma seien die ZKO3T-Meldung, die Sozialversicherungsunterlagen, der Arbeitsvertrag oder Dienstzettel und Arbeitszeitaufzeichnungen angefordert worden. Diese seien allerdings nicht fristgerecht übermittelt worden, weswegen der objektive Tatbestand des § 27 Abs. 1 LSD-BG erfüllt gewesen sei.

51.3. Gegen dieses Erkenntnis (und zwar ausdrücklich „zur Gänze“) richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten vorgelegte (außerordentliche) Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

62. Die maßgeblichen Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes - LSD-BG, BGBl. I Nr. 44/2016 in der Fassung BGBl. I Nr. 64/2017, lauten (auszugsweise):

Erhebungen der Abgabenbehörden

§ 12. (1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach den § 21 und 22 zu überwachen sowie in Bezug auf Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort außerhalb Österreichs, die nicht dem ASVG unterliegen, die zur Kontrolle des unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts (Lohnkontrolle) im Sinne des § 29 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und

...

3.in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 21 und 22) Einsicht zu nehmen, Ablichtungen dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung dieser Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

...

Meldepflicht bei Entsendung oder Überlassung aus einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft

§ 19. (1) Arbeitgeber und Überlasser mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben die Beschäftigung von nach Österreich entsandten Arbeitnehmern und nach Österreich überlassenen Arbeitskräften zu melden. Die Meldung hat für jede Entsendung oder Überlassung gesondert zu erfolgen. Nachträgliche Änderungen bei den Angaben gemäß Abs. 3 oder Abs. 4 sind unverzüglich zu melden. Ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Meldepflichten nach diesem Absatz und den Abs. 2 und 3 als Arbeitgeber.

(2) Die Entsendung oder Überlassung im Sinne des Abs. 1 ist vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle zu melden. Im Fall von mobilen Arbeitnehmern im Transportbereich ist die Meldung vor der Einreise in das Bundesgebiet zu erstatten. Die Meldung hat ausschließlich automationsunterstützt über die elektronischen Formulare des Bundesministeriums für Finanzen zu erfolgen. Arbeitgeber haben im Fall einer Entsendung der Ansprechperson nach § 23 oder, sofern nur ein Arbeitnehmer entsandt wird, diesem die Meldung in Abschrift auszuhändigen oder in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen.

...

Verstöße im Zusammenhang mit den Melde- und Bereithaltungspflichten bei Entsendung oder Überlassung

§ 26. (1) Wer als Arbeitgeber oder Überlasser im Sinne des § 19 Abs. 1

1.die Meldung oder die Meldung über nachträgliche Änderungen bei den Angaben (Änderungsmeldung) entgegen § 19 nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet oder

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro zu bestrafen.

...

Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle

§ 27. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen den § 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen den § 14 Abs. 2 oder 15 Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.

...“

73. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zum einen vor, es fehle in Bezug auf die Bestrafung wegen des Nichtübermittelns von Unterlagen (Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses der belangten Behörde) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wann das Bereithalten von Unterlagen bzw. die Verpflichtung zu deren nachträglicher Übermittlung „unzumutbar“ sei. Zum anderen sei die Revision zulässig, weil der Revisionswerber sowohl wegen des Nichterstattens der ZKO3T-Meldung (Spruchpunkt 1. dieses Straferkenntnisses) als auch wegen des Nichtübermittelns dieser Meldung an die Abgabenbehörde (Spruchpunkt 3. dieses Straferkenntnisses) bestraft worden sei. Dadurch habe das Verwaltungsgericht gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen (Hinweis auf ).

83.1. Soweit trennbare Absprüche vorliegen, ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. Weist eine angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes mehrere trennbare Spruchpunkte auf, so kommt auch eine teilweise Zurückweisung der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof in Betracht (vgl. z.B. ; , Ro 2017/04/0020, 0021, 0083, 0084; , Ra 2015/12/0008; , Ra 2020/15/0035).

93.2. Die Revision ist zulässig, soweit sie sich gegen die mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts bestätigte Bestrafung wegen des Nichtübermittelns näher genannter Unterlagen gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 iVm. § 27 Abs. 1 LSD-VG (Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses der belangten Behörde) richtet, weil sie zutreffend vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Sie ist insoweit auch begründet.

10Der Revisionswerber wurde durch den mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigten Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der belangten Behörde wegen der Nichterstattung der Entsendemeldung gemäß § 19 Abs. 1 und 2 iVm. § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG bestraft. Er hat daher dadurch, dass er die Entsendemeldung trotz Aufforderung nicht übermittelt hat, nicht zusätzlich gegen § 12 Abs. 1 Z 3 iVm. § 27 Abs. 1 LSD-BG verstoßen (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2020/11/0001, mwN, auf dessen nähere Begründung insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

11Schon aus diesem Grund war das angefochtene Erkenntnis insoweit, als damit die Beschwerde gegen Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses der belangten Behörde abgewiesen wurde, (hinsichtlich dieses Spruchpunktes zur Gänze) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

123.3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15Hinsichtlich der durch das angefochtene Erkenntnis ebenfalls bestätigten Spruchpunkte 1., 2., 4. und 5. des Straferkenntnisses der belangten Behörde enthält die Zulässigkeitsbegründung der Revision kein Vorbringen. Die Revision war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

164. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff, insbesondere auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwanderatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110120.L00

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