VwGH vom 17.03.2011, 2009/03/0151
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde der H K in G, vertreten durch Doschek Rechtsanwalts GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 29/7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl BMVIT- 220.100/0003-IV/SCH2/2009, betreffend Feststellung in einer Angelegenheit nach dem Eisenbahngesetz 1957 (mitbeteiligte Parteien: 1. AG der Wbahnen, 2. W Cargo GmbH, beide in W, beide vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3/29), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Die Beschwerdeführerin, Eigentümerin einer an die Fgasse, auf der - niveaugleich und nicht auf einem eigenen Bahnkörper verlaufend - die Trasse der erstmitbeteiligten Partei (iF: W) führt, grenzenden Liegenschaft in Guntramsdorf, hatte mit einem bei der Erstbehörde am eingelangten, mit "" datierten Schriftsatz (ua) die Feststellung beantragt, dass näher bezeichnete, im Zeitraum Juni bis Oktober 2007 auf dem Grundstück in der Fgasse seitens der W durchgeführte Bauarbeiten konsenslos erfolgt seien. Es seien nicht nur die verlegten Schienen erneuert worden, sondern die Fgasse durchgehend aufgegraben und ein neues Fundament eingebaut worden, zu dem Zweck, schwere Güterzüge über diese Strecke führen zu können.
2. Mit Bescheid des Landhauptmanns von Niederösterreich vom wurde über diesen Antrags gemäß § 56 AVG iVm § 36 Abs 1 EisbG festgestellt, dass für die von der W im Zeitraum Juni bis Oktober 2007 durchgeführten Umbauten am Gleiskörper in der Fgasse keine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung nach den Bestimmungen des § 31 EisbG erforderlich sei.
Begründend führte die Erstbehörde im Wesentlichen folgendes aus: Unter Zugrundelegung der Rechtsansicht, dass für die gesetzten Baumaßnahmen kein eisenbahnrechtliches Bauverfahren durchzuführen sei, sei es allfälligen Parteien auch nicht möglich, ihre behaupteten subjektiven öffentliche Rechte geltend zu machen, weshalb die Erlassung eines Feststellungsbescheids im gegenständlichen Fall ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sei. Der Feststellungsantrag sei daher zulässig. Voraussetzung für die Bewilligungsfreiheit der Veränderung von Eisenbahnanlagen sei nach § 36 Abs 1 Z 1 EisbG, dass diese keine umfangreichen, zu einer Verbesserung der Gesamtleistung der Eisenbahn führenden Arbeiten bedingten. Weitere Voraussetzung sei, dass subjektive öffentliche Rechte Dritter, denen unter der Voraussetzung einer Baugenehmigungspflicht für die Maßnahmen Parteistellung zugekommen wäre, nicht verletzt werden. Die Erstbehörde habe sich schon vor Einbringung des gegenständlichen Feststellungsantrages mit der Frage der Baubewilligungspflicht befasst und dazu einen Amtssachverständigen für Eisenbahntechnik und -betrieb beigezogen. Ausgehend von dessen - im Erstbescheid wiedergegebenen - Stellungnahme komme es durch das Bauvorhaben zu keiner Verbesserung der Gesamtleistung der gegenständlichen Eisenbahn. Subjektive öffentliche Rechte der Beschwerdeführerin, deren Liegenschaft gemäß § 42 Abs 1 EisbG im Bauverbotsbereich gelegen sei, würden nicht verletzt, weil sich durch die Sanierung des Gleiskörpers keine Änderung und schon gar keine Verschlechterung der Rechtsposition der Eigentümer von im Bauverbotsbereich gelegenen Liegenschaften ergebe.
3. In der Berufung gegen den Erstbescheid wandte die Beschwerdeführerin unter anderem ein, dass der von der Erstbehörde beigezogene Amtssachverständige nicht über den vollen Umfang des Bauvorhabens in Kenntnis gesetzt worden sei, insbesondere nicht von einem Abgraben der ganzen Fgasse und Errichten eines völlig neuen Untergrundes. Gerade diese Maßnahmen seien aber nur wegen der über die Fgasse fahrenden Güterzüge notwendig gewesen, während für die Lokalbahn W-B der Austausch der Schienen und die Sanierung des Fahrbahnbelages ausreichend gewesen seien. Während vor den Umbauarbeiten nur leere Güterzüge über die Fgasse gefahren seien, würde diese seither mehrmals täglich in beide Richtungen durch schwer beladene Güterzüge befahren. Die Umbauarbeiten hätten daher zu einer Verbesserung der Gesamtleistung geführt.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die gegen den Erstbescheid gerichtete Berufung als unbegründet ab.
Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, auf Grund der nachvollziehbaren und schlüssigen Stellungnahme des Amtssachverständigen der Erstbehörde sei davon auszugehen, dass die gegenständlichen Bauarbeiten keine zu einer Verbesserung der Gesamtleistung der Eisenbahn führenden Arbeiten darstellten. Daran könne das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Berufung nichts ändern. Schon die Erstbehörde habe nämlich unter Zugrundelegung der nachvollziehbaren und schlüssigen Stellungnahme des Amtssachverständigen, wonach die höchst zulässige Achslast im beschwerdegegenständlichen Bereich sowohl vor als auch nach Durchführung der gegenständlichen Bauarbeiten 22,5 t betrage, zusammenfassend festgestellt, dass es durch die Beibehaltung der Achslastgruppe zu keiner Erhöhung bzw Verbesserung der Gesamtleistung der Bahnstrecke der W komme. Darüber hinaus würden die bestehenden eisenbahnsicherungstechnischen Einrichtungen von den berufungsgegenständlichen Baumaßnahmen nicht berührt und blieben vielmehr, wie bereits im Bestand vorhanden, erhalten. Die belangte Behörde habe daher keinen Anlass, die diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen des Amtssachverständigen der Erstbehörde und die daraus von dieser gezogenen Schlüsse in Zweifel zu ziehen. Zu ergänzen sei, dass sowohl vor als auch nach Durchführung der gegenständlichen Bauarbeiten die Führung von Eisenbahnverkehr (Personen- und Güterverkehr) bis zu einer Achslast von 22,5 t im gegenständlichen Bereich eisenbahnbautechnisch möglich (gewesen) sei und ein derartiger Verkehr auch stattgefunden habe bzw weiterhin stattfindet. Zu dem in der Berufung enthaltenen Vorbringen, der Amtssachverständige sei nicht über den vollen Umfang der gegenständlichen Bauarbeiten in Kenntnis gesetzt worden, sei "weiters zu ergänzen, dass eine der Vollständigkeit halber getätigte informative Nachfrage beim Amtssachverständigen (der belangten Behörde) ergeben hat, dass den entsprechenden Fotos der im Verwaltungsakt enthaltenen Fotodokumentation der (Beschwerdeführerin) zum einen zweifelsfrei entnommen werden kann, dass das der Stellungnahme des Amtssachverständigen der erstinstanzlichen Behörde zugrunde gelegte Schienensystem EDILON tatsächlich zum Einbau gelangt ist". Zum anderen "hat der Amtssachverständige (der belangten Behörde) ergänzend auch darauf hingewiesen, dass mit dem Einbau derartiger Systeme regelmäßig auch entsprechende Arbeiten am Unterbau verbunden sind". Das Berufungsvorbringen gehe daher "schon aus diesem Grund" ins Leere.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien erwogen:
5.1. Die Beschwerde rügt - ua - als Mangelhaftigkeit des Verfahrens, dass sich die belangte Behörde mit den in der Berufung erhobenen Einwänden gegen die Sachverhaltsannahme, die in Rede stehenden Bauarbeiten hätten nicht zu einer Erhöhung der Gesamtleistung der Eisenbahn geführt, nicht ausreichend auseinander gesetzt habe; sie ist damit im Recht.
5.2. Ausgehend von der Aktenlage kann nämlich nicht gesagt werden, dass die für die Baubewilligungspflicht entscheidende Frage nach der durch die gegenständlichen Bauarbeiten bedingten Erhöhung der Gesamtleistung der Eisenbahn nach einem mangelfreien Verfahren schlüssig beantwortet worden wäre: Die von der belangten Behörde festgestellte "Beibehaltung der Achslastgruppe" schließt noch nicht die von der Beschwerdeführerin behauptete Verbesserung der Gesamtleistung aus, zumal die Beschwerdeführerin dazu vorgebracht hatte, dass vor den gegenständlichen Bauarbeiten lediglich leere Güterwaggons über die Strecke geführt werden konnten und wurden, während seitdem die Linie mehrmals täglich mit vollen Güterwaggons befahren werde, und dass die baulichen Änderungen dafür erforderlich gewesen seien. Mit den weiteren "ergänzenden" Annahmen kann die getroffene Feststellung der belangten Behörde schon deshalb nicht begründet werden, weil dazu - der Aktenlage nach - der Beschwerdeführerin kein Parteiengehör eingeräumt wurde.
5.3. Hinzu tritt Folgendes:
Die Zulässigkeit des gegenständlichen Feststellungsantrages hängt von der Qualifikation der in Rede stehenden Eisenbahn als Nebenbahn ab (diesbezüglich wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl 2009/03/0076, verwiesen).
Im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Feststellungsantrag zulässig ist, ohne allerdings die zur Bejahung der Zulässigkeit entscheidende Vorfrage, ob es sich bei der Eisenbahn um eine Nebenbahn oder eine Straßenbahn handelt, zu beantworten.
Auch deshalb hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet.
5.4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am