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VwGH vom 22.02.2010, 2009/03/0145

VwGH vom 22.02.2010, 2009/03/0145

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des N S in B, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl E1/4431/2009, betreffend Waffenverbot und Ausfolgung eines Pistolenmagazins, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausfolgung des Magazins für die Pistole P 08 Nr 8185 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), der Besitz von Waffen und Munition verboten. Gleichzeitig wurde sein "Antrag auf Ausfolgung des Magazins für die Pistole P 08 Nr 8185" abgewiesen, "da es sich um einen waffenrelevanten Teil" handle.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Bezirkshauptmannschaft (BH) Baden habe mit Mandatsbescheid vom ein Waffenverbot über den Beschwerdeführer verhängt. Seiner Vorstellung sei mit Bescheid der BH Baden vom keine Folge gegeben und der Mandatsbescheid bestätigt worden. Der Mandatsbescheid sei wie folgt begründet gewesen:

"Sie sind seit ca 2 Monaten in psychologischer Behandlung, das Sie an einem Burn Out Syndrom leiden.

Am kam es zwischen Ihnen und Ihrer Gattin zu einem Streitgespräch, bei welchem Sie sich gegenseitig ein außereheliches Verhältnis vorwarfen.

Laut Aussage Ihrer Gattin standen Sie plötzlich auf und holten aus dem Schlafzimmer eine Büchse Winchester und sagten wörtlich 'so jetzt for i obi zur Kieberei und dann kum i ham, weu don sats es.'

Durch diese Äußerung wurde Ihre Frau in Furcht und Unruhe versetzt. Sie verließen das Haus und anschließend auch Ihre Gattin mit dem gemeinsamen 4-jährigen Sohn R. Kurz darauf riefen Sie Ihre Frau am Handy an und ersuchten sie, nach Hause zu kommen. gegen 01.00 Uhr kam es erneut zum Streit mit Handgreiflichkeiten von beiden Seiten, wobei Sie beide leicht verletzt wurden.

Sie sagten sinngemäß zu ihr: 'das wäre dein letzter Fehler gewesen, ich werde die alles wegnehmen, dein Kind, deine Jagdaufsicht, ich werde dich fertigmachen'. Danach verließen Sie die Küche und kamen mit einer Pistole Kal. 45 ACP zurück, steckten das Magazin an und luden durch. Ihre Gattin flüchtete in das Nebenzimmer und rief die Polizei an. Sie meinten nur: 'die ersten beiden Kieberer, die das Haus betreten, würden fallen'. Dann verließen Sie mit der Waffe das Haus."

Auf Grund dieses Sachverhalts habe die BH Baden prognostiziert, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer auch in Zukunft durch missbräuchliche Verwendung von Waffen eine Gefahr für die in § 12 Abs 1 WaffG angeführten Rechtsgüter darstellen könne.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung komme keine Berechtigung zu. Es treffe zwar zu, dass der Beschwerdeführer mittlerweile mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom zu Aktenzahl 41 HV 131/89p vom Vorwurf der Körperverletzung und vom Vorwurf der gefährlichen Drohung zum Nachteil seiner Frau gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden sei. Die belangte Behörde habe jedoch in das Urteilsprotokoll des Landesgerichts Wiener Neustadt Einsicht genommen. Aus diesem Protokoll ergebe sich, dass sich der Beschwerdeführer in - näher dargestellte - zahlreiche Widersprüche verwickelt habe. Seine Ehefrau habe in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO Gebrauch gemacht, weshalb ihre Aussagen gegenüber der Polizei nicht verwertet werden und sie zu den Anklagevorwürfen nicht vernommen werden konnte. Da die Verantwortung des Angeklagten (Beschwerdeführers) durch keinen weiteren (Zeugen) Beweis widerlegt werden habe können, habe im Zweifel ein Freispruch erfolgen müssen. Die belangte Behörde gehe jedoch auf Grund der widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers und auf Grund der Angaben seiner Ehefrau gegenüber der Polizei, die kurz nach dem Vorfall getätigt worden seien, davon aus, dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen von ihm tatsächlich begangen worden seien. Im Übrigen sei der belangten Behörde ein Bericht der Polizeiinspektion Berndorf vom zugegangen, wonach an diesem Tag beim Beschwerdeführer eine Kontrolle der Verwahrung seiner Schusswaffen stattgefunden habe. Bei dieser Überprüfung habe der Beschwerdeführer die einschreitenden Beamten - mit näher dargestellten Worten - beschimpft und ihnen gedroht, seine Beziehungen dazu zu nützen, ihre Versetzung "nach Wien" zu bewerkstelligen. Dieser Bericht sei ein weiterer Mosaikstein, der die Annahme rechtfertige, dass der Beschwerdeführer in gewissen Situationen äußerst aggressiv und unbeherrscht reagiere. Für die gegenständliche Entscheidung sei das bisherige Gesamtverhalten bzw der gesamte vorliegende Sachverhalt entscheidungsrelevant. Dass es bis dato noch zu keiner missbräuchlichen Verwendung von Waffen gekommen sei, spiele keine Rolle. Auf Grund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers könne keinesfalls ausgeschlossen werden, dass er in Zukunft Waffen missbräuchlich verwenden und dadurch Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl aus jüngerer Zeit etwa die hg Erkenntnisse vom , Zl 2008/03/0029, und vom , Zl 2009/03/0082, jeweils mit weiteren Nachweisen) dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hiebei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen.

2. Die Beschwerde verneint das Vorliegen der oben geschilderten Voraussetzungen für die Verhängung eines Waffenverbotes und argumentiert, die belangte Behörde wäre bei einem gerichtlichen Schuldspruch ohne weiteres "von einem Erweisen der Handlungen" ausgegangen, bezüglich derer es zu einer gerichtlichen Verurteilung gekommen sei. Im gegenständlichen Fall, in dem es zu einem rechtskräftigen Freispruch gekommen sei, solle dies aber nicht mehr gelten. Damit werde der gerichtliche Freispruch "konterkariert".

Dem ist zu erwidern, dass im Falle einer verurteilenden Entscheidung durch das Strafgericht eine Bindung der Verwaltungsbehörden in der Frage besteht, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand erfüllt wurde. Durch die gerichtlich Verurteilung wird in einer für die Verwaltungsbehörde bindenden Weise über die Begehung der Tat abgesprochen. Eine eigene Beurteilung durch die Behörde ist damit nicht mehr zulässig. Die belangte Behörde ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die so entschiedene Frage ihrem Bescheid zu Grunde zu legen.

Diese Bindungswirkung verurteilender Entscheidungen der Strafgerichte kommt aber im Falle eines freisprechenden Urteils nicht zum Tragen. In diesem Fall hat die Verwaltungsbehörde (wenn dies für die von ihr zu entscheidende Angelegenheit wesentlich ist) die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbständig zu beurteilen (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2004/10/0178). Letzteres hat die belangte Behörde im gegenständlichen Fall daher in zulässiger Art und Weise getan.

3. Im Folgenden wendet sich die Beschwerde gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde betreffend die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Beweiswürdigung dahingehend eingeschränkt ist, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig (mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut in Einklang stehend) sind. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es hingegen verwehrt, die Beweiswürdigung darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Es wurde auch bereits erkannt, dass die Behörde gemäß § 46 AVG (und dem dort normierten Grundsatz der "Unbeschränktheit der Beweismittel") nicht gehindert ist, Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers bei der Anzeigeerstattung auch dann zu verwerten, wenn sie in der Folge - im gerichtlichen Strafverfahren - von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht hat. Dass nach dem Zweck des Zeugnisverweigerungsrechtes ein Beweiserhebungsverbot oder ein Beweisverwertungsverbot in diesem Verwaltungsverfahren, das die Erlassung einer Administrativmaßnahme zur Verhütung von Gefahren durch Waffenmissbrauch zum Gegenstand hat, bestehen könnte, sei nicht zu erkennen (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0039, mwN).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie - auch unter Berücksichtigung der Erwägungen des Strafgerichtes in dessen Beweiswürdigung - zu dem Ergebnis gelangte, den Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers gegenüber der Polizei sei Glauben zu schenken, und annahm, der Beschwerdeführer habe die ihm angelasteten Taten tatsächlich begangen.

4. Demnach ist der rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen, dass der Beschwerdeführer im Gefolge eines Streits mit seiner Ehefrau Waffen an sich nahm, sie durchlud und damit drohte, "einen Abgang mit Bomben und Granaten" zu machen, seine Ehefrau "fertig zu machen", und dass er angekündigte, die ersten beiden einschreitenden Polizisten, die das Haus betreten würden, müssten "fallen". Schon diese missbräuchliche Verwendung von Waffen begründet für sich genommen die Besorgnis, dass der Beschwerdeführer - weiterhin - durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte (§ 12 Abs 1 WaffG). Auf den von der belangten Behörde überdies referierten weiteren Vorfall (Beschimpfungen anlässlich einer Waffenkontrolle am ) kommt es dabei nicht an. Der in diesem Zusammenhang von der Beschwerde gerügte Verstoß gegen das rechtliche Gehör ist daher für das Ergebnis nicht von Bedeutung.

Der Beschwerdeführer wurde somit durch das mit dem bekämpften Bescheid bestätigte Waffenverbot nicht in seinen Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde insofern gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

5. Berechtigung kommt der Beschwerde jedoch insoweit zu, als sie sich auch gegen die Abweisung des Antrags auf Ausfolgung eines Pistolenmagazins wendet. Der Beschwerdeführer hatte mit einem an die BH Baden gerichteten Antrag vom begehrt, das anlässlich der gegenständlichen Vorfälle beschlagnahmte Pistolenmagazin - mangels gesetzlicher Grundlage für die Sicherstellung - auszufolgen. Über diesen Antrag hat die BH Baden nicht abgesprochen. Zu Recht rügt die Beschwerde, dass der belangten Behörde die funktionelle Zuständigkeit fehlte, über diesen (nicht an sie) gerichteten Antrag erstmals zu erkennen.

Da die belangte Behörde somit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen hat, die ihr nicht zukam, war der angefochtene Bescheid in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit gemäß § 42 Abs 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am