VwGH vom 27.05.2010, 2009/03/0140

VwGH vom 27.05.2010, 2009/03/0140

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des W W in R, vertreten durch Dr. Walter Röck, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Röntgengasse 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Burgenland vom , Zl E1/351-1/2009, betreffend Entziehung eines Waffenpasses und einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs 3 in Verbindung mit § 8 Abs 1 Z 2 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), die ihm am ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr A-037582 und der am selben Tag ausgestellte Waffenpass Nr A-020171 entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, laut dem Bericht der Polizeiinspektion Pinkafeld über eine beim Beschwerdeführer am vorgenommenen waffenrechtliche Überprüfung sei eine (auf den Beschwerdeführer registrierte) Schusswaffe, Marke WALKER (S. Marco), Kaliber 44, mit der Serien-Nr 9532 in einem nicht versperrten Raum auf einem Couchtisch in einem Holster liegend vorgefunden worden. Befragt, warum sich die Schusswaffe auf dem Tisch befinde, habe der Beschwerdeführer gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angegeben, den Colt immer auf dem Tisch liegen zu lassen, da es sich um eine "Replica" handle. Ob die Schusswaffe funktionsfähig gewesen sei, habe vor Ort nicht geklärt werden können. Die anderen Schusswaffen seien in einem versperrten Holzschrank aufbewahrt gewesen. Ferner sei erhoben worden, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers auch am Ort der Waffenkontrolle gemeldet sei.

Auf Grund dieser Erhebungen sei dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom die Waffenbesitzkarte sowie der Waffenpass entzogen worden.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, die Behörde habe den Bescheid ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren erlassen und dadurch sein Recht auf Parteiengehör verletzt. Er habe darauf hingewiesen, dass das Vorfinden eines auf einem Couchtisch frei herumliegenden Revolvers nicht als Summe der zu treffenden Feststellungen angesehen werden könne, die eine umfassende rechtliche Schlussfolgerung über den Umgang des Beschwerdeführers mit Waffen ermögliche. Der Beschwerdeführer habe weiters vorgebracht, mit den Beamten schon ein oder zwei Wochen vor der Überprüfung den Kontrolltermin , 17.00 Uhr, vereinbart zu haben. An diesem Tag sei er um 16.15 Uhr von der Arbeit nach Hause gekommen und habe das Eintreffen der Beamten erwartet. Um

16.30 Uhr habe er den Revolver aus dem versperrten Waffenschrank im Vorraum genommen, um die Waffe zu zerlegen und zu reinigen. Gegen 17.00 Uhr sei die Waffe dann - in Einzelteile zerlegt - auf einem Tisch im Jagdzimmer gelegen. Aus Termingründen hätten die Polizeibeamten die Kontrolle jedoch von 17.00 Uhr auf 19.00 Uhr verlegt. Zwischenzeitlich habe der Beschwerdeführer den Revolver weiter gereinigt und die zerlegte Waffe wieder zusammengebaut. Damit sei der Beschwerdeführer fertig gewesen, als um ca 19.00 Uhr die Polizeibeamten eingetroffen seien. Somit sei die eben gewartete Waffe noch immer auf dem Tisch gelegen und habe sich in der Obhut des Beschwerdeführers befunden. Er sei in der gesamten Zeit allein zu Hause gewesen, habe auf das Eintreffen der Polizeibeamten gewartet und er habe ständig die Gewahrsame über die Waffe gehabt. Seine Ehefrau wohne zwar auch in diesem Haus, sei aber zum damaligen Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen. Im Vorraum habe sich ein hochwirksamer massiver Waffenschrank befunden. Außer dem Beschwerdeführer habe niemand eine Möglichkeit gehabt, diesen zu öffnen.

Im Folgenden gestand die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu, dass ihm die Behörde erster Instanz kein Parteiengehör eingeräumt habe. Dies führe der Berufung aber nicht zum Erfolg, weil die unstrittig gebliebenen Elemente des Sachverhaltes ausreichten, um die Entscheidung der Erstbehörde zu rechtfertigen.

Die belangte Behörde habe im Berufungsverfahren (den Verfasser des Berichtes der Polizeiinspektion Pinkafeld) Gruppeninspektor P. als Zeugen einvernehmen lassen. Dieser habe ausgesagt, der Beschwerdeführer habe anlässlich der Überprüfung keine Mitteilung darüber gemacht, dass er die gegenständliche Waffe gerade oder unmittelbar zuvor gereinigt bzw gewartet hätte. Er habe vielmehr angegeben, dass es sich bei der besagten Waffe um ein "Dekostück" handle, das immer auf dem Couchtisch läge. Auch in der Berufung führe der Beschwerdeführer selbst an, dass die kontrollierenden Beamten die Waffe in einem nicht versperrten Raum auf einem Tisch aufgefunden hätten. Das Argument des Beschwerdeführers, die Waffe sei nur deshalb so vorgefunden worden, weil die Polizeibeamten nicht wie vereinbart bereits um 17.00 Uhr eingetroffen seien, reiche nicht aus, um den primär ins Auge springenden Umstand auszugleichen, dass eine bessere Sicherung der Waffe zum fraglichen Zeitpunkt gegen 19.00 Uhr nicht die geringste Schwierigkeit bereitet hätte. Eine solche Maßnahme wäre dem Beschwerdeführer auch zumutbar gewesen. Selbst wenn die waffenrechtlich unzureichende Verwahrung nur ganz kurze Zeit angedauert und es sich nur um ein einmaliges Ereignis gehandelt habe, sei daraus nichts zu gewinnen, zumal schon eine kurze Unachtsamkeit genügen könne, um die waffenrechtliche Verlässlichkeit in Frage zu stellen.

Die belangte Behörde habe auch die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin einvernehmen lassen. Sie habe nicht mehr gewusst, wo sie am zwischen 17.00 und 19.00 Uhr aufhältig gewesen sei. Es sei daher nicht auszuschließen, dass durch das "freie Herumliegen" der Waffe sich sowohl rechtmäßig Anwesende als auch fremde Personen Zugriff zu der Waffe verschaffen konnten.

Darüber hinaus sei dem Erhebungsbericht der Polizeiinspektion Pinkafeld zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle die Farbkopie eines Führerscheins vorgezeigt habe, ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung zu sein. Diese sei ihm wegen Lenkens eines KFZ in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden entzogen worden. Im Strafregister scheine diesbezüglich eine Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Eisenstadt wegen §§ 223, 224 StGB auf. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne Alkoholkonsum nur dann die Annahme fehlender Verlässlichkeit gemäß § 8 WaffG rechtfertigen, wenn ein "waffenrechtlicher Bezug", wie etwa im Falle des Mitführens von Schusswaffen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, gegeben sei. Ein waffenrechtlicher Bezug sei im vorliegenden Fall jedenfalls ausgeschlossen. Allerdings sei bei der Beurteilung einer Person als nicht verlässlich die gesamte Geisteshaltung und Sinnesart der Person ins Auge zu fassen. Betrachte man sämtliche dokumentierten Sachverhaltselemente, so gehe die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer in einem konkreten Fall die Waffe nicht ordnungsgemäß verwahrt habe, insgesamt aber eine Einstellung festzustellen sei, die nach der gebotenen strengen Auslegung waffenrechtlicher Vorschriften dazu führe, dass die weitere waffenrechtliche Verlässlichkeit in Zweifel zu ziehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Gemäß § 8 Abs 1 Z 2 WaffG ist ein Mensch verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird.

Gemäß § 3 Abs 1 der zweiten Waffengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl II Nr 313/1998 (2. WaffV), ist eine Schusswaffe sicher verwahrt, wenn der Besitzer sie "in zumutbarer Weise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichteten - Zugriff schützt".

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelungen des WaffenG bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen. Mit Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der im § 8 Abs 1 WaffG genannten Voraussetzungen. Waffenrechtliche Urkunden sind insbesondere dann zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass der Berechtigte Waffen nicht sorgfältig verwahrt hat. Ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart als sorgfältig bezeichnet werden kann, hängt von objektiven Momenten ab (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2007/03/0088).

Die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung der Waffen besteht auch gegenüber dem im gleichen Haushalt lebenden Ehegatten. Der Inhaber eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte erfüllt seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung gegenüber Personen im privaten Nahebereich nicht, wenn diese Personen zur Waffe jederzeit und ohne Notwendigkeit der Überwindung eines Hindernisses Zugang haben. Daher erfordert die sorgfältige Verwahrung im Sinne des Gesetzes grundsätzlich auch gegenüber einem Ehegatten, die Waffe versperrt zu verwahren, wobei in Bezug auf Personen im privaten Nahbereich des Berechtigten die Anlegung eines überspitzten Maßstabes für die erforderliche Sicherung der Waffe gegen einen möglichen Zugriff aber nicht in Betracht kommt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2007/03/0147, mwN).

Die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer zu ihren ergänzenden Ermittlungen kein Parteiengehör eingeräumt. Entgegen den Angaben des zeugenschaftlich einvernommenen Polizeibeamten habe der Beschwerdeführer eine Bemerkung mit dem Inhalt, den Revolver immer auf dem Couchtisch liegen zu haben, nicht gemacht. Er habe auf die näheren Umstände, warum er den Revolver so zur Überprüfung bereitgehalten habe, im Zuge der waffenrechtlichen Kontrolle hingewiesen. In diesem Zusammenhang wiederholt die Beschwerde jenes Tatsachenvorbringen, das schon in der Berufung an die belangte Behörde erstattet worden ist.

Damit zeigt der Beschwerdeführer einen relevanten Verfahrensmangel auf.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer zu ihrer ergänzenden Beweisaufnahme (zeugenschaftliche Einvernahme von Gruppeninspektor P. und der Ehefrau des Beschwerdeführers) kein rechtliches Gehör eingeräumt. Demnach unterliegt das in der Beschwerde erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe die vom Polizeibeamten ausgesagte Bemerkung nicht gemacht, sondern hinsichtlich des auf einem Tisch liegenden Revolvers auf jene Gründe verwiesen, die er in der Berufung näher beschrieben hatte, nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Damit erweist sich aber die Annahme der belangten Behörde, die unstrittig gebliebenen Sachverhaltselemente reichten aus, um dem Beschwerdeführer die waffenrechtliche Verlässlichkeit abzusprechen, als nicht tragfähig.

Unstrittig blieb im Verfahren nämlich nur, dass die gegenständliche Schusswaffe bei Eintreffen der Polizeibeamten zu einer angekündigten waffenrechtlichen Überprüfung im Haus des Beschwerdeführers, in dem sich dieser zu diesem Zeitpunkt allein aufhielt, auf einem Tisch lag.

Mit der Frage, ob der Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt mit der Reinigung und dem Zusammenbau der Waffe beschäftigt war und sie während der gesamten Zeit in seiner Obhut hatte, hat sich die belangte Behörde beweiswürdigend nicht auseinander gesetzt.

Träfe diese Behauptung des Beschwerdeführers aber zu, so lässt sich nicht nachvollziehen, wieso die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung davon ausging, der Beschwerdeführer habe die Waffe frei herumliegen lassen und damit auch fremden Personen den Zugriff zu ihr ermöglicht. Aus diesem Grund ist eine abschließende Beurteilung der von der belangten Behörde bejahten Frage, ob dem Beschwerdeführer (zumindest) eine kurze Unachtsamkeit hinsichtlich der Verwahrung der Schusswaffe vorzuwerfen ist, derzeit noch nicht möglich.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren - unter Einhaltung der Bestimmungen über die Gewährung von Parteiengehör im Sinne des § 37 AVG - allfällige ergänzende Ermittlungen zu tätigen, sich mit den widersprüchlichen Beweisergebnissen auseinander zu setzen und entsprechende Sachverhaltsfeststellungen über den Ablauf und die Umstände der waffenrechtlichen Überprüfung am zu treffen haben, um anschließend beurteilen zu können, ob die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers noch vorhanden ist.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am