VwGH vom 13.11.2013, 2011/08/0351

VwGH vom 13.11.2013, 2011/08/0351

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des Mag. pharm. G H in S, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Domgasse 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-422133/0001-II/A/3/2010, betreffend Pflichtversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt fest, dass der Beschwerdeführer von 1. Jänner bis gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in der Krankenversicherung und gemäß § 8 ASVG in der Unfallversicherung pflichtversichert ist.

Begründend führte die Sozialversicherungsanstalt aus, der Beschwerdeführer sei bis als Mitglied der österreichischen Apothekerkammer der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 FSVG unterlegen. Mit Schreiben vom sei er über das Ende der Pflichtversicherung informiert worden.

Am seien der Sozialversicherungsanstalt die Daten des Einkommensteuerbescheides 2007 übermittelt worden, welcher Einkünfte aus Gewerbebetrieb in näher genannter Höhe enthalte. Laut Auskunft der steuerlichen Vertretung stammten die Einkünfte aus der Tätigkeit des Beschwerdeführers als persönlich haftender Gesellschafter aus der Verpachtung einer näher genannten Apotheke. In der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG würden jene persönlich haftenden Gesellschafter erfasst, die ohne Mitarbeit Einkünfte aus einer Handelsgesellschaft bezögen. Die Einbeziehung erfolge ohne Rücksicht auf den Ausschluss von der Geschäftsführung und von der Vertretung. In der Pensionsversicherung liege die Altersausnahme des § 273 Abs. 7 GSVG vor. Gemäß § 8 ASVG unterlägen gemäß § 2 GSVG pflichtversicherte Personen der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach dem ASVG.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Einspruch.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom wurde dem Einspruch zum Teil Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin geändert, dass festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer vom bis der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (Spruchpunkt 1), aber nicht gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung unterliegt (Spruchpunkt 2).

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid (inhaltlich nur betreffend Spruchpunkt 1) Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei jedenfalls im Jahr 2007 unbeschränkt haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft "K(…), Verpächter (Beschwerdeführer) KEG" gewesen. Diese Kommanditgesellschaft habe ab mit Pachtvertrag vom den Betrieb der Apotheke, deren Konzessionsinhaber der Beschwerdeführer gewesen sei, verpachtet. Diese Verpachtung sei lediglich vorübergehend geplant gewesen; es sei beabsichtigt gewesen, dass die Kommanditgesellschaft die Apotheke wieder selbst führen werde, sobald der Sohn des Beschwerdeführers sein Pharmaziestudium abgeschlossen habe und seinen Vater als Konzessionsträger für die Apotheke ablösen würde. Für das Kalenderjahr 2007 liege ein auf den Beschwerdeführer lautender rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid vor, welcher Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausweise; diese Einkünfte resultierten aus der Stellung des Beschwerdeführers als persönlich haftender Gesellschafter aus der Verpachtung der Apotheke. Der Beschwerdeführer sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht Mitglied der Apothekerkammer in der Abteilung der selbständigen Apotheker gewesen.

Es liege ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid vor, mit dem das Finanzamt festgestellt habe, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2007 Einkünfte aus Gewerbebetrieb iSd § 23 EStG 1988 in einer die Versicherungsgrenze übersteigenden Höhe erzielt habe. Die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sei nach Maßgabe vorgelegter rechtskräftiger Einkommensteuerbescheide festzustellen. Die mit rechtskräftigem Einkommensteuerbescheid getroffene Zuordnung der Einkünfte zu den Einkunftsarten sei auch für die Sozialversicherungsträger bindend. Persönlich haftende Gesellschafter, die Einkünfte nach §§ 22 Z 1 bis 3 sowie 5 oder 23 EStG 1988 bezögen, seien jedenfalls nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert. Die Versicherungspflicht der "neuen Selbständigen" solle für jedes Erwerbseinkommen bestehen, das nicht der Privatsphäre zuzurechnen sei. Der Beschwerdeführer bringe selbst vor, dass die Einkünfte aus der Verpachtung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb veranlagt worden seien, weil die Absicht bestanden habe, die Apotheke nach Auslaufen des Pachtvertrages wieder durch die Gesellschaft selbst führen zu lassen. Er räume damit ein, dass eine betriebliche Tätigkeit nicht dauerhaft aufgegeben worden sei. Die bloße Verpachtung des Betriebes führe weiters grundsätzlich nicht zur Betriebsbeendigung. Die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 1 Z 3 GSVG sei im vorliegenden Fall nicht anzuwenden; diese beziehe sich nur auf Mitglieder der Kammer der gewerblichen Wirtschaft. Der Gesetzgeber habe eine entsprechende Ausnahme im Bereich der "neuen Selbständigen" nicht normiert; es liege auch keine Lücke im Gesetz vor.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Beschwerdeführer hat zwei weitere Äußerungen eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sind selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte iSd §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG 1988 erzielen, nach dem GSVG in der Krankenversicherung (und in der Pensionsversicherung) pflichtversichert, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich die Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG grundsätzlich nach der Einkommensteuerpflicht richtet. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem die Versicherungsgrenzen übersteigende Einkünfte der im § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, besteht nach dieser Bestimmung Versicherungspflicht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum (weiter) ausgeübt wurde und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits die Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0122, mwN).

Voraussetzung für die Pflichtversicherung ist, dass im zu beurteilenden Zeitraum eine betriebliche Tätigkeit (noch) vorliegt, und damit auch, dass eine betriebliche Tätigkeit überhaupt aufgenommen wurde.

Die Annahme einer Betriebsunterbrechung (d.h. einer zeitlich befristeten Beendigung der betrieblichen Tätigkeit aus besonderen Gründen) setzt nicht voraus, dass der Betriebsinhaber und Versicherte eine Berufsbefugnis besitzt, die ruhend gestellt werden kann. Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass ein Betrieb verpachtet wurde. Wird ein Betrieb verpachtet und damit die betriebliche Tätigkeit (zeitlich befristet) beendet (und liegt - ungeachtet der erfolgten Verpachtung - keine sonstige betriebliche Tätigkeit vor), so wird die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterbrochen oder beginnt von vornherein nicht (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom , mwN).

2. Entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt ist aus Sonderbestimmungen zum Apothekenrecht nichts anderes ableitbar:

Die Verpachtung einer Apotheke führt dazu, dass anstelle des Betriebsrechtsinhabers (also des Konzessionsinhabers) der Pächter Mitglied in der Abteilung der selbständigen Apotheker wird (§ 7 Abs. 2 Apothekerkammergesetz 2001). Da § 2 FSVG die Pflichtversicherung im hier maßgebenden Zusammenhang an die Mitgliedschaft der betreffenden natürlichen Personen in der Österreichischen Apothekerkammer in der Abteilung für selbständige Apotheker knüpft (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0170, VwSlg. 16311 A), endet damit auch die Pflichtversicherung des Verpächters nach § 2 Abs. 1 Z 1 FSVG und es wird die Pflichtversicherung des Pächters nach dieser Bestimmung begründet.

Dass eine Konzession im Hinblick auf den mit ihr verbundenen Konkurrenzschutz (vgl. dazu - "Existenzschutz" - etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/13/0148, VwSlg. 8318 F) ein eigenständiges Wirtschaftsgut darstellt, begründet keine Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Der Verpächter bleibt zwar weiterhin Konzessionsinhaber; die Verwertung dieses Rechtes durch Verpachtung allein ist aber keine betriebliche Tätigkeit (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0215, mwN). Dass dem Verpächter Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung des Betriebspächters zukämen, ist eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ein Ersatz für die Eingabegebühr war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 46 GSVG) nicht zuzusprechen.

Wien, am