VwGH vom 09.08.2021, Ra 2020/11/0035
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M J in W, vertreten durch Dr. Stella Spitzer-Härting, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Krongasse 22/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-241/030/12877/2019/VOR-1, betreffend Wohnbeihilfe nach dem WWFSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der vom Revisionswerber (bzw. seine Erwachsenenvertretung) eingebrachte Antrag auf Gewährung von Wohnbeihilfe für eine von ihm in Wien genutzte Wohnung nach näher bezeichneten Bestimmungen des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetzes (WWFSG 1989) abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass es sich beim antragsgegenständlichen Objekt um ein „Pensionistenheim“ handle, dessen Bewohner gemäß § 24 WWFSG 1989 keinen Anspruch auf Wohnbeihilfe hätten.
2In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Antrag des Revisionswerbers auf Wohnbeihilfe beziehe sich auf eine 25 m2 große („ambulant betreute“) Wohneinheit, die ihm vom Beratungszentrum für Wohnungslose des Fonds Soziales Wien (FSW) zugewiesen worden sei, und hinsichtlich der er einen (aus dem Akt ersichtlichen) Nutzungsvertrag mit dem Samariterbund Wien, der seinerseits ein vom FSW anerkannter Träger sei, abgeschlossen habe. Gemäß § 24 zweiter Satz WWFSG 1989 hätten aber betreute Personen Anspruch auf Wohnbeihilfe, wenn sie ein Nutzungsrecht an einer Wohnung haben, deren Hauptmieter ein vom Fonds Soziales Wien anerkannter Träger ist. In der Beschwerde wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
3Gegen die Abweisung der Beschwerde durch Erkenntnis des Rechtspflegers des Verwaltungsgerichts Wien vom erhob der Revisionswerber Vorstellung, die das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis (ohne Durchführung der beantragten Verhandlung) gemäß § 54 VwGVG abwies. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4In der Begründung legte das Verwaltungsgericht den genannten aktenkundigen Nutzungsvertrag zugrunde und stellte dazu fest, nach diesem werde der Revisionswerber vom Samariterbund Wien auch mit bestimmten „Betreuungsleistungen unterstützt“ (so insbesondere die Unterstützung im Umgang mit Ämtern und bei der Organisation mobiler Dienste wie der Heimhilfe). „Demzufolge“ handle es sich gegenständlich „nicht bloß um eine Wohngemeinschaft sondern vielmehr um ein Seniorenheim“, sodass gemäß § 24 WWFSG 1989 ein Anspruch auf Wohnbeihilfe seitens des Revisionswerbers nicht bestehe.
5Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
6Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7Das Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz - WWFSG 1989, LGBl. Nr. 18/1989 idF. LGBl. Nr. 69/2018, lautet auszugsweise:
„§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes gelten:
...
5.als Heime
a)Einrichtungen, die zur Befriedigung des regelmäßigen oder temporären Wohnbedürfnisses ihrer Bewohner dienen, in normaler Ausstattung, die neben den Wohn- oder Schlafräumen auch die für die Verwaltung und für die Unterbringung des Personals erforderlichen Räume, Arbeitsräume, die der notwendigen Erhaltung des Gebäudes dienen, sowie allenfalls auch gemeinsame Küchen, Speise-, Aufenthalts- und zur vorübergehenden Unterbringung von Heimbewohnern bestimmte Krankenräume bzw. gemeinsame sanitäre Anlagen enthalten (Wohnheime). Den Wohnheimen gleichzuhalten sind dem Wesen nach vergleichbare, über Wohnungen hinausgehende Räumlichkeiten oder Einrichtungen in anderen Gebäuden, zB für Wohngemeinschaften;
b)Einrichtungen, die zur Befriedigung des regelmäßigen oder temporären Wohnbedürfnisses von Personen mit einer Behinderung oder solchen Personen dienen, die nicht in der Lage sind, die Verrichtungen des täglichen Lebens selbst vorzunehmen, und die über die in lit. a genannten Kriterien hinaus allenfalls in behindertengerechter Ausstattung errichtet sind und Räume für arbeitstherapeutische Maßnahmen sowie Therapie- bzw. Krankenräume enthalten (Pflegeheime). Den Pflegeheimen gleichzuhalten sind dem Wesen nach vergleichbare, über Wohnungen hinausgehende Räumlichkeiten oder Einrichtungen in anderen Gebäuden (Pflegeeinrichtungen);
...
Wohnbeihilfe
§ 20. (1) Wird der Mieter einer Wohnung, deren Errichtung im Sinne des I. Hauptstückes gefördert wurde, durch den Wohnungsaufwand unzumutbar belastet, ist ihm auf Antrag mit Bescheid Wohnbeihilfe zu gewähren, sofern er und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen ausschließlich diese Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwenden.
...
§ 24. Bewohner von Heimen, von Wohnungen in Objekten, die als Heim gefördert wurden, und Nutzungsberechtigte von Kleingartenwohnhäusern haben keinen Anspruch auf Wohnbeihilfe. Betreute Personen, die ein Nutzungsrecht an einer Wohnung haben, deren Hauptmieter ein vom Fonds Soziales Wien anerkannter Träger ist, haben Anspruch auf Wohnbeihilfe. ...
...“
8Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend vorbringt, es fehle hg. Judikatur zur Frage, ob Betreuungsleistungen jeglicher Art zur Qualifikation einer Wohnung als „Heim“ iSd. WWFSG 1989 führten.
9In den Revisionsgründen wird zu Recht eingewendet, das Verwaltungsgericht habe sich sowohl über den Antrag auf Durchführung einer Verhandlung als auch über den in der Beschwerde ins Treffen geführten § 24 zweiten Satz WWFSG 1989 hinweggesetzt:
10Das angefochtene Erkenntnis stützt sich erkennbar auf den ersten Satz des § 24 WWFSG 1989, der erfüllt sei, weil aufgrund der dem Revisionswerber mit dem Nutzungsvertrag zugesagten „Betreuungsleistungen“ rechtlich von einem „Seniorenheim“ auszugehen sei. Diese Ansicht erweist sich schon deshalb als rechtswidrig, weil gegenständlich weder Feststellungen noch eine rechtliche Auseinandersetzung mit den Tatbestandsvoraussetzungen eines Heimes iSd. § 2 Z 5 WWFSG 1989 erfolgten (so müssen Heime insbesondere neben den Wohn- oder Schlafräumen auch die für die Verwaltung und für die Unterbringung des Personals erforderlichen Räume, Arbeitsräume, die der notwendigen Erhaltung des Gebäudes dienen, aufweisen).
11Das Verwaltungsgericht hat aber offensichtlich auch verkannt, dass dem § 24 zweiter Satz WWFSG 1989 (der eine lex specialis gegenüber dem ersten Satz dieser Bestimmung darstellt) die festgestellten „Betreuungsleistungen“ nicht entgegenstehen, sondern von dieser Bestimmung vielmehr vorausgesetzt werden (arg. „Betreute Personen“).
12Indem das Verwaltungsgericht den Anspruch des Revisionswerbers auf Wohnbeihilfe verneint hat, obwohl diesem nach den genannten Feststellungen ein Nutzungsrecht an einer Wohnung eines vom Fonds Soziales Wien anerkannten Trägers zukommt, erweist sich das angefochtene Erkenntnis als inhaltlich rechtswidrig.
13Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
14Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110035.L00 |
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