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VwGH vom 11.03.2021, Ra 2020/11/0001

VwGH vom 11.03.2021, Ra 2020/11/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Finanzamtes Landeck Reutte gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG-2019/25/1880-5, betreffend Übertretungen nach dem LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck; mitbeteiligte Partei: N Z in F (Italien), vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

11.1. Mit Straferkennntis der belangten Behörde vom wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als Verantwortlicher einer näher genannten Firma mit Sitz in Italien zu verantworten, dass ein bestimmter Arbeitnehmer zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt worden sei und 1) die ZKO3-Meldung an die Zentrale Koordinationsstelle trotz Aufforderung der Finanzpolizei nicht bis zum Ablauf des zweitfolgenden Werktages nachgereicht worden sei sowie 2) die ZKO3-Meldung nicht bereitgehalten oder elektronisch zugänglich gemacht worden sei. Dadurch habe der Mitbeteiligte 1) gegen § 12 Abs. 1 Z 3 iVm. § 27 Abs. 1 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) und 2) gegen § 19 und § 21 Abs. 1 Z 2 iVm. § 26 Abs. 1 Z 3 LSD-BG verstoßen, weswegen über ihn jeweils eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werde.

21.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, hob das Straferkenntnis zur Gänze auf und stellte das Verfahren ein. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3Das Verwaltungsgericht stellte fest, bei einer Kontrolle der Finanzpolizei auf einer Baustelle in Z sei für den genannten Arbeitnehmer, der dort angetroffen worden sei, u.a. die ZKO3-Meldung nicht vorgelegt worden. Dem Vorarbeiter sei eine Aufforderung zur Übermittlung von Unterlagen übergeben worden, doch sei die ZKO3-Meldung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist nachgereicht worden. Für den genannten Arbeitnehmer sei nur eine ZKO3-Meldung für eine Baustelle in S, nicht jedoch für die Baustelle in Z erstattet worden. Der Mitbeteiligte sei für die Nichterstattung der ZKO3-Meldung vor Arbeitsaufnahme bereits mit gesondertem Straferkenntnis der belangten Behörde (ebenfalls vom ) wegen einer Übertretung des § 19 Abs. 1 iVm. § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG bestraft worden.

4Zum einen, so das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung, habe daher mangels Existenz der ZKO3-Meldung diese auch nicht bereitgehalten oder elektronisch zugänglich gemacht werden können, weshalb insoweit eine Doppelbestrafung vorliege. Zum anderen reiche nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf ) die Verpflichtung zur Übermittlung der verlangten Unterlagen nur so weit, als diese existierten oder ihre Beschaffung zumutbar sei. Der Mitbeteiligte habe daher durch die Nichtübermittlung der nicht vorliegenden ZKO3-Meldung nicht zusätzlich gegen § 12 Abs. 1 Z 3 LSD-BG verstoßen.

51.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

6Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem weder die belangte Behörde noch der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstatteten, erwogen:

72.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG), BGBl. I Nr. 44/2016 in der Fassung BGBl. Nr. 64/2017, lauten (auszugsweise):

Erhebungen der Abgabenbehörden

§ 12. (1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach den § 21 und 22 zu überwachen sowie in Bezug auf Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort außerhalb Österreichs, die nicht dem ASVG unterliegen, die zur Kontrolle des unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts (Lohnkontrolle) im Sinne des § 29 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und

...

3.in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 21 und 22) Einsicht zu nehmen, Ablichtungen dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung dieser Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

...

Meldepflicht bei Entsendung oder Überlassung aus einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft

§ 19. (1) Arbeitgeber und Überlasser mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben die Beschäftigung von nach Österreich entsandten Arbeitnehmern und nach Österreich überlassenen Arbeitskräften zu melden. Die Meldung hat für jede Entsendung oder Überlassung gesondert zu erfolgen. Nachträgliche Änderungen bei den Angaben gemäß Abs. 3 oder Abs. 4 sind unverzüglich zu melden. ...

(2) Die Entsendung oder Überlassung im Sinne des Abs. 1 ist vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle zu melden. ... Die Meldung hat ausschließlich automationsunterstützt über die elektronischen Formulare des Bundesministeriums für Finanzen zu erfolgen. Arbeitgeber haben im Fall einer Entsendung der Ansprechperson nach § 23 oder, sofern nur ein Arbeitnehmer entsandt wird, diesem die Meldung in Abschrift auszuhändigen oder in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen.

...

Bereithaltung von Meldeunterlagen, Sozialversicherungsunterlagen und behördlicher Genehmigung

§ 21. (1) Arbeitgeber mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben folgende Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort im Inland während des Entsendezeitraums bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen:

...

2.die Meldung gemäß § 19;

...

Verstöße im Zusammenhang mit den Melde- und Bereithaltungspflichten bei Entsendung oder Überlassung

§ 26. (1) Wer als Arbeitgeber oder Überlasser im Sinne des § 19 Abs. 1

1.die Meldung oder die Meldung über nachträgliche Änderungen bei den Angaben (Änderungsmeldung) entgegen § 19 nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet oder

...

3.die erforderlichen Unterlagen entgegen § 21 Abs. 1 oder Abs. 2 nicht bereithält oder den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vor Ort nicht unmittelbar in elektronischer Form zugänglich macht,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro zu bestrafen.

...

Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle

§ 27. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen den § 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen den § 14 Abs. 2 oder 15 Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.

...“

82.2. § 7b Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993, in der Fassung vor BGBl. I Nr. 44/2016, lautete (auszugsweise):

Ansprüche gegen ausländische Arbeitgeber/innen mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat

§ 7b. ...

(3) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben die Beschäftigung von Arbeitnehmer/innen, die zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, spätestens eine Woche vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen zu melden und dem/der im Abs. 1 Z 4 bezeichneten Beauftragten, sofern nur ein/e Arbeitnehmer/in entsandt wird, diesem/dieser, die Meldung in Abschrift auszuhändigen oder in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Die Meldung hat ausschließlich automationsunterstützt über die elektronischen Formulare des Bundesministeriums für Finanzen zu erfolgen. In Katastrophenfällen, bei unaufschiebbaren Arbeiten und bei kurzfristig zu erledigenden Aufträgen ist die Meldung unverzüglich vor Arbeitsaufnahme zu erstatten. Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen hat die Meldung an den zuständigen Krankenversicherungsträger (§§ 26 und 30 ASVG), und sofern es sich um Bautätigkeiten handelt, der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse elektronisch zu übermitteln.

...

(5) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben, sofern für den/die entsandten Arbeitnehmer/innen in Österreich keine Sozialversicherungspflicht besteht, Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Sozialversicherungsdokument A 1 nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04) sowie eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs. 3 und 4 am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten oder diese den Organen der Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich zu machen. Sofern für die Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer/innen im Sitzstaat des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin eine behördliche Genehmigung erforderlich ist, ist auch die Genehmigung bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die erforderlichen Unterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Ist die Bereithaltung oder Zugänglichmachung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Verlangen nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis einschließlich des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

...“

93.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit sowie in den Revisionsgründen vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine ZKO3-Meldung auch nachträglich erstattet werden könne bzw. zu erstatten sei. Aus § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG, wonach (auch) die „nicht rechtzeitige“ Meldung strafbar sei, ergebe sich, dass die Meldung auch noch nach Arbeitsaufnahme in Österreich zu erstatten sei. Bei der Verpflichtung zur Meldung handle es sich, vergleichbar der Nichtmeldung eines Dienstnehmers beim zuständigen Sozialversicherungsträger iSd. § 111 Abs. 1 ASVG (Hinweis auf ), um ein „Dauerdelikt“. Im angefochtenen Erkenntnis fehlten auch Feststellungen, ob bzw. wann eine nachträgliche Meldung erstattet worden sei, wie dies der Mitbeteiligte im Verfahren behauptet habe, bzw. ob eine nachträgliche Meldung sowie die Bereithaltung und Übermittlung einer solchen Meldung für den Mitbeteiligten möglich und zumutbar gewesen wären.

103.2. Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

113.2.1. Vorweg ist zur Frage, ob es sich beim Straftatbestand des § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG um ein „Dauerdelikt“ handelt, auf das hg. Erkenntnis vom , Ra 2017/11/0233, hinzuweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof zur Entsendemeldung nach § 7b Abs. 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993 in der Fassung BGBl. I Nr. 152/2015, Folgendes ausführte:

„35 Im Hinblick auf die Nichterstattung der ZKO 3 Meldungen, deretwegen der Mitbeteiligte bereits wegen einer Übertretung nach § 7b Abs. 3 iVm. Abs. 8 Z 1 AVRAG bestraft wurde, ist davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte mangels Vorliegens einer derartigen Meldung (die gemäß § 7b Abs. 3 AVRAG jedenfalls vor Arbeitsaufnahme zu erfolgen hat und daher nachträglich nicht mehr rechtswirksam erstattet werden kann) mit seinem Verhalten - Nichtübermittlung einer Abschrift derselben trotz Aufforderung - nicht zusätzlich gegen § 7f Abs. 1 Z 3 AVRAG verstoßen hat.“

12Nichts Anderes kann für die im Revisionsfall zu Grunde liegende Bestimmung des § 19 Abs. 1 und 2 erster Satz LSD-BG - die insoweit inhaltlich übereinstimmende Nachfolgebestimmung des § 7b Abs. 3 AVRAG (vgl. RV 1111 BlgNR XXV. GP, 14) - gelten. Die Meldung nach § 19 Abs. 1 LSD-BG kann folglich nachträglich nicht mehr rechtswirksam erstattet werden. Der Wortlaut des maßgeblichen Straftatbestands des § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG („Wer ... die Meldung ... entgegen § 19 nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet ...“) bestätigt, anders als es die Revisionswerberin vermeint, dieses Auslegungsergebnis, weil er - arg. „entgegen § 19“ - zum Ausdruck bringt, dass die nicht rechtzeitige Erstattung der Meldung (ebenso wie die nicht vollständige Erstattung) der Nichterstattung der Meldung gleichgestellt wird, nicht aber, dass gleichsam nachträglich - über die Verpflichtungen nach § 19 LSD-BG hinaus - eine zusätzliche Verpflichtung für den Fall der nicht rechtzeitigen Erstattung der Meldung geschaffen wird. Das von der Revision ins Treffen geführte hg. Erkenntnis 2011/08/0368 ist schon deswegen nicht einschlägig, weil die dort maßgeblichen Vorschriften - § 33 Abs. 1 iVm. § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG - keine Entsprechung zu den im Revisionsfall maßgeblichen § 21 Abs. 1 Z 2iVm. § 26 Abs. 1 Z 3 LSD-BG (Nichtbereithaltung der Meldung) sowie § 12 Abs. 1 Z 3 iVm. § 27 Abs. 1 LSD-BG (Nichtübermittlung der Meldung über Aufforderung) aufweisen.

133.2.2. Für den Revisionsfall ist vorab weiters festzuhalten, dass die Revision nicht vorbringt, der Mitbeteiligte habe die Entsendemeldung rechtzeitig (iSv. vor der Arbeitsaufnahme; vgl. § 19 Abs. 2 LSD-BG) erstattet. Nur dann könnte nämlich, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, eine Bestrafung wegen der Nichtbereithaltung bzw. der Nichtübermittlung der Entsendemeldung rechtmäßig sein.

143.2.3. Zu Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses (Aufhebung der Bestrafung wegen der Nichtbereithaltung der Entsendemeldung):

15Der Verwaltungsgericht hat im bereits genannten Erkenntnis Ra 2017/11/0233 zur Vorgängerbestimmung des § 7b Abs. 5 AVRAG in Zusammenhang mit der Nichtbereithaltung der Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung Folgendes ausgeführt:

„16 Wie § 7b Abs. 5 AVRAG unmissverständlich zum Ausdruck bringt, haben Arbeitgeber im Sinne des Abs. 1 leg. cit., sofern für den entsandten Arbeitnehmer in Österreich keine Sozialversicherungspflicht besteht, Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokume nte E 101 bzw. A 1) sowie eine Abschrift der Entsendemeldung am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten oder diese den Organen der Abgabenbehörde oder der BUAK unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich zu machen. Das Tatbild dieser Übertretung ist bereits verwirklicht, wenn eine - zumutbare - Bereithaltung dieser Dokumente am Arbeits(Einsatz)ort nicht erfolgt (vgl. für den Fall der Unzumutbarkeit der Bereithaltung § 7b Abs. 5 vierter Satz AVRAG).

17 Das Verwaltungsgericht hat keine nachvollziehbaren Feststellungen dahin getroffen, dass die Arbeitnehmer im Entsendestaat (Deutschland) nicht zur Sozialversicherung angemeldet gewesen wären. Wäre aber von einer aufrechten Sozialversicherung der Arbeitnehmer auszugehen, so folgte daraus, dass den Mitbeteiligten gemäß § 7b Abs. 5 erster Satz AVRAG die Pflicht zur Bereithaltung (und daher zuvor die Pflicht zur Beschaffung) jener Unterlagen getroffen hätte, durch die das Bestehen der Sozialversicherung bescheinigt wird (Sozialversicherungsdokumente E 101 bzw. A 1). ...“

16Wie sich aus diesen Ausführungen ergibt, setzte der Verwaltungsgerichtshof für die Verpflichtung zur Bereithaltung der Sozialversicherungsunterlagen das Vorliegen dieser Unterlagen (bzw. die Verpflichtung zu ihrer Beschaffung) voraus. Nichts Anderes kann sinngemäß für die Entsendemeldung und für die im Revisionsfall zu Grunde liegende Bestimmung des § 21 Abs. 1 Z 2 LSD-BG - die insoweit inhaltlich übereinstimmende Nachfolgebestimmung des § 7b Abs. 5 AVRAG (vgl. RV 1111 BlgNR XXV. GP, 16) - gelten (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2017/11/0301, vom , Ra 2018/11/0105, sowie vom , Ro 2019/11/0001, wonach sich die Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen nur auf solche Unterlagen bezieht, die [schon] vorliegen können).

17Das Verwaltungsgericht ging angesichts der Bestrafung des Mitbeteiligten davon aus, dieser habe die Entsendemeldung nicht rechtzeitig (iSv. vor der Arbeitsaufnahme) erstattet, was die Revision auch nicht bestreitet (vgl. oben Rn 13). Ausgehend davon hat der Mitbeteiligte nicht zusätzlich gegen § 21 Abs. 1 Z 2 LSD-BG verstoßen, wenn er eine - nicht im Sinn des § 19 LSD-BG erstattete - Entsendemeldung nicht bereitgehalten hat.

18Davon bleibt die Verpflichtung zur Bereithaltung anderer Unterlagen, wie insbesondere der Lohnunterlagen gemäß § 22 LSD-BG, freilich unberührt.

19Die Aufhebung der Bestrafung wegen der Nichtbereithaltung der Entsendemeldung war daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

203.2.4. Zu Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses (Aufhebung der Bestrafung wegen der Nichtübermittlung der Entsendemeldung):

21Ausgehend von der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Mitbeteiligte habe die Entsendemeldung nicht rechtzeitig erstattet (vgl. oben Rn 17), erfolgte auch die Aufhebung seiner Bestrafung wegen des Nichtübermittelns einer solchen Meldung über Aufforderung gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 LSD-BG durch das Verwaltungsgericht zu Recht (vgl. neben dem mehrfach genannten Erkenntnis Ra 2017/11/0233 auch , zum LSD-BG).

223.3. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110001.L00

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