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VwGH vom 27.04.2021, Ra 2020/10/0186

VwGH vom 27.04.2021, Ra 2020/10/0186

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsbergerals Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision der H - Handelsgesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Mag. Markus Steinacher, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Italienerstraße 10b, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG-2039/10/2019, betreffend Rodungsbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Villach-Land), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache der Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung einer Rodungsbewilligung zum Zweck der Errichtung eines Parkplatzes für die Mitarbeiter zweier Gewerbebetriebe auf näher genannten Grundstücken der KG F abgewiesen.

2Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die beantragte Rodungsbewilligung sei zu versagen, weil in der Gemeinde F. ausreichend Baulandreserven zur Verfügung stünden. Von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Rodung einer Waldfläche für Bauzwecke könne dann nicht die Rede sein, wenn in der Gemeinde eine ausreichende Baulandreserve auf Nichtwaldflächen vorhanden sei, die für eine Verbauung zur Verfügung stehe (Hinweis auf und , 2013/10/0267). Im Übrigen könne selbst für den Fall, dass das öffentliche Interesse des Siedlungswesens an der Schaffung des Mitarbeiterparkplatzes zu bejahen wäre, aufgrund der geringen Waldausstattung und der stark negativen Waldflächenbilanz die Interessenabwägung gemäß § 17 Abs. 3 ForstG nicht zugunsten der Revisionswerberin ausfallen.

3Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , E 2316/2020-5, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

4In der Folge erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision. In der Zulässigkeitsbegründung tritt sie der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung mit dem Argument entgegen, dass der beabsichtigte Parkplatz - wie bereits im Verfahren vorgebracht - für die geplante Aufstockung der Mitarbeiterzahl von zwei näher genannten „Leitbetrieben“ um 50 Mitarbeiter erforderlich sei. Davon ausgehend hätte die Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 ForstG zugunsten der Revisionswerberin ausschlagen müssen.

5Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete, auf die die Revisionswerberin replizierte, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

7§ 17 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440 idF BGBl. I Nr. 59/2002 (ForstG), lautet (auszugsweise):

Rodung

§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

(3) Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

(4) Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung im Sinne des Abs. 3 sind insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- oder öffentlichen Straßenverkehr, im Post- oder öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung, im Siedlungswesen oder im Naturschutz.

(5) Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses im Sinne des Abs. 2 oder bei der Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 3 hat die Behörde insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

(6) ...“

8Das Verwaltungsgericht geht in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Erkenntnisses davon aus, dass die Erteilung einer Rodungsbewilligung für das gegenständliche Projekt nach § 17 Abs. 3 ForstG in Betracht komme. Es hat nach dieser Bestimmung eine Interessenabwägung durchgeführt.

9Eine solche im Einzelfall durchgeführte Interessenabwägung ist vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen des Revisionsmodells dann aufzugreifen, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. etwa , mwN).

10Ein derartiger Fehler ist dem Verwaltungsgericht unterlaufen:

11Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, setzt eine dem Gesetz entsprechende Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 ForstG voraus, dass festgestellt wird, ob und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche besteht und welches Ausmaß das öffentliche Interesse an der Walderhaltung aufweist (vgl. etwa ; , 95/10/0040).

12Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall verkannt, dass die Revisionswerberin nicht das öffentliche Interesse am Siedlungswesen (vgl. dazu die vom Verwaltungsgericht zitierten hg. Erkenntnisse), für das u.a. eine Baulandreserve relevant sein kann, sondern jenes an der Schaffung von Arbeitsplätzen geltend gemacht hat.

13Demgemäß hat es das Verwaltungsgericht unterlassen, zur Frage der Arbeitsmarktsituation in der Gemeinde bzw. in der Region sowie der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen durch das gegenständliche Vorhaben Ermittlungen durchzuführen und darauf aufbauend die erforderlichen Feststellungen zu treffen und in der Begründung des Erkenntnisses schlüssig darzulegen, ob und welches öffentliche Interesse vorliegt, und im Anschluss daran eine Abwägung des allenfalls gegebenen öffentlichen Interesses gegen das öffentliche Interesse an der Walderhaltung vorzunehmen (vgl. ; zur Sicherung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen als relevantes öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 4 ForstG vgl. auch das erwähnte Erkenntnis VwGH 92/10/0140 sowie ).

14Das Verwaltungsgericht hat aus diesem Grund keine gesetzmäßige Interessenabwägung im Sinne der oben zitierten Leitlinien der Rechtsprechung durchgeführt und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten (vgl. abermals VwGH Ra 2019/10/0075).

15Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

16Die Kostenentscheidung gründet auf den § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100186.L00

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Fundstelle(n):
WAAAE-86751

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