VwGH vom 21.05.2021, Ra 2020/10/0184
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-242/081/12751/2020/VOR-2, betreffend Zuschlag nach § 8 Abs. 5 Wiener Mindestsicherungsgesetz (mitbeteiligte Partei: M L in W, vertreten durch Mag. Margot Artner, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Luftbadgasse 4/3), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1Mit Bescheid des Amtsrevisionswerbers (in der Folge: Magistrat) vom wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf Zuerkennung eines Zuschlags für Inhaber eines Behindertenpasses gemäß § 3, 4, 7, 8, 10 und 12 Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) abgewiesen. Begründend führte der Magistrat an, der Mitbeteiligte beziehe eine Pension in der Höhe von € 917,35 monatlich zuzüglich zweier Sonderzahlungen im Jahr. Es bestehe daher kein Anspruch auf eine zusätzliche Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts.
2Mit Erkenntnis vom gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde dahingehend Folge, dass es für den Zeitraum bis monatliche Zuschläge gemäß § 8 Abs. 5 WMG in näher bezeichneter Höhe sowie für die Monate Mai 2020 bis Dezember 2020 eine Mietbeihilfe in genau bestimmter Höhe gewährte.
3Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom bestätigte das Verwaltungsgericht in Erledigung der dagegen vom Magistrat erhobenen Vorstellung das Erkenntnis vom mit der Maßgabe, dass dem Mitbeteiligten gemäß § 4, 7, 8, 10 und 12 WMG iVm der Verordnung der Wiener Landesregierung zum Wiener Mindestsicherungsgesetz 2020 (WMG-VO 2020) „für das Jahr 2020 ein Zuschlag nach § 8 Abs. 5 WMG in der Höhe von € 146,74 zuerkannt“ wurde. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Mitbeteiligte sei österreichischer Staatsangehöriger und lebe alleine in seiner Mietwohnung. Seit erhalte er eine Berufsunfähigkeitspension, welche sich aktuell auf einen Betrag in der Höhe von € 917,35 monatlich zusätzlich zweier Sonderzahlungen belaufe. Die monatlich zu entrichtenden Mietkosten würden € 273,16 betragen. Bis zum sei ihm Wohnbeihilfe in der Höhe von € 57,74 monatlich zugesprochen worden. Am sei dem Mitbeteiligten auf Grund des vorliegenden Grades seiner Behinderung von 50% ein Behindertenpass mit Gültigkeit von bis ausgestellt worden.
5In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, es sei „unstrittig“, dass der Mitbeteiligte die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 4 WMG erfülle, zumal er österreichischer Staatsbürger sei, in Wien lebe und hier seinen Lebensmittelpunkt habe, die in § 3 WMG definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken könne, sowie einen Antrag gestellt und am Verfahren entsprechend mitgewirkt habe. Der Mitbeteiligte habe daher einen „grundsätzlichen Anspruch“ auf Leistungen der Mindestsicherung gemäß § 7 Abs. 1 WMG (Lebensunterhalt und Wohnbedarf). Er bilde eine eigene Bedarfsgemeinschaft.
6Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 5 WMG gebühre den zu einer Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen zum monatlichen Mindeststandard ein Zuschlag in Höhe von 18 vH des Wertes nach Abs. 2 Z. 1 leg. cit. pro Monat, wenn ihnen ein Behindertenpass nach § 40 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ausgestellt werde. Unbestritten sei, dass der Mitbeteiligte eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilde und ihm auf Grund des Vorliegens einer Behinderung von 50% ein Behindertenpass ausgestellt worden sei.
7Der Anspruch auf Zuerkennung des Behindertenzuschlags stütze sich - entgegen der Auffassung des Magistrats - gerade nicht auf den Umstand, dass dem Hilfesuchenden eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Grundbetrages zur Deckung des Wohnbedarfes zuzuerkennen sei. Eine solche Voraussetzung sei der Bestimmung des § 8 Abs. 5 WMG nicht zu entnehmen. Eine Unterscheidung dahingehend, ob der gesetzlich vorgesehene Mindeststandard durch eigenes Einkommen des Hilfesuchenden oder durch gewährte Leistungen der Mindestsicherung erreicht werde, könne dem Gesetz nicht entnommen werden.
8Im vorliegenden Fall beziehe der Mitbeteiligte eine Berufsunfähigkeitspension in Höhe von € 917,35 monatlich, zuzüglich zweier Sonderzahlungen in diesem Ausmaß pro Jahr. Er habe daher keinen Anspruch auf eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs, zumal sein monatliches Einkommen dem Mindeststandard entspreche.
9Zusammengefasst sei festzuhalten, dass der Mitbeteiligte einen „grundsätzlichen Anspruch“ auf Leistungen der Mindestsicherung habe und somit auch hinsichtlich des Zuschlags nach § 8 Abs. 5 WMG anspruchsberechtigt sei.
10Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zur Zulässigkeit vorbringt, es fehle Rechtsprechung zur Frage des Vorliegens eines Anspruchs nach § 8 Abs. 5 WMG, insbesondere ob nach dieser Bestimmung bezüglich der Anspruchsberechtigung dahingehend unterschieden werde, ob der gesetzlich vorgesehene Mindeststandard durch eigenes Einkommen des Hilfesuchenden oder durch gewährte Leistungen der Mindestsicherung erreicht werde.
11Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem der anwaltlich vertretene Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.
12Die maßgeblichen Bestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, BGBl. I Nr. 41/2019 idF BGBl. I Nr. 108/2019 (Sozialhilfe-GG), lauten (auszugsweise):
„Bedarfsbereiche
§ 2. (1) Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes umfasst Geld- oder Sachleistungen, die zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs gewährt werden.
...
(4) Dieses Bundesgesetz berührt nicht sonstige Leistungen der Sozialhilfe, die zum Schutz bei Alter, Schwangerschaft und Entbindung oder zur Deckung eines Sonderbedarfs bei Pflege oder Behinderung erbracht werden. Gleiches gilt für besondere landesgesetzliche Vorschriften, aufgrund derer Leistungen eines Pflegebedarfs oder einer Behinderung gewährt werden.
...
Monatliche Leistungen der Sozialhilfe
§ 5. (1) Die Landesgesetzgebung hat Leistungen der Sozialhilfe in Form von Sachleistungen oder monatlicher, zwölf Mal im Jahr gebührender pauschaler Geldleistungen zur Unterstützung des Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung eines ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen aber nicht überschreitenden Wohnbedarfs vorzusehen.
(2) ... Die Summe der Geld- und Sachleistungen gemäß Abs. 1 darf die in Abs. 2 Z 1 bis 4 festgelegten Höchstsätze pro Person und Monat auf Basis des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende nicht übersteigen:
1.für eine alleinstehende oder alleinerziehende Person .................... 100%
...
5.Zuschläge, die volljährigen und minderjährigen Personen mit Behinderung (§ 40 Abs. 1 und 2 BBG) zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts zu gewähren sind, sofern nicht besondere landesgesetzliche Bestimmungen, die an eine Behinderung anknüpfen, höhere Leistungen vorsehen:
pro Person ........................................................................................ 18%
...“
13Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes, LGBl. Nr. 2/2011 idF LGBl. Nr. 22/2020 (WMG), lauten (auszugsweise):
„1. Abschnitt
Allgemeines
Ziele und Grundsätze
§ 1. (1) Die Wiener Mindestsicherung hat zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden, die Existenz von alleinstehenden und in Familien lebenden Personen zu sichern, ....
...
(3) Die Zuerkennung von Leistungen der Wiener Mindestsicherung ist subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.
...
2. Abschnitt
Leistungen der Wiener Mindestsicherung
§ 3. (1) Die Wiener Mindestsicherung deckt den Mindestbedarf in den Bedarfsbereichen Lebensunterhalt, Wohnen, Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung ab.
(2) Der Lebensunterhalt umfasst den Bedarf an Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Energie sowie andere persönliche Bedürfnisse, zu denen auch die soziale und kulturelle Teilhabe zählt.
(3) Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen Aufwand an Miete, Abgaben und allgemeinen Betriebskosten.
...
Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen
§ 4. (1) Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat, wer
1.zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,
2.seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,
3.die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,
4.einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.
...
Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs
§ 7. (1) Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs haben volljährige Personen bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und 2. Der Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs kann nur gemeinsam geltend gemacht werden und steht volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zu. ...
(2) Die Zurechnung zu einer Bedarfsgemeinschaft erfolgt nach folgenden Kriterien:
1.Volljährige Personen bilden jeweils eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie mit anderen Personen in der Wohnung leben (Wohngemeinschaft) sofern nicht Z 2 oder 4 anzuwenden ist.
...
Mindeststandards
§ 8. (1) Die Bemessung der Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs erfolgt auf Grund der Mindeststandards gemäß Abs. 2, die bei volljährigen Personen auch einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 vH des jeweiligen Mindeststandards enthalten.
(2) Die Mindeststandards betragen:
1.100 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG abzüglich des Betrages für die Krankenversicherung
a)für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, die in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 leben (Alleinstehende);
...
(4) Je eine Sonderzahlung in der Höhe des Mindeststandards ist zum monatlich wiederkehrenden Mindeststandard jährlich in den Monaten April und Oktober folgenden Personen zuzuerkennen, soweit ihnen nicht die höheren Leistungen nach Abs. 5 zuerkannt werden:
...
(5) Für zu einer Bedarfsgemeinschaft gehörende minderjährige und volljährige Personen gebührt zum monatlichen Mindeststandard ein Zuschlag in Höhe von 18 vH des Wertes nach Abs. 2 Z 1 pro Monat, wenn ihnen ein Behindertenpass gemäß § 40 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz - BBG ausgestellt wurde.
(6) Der Mindeststandard nach Abs. 2 Z 1 erhöht sich mit dem gleichen Prozentsatz wie der Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG. Die Beträge der Mindeststandards werden durch Verordnung der Landesregierung, allenfalls auch rückwirkend, kundgemacht.
...“
14§ 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung zum Wiener Mindestsicherungsgesetz 2020, LGBl. Nr. 67/2019 (WMG-VO 2020), lautet (auszugsweise):
„§ 1.
Mindeststandards, Grundbeträge zur Deckung des Wohnbedarfs und Geringfügigkeitsgrenze
(1) Für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, die in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 WMG leben (Alleinstehende), beträgt der MindeststandardEUR 917,35
...“
15Der Mitbeteiligte hat - wie auch vom Verwaltungsgericht festgestellt - infolge der von ihm bezogenen Berufsunfähigkeitspension (die der Höhe nach dem Mindeststandard nach § 8 Abs. 2 Z 1 lit. a) WMG iVm § 1 Abs. 1 WMG-VO 2020 entspricht) gemäß § 1 Abs. 3 und § 4 Abs. 1 Z. 3 iVm § 7 Abs. 1 WMG keinen Anspruch auf Mindestsicherung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs.
16Dem angefochtenen Erkenntnis liegt die Auffassung zu Grunde, dass der Mitbeteiligte (dennoch) einen Anspruch auf Zuerkennung des Behindertenzuschlags gemäß § 8 Abs. 5 WMG habe, weil es nicht darauf ankomme, ob der gesetzlich vorgesehene Mindeststandard durch eigenes Einkommen des Hilfesuchenden oder durch gewährte Leistungen der Mindestsicherung erreicht werde.
17Demgegenüber steht der Magistrat auf dem Standpunkt, dass der Anspruch auf den Behindertenzuschlag vom Anspruch auf Mindestsicherung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs abhängig ist.
18Bei der Interpretation einer Gesetzesnorm ist auf den Wortsinn und insbesondere auch den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen. Erläuterungen zur Regierungsvorlage können im Rahmen der Interpretation des Gesetzes einen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzes bieten (vgl. zuletzt etwa , mwN).
19Nach dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 5 WMG steht der dort geregelte Zuschlag lediglich den „zu einer Bedarfsgemeinschaft gehörenden“ Personen (mit Behindertenpass) zu und gebührt „zum monatlichen Mindeststandard“.
20Schon diese Formulierungen im Gesetzestext lassen keine Zweifel offen, dass der Gesetzgeber damit an die Regelungen der § 7 und 8 WMG angeknüpft und den Behindertenzuschlag sohin als Zusatzleistung zum Anspruch bzw. Bezug jener Mindestsicherungsleistungen, die in Form von Mindeststandards zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs gewährt werden, vorgesehen hat.
21Für diese Sichtweise spricht weiters die eigentümliche Bedeutung des Wortes „Zuschlag“ mit der ein zusätzlicher Bestandteil des Grundanspruchs - hier: auf Gewährung des Mindeststandards - angesprochen wird (vgl. etwa , mit Hinweis auf , betreffend Lohnzuschläge).
22Aus § 8 Abs. 4 WMG ergibt sich zudem, dass der Behindertenzuschlag lediglich die dort für bestimmte Fälle vorgesehene 13. und 14. Sonderzahlung zum Mindeststandard ersetzt. Aus systematischen Erwägungen lässt sich daraus ableiten, dass auch der Behindertenzuschlag - ebenso wie die erwähnten Sonderzahlungen - die Leistung eines Mindeststandards voraussetzen.
23Schließlich darf nicht übersehen werden, dass der Wiener Landesgesetzgeber mit der Bestimmung des § 8 Abs. 5 WMG die Grundsatzregelung des § 5 Abs. 2 Z 5 Sozialhilfe-GG umgesetzt hat (vgl. IA LG 249143-2020-LAT, S. 1), wonach Behindertenzuschläge „zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts zu gewähren sind“. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (RV 514 BlgNR, 26. GP, S. 6) wird damit ein „Zuschlag für Menschen mit Behinderung ... insofern vorgesehen, als nicht bereits durch landesgesetzliche Bestimmungen, die an eine Behinderung anknüpfen, höhere Leistungen zur Abgeltung des damit verbundenen Sonderbedarfs gewährt werden (§ 2 Abs. 4).“
24Auch eine grundsatzgesetzkonforme Interpretation des § 8 Abs. 5 WMG spricht sohin für ein Gesetzesverständnis, wonach der Behindertenzuschlag als zusätzliche Leistung („weitere Unterstützung“) zum Anspruch auf Sicherung des Lebensunterhalts hinzutritt und sohin einen zum allgemeinen Mindestsicherungsanspruch akzessorischen Leistungsanspruch darstellt.
25Der Anspruch auf einen Zuschlag gemäß § 8 Abs. 5 WMG besteht für Personen, denen ein Behindertenpass gemäß § 40 Abs. 1 und 2 BBG ausgestellt wurde, sohin lediglich dann, wenn sie als Hilfesuchende Anspruch auf Mindestsicherung nach den § 4, 7 und 8 WMG haben. Beim Behindertenzuschlag handelt es sich in diesem Sinn um einen vom allgemeinen Mindestsicherungsanspruch abgeleiteten Anspruch, durch den der jeweils in Betracht kommende monatliche Mindeststandard erhöht wird (vgl. etwa zur Dienstzulage : „abgeleiteter Anspruch als eine Art Zuschlag“).
26Damit kommt ein Anspruch auf den Behindertenzuschlag aber für jene Personen nicht in Betracht, die den in § 3 WMG definierten Bedarf durch Einsatz ihrer Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter - im Falle des Mitbeteiligten: durch den Bezug einer Pensionsleistung - abdecken können, und deshalb gemäß § 1 Abs. 3 iVm § 4 Abs. 1 Z 3 leg. cit. keinen Anspruch auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung haben (zu dem dem Mindestsicherungsrecht innewohnenden Subsidiaritätsprinzip vgl. etwa ; zu § 1 Abs. 3 WMG vgl. auch ).
27Die vom Verwaltungsgericht vertretene gegenteilige Auffassung, die im Zuschlag nach § 8 Abs. 5 WMG gleichsam eine dem Grunde nach selbständige, den allgemeinen Bedarfsvoraussetzungen für die Gewährung von Mindestsicherung nicht unterliegende, Sozialhilfeleistung erblickt, findet im Gesetz keine Deckung.
28Das angefochtene Erkenntnis erweist sich sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100184.L00 |
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