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VwGH vom 26.03.2012, 2009/03/0084

VwGH vom 26.03.2012, 2009/03/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des F F in Z, vertreten durch Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich vom , Zl Senat-SW-09-0011, betreffend Übertretung des GGBG (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit der Berufung gegen Punkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses keine Folge gegeben wurde, sowie im Ausspruch über die Verfahrenskosten wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte, des relevanten Sachverhalts und der maßgebenden Rechtslage wird auf das hg Erkenntnis vom , Zl 2004/03/0088, verwiesen.

Im nach Aufhebung des Vorbescheides durch das genannte Erkenntnis fortgesetzten Verfahren legte die belangte Behörde mit dem nun angefochtenen Ersatzbescheid dem Beschwerdeführer erneut zur Last, als Verantwortlicher und somit als zur Vertretung des Zulassungsbesitzers eines näher bestimmten Lastkraftwagens nach außen Berufener, bei einer näher konkretisierten Beförderung gefährlicher Güter insoweit nicht dafür gesorgt zu haben, dass bei der Verwendung des Fahrzeuges die Voraussetzungen gemäß § 6 GGBG erfüllt seien, weil der Lenker die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der in den Sicherheitshinweisen nach Rn 10.385 ADR genannten allgemeinen Maßnahmen nicht ordnungsgemäß mitgeführt habe, weil eine geeignete Handlampe gefehlt habe.

Der Beschwerdeführer habe dadurch Rn 10.353 ADR iVm §§ 13 Abs 5 Z 1, 6, Z 2, 27 Abs 2 Z 10 GGBG verletzt; über ihn wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 145,-- verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit im Beschwerdefall von Relevanz - aus, ungeachtet der Einhaltung der im Beschwerdefall bestehenden Freistellungsgrenze sei (was näher begründet wurde) beim beschwerdegegenständlichen Transport die Vorschrift nach Rn 10.353 ADR einzuhalten gewesen, wonach mitzuführende Beleuchtungsgeräte keine metallische Oberfläche haben dürfen, die Funken erzeugen können.

Die erkennende Behörde sehe keinen Grund, an den Anzeigenangaben, wonach beide mitgeführten Handlampen eine metallische Oberfläche hatten, zu zweifeln, weshalb die diesbezüglichen Berufungsangaben als Schutzbehauptung gewertet werden müssten.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sei gemäß § 51e Abs 3 Z 1 und 3 VStG entbehrlich gewesen, weil in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet und im angefochtenen Bescheid eine EUR 500,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt worden sei, und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid - inhaltlich nur gegen die Abweisung der Berufung gegen Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses - gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Im Beschwerdeverfahren ist nur mehr die Frage strittig, ob die beim gegenständlichen Transport mitgeführten Handlampen den geltenden Erfordernissen (keine metallische Oberfläche, die Funken erzeugen könnte) entsprochen haben.

2. Die Beschwerde, die rügt, die belangte Behörde habe den relevanten Sachverhalt nur mangelhaft ermittelt, ihre bloß auf die Anzeige (die sich mit dem entscheidenden Thema nicht ausreichend befasst habe) gestützte Beweiswürdigung sei unschlüssig, ist im Ergebnis begründet.

3. Die belangte Behörde hat die Nichtdurchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung damit begründet, dass in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet worden sei und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt habe.

Diese Begründung ist schon insoweit unzutreffend, als in der Berufung nicht nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde, vielmehr - ausdrücklich - vorgebracht worden ist, dass die vorhandene Handlampe "keine metallische Oberfläche" aufgewiesen habe, und damit Tatsachenfeststellungen bestritten wurden.

Hinzu tritt Folgendes: Nach der ständigen hg Rechtsprechung hat selbst in jenen Fällen, in denen einer der Gründe des § 51e Abs 3 VStG gegeben ist, in verfassungskonformer Anwendung dieser Norm unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK jedenfalls eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn die Parteien nicht darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. War der Beschuldigte aber nicht rechtsfreundlich vertreten, so kann das Unterbleiben eines Antrags auf Durchführung einer Berufungsverhandlung jedenfalls dann nicht als konkludenter Verzicht auf eine solche gedeutet werden, wenn der Beschuldigte nicht in Kenntnis des Rechts auf eine Berufungsverhandlung war (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/03/0195, mwN).

Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nicht rechtsfreundlich vertreten; er hat in der von ihm gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis erhobenen Berufung zwar nicht die Durchführung einer Berufungsverhandlung beantragt, es lässt sich aber aus dem Verwaltungsakt nicht entnehmen, dass er Kenntnis von der Möglichkeit einer solchen Antragstellung hatte und auf eine Berufungsverhandlung verzichten wollte.

Ausgehend davon ist das Berufungsverfahren, in dem keine Verhandlung stattgefunden hat, mangelhaft geführt worden.

Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass dieser Verfahrensmangel für das Verfahrensergebnis von Relevanz war.

4. Der angefochtene Bescheid war daher im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-86711