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VwGH vom 05.03.2021, Ra 2020/09/0061

VwGH vom 05.03.2021, Ra 2020/09/0061

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , LVwG-302739/3/KI/CG, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz; mitbeteiligte Partei: A B in C), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom wurde die Mitbeteiligte schuldig erkannt, als Arbeitgeberin zwei namentlich genannte iranische Staatsangehörige in näher angeführten Zeiträumen als Paketzusteller beschäftigt zu haben, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Wegen der dadurch in zwei Fällen begangenen Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) wurde über sie eine Geldstrafe von 1.000 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden) verhängt.

2Die dagegen erhobene Beschwerde der Abgabenbehörde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für unzulässig.

3Die in der Beschwerde bekämpfte Verhängung einer Gesamtstrafe für beide Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes begründete das Verwaltungsgericht mit einem Hinweis auf das in Folge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom , Maksimovic, C-64/18, u.a., ergangene, eine Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2019/11/0033, 0034. Danach könne eine unionsrechtskonforme Rechtslage mit Hilfe der Verdrängung von nationalem Recht am ehesten dadurch hergestellt werden, dass die Wortfolge „für jede/n Arbeitnehmer/in“ in § 7i Abs. 4 AVRAG unangewendet bleibe.

4Da das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union auch hinsichtlich der Bestimmungen nach § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG betreffend Gewährleistung der Einhaltung der arbeitsrechtlichen Verpflichtung ergangen sei, sei die Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz auch auf die genannten Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes anzuwenden. Es sei daher nur mehr eine Strafe zu verhängen, auch wenn die Verletzung mehrere Arbeitnehmer betreffe. Im genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sei auch keine Unterscheidung hinsichtlich der gestaffelten Strafsätze vorgenommen worden.

5Dem Beschwerdevorbringen, dass kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliege hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass schon der Name „Ausländerbeschäftigungsgesetz“ einen Auslandsbezug bzw. einen grenzüberschreitenden Bezug indiziere, weil es sich ausschließlich um die Beschäftigung von Ausländern, also nicht österreichischen Staatsbürgern, handle. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe im genannten Erkenntnis keine Unterscheidung zwischen Sachverhalten mit Auslandsbezug und rein nationalen Sachverhalten getroffen.

6Nach § 28 AuslBG komme jedermann als Beschuldigter in Frage, sodass die Strafbestimmungen ohne Unterschied der Person des/der Beschuldigten anzuwenden seien. Zudem müssten der Straftatbestand und die Strafdrohung nach den Grundsätzen des § 1 VStG feststehen und für den Täter vorhersehbar sein. Es könne daher ein und dasselbe Tatverhalten nicht unterschiedlich rechtlich beurteilt werden. Für eine unterschiedliche Bestrafung von identen Sachverhalten gebe es keine sachliche Rechtfertigung.

7Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die Rechtsfrage bereits geklärt sei (Hinweis auf , 0034).

8Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts. In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren wurde eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet.

9Der revisionswerbende Bundesminister begründet die Zulässigkeit der Revision zusammengefasst unter anderem damit, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () abweiche, wonach es bei einem reinen Inlandssachverhalt nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG nicht zu einer aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom , Maksimovic, C-64/18, u.a., ableitbaren Verdrängung nationalen Rechts komme und somit für jeden unerlaubt beschäftigten Ausländer eine Strafe zu verhängen sei. Das Landesverwaltungsgericht habe in diesem Zusammenhang verkannt, dass das Urteil in der Rechtssache Maksimovic, C-64/18, u.a., im Zusammenhang mit einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV stehe, und sich auf Sachverhalte beziehe, welche Entsendungen oder grenzüberschreitende Überlassungen von Arbeitskräften beträfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

11Der Verwaltungsgerichtshof hat inzwischen bereits einen vom Sachverhalt und den zu lösenden Rechtsfragen in allen wesentlichen Punkten vergleichbaren Fall mit Erkenntnis vom , Ra 2020/09/0025, entschieden, weshalb vorweg gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dessen Begründung verwiesen wird (siehe auch ).

12Wie im genannten Erkenntnis ausgeführt wurde, steht jedenfalls für den - auch hier anzuwendenden - ersten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG, der bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro vorsieht, das Unionsrecht der uneingeschränkten Anwendung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht entgegen. So ergibt sich aus der Begrenzung der Anwendbarkeit dieses Strafsatzes auf Übertretungen betreffend die erstmalige unberechtigte Beschäftigung von höchstens drei Ausländern bereits eine Strafobergrenze von maximal 30.000 Euro. Auch die Untergrenze von 1.000 Euro je unberechtigt beschäftigtem Ausländer stellt sich nicht als unverhältnismäßig dar (siehe auch die insoweit auf das Ausländerbeschäftigungsgesetz übertragbaren Ausführungen in ).

13Das Argument des Landesverwaltungsgerichts, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2019/11/0033, 0034, keine Unterscheidung hinsichtlich gestaffelter Strafsätze vorgenommen habe, ist schon deshalb nicht zielführend, weil dort eine Bestrafung nach dem vierten Strafsatz des § 7i Abs. 4 AVRAG zu beurteilen war. Aus dem Fehlen von Aussagen zum ersten Strafsatz dieser oder einer vergleichbaren Bestimmung lässt sich daher für den vorliegenden Fall nichts ableiten. (Die Nachfolgebestimmung des § 26 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz [LSD-BG] sieht - anders als das Ausländerbeschäftigungsgesetz und etwa auch § 28 LSD-BG - keine nach der Anzahl der illegal beschäftigten Ausländer gestaffelten Strafsätze vor, sondern bloß eine Strafverschärfung für den Wiederholungsfall.) Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte ebenfalls keine Bestrafung nach dem ersten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG zu beurteilen.

14Die weiteren Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts, dass das Ausländerbeschäftigungsgesetz immer einen Auslandsbezug aufweise, greifen aus folgenden Gründen zu kurz: In dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (ebenso , 0196; , u.a.) kam es deshalb zu einer Verdrängung von nationalem Recht, weil in den dort zu beurteilenden Sachverhalten die unangewendet gelassenen Bestimmungen des nationalen Rechts die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV in unzulässiger Weise beschränkten. Um in diesem Zusammenhang eine gebotene Verdrängung nationalen Rechts annehmen zu können, ist jedoch das Vorliegen eines Sachverhalts mit Unionsbezug erforderlich, in der der freie Dienstleistungsverkehr nach Art. 56 AEUV zum Tragen kommt. Voraussetzung ist somit ein Sachverhalt, dem eine zwischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erbrachte Dienstleistung im Sinn des Art. 57 AEUV zugrunde liegt (siehe auch dazu ; vgl. auch ).

15Ein solcher Sachverhalt war hier, wo zwei iranische Staatsangehörige im Inland direkt von einer inländischen Arbeitgeberin beschäftigt wurden, jedoch nicht zu beurteilen. Bei einer solchen, einen reinen Inlandssachverhalt (im Gegensatz zu einem solchen mit Unionsrechtsbezug) darstellenden, unberechtigten Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG kommt es daher nicht zu einer aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom , Maksimovic, C-64/18, u.a. ableitbaren Verdrängung nationalen Rechts.

16Angesichts des nicht vergleichbaren Sachverhalts und der hier anzuwendenden Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG bestehen auch nicht die vom Verwaltungsgericht angedeuteten Bedenken im Hinblick auf § 1 VStG.

17Es wäre daher auch im hier zu beurteilenden Fall für jeden unerlaubt beschäftigten Ausländer eine Strafe zu verhängen gewesen. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

18Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020090061.L00

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