VwGH vom 26.02.2021, Ra 2020/09/0046
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 26/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W156 2229718-1/4E, betreffend Versagung der Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit Bescheid vom versagte die gemäß § 20d Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) mit dem Antrag des Revisionswerbers, einem serbischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte“ befasste vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Zulassung als „sonstige Schlüsselkraft“ gemäß § 12b Z 1 AuslBG.
2Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem Revisionswerber nur 20 Punkte für die durch seinen 2018 erworbenen Diplomabschluss/Fachausbildung als Baublecher erlangte Qualifikation sowie 10 Punkte für sein Alter anzurechnen seien. Für das Deutschzertifikat A2 könnten ihm keine Punkte vergeben werden, weil dieses vor mehr als zwölf Monaten erworben worden sei, für seine Berufserfahrung deshalb nicht, weil er den Diplomabschluss erst nach Beendigung seines Dienstverhältnisses am erlangt habe.
3In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde beantragte der Revisionswerber die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und brachte zu den strittigen Punkten zusammengefasst vor, dass die ersten drei Jahre seiner Berufstätigkeit im Ausland von 1995 bis 2017 als Ausbildung zu werten seien. Ab Oktober 1998 bis 2017 sei er hingegen als vollwertiger Mitarbeiter tätig gewesen. Diese Zeit stelle eine anzurechnende Berufserfahrung dar. Dabei schade es nicht, dass er 2018/2019 zusätzlich ein Diplom im Fachbereich erworben habe. Er sei bereits ab 1995 angelernt worden und habe über alle notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Tätigkeit verfügt. Das Diplom stelle nur ein Plus für ihn dar, könne ihm aber nicht negativ dahingehend ausgelegt werden, dass die Tätigkeit von fast 25 Jahren in diesem Bereich nicht zu berücksichtigen wäre. Hinsichtlich der Deutschkenntnisse sei der Anlage C zu § 12b AuslBG nicht zu entnehmen, dass das Sprachzertifikat nicht älter als zwölf Monate sein dürfe.
4Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
5Das Verwaltungsgericht stellte in seinem Erkenntnis fest, dass der Revisionswerber über einen am erworbenen Abschluss als Baublecher verfüge. Er habe eine über 22-jährige Berufserfahrung im Bereich Blecherei, die er vom bis in Serbien erworben habe. Er könne Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 nachweisen. Der Revisionswerber solle als „Spengler“ tätig werden und dafür eine monatliche Entlohnung in Höhe von € 3.222,-- erhalten.
6Rechtlich beurteilte das Verwaltungsgericht diesen Sachverhalt nach Darstellung maßgeblicher gesetzlicher Bestimmungen dahingehend, dass der Revisionswerber zumindest seit September 2018 eine abgeschlossene Ausbildung als Baublecher vorweisen könne. Strittig sei, ob die vor dem formalen Abschluss der Ausbildung erworbene Berufstätigkeit zur Punktevergabe herangezogen werden könne. Von einer ausbildungsadäquaten Berufserfahrung könne nur dann ausgegangen werden, wenn eine entsprechende abgeschlossene Berufsausbildung vorangegangen sei. Aus der vorgelegten Arbeitsbestätigung gehe jedoch hervor, dass der Revisionswerber im Zeitraum von September 1995 bis Ende Dezember 2017 und somit vor dem Erwerb seines Ausbildungsabschlusses gearbeitet habe.
7Den Erläuterungen (RV 1077 BlgNR 24. GP, 12) sei zum Erfordernis einer „einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung“ des § 12a Z 1 AuslBG zu entnehmen, dass nur Fachkräfte zugelassen werden könnten, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem solchen Mangelberuf nachweisen könnten, die einem Lehrabschluss vergleichbar sei. Als abgeschlossene Berufsausbildung gelte auch der erfolgreiche Abschluss einer schulischen Ausbildung, die dem Abschluss einer berufsbildenden höheren Schule in Österreich entspreche. Dementsprechend hoch sei die Qualifikation auch im Kriterienkatalog der Anlage B bewertet. Der Gesetzgeber sehe damit als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung im Sinn der Anlage B einen österreichischen Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung vor (Hinweis auf ). Gleiches müsse für das Erfordernis einer „abgeschlossenen Berufsausbildung“ im Sinn der Anlage C gelten, zumal sich weder aus den Erläuterungen noch aus dem systematischen Zusammenhang oder dem Wortlaut Anhaltspunkte ergäben, dass an die „abgeschlossene Berufsausbildung“ im Sinn der Anlage C geringere Anforderungen bestünden als an jene nach der Anlage B. Ausgehend davon, dass der Revisionswerber somit zu Beginn der Berufstätigkeit über keine entsprechende abgeschlossene Berufsausbildung verfügt habe, sei aus der erfolgten beruflichen Tätigkeit für ihn nichts zu gewinnen. Sofern er vorbringe, dass er über spezielle Fertigkeiten und Kenntnisse verfüge, die zumindest einen angelernten Beruf nahe legten, sei anzumerken, dass den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu sonstigen Schlüsselkräften zufolge das zusätzliche Kriterium „spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten“ in der Anlage C alternativ zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung gelte und sicherstellen solle, dass Profisportler aber auch sonstige Spezialisten zugelassen werden könnten, die über keine formelle (Berufs-)Ausbildung verfügten. Da der Revisionswerber jedoch über einen formellen Abschluss als Baublecher aus dem Jahr 2018 verfüge, könne auch dieses Vorbringen nicht zum Erfolg führen. Das Vorliegen derart spezieller Kenntnisse oder Fertigkeiten in der beabsichtigten Beschäftigung, wie sie Profisportler und andere Spezialisten besäßen, sei zu keinem Zeitpunkt behauptet worden und auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Punkte für eine ausbildungsadäquate Berufserfahrung könnten daher nicht vergeben werden. Mangels abgeschlossener Berufsausbildung vor Erwerb der Berufserfahrung oder spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinn der Anlage C gebührten dem Antragsteller somit keine Punkte für eine ausbildungsadäquate Berufserfahrung.
8Hingegen seien dem Revisionswerber die Punkte für die von ihm erworbenen Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 anzurechnen, weil für die Prüfung der Punkteanzahl die Bestimmung des § 21a NAG, dass ein Sprachzertifikat nur ein Jahr gelte, nicht anzuwenden sei. Dem Gesetzestext sei eine derartige Einschränkung der Anerkennung der Sprachdiplome nicht zu entnehmen. Zwar möge bei Kenntnissen auf einfachstem Niveau (A1) in Frage stehen, ob nach einem Jahr - ohne Gebrauch der Sprache - die Kenntnisse wieder abgebaut würden; im gegenständlichen Fall gelte dies schon deshalb nicht, weil der Revisionswerber das Niveau A2 erreicht habe.
9Auf Grund der fehlenden ausbildungsadäquaten Berufserfahrung seien daher gemäß Anlage C lediglich für die Sprachkenntnisse und das Alter jeweils 10 Punkte und für die abgeschlossene Berufsausbildung 20 Punkte, gesamt somit 45 Punkte (gemeint wohl: 40 Punkte), anzurechnen. Mangels Erreichens der Mindestpunkteanzahl von 55 sei die Zulassung als Schlüsselkraft nach § 12b Z 1 AuslBG daher zu verweigern gewesen.
10Den Entfall der mündlichen Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen sei, weil der festgestellte Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erscheine und durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten gewesen sei. Es sei auch keine Frage der Beweiswürdigung aufgetreten, sodass dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehe.
11Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht fallunspezifisch mit dem Fehlen grundsätzlicher Rechtsfragen.
12Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die rechtzeitige, Rechtswidrigkeit des Inhalts und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende außerordentliche Revision. Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.
13Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision unter anderem darin gelegen, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erforderlichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewichen sei. Schon unter diesem Aspekt ist die Revision zulässig und auch begründet.
15§ 12b und Anlage C zum Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018, lauten:
„Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen
§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie
1.die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder
2.ein Diplomstudium zumindest ab dem zweiten Studienabschnitt bzw. ein Bachelorstudium, ein Masterstudium oder ein (PhD-)Doktoratsstudium an einer inländischen Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität absolviert und erfolgreich abgeschlossen haben und für die beabsichtigte Beschäftigung, die ihrem Ausbildungsniveau zu entsprechen hat, ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens dem ortsüblichen Entgelt inländischer Studienabsolventen mit einer vergleichbaren Tätigkeit und Berufserfahrung entspricht, jedenfalls aber mindestens 45 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 ASVG zuzüglich Sonderzahlungen beträgt,
und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Bei Studienabsolventen gemäß Z 2 entfällt die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall.“
„Anlage C
Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kriterien | Punkte |
Qualifikation | maximal anrechenbare Punkte: 30 |
abgeschlossene Berufsausbildung oder spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung | 20 |
allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120 | 25 |
Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer | 30 |
ausbildungsadäquate Berufserfahrung | maximal anrechenbare Punkte: 20 |
Berufserfahrung (pro Jahr)Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr) | 24 |
Sprachkenntnisse Deutsch | maximal anrechenbare Punkte: 15 |
Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1)Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1) | 51015 |
Sprachkenntnisse Englisch | maximal anrechenbare Punkte: 10 |
Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1) | 510 |
Alter | maximal anrechenbare Punkte: 15 |
bis 30 Jahrebis 40 Jahre | 1510 |
Summe der maximal anrechenbaren PunkteZusatzpunkte für Profisportler/innen und Profisporttrainer/innen | 9020 |
erforderliche Mindestpunkteanzahl | 55“ |
16Soweit der Revisionswerber die Nichtdurchführung der beantragten mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht rügt, gleicht der vorliegende Fall sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht in seinen entscheidungswesentlichen Umständen insofern, als es sich beim Verfahren betreffend die Zulassung von Ausländern zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft um ein „civil right“ im Sinn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Jurisic und Collegium Mehrerau/Österreich, 62539/00, sowie EGMR , Coorplan-Jenni GmbH und Hascic/Österreich, 10523/02) handelt und die Parteien bei einer solchen Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen grundsätzlich ein Recht darauf haben, dass ihre Angelegenheit in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem in der Sache entscheidenden Gericht erörtert wird und hier weder ausschließlich rechtliche noch bloß hochtechnische Fragen zu klären waren, jenem Fall, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2015/09/0051, zu Grunde lag und auf dessen Begründung daher zunächst gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird (vgl. auch , mwN).
17Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei einem rechtswidrigen Unterlassen einer nach Art. 6 EMRK gebotenen mündlichen Verhandlung keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen ist. Diese zu Art. 6 EMRK entwickelte Rechtsprechung findet in gleicher Weise für das auf Art. 47 GRC gestützte Recht auf mündliche Verhandlung Anwendung (vgl. auch dazu u.a. , mwN).
18Anders als das Bundesverwaltungsgericht annahm, wurden vom Revisionswerber im Verfahren auch Tatsachenfragen aufgeworfen, die einer Behandlung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bedurft hätten. So hat der Revisionswerber - wie er auch in seiner Revision geltend macht - bereits in seiner Beschwerde im Wesentlichen vorgebracht, dass die ersten drei Jahre seiner Berufstätigkeit als Ausbildung zu werten seien und er danach als vollwertiger Mitarbeiter als Spengler und Schlosser beschäftigt gewesen sei. Die im Jahr 2018 abgelegte Fachprüfung als Bauspengler sei als zusätzlicher Qualifikationsnachweis zu werten.
19In den Gesetzesmaterialien wird zu den Bestimmungen für Fachkräfte in Mangelberufen (§§ 12a und 13 AuslBG) - wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend wiedergab - ausgeführt, dass die abgeschlossene Berufsausbildung in einem Mangelberuf einem Lehrabschluss vergleichbar zu sein hat. Zu den (hier maßgeblichen) sonstigen Schlüsselkräften nach § 12b AuslBG halten die Erläuterungen fest, dass das Kriterien- und Punktesystem für die sonstigen Schlüsselkräfte (Anlage C) im Wesentlichen dem der Fachkräfte in Mangelberufen entspricht. Das zusätzliche Kriterium „spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten“ soll alternativ zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung gelten und sicherstellen, dass Profisportler, aber auch sonstige Spezialisten, die über keine formelle (Berufs-)Ausbildung verfügen, zugelassen werden können (RV 1077 BlgNR 24. GP, 12f).
20Diesen Erwägungen des historischen Gesetzgebers ist nun aber zum einen zu entnehmen, dass die abgeschlossene Berufsausbildung einem Lehrabschluss nur vergleichbar zu sein hat. Zum anderen ist das zusätzliche Kriterium in Anlage C „spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten“ keineswegs auf Profisportler beschränkt, sondern auch all jenen Personen zugänglich, die im Hinblick auf Ausbildung oder Tätigkeit als Spezialisten zu bezeichnen sind, die jedoch über keine formelle (Berufs-)Ausbildung verfügen.
21Wie oben dargestellt brachte der Revisionswerber vor, dass in den ersten drei Jahren seiner Berufstätigkeit, somit in der Zeit von 1995 bis 1998, seine Ausbildung zum Spengler erfolgte. Im vorliegenden Fall kommt es daher entscheidungswesentlich darauf an, ob der Revisionswerber nach seiner „Lehrzeit“ - unabhängig davon, ob er einen formellen Lehrabschluss erlangte - befähigt war, als Facharbeiter zu arbeiten und dies auch tat. In diesem Fall wäre einerseits die Berufstätigkeit nach Abschluss der „Lehrzeit“ von drei Jahren als ausbildungsadäquate Berufstätigkeit zu werten und auch die Qualifikation nach dem Punkteschema zu berücksichtigen. Um den 2018 erworbenen Fachabschluss - wie vorgebracht - als eine zusätzliche Qualifikation zu bewerten ist jedoch ferner entscheidend, ob die in Österreich angestrebte Tätigkeit bereits aufgrund der am Beginn der Berufstätigkeit absolvierten Ausbildung, allenfalls im Zusammenhang mit der anschließenden Berufstätigkeit, ausgeübt werden kann. Wäre hiefür auch der weitere Abschluss erforderlich, kann insoweit nicht von einer über die erforderliche Ausbildung hinausgehende zusätzliche Qualifikation gesprochen werden. In diesem Fall wäre die Berufstätigkeit tatsächlich noch nicht ausbildungsadäquat gewesen.
22Zu diesen Umständen sind jedoch weitere Feststellungen erforderlich, die das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung des entsprechenden Ermittlungsverfahrens - zu treffen gehabt hätte.
23Diesem Ergebnis steht auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/09/0068, nicht entgegen. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung im Zusammenhang mit einem Verfahren betreffend die Zulassung zu einem Mangelberuf nach § 12a AuslBG erging, wies die dort zu beurteilende Ausbildung eine Dauer von lediglich 18 Monaten auf. Schon deshalb war sie nicht als eine mit einer Lehrlingsausbildung vergleichbare, „abgeschlossene Berufsausbildung“ zu werten. Im gegenständlichen Fall brachte der Revisionswerber jedoch vor, den von ihm ausgeübten Beruf in einer Ausbildungszeit von drei Jahren erlernt zu haben. Bei einer solchen Ausbildung steht jedenfalls die Dauer einer Wertung als mit einer Lehrlingsausbildung vergleichbar nicht entgegen.
24Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
25Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020090046.L00 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.