VwGH vom 26.03.2012, 2009/03/0056
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des A G in N, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom , Zl IIb2-4-503/9, betreffend Bewilligung von Außenlandungen und Außenabflügen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung zur Durchführung von Außenabflügen und Außenlandungen mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten motorisierten Paragleiter auf einem näher genannten Grundstück in M gemäß § 9 Abs 2 des Luftfahrtgesetzes, BGBl Nr 253/1957 (LFG), ab.
Begründend führte sie im Wesentlichen Folgendes aus: Der Beschwerdeführer habe die Genehmigung zur Durchführung von Außenstart- und -landebewilligungen mit einem motorisierten Paragleiter für jeweils bis zu fünf Starts im Kalendermonat für die Dauer von einem Jahr beantragt; dem Antrag seien eine Nachprüfungsbescheinigung, das Lufttüchtigkeitszeugnis, der Eintragungsschein und das Stückblatt des beschriebenen Luftfahrzeugs beigelegt worden. Anlässlich der am im Gemeindeamt M durchgeführten Verhandlung habe der Beschwerdeführer das Ansuchen dahin ergänzt, dass ein Abflug des Luftfahrzeuges in östlicher, südlicher und westlicher Richtung beabsichtigt sei, dass am Außenstartplatz keine Wartungs- und Betankungsvorgänge durchgeführt würden und der Beschwerdeführer im Besitz eines allgemeinen Funkzeugnisses sei, weshalb er berechtigt sei, in die Kontrollzone I einzufliegen. Der Beschwerdeführer habe weiters ausgeführt, das eingesetzte Fluggerät sei zugelassen und entspreche den Lärmerfordernissen; der Motor sei zertifiziert und nach der Luftgeräteverordnung zugelassen.
Die Gemeinde M habe eine Stellungnahme abgegeben, in der sie sich gegen die beantragte Bewilligung ausgesprochen habe, weil in der Gemeinde ein neues Rehazentrum (mit Kurcharakter und erhöhten Anforderungen an Ruhe) entstehe und sich zusätzlicher Lärm für die Patienten nur negativ auswirken könne; M sei eine lärmgeplagte Gemeinde mit geplanten teuren Lärmschutzmaßnahmen an der Bahn- und Autobahnstrecke, weshalb zusätzlicher Lärm nur abgelehnt werden könne, und zudem Sitz eines Alten- und Pflegeheims, wo Lärmschutz, wie auch für die gesamte Bevölkerung, eine große Dringlichkeit besitze.
Dazu habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass bei Einhaltung der Mindesterfordernisse hinsichtlich der Flughöhe ein Lärm für die Anrainer ausgeschlossen sei; es würde weder ein Auspuff- noch ein Propellergeräusch hörbar sein. Das Fluggerät habe eine Steigerate von 2 bis 3 m pro Sekunde und könne durch "Aufkreisen" auch punktuell an Höhe gewinnen. Beim Landevorgang wäre es sogar möglich, den Motor auszuschalten oder auf Standgas zu betreiben.
Auch nach einem vor Vertretern der Gemeinde M durchgeführten "Demonstrationsflug" habe die Gemeinde die Erteilung einer luftfahrtrechtlichen Bewilligung abgelehnt.
Der Beschwerdeführer habe dazu vorgebracht, dass anlässlich des Demonstrationsflugs sämtliche Beteiligten festgestellt hätten, dass der Betrieb des motorisierten Paragleiters mit keinerlei Schallbelästigung verbunden sei, zumal der Motor und der Propeller nur äußerst geringe Betriebsgeräusche verursachten. Mit einer Verletzung öffentlicher Interessen durch den Betrieb des motorisierten Paragleiters sei nicht zu rechnen, weil das Fluggerät zertifiziert und zugelassen sei; das Prüfungsverfahren habe insbesondere die Beurteilung der Lärm- und Abgasemission beinhaltet; beide Werte befänden sich im Bereich der gesetzlichen Norm. Es sei daher schon im Zulassungsverfahren das öffentliche Interesse an geringen Lärmimmissionen und Abgasemissionen berücksichtigt worden, sodass auf die Einwände der Gemeinde nicht Rücksicht zu nehmen sei.
Nach einer Darlegung von § 9 Abs 1 und 2 LFG führte die belangte Behörde aus, im Verfahren nach § 9 Abs 2 LFG sei zu prüfen, ob der Erteilung der Bewilligung öffentliche Interessen entgegen stehen, wobei die Vermeidung von störenden Einwirkungen der Luftfahrt in Form einer Lärmbelästigung der Bevölkerung im öffentlichen Interesse liege. Bei dieser Überlegung seien die nahgelegenen Siedlungen in M und K, sowie das geplante und nahe gelegene Rehazentrum und das Pflegeheim der Gemeinde berücksichtigt worden.
Im gegenständlichen Fall sei in Hinsicht auf die Lage des Start- bzw Landeplatzes in der Nähe von bewohnten Gebieten und der angeführten Einrichtungen evident, dass die Bevölkerung durch die Lärmemissionen des Luftfahrzeuges beeinträchtigt werde. Dies sei auch der Fall, wenn das vom Beschwerdeführer beschriebene An- und Abflugverfahren eingehalten werde. Daran ändere der Hinweis auf die Zulassung des Fluggeräts nichts, zumal damit nicht über die Lautstärke und die Auswirkungen des Lärms auf die Umgebung abgesprochen würde. Es bestünden daher eindeutig öffentliche Interessen gegen die Erteilung der Bewilligung. Diese käme daher nur dann in Frage, wenn für die beantragte Bewilligung ein - höher zu bewertendes - gegenteiliges öffentliches Interesse bestünde, was aber gar nicht geltend gemacht worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. Klarzustellen ist zunächst, dass eine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den angefochtenen Bescheid weiterhin besteht, das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der inhaltlichen Erledigung der Beschwerde daher nicht weggefallen ist:
Im Spruch des angefochtenen Bescheids wird die vom Beschwerdeführer angestrebte Bewilligung - ohne eine zeitliche Einschränkung - versagt. Der verfahrenseinleitende Antrag des Beschwerdeführers vom enthielt, abgesehen von der Wendung, der Beschwerdeführer wolle "je nach Wetterverhältnissen zwischen 0 und 5 Mal im Monat starten", keine zeitliche Einschränkung des Antrags, ist also als auf unbestimmte Zeit gerichtet anzusehen. Daran ändert der Umstand, dass die vorgelegte Urkunde über die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers nur den Zeitraum von bis abdeckt, nichts, zumal der Beschwerdeführer auch im folgenden Verfahren eine Einschränkung seines Antrags nicht vorgenommen hat.
Die Beschwerde ist daher - weiterhin - zulässig.
2. Sie ist auch begründet.
2.1. Gemäß § 9 Abs 1 LFG dürfen zum Abflug und zur Landung von Luftfahrzeugen, soweit nicht in den Abs 2 bis 4 und in § 10 etwas anderes bestimmt ist, nur Flugplätze benützt werden.
Gemäß § 9 Abs 2 LFG dürfen Abflüge und Landungen außerhalb eines Flugplatzes (Außenabflüge und Außenlandungen), soweit es sich um Zivilluftfahrzeuge handelt, nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes durchgeführt werden. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstehen oder ein am Außenabflug oder an der Außenlandung bestehendes öffentliches Interesse ein allenfalls entgegenstehendes öffentliches Interesse überwiegt. Die Bewilligung ist befristet und, insoweit dies zur Wahrung der öffentlichen Interessen erforderlich ist, mit Bedingungen und Auflagen zu erteilen.
2.2. Die belangte Behörde hat die Abweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags darauf gestützt, dass die Bevölkerung durch die Lärmemissionen des Luftfahrzeuges beeinträchtigt würde, weshalb öffentliche Interessen gegen die Erteilung der Bewilligung sprechen.
2.3. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom , Zl 96/03/0332, und vom , Zl 94/03/0065), liegt der Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren und störenden Einwirkungen der Luftfahrt, zu dem auch die Hintanhaltung von Gefährdungen und Belästigungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Außenabflügen und Außenlandungen gehört, grundsätzlich im öffentlichen Interesse. Dies gilt insbesondere auch für die Vermeidung von Lärm, insbesondere mit Blick auf den Schutz der Anrainer. Die belangte Behörde hat also mit dem Hinweis auf zu erwartende Erregung störenden Lärms einen im Verfahren nach § 9 Abs 2 LFG durchaus relevanten Gesichtspunkt angesprochen.
Bei dieser Beurteilung sind allerdings die im Einzelfall konkret gegebenen Umstände, insbesondere die Lage des Start- und Landeplatzes und dessen Umgebung, zu berücksichtigen (vgl das zitierte Erkenntnis Zl 96/03/0332).
3. Die belangte Behörde hat zu diesen Umständen, insbesondere zur Entfernung zwischen Start- bzw Landeplatz und Anrainern, sowie zur Art und Ausmaß der Wahrnehmbarkeit des im Betrieb befindlichen Fluggeräts, keine Feststellungen getroffen, sich vielmehr, was die Einwirkung durch Lärm anlangt, mit der Einholung von (ablehnenden) Stellungnahmen der Gemeinde begnügt, was die Beschwerde mit Recht rügt.
4. Diesem Verfahrensmangel kommt auch Relevanz zu: Zwar trifft die Auffassung der Beschwerde nicht zu, es stehe schon wegen der erfolgten Zertifizierung und Zulassung des einzusetzenden Fluggeräts fest, dass die Schallemissionen des Fluggeräts dem öffentlichen Interesse nach § 9 Abs 2 LFG nicht entgegenstehen: Der Umstand, dass die entstehende Lärm- und Abgasentwicklung "im Bereich der gesetzlichen Norm" liege, weil das betreffende Luftfahrtgerät "zertifiziert" sei, bedeutet noch keineswegs, dass die Lärmentwicklung nicht im Sinne des § 9 Abs 2 LFG gegen ein öffentliches Interesse am Schutz vor Lärmemissionen verstößt (vgl das zitierte hg Erkenntnis Zl 94/03/0065), kommt es dabei doch entscheidend auf die Verhältnisse im Einzelfall, also insb am geplanten Ort der Außenlandung, an.
Umgekehrt kann auch nicht gesagt werden, dass die mit dem Betrieb eines (motorisierten) Luftfahrzeugs und dem Start bzw der Landung im Bereich außerhalb eines Flugplatzes zwingend verbundenen Emissionen (Geräusch- und Abgasentwicklung) jedenfalls schon für sich genommen einer Bewilligung nach § 9 Abs 2 LFG entgegenstehen, würde doch sonst das Erlangen einer derartigen Bewilligung, auf die - bei Erfüllung der Voraussetzungen - ein Rechtsanspruch besteht (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 99/03/0242)), regelmäßig unmöglich.
5. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der dargestellten Verfahrensmängel zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am